GEOMETRIE DER POLYEDER Das Polyeder P sei gegeben durch P = x R n Ax b. Definition. (i) Die Hyperebene H = x R n c T x = d,c, heißt Stützhyperebene von P, falls die Ungleichungc T x d redundant ist bzgl. Ax b und P H gilt. (ii) Sei H Stützhyperebene von P. Dann heißt F = P H Seitenfläche (Seite) von P. (iii) Eine Seite F von P heißt nichttrivial, falls F P gilt. Satz 2.11.F ist eine Seite vonp Es existiert ein Teilsystem A x b von Ax b mitf = x P A x = b. Folgerung. 1. Jedes Polyeder hat endlich viele Seiten. 2. Jede Seite eines Polyeders ist wieder ein Polyeder. 3. Sei F Seite von P und F F. Dann gilt: F Seite vonp F Seite vonf. Definition. Eine Ungleichunga T x β aus Ax b heißt implizite Gleichung, falls gilt: x : Ax b = a T x = β. Bezeichnungen: A = x = b = : System der impliziten Gleichungen aus Ax b A + x b + : System der verbleibenden Ungleichungen aus Ax b I + := i a T i ist Zeile vona + Lemma 2.12. Sei P. Dann existiert einx P mita = x = b = unda + x < b +. Maximale Seiten: Definition. Eine bezüglich der Mengeninklusion maximale nichttriviale Seite von P heißt Facette. Facetten können mit Hilfe nichtredundanter Ungleichungen aus A + x b + charakterisiert werden. Satz 2.13. Sei I + und sei keine der Ungleichungen a T i x β i, i I +, redundant bzgl. A + x b +. Dann gilt: F ist Facette vonp F = x P a T i x = β i für ein i I +. Beweis: ( ):F ist Seite vonp. Nach Satz 2.11 ist dannf = x P A x = b für ein Teilsystem A x b vonax b. Wegen F P ist das Teilsystem aus A + x b + wählbar. Betrachte nun F i = x P a T i x = β i für ein i I miti := i a T i ist Zeile vona I +.F i ist nach Satz 2.11 und wegeni I + eine nichttriviale Seite von P. Nach Konstruktion giltf F i. DaF maximal ist, mussf = F i gelten. ( ): Man sieht unmittelbar: F = x P a T i x = β i ist nach Satz 2.11 eine Seite von P. F ist wegeni I + eine nichttriviale Seite von P. 1
Noch zu zeigen: F ist maximal. Sei F P eine beliebige nichttriviale Seite von P mit F F. Nach Satz 2.11 ist dann F = x P A x = b für ein Teilsystem A x b aus Ax b. Insbesondere ist dieses Teilsystem aus A + x b + wählbar, da F eine nichttriviale Seite ist. Nach Lemma 2.12 existiert ein x P mita = x = b =,A + x < b +. Also gilt (dai I + ) a T i x < β i. (*) Sei A + i x b i das reduzierte System, das aus A + x b + durch Streichen der Zeile i entsteht. Die Ungleichunga T i x β i ist nach Voraussetzung nicht redundant bezüglichax b. Es existiert also ein x mita = x = b =,A + i x b i, aber a T i x > β i, (**) d.h.x / P. Wegen (*) und (**) existiert ein λ (,1) mit λ a T i x +(1 λ) a T i x = β + i. Nach Wahl vonx,x gilt dann für x = λx +(1 λ)x : A = x = λ A = x +(1 λ) A = x = b = =b = =b = A + i x = λ A i x +(1 λ) A ix < b <b + i b + i + i a T i x = λ a T i x +(1 λ) a T i x = β + i, also x F F. Damit ist x F mit A + i x < b + i. Die Seite F wurde durch das Teilsystem A x = b aus A + x b + beschrieben. Dieses kann also nur aus der Gleichung a T i x = β + i bestehen. Folglich istf = F, alsof maximal. q.e.d. Folgerung. 1. Jede nichttriviale Seite von P ist Durchschnitt von Facetten. 2. P ist affiner Teilraum P hat keine nichttrivialen Seiten. Minimale Seiten: Die folgenden Sätze gestatten eine Charakterisierung der bzgl. der Mengeninclusion minimalen Seiten eines Polyeders P = x R n Ax b. Dabei enthalte das System Ax b keine redundanten Ungleichungen. Satz 2.14.F ist minimale Seite von P F = x R n A x = b P für ein TeilsystemA x b aus Ax b. Minimale Seiten sind also affine Teilräume des Polyeders. Satz 2.15. Für jede minimale Seite F von P gilt: dim F = n Rang A. Ecken: Eine besondere Rolle spielen-dimensionale minimale Seiten vonp. Definition. (i) x P heißt Ecke vonp, falls x Seite vonp ist. (ii) Das PolyederP heißt spitz, fallsp Ecken besitzt. 2
Eine Ecke ist also eine minimale Seite der Dimension. Aus den Sätzen 2.14 und 2.15 folgt damit: x ist Ecke vonp x P und x = x R n A x = b für eine Teilmatrix A R m n von A mit RangA = RangA = n. Satz 2.16. Rang A = n P ist spitz. Jede Seite von P ist spitz. Kanten und Nachbarecken: Wir betrachten nun Seiten der Dimension 1. Definition. (i) Eine SeiteK = x P A x = b von P heißt Kante, falls dimk = 1 gilt. (ii) Zwei verschiedene Ecken x,x von P heißen benachbart, falls es eine Kante K von P gibt mitx,x K. Eine Kante K ist als Seite ein Teilpolyeder von P R n. Mit den impliziten Gleichungen und den verbleibenden Ungleichungen findet man eine Darstellung ( ) ( ) K = x P A = b = x = mit dimk = 1 mit einem TeilsystemA x b ausa + x b +. Es gilt also: ( ) A = Rang = n 1. Die Kanten eines Polyeders kann man nun folgendermaßen bestimmen: A TeilmatrixA R m n vonaauswählen mit Rang A = n 1; A Lösungsmenge vona x = b bestimmen; dim ( P x R 2 A x = b ) prüfen. Polyeder vom Typ III: Für die weiteren Untersuchungen ist es wichtig, Ecken von solchen Polyedern, die in der Form von Typ III gegeben sind, zu charakterisieren. Sei jetzt also b P = x R n Ax = b,x. Bezeichnungen: supp(x) := i 1,...,n x i > a j, j = 1,...,n : Spaltej von A a T i, i = 1,...,m : Zeileivon A Satz 2.17. Ist P = x R n Ax = b,x, dann ist P spitz. Außerdem sind folgende Aussagen äquivalent: (i) x ist Ecke vonp. (ii) Die Spalten a j vonasind linear unabhängig. j supp(x) Durch seine Ecken und Kanten ist jedes Polyeder vollständig bestimmt. Mit Hilfe des Darstellungssatzes von Motzkin erhält man für spitze Polyeder die folgende Darstellung: Satz 2.18. SeiP R n ein spitzes Polyeder und seienx 1,...,x k die Ecken sowiev 1,...,v l Kantenvektoren vonp. Dann gilt: k l k x P x = λ i x i + µ j v j mit λ i, λ i = 1, µ j. i=1 j=1 i=1 3
BEISPIEL Das Polyeder P = x R 2 Ax b sei gegeben als Lösungsmenge des folgenden Systems: x 1 + x 2 8 (1) 3x 1 2x 2 9 (2) x 2 6 (3) x 1 x 2 (4) x 1 (5) x 2 (6) 1 1 8 3 2 9 mit A = 1 1 1, b = 6. 1 1 BESTIMMUNG VON ECKEN Wegen RangA = 2 ist P spitz. Die Ecken kann man folgendermaßen bestimmen: TeilmatrixA R 2 2 vonaauswählen mit Rang A = 2; A x = b lösen; x P (d.h. restliche Ungleichungen) prüfen. Es gibt höchstens... Ecken. Insbesondere stellt man fest: es gibt... Schnittpunkte, darunter... Ecken; Restriktion... ist redundant; die Restriktionen... liefern keinen Schnittpunkt. Wir prüfen etwa folgende Varianten: Restriktion A b Eigenschaft Ecke 1.) (1), (3) 2.) (2), (3) 3.) (3), (6) 4.) (5), (6) ( ) 1 1 ( ) 8 1 6 ( ) ( ) 3 2 9 1 6 ( ) ( ) 1 6 1 ( 1 ) ( ) 1 4
BESTIMMUNG VON KANTEN UND NACHBARECKEN Die Kanten kann man folgendermaßen bestimmen: TeilmatrixA R 1 2 vonawählen mit Rang A = 1; LösungsmengeL vona x = b bestimmen; falls dim ( P L ) = 1 gilt, dann istk = P L eine Kante vonp. Es gibt höchstens... Kanten. Wir prüfen folgende Varianten mit RangA = 1: (1): x R 2 x 1 +x 2 = 8 = x R 2 x = x R 2 x 1 +x 2 = 8 P bestimmen: K = ( ) 8 t t t (2) 3(8 t) 2t 9 (3) (4) 8+t t (5) 8+t (6) t, dimk = benachbarte Ecken: (4): x R 2 x 1 +x 2 = = x R 2 x = x R 2 x 1 +x 2 = P bestimmen: (1) (2) (3) (5) (6) K =,dimk = 5
LOKALES KOORDINATENSYSTEM Das neue Koordinatensystem bezüglich der Ecke x wird folgendermaßen bestimmt: ( ( 2 x = = Ursprungȳ = ; 6) ) zugehörige (inzidente) Kanten = Koordinatenachsen Koordinatentransformation: y 1 := 8 x 1 x 2 y 2 := 6 x 2 x1 = x 2 = Das Polyeder P wird im neuen Koordinatensystem folgendermaßen beschrieben: Hier lassen sich Nachbarecken vonȳ einfach bestimmen: längs Kantey 1 = : y = = x = längs Kantey 2 = : y = = x = 6
CHARAKTERISIERUNG VON ECKEN IM TYP III Durch Einführen von Schlupfvariablenx 1,...,x 6 ist das PolyederP äquivalent zu beschreiben als LösungsmengeP III R 6 des folgenden Systems vom Typ III: Wir prüfen etwa folgende Punkte: x 1 + x 2 +x 3 = 8 3x 1 2x 2 + x 4 = 9 x 2 + x 5 = 6 x 1 x 2 + x 6 = x 1,...,x 6 1.) x supp(x) A supp(x) Rang A supp(x) Ecke 2 6 15 8 1 1 3 2 1 1 1 1 1 2.) 3.) 8 9 6 1 7 6 6 1 1 1 1 1 1 3 1 1 1 1 7