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3.2. Polarkoordinaten Die geometrische Bedeutung der komplexen Multiplikation versteht man besser durch die Einführung von Polarkoordinaten. Der Betrag einer komplexen Zahl z x + i y ist r: z x 2 + y 2. Das Argument einer komplexen Zahl z x + i y 0 ist der eindeutige Winkel φ zwischen π (ausschließlich) und π (einschließlich) mit der Eigenschaft x r cos( φ ) und y r sin( φ ). Im Falle z 0, d.h. r 0, sind die beiden Gleichungen natürlich für beliebige Winkel φ erfüllt. Das Argument ist dann nicht definiert. Die Formel von Euler - DeMoivre - Laplace: z x + iy r cos( φ) + i r sin( φ ) r e ( i φ) ergibt sich mit der Abkürzung i φ : cos( φ) + i sin( φ ). e ( ) Später werden wir diese Schreibweise rechtfertigen, indem wir den exakten Zusammenhang mit Exponentialfunktionen klären. Die Additionstheoreme für Sinus und Cosinus sin ( φ + ψ ) sin( φ ) cos( ψ ) + cos( φ ) sin( ψ ) cos ( φ + ψ ) cos( φ ) cos( ψ ) sin( φ ) sin( ψ) liefern nun die besonders nützliche

Multiplikationsregel Bei der Multiplikation zweier komplexer Zahlen multiplizieren sich die Beträge und addieren sich die Winkel (Argumente). r e ( i φ) s e ( i ψ ) r s e ( i ( + )) φ ψ. Ausführlich: r ( cos( φ) + i sin( φ) ) s ( cos( ψ ) + i sin( ψ )) r s ( cos( φ ) cos( ψ ) sin( φ ) sin( ψ) + i ( cos( φ ) sin( ψ ) + sin( φ ) cos( ψ ))) r s ( cos ( φ + ψ) + i sin ( φ + ψ ) ). Die Multiplikation mit einer komplexen Zahl z bewirkt also eine Drehstreckung: Jede andere Zahl wird bei Multiplikation mit z um die Länge von z "gestreckt" (oder "gestaucht", falls z kleiner als 1 ist) und um das Argument von z gedreht. Die Division durch z bewirkt entsprechend eine Division durch den Betrag von z und eine dem Argument von z entgegengesetzte Drehung. Bei der Division von komplexen Zahlen muß man also die Argumente subtrahieren!

Der Einheitskreis also die Menge der komplexen Zahlen vom Betrag 1, enthält genau die Zahlen e ( i φ ), wobei φ eine beliebige reelle Zahl sein kann. Diese komplexe Funktion (mit φ als Argument!) ist periodisch mit Periode 2 π, d.h. es gilt e ( i φ) e ( i ( φ + 2 n π) ) für jede ganze Zahl n. Multiplikation mit der Zahl e ( i φ) bewirkt eine Drehung um den Winkel φ. Die Konjugierte ( e ( i φ) ) e ( i φ ) 1 e ( i φ) führt zur entgegengesetzten Drehung. Insbesondere bewirkt die Multiplikation mit i e i π 2 eine Drehung um π 2 (d.h. um 900 gegen den Uhrzeigersinn)...... und Multiplikation mit i e ( i φ) eine Drehung um π 2 (d.h. um 900 im Uhrzeigersinn). Schließlich bewirkt die Multiplikation mit e ( i π) 1 eine Drehung um π bzw. 180 0, also eine Spiegelung am Ursprung. Es bleibt noch zu klären, wie man das Argument φ einer in kartesischen Koordinaten gegebenen komplexen Zahl z x + i y bestimmt. Offenbar haben wir y x sin( φ) cos( φ ), falls x nicht 0 ist.

Die Tangensfunktion sin( φ) tan( φ) cos( φ) ist aber nur zwischen π 2 und π 2 (ausschließlich) umkehrbar. Für +π 2 ist sie nicht definiert bzw. gleich +. Die Umkehrfunktion ist der Arcustangens arctan tan ( 1 ) t Indem man genau auf die Vorzeichen achtet, bekommt man für das Argument: φ arctan y x, falls x > 0 φ arctan y + π, falls x < 0 x π φ, falls x 0 und y > 0 2 φ π 2, falls x 0 und y < 0 Manchmal ist es bequemer, mit dem Cosinus statt mit dem Tangens zu arbeiten. Dann braucht man dessen für φ zwischen 0 und π definierte Umkehrfunktion, den Arcuscosinus arccos cos ( 1 ) t

Auflösen der Gleichungen liefert die cos( φ) x r, r z x2 + y 2 Formel für das Argument einer komplexen Zahl z x + i y x φ signum( y ) arccos x 2 + y 2 Wieder ist auf das Vorzeichen zu achten! Der Arcuscosinus ist stets positiv, denn er liegt zwischen 0 und π. Potenzen von komplexen Zahlen lassen sich zunächst für ganzzahlige Exponenten induktiv definieren: z 0 1,..., z ( n + 1 ) z n z, n 1 z. n z ( ) Gebrochene Exponenten sind bei Polardarstellungen ebenfalls kein Problem: Dabei ist m z r e ( i φ ) > z r m ( ) r m 1 n r m e i φ m (m,n ganzzahlig, n nicht 0). die n-te (positiv reelle) Wurzel aus der m-ten Potenz von r. Zugleich ist aber auch m m 1 n r r

die m-te Potenz der n-ten Wurzel aus r. Damit bekommen wir eine praktische Formel für die n-ten Wurzeln einer komplexen Zahl w n r e ( i φ ) <> w r 1 n e i ( φ + 2 k π), k 1,..., n. Reguläre n-ecke kann man jetzt sehr leicht in der komplexen Zahlenebene darstellen: Legt man das Zentrum in den Ursprung und gibt den Abstand r der Eckpunkte vom Zentrum vor, so hat das reguläre n-eck die Ecken r e i k 2 π, k 1,..., n. Beispiel: Das reguläre 24-Eck hat die Eckpunkte e i k π 12, k 1,..., 24. Beispiel 2: Logarithmische Spirale Wir zeichnen die ersten 400 Potenzen von 1 1 100 e i 10 :

Das Ergebnis ist eine (diskret approxomierte) logarithmische Spirale! Jetzt variieren wir die Parameter und betrachten allgemein Potenzen von r e ( i φ ) : Beispiel: Schnecken und Hörner

Drehstreckung von Kurven Natürlich kann man eine Drehstreckung auch auf eine ganze Kurve oder Fläche wirken lassen. Eine Streckung der Kurve g( t ) ( g 1 ( t ), g 2 ( t )) um Faktor r und gleichzeitige Drehung um den Winkel φ wird beschrieben durch die folgende Gleichung: Ein Herzschlagfinale r e ( i φ ) r cos( φ ) g + g 1 ( t ) r sin( φ ) g 2 r sin( φ ) g 1 + r cos( φ ) g 2 g 1 signum 0.3 t sin( t π) g 2 0.3 t cos( t π)