2.3 Kriterien der Entscheidungsfindung: Präferenzen

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Transkript:

.3 Kriterien der Entscheidungsfindung: Präferenzen Der Einfachheit halber beschränken wir uns auf n = ( zwei Güter). Annahme: Konsumenten können für sich herausfinden, ob sie x = ( x, ) dem Güterbündel y = ( y, y ) vorziehen [ x f y, starke Präferenz], indifferent zwischen x und y sind [ x y, Indifferenz] oder y dem Güterbündel x vorziehen [ x p y, starke Präferenz] Eine darauf aufbauende Schreibweise bezieht sich auf die "schwache Präferenz": x f y x f y oder x y [ x ist mindestens so gut wie y ] Typischerweise werden folgende Annahmen bzgl. der schwachen Präferenz getroffen: Vollständigkeit: Für jedes Paar von Güterbündeln gilt x f y oder y f x. Reflexivität: x f x Transitivität: x f y und y f z x f z Ein sehr hilfreiches Konzept, das sich aus der Indifferenzrelation ableiten läßt, ist das Konzept der Indifferenzkurve. Darunter versteht man die Menge aller Konsumbündel, bzgl. derer der Konsument indifferent zu einem Bezugskonsumbündel x ist I ( x ) = { y x y } Zu jedem Konsumbündel x gibt es eine solche Indifferenzkurve.

x x Diese Indifferenzkurven haben die wichtige Eigenschaft, daß sich verschiedene Indifferenzkurven nie schneiden können. x y z x Solche Indiffernzlinien sind nicht möglich! Darüber hinausgehende allgemeine Eigenschaften haben Indifferenzkurven nicht. Allerdings kann man mit ihrer Hilfe spezielle Präferenzen charakterisieren. Perfekte Substitute: Beispiel grüne und rote Bleistifte x

3 Perfekte Komplemente: Beispiel linke und rechte Schuhe x Für den größten Teil der mikroökonomischen Theorie werden einige Annahmen an die Präferenz getroffen: Monotonie: Die untersuchten Güter sind immer erwünscht: x y und y x f y Diese Annahme ist zwar für die meisten Anwendungen nicht unbedingt notwendig, aber sie erleichtert die Argumentation. Dort wo die Annahme der Monotonie benutzt wird, reicht meistens die viel schwächere Annahme der "lokalen Nichtsättigung": unabhängig von dem Bezugskonsumbündel gibt es stets ein Gut, von dem man mehr haben möchte. Wir werden aber den Lehrbüchern folgen und die Annahme der Monotonie stets treffen. Welche Konsequenzen hat dies für die Indifferenzkurven? Sie müssen immer monoton fallen. x x Die zweite oft getroffene Annahme ist die der

4 Konvexität: Mischungen sind mindestens so gut wie Extreme x y λ [0,] λ x + (-λ) y f y Eng verwandt ist die Annahme der Strenge Konvexität: Mischungen werden Extremen vorgezogen x y λ [0,] λ x + (-λ) y f y Welche Auswirkungen hat diese Annahme auf den Verlauf der Indifferenzkurven? Gehen wir - wie von jetzt an immer - davon aus, daß die Präferenzen monoton sind, so muß die Steigung der Indifferenzkurven fallen. Anders ausgedrückt: Die Indifferenzkurve hat einen konvexen Verlauf. x x Konvexe Präferenz Nichtkonvexe Präferenz Wir werden bald sehen, daß die Steigung einer Indifferenzkurve in einem Bezugpunkt eine wichtige Rolle spielt. Sie (genauer der Betrag dieser Steigung) trägt in der mikroökonomischen Theorie die Bezeichnung Grenzrate der Substitution zwischen mehreren Gütern. Dies ist sinnvoll, weil diese Steigung angibt, wieviel von einem Gut ein Konsument willens ist, für ein anderes Gut zu substituieren. x

5 Genauer gibt die Grenzrate der Substitution an, durch wieviele Einheiten von Gut der Konsument willens ist, eine marginale Einheit von Gut aufzugeben. Man kann jedoch auch fragen, wieviel ein Konsument bereit ist von Gut aufzugeben, um eine marginale Einheit von Gut mehr zu erhalten. Die Antwort auf diese Frage wird oft die marginale Zahlungsbereitschaft für Gut in Einheiten von Gut genannt. Überlegt man sich graphisch, wie hoch diese Zahlungsbereitschaft ist, so ergibt sich wiederum der Betrag der Steigung der Indifferenzkurve. Die Grenzrate der Substitution (Gut für Gut ) entspricht also der marginalen Zahlungsbereitschaft. Die Konvexität und Monotonie der Präferenzen impliziert, daß die Zahlungsbereitschaft für Gut in x fällt. Dies nennt man das Gesetz der fallenden Grenzrate der Substitution. Beispiel: Abwägung von Freizeit und Konsum Im Prinzip sind die Präferenzen und die daraus abgeleiteten Hilfsmittel alles, was man zu einer einfachen Konsumentscheidungstheorie braucht. Es ist jedoch gebräuchlich, die Konsumtheorie außerdem noch mit sogenannten Nutzenfunktionen zu beschreiben. Dies hat zum einen historische Gründe und zum anderen den Vorteil, daß man den Apparat der mathematischen Analysis nutzen kann. Die Nutzenfunktion ist ein alternatives Hilfsmittel zu den Präferenzen mit einigen Vorteilen. Neben dem eben genannten analytischen Vorteil läßt sich z.b. der Zusammenhang zwischen Marktgeschehen und dem Wohlergehen der Konsumenten einfacher beschreiben. Man sagt, eine Nutzenfunktion u repräsentiert die Präferenzrelation f genau dann, wenn u ( x ) u ( y ) x f y. Jede Nutzenfunktion definiert über diese logische Äquivalenz eine Präferenzrelation. Umgekehrt definiert jede Präferenzrelation mit den angenommenen Eigenschaften (+ einer rein mathematischen Annahme - der "Stetigkeit der Präferenzen") eine Nutzenfunktion. Aber nicht nur eine! Das liegt daran, daß jede monotone Transformation (d.h. eine monoton steigende Funktion) einer Nutzenfunktion dieselbe Präferenzrelation repräsentiert. Ist f eine solche monoton steigende Funktion, so gilt nämlich f (u ( x )) f (u ( y )) u ( x ) u ( y ) x f y. Das hat den Vorteil, daß man sich für Rechenbeispiele diejenige Nutzenfunktion zur Hand nehmen kann, die eine vorgegebene Präferenzrelation rerpäsentiert und am einfachsten zu handhaben ist.

6 Da die Präferenzen eigentlich ausreichen, um die Entscheidungstheorie der Konsumenten zu beschreiben, ist von der Nutzenfunktion nur eine Eigenschaft wichtig: nämlich wie sie verschiedene Güterbündel ordnet. Es ist nicht wichtig, welche speziellen Werte sie den verschiedenen Güterbündeln zuweist. Man spricht in diesem Zusammenhang von einem ordinalen Nutzenkonzept. Später werden wir im Zusammenhang mit Unsicherheit einen Kontext kennenlernen, in dem es hilfreich ist, ein kardinales Nutzenkonzept zu benutzen. Dort haben die Nutzenwerte eine über das ordinale Konzept hinausgehende Bedeutung. Bis wir dorthin gelangen, gehen wir jedoch stets von dem ordinalen Nutzenkonzept aus. Spezielle Beispiele von Nutzenfunktionen: Cobb-Douglas Funktionen α u ( x ) = x x β mit α > 0 und β > 0 Lineare Funktionen u ( x ) = a x + a mit a > 0 und a > 0 Leontief Funktionen u ( x ) = min( x a x, ) mit a > 0 und a > 0 a Homogene Nutzenfunktionen vom Grad α u hat die Eigenschaft: λ > 0 gilt u ( λx ) = λ α u ( x ) Homothetische Nutzenfunktionen u = f ( v ), wobei f eine monoton steigende Funktion und v homogen ist Quasilineare Nutzenfunktionen u ( x ) = v ( x ) + Übung: wie sehen die dazugehörigen Indifferenzkurven aus. Bei den Anwendungen des Konzepts der Nutzenfunktionen kommt es immer wieder auf den sogenannten Grenznutzen eines Gutes an. Der Grenznutzen eines Gutes gibt an, um wieviel der

7 Nutzen steigt, wenn von diesem Gut eine marginale Einheit mehr konsumiert wird. Mathematisch läuft dies auf die partielle Ableitung der Nutzenfunktion hinaus: u( x + x, x ) u( x, x ) ( x, x ) = lim x 0 x = Grenznutzen von Gut bei x und analog für Gut (und im allgemeinen Fall für die anderen Güter). Über den Grenznutzen kann man die Grenzrate der Substitution darstellen und bei Kenntnis der Nutzenfunktion auch berechnen. Heuristisch geht man wie fogt vor: Entlang einer Indifferenzkurve ist der Nutzen konstant. Wenn man von Gut x Einheiten mehr haben will, muß man dazu - sagen wir - Einheiten von Gut aufgeben, um auf demselben Nutzenniveau zu bleiben (Grenzrate der Substitution als marginale Zahlungsbereitschaft!). Approximativ bringt x Einheiten mehr von Gut den Nutzenanstieg ( x, x ) x Die Aufgabe von Einheiten von Gut bringt die Nutzenabnahme u ( x, x ) x Da Nutzenzunahme und -abnahme gleich sein müssen (Indifferenzkurve!) muß also gelten: ( x, x ) x u ( x, x ) x = 0 Daraus ergibt sich für die marginale Zahlungsbereitschaft / x x x = ( x, x ) ( x, x ) Diese heuristische Herleitung kann mit dem Satz über implizite Funktionen aus der Analysis präzise gemacht werden. Die Grenzrate der Substitution hängt nicht von der speziellen Wahl der Nutzenfunktion ab, die die Präferenzrelation repräsentiert.