Einführung in die Festkörperphysik I Prof. Peter Böni, E1 Lösung zum 9. Übungsblatt (Besprechung: 18. - 0. Dezember 006) P. Niklowitz, E1 Aufgabe 9.1: Neutronenstreuung an Phononen (a) Geben Sie die Dispersionsrelation für Neutronen an. Die Dispersionsrelation beschreibt allgemein die Abhängigkeit der zur Schwingungsenergie gehörenden Kreisfreuenz vom Wellenvektor. Dem Neutron ist die de-broglie Wellenlänge λ = h/p = h/(m N v) zugeordnet, wobei m N die Neutronenmasse ist. Damit ist dem Neutron auch ein Wellenvektor k = π/λ zugeordnet, und der Impuls kann als p = hk geschrieben werden. Die kinetische Energie des Neutrons ist h = p /(m N ) und die Dispersionsrelation () = hk /(m N ). Die Dispersionsrelation des Neutrons ist also eine Parabel. (b) Stellen Sie die Phononenemission oder -absorption durch ein Neutron dar, indem Sie graphisch die Dispersionsrelation für Neutronen mit der typischen Dispersionsrelation eines optischen und akustischen Phononenzweiges für eine eindimensionale Kette kombinieren. n Absorption von Phononen n k n0 Neutronendispersion Phononendispersion optisch akustisch ph k 0 k Bei der Absorption muss Impuls- und Energieerhaltung erfüllt werden (wir vernachlässigen hier Umklapp-Prozesse). Hat das Neutron zunächst den Impuls hk 0 und die Energie h n0, ist nach
der Absorption des Phonons der Impuls h(k 0 + ) und die Energie h( n0 + ph ). Im Bild symbolisieren die roten Punkte die möglichen Absorptionsprozesse. Einerseits muss das Wertepaar (, ph ) zur Dispersionsrelation eines Phononenzweigs gehören, andererseits muss k 0 + und n0 + ph die Dispersionsrelation des Neutrons erfüllen. n Emission von Phononen n k n0 Neutronendispersion Phononendispersion akustisch optisch ph k 0 k Bei der Emission eines Phonons wird der Neutronenimpuls h(k 0 ) und die Energie h( n0 ph ). (c) Die Schallgeschwindigkeit der langwelligen akustischen Phononen der Kette sei v. Der optische Zweig sei relativ schwach -abhängig und liege bei der charakteristischen Freuenz o. Wie beeinflussen die Werte für den Wellenvektor k 0 und die Kreisfreuenz n des Neutrons dessen Möglichkeit Phononen zu absorbieren oder zu emittieren? Allgemein zeigt (b), dass Absorption und Emission möglich ist, wenn sich die Dispersionskurven auf die dargestellte Weise schneiden. Die Geschwindigkeit der akustischen Phononen v() = /, entspricht also der Steigung des Dispersionskurve. Die Steigung der Neutronen- Dispersionskurve liefert die Neutronengeschwindigkeit v N = hk/m N. Die Graphen in (b) zeigen, dass Absorption oder Emission akustischer Phononen stattfinden kann, wenn v N < v, das heißt für nicht zu schnelle Neutronen (nicht zu großes k 0 ). Optische Phononen können immer absorbiert werden, von langsamen Neutronen aber nur mithilfe von Umklapp-Prozessen. Die Emission optischer Phononen ist allerdings nur für genügend schnelle Neutronen möglich, nämlich wenn n > 0. Aufgabe 9.: Drei-Phononen-Prozesse Betrachtet werden langwellige akustische Phononen in einer Dimension. Umklapp-Prozesse werden vernachlässigt. (a) Es gebe einen transversalen und einen longitudinalen Phononenzweig mit linearer Dispersion. Zeigen Sie graphisch, welche Drei-Phononen-Prozesse möglich sind.
Die Dispersionskurven der beiden Phononenzweige werden im folgenden Bild gezeigt. Die longitudinale Dispersionskurve ist typischerweise steiler als die transversale Dispersionskurve, da gleiche Auslenkungen der Atome in der longitudinalen Richtung zu einer größeren Änderung der Atomabstände führen. Ein Drei-Phononen-Prozess kann dann stattfinden, wenn die Kombination zweier Dispersionskurven eine dritte Dispersionskurve im Impuls-Energie-Raum schneidet. Im folgenden werden repräsentative Diagramme gezeigt, in denen der Aufhängungspunkt der grünen Dispersionskurve das erste Phonon festlegt. Der mögliche Schnittpunkt der grünen und roten Dispersionskurve legt das zweite und dritte (bzw. resultierende) Phonon fest. Sind das erste und resultierende Phonon nicht vom gleichen Typ, ist die Dispersionskurve des ersten Phonons blau. Jeder Punkt auf der Dispersionskurve des ersten Phonons ist als Aufhängungspunkt für die Dispersionskurve des zweiten Phonons erlaubt. Aus zwei transversalen Phononen kann ein transversales Phonon entstehen und aus zwei longitudinalen Phononen kann ein longitudinales Phonon entstehen. l Weiterhin kann aus zwei transversalen Phononen ein longitudinales Phonon entstehen, aber aus zwei longitudinalen Phononen kann kein transversales Phonon hervorgehen. 3
t WS0607; Festkörperphysik; Lsg. Blatt 9 Schließlich kann aus einem transversalen und einem longitudinalen Phonon ein longitudinales aber kein transversales Phonon entstehen. Allgemein gilt: ist ein bestimmter Drei-Phononen-Prozess möglich, so ist auch der Umkehrprozess möglich. (b) Es gebe einen Phononenzweig mit (/ ) / > 0 und / < 0. Zeigen Sie, dass kein Drei-Phononen-Prozess mit Gitterschwingungen ausschließlich aus diesem Zweig möglich ist. Der Aufhängungspunkt der grünen Dispersionskurve im Bild legt das erste Phonon fest. Ob ein Drei-Phononen-Prozess möglich ist, hängt wiederum davon ab, ob die kombinierte Dispersionskurve (grün) für einen beliebigen Aufhängungspunkt die Dispersionskurve des betreffenden Phononenzweiges (rot) schneidet. Die grüne Dispersionskurve ist bezüglich ihres Minimums identisch mit der roten Kurve, da hier eine Kombination zweier Phononen des selben Gitterschwinungszweiges betrachtet wird. Wenn die beiden Kurven zuerst direkt übereinander liegen und dann die grüne Kurve in Richtung positiver Freuenzen verschoben wird, schneiden die Kurven sich nirgendwo. Wird die grüne Kurve dann zu positiven -Werten verschoben, bis das Minimum die rote Kurve trifft, schneiden sich die Kurven links vom Minimum der grünen Kurve auch nicht. Rechts vom Minimum der grünen Kurve gilt: v rot < v grün und auch dort findet sich kein weiterer Schnittpunkt und es ist kein 3-Phononen-Prozess erlaubt. Aufgabe 9.3: Wärmeleitfähigkeit von Graphit Graphit kristallisiert in einer hexagonal-primitiven Struktur mit gegeneinander verschoben Honigwabengittern. (a) Die atomaren Wechselwirkungen in den Honigwabengittern sind viel stärker als zwischen den 4
Ebenen, sodass sich die Kristallstruktur oft nicht perfekt ausbildet. Welche Braggpeaks können trotzdem gut beobachtet werden? Gut sichtbar sind die Braggreflexe bei (0,0,n), wobei n ganzzahlig ist. (Braggreflexe bei (0,0,n+1) sind durch den Strukturfaktor ausgelöscht, da die gewöhnliche Einheitszelle der Graphitstruktur so gewählt ist, dass je zwei hexagonale Ebenen zusammengefasst werden.) Die Braggreflexe mit endlichen Komponenten in der hexagonalen Ebene sind stark verbreitert, da aufgrund der Schwäche der Wechselwirkungen zwischen den Ebenen diese zueinander um die c-achse verdreht sein können. (b) Zwischen ungefähr K und 0 K zeigt Graphit in erster Näherung eine uadratische Temperaturabhängigkeit der thermischen Leitfähigkeit (siehe z.b. G.A. Slack, Phys.Rev. 17 (196) 694). Erklären Sie dies mit dem Debye-Modell. Betrachtet man die Phononen als Gasteilchen, kann der Koeffizient der Wärmeleitfähigkeit mit K = (1/3)ρC v cλ definiert werden. Die Teilchendichte ρ, die durchschnittliche Schallgeschwindigkeit c und die mittlere freie Weglänge Λ eines Phonons zwischen Streuprozessen werden als relativ temperaturunabhängig angenommen. Dann steckt die Temperaturabhängigkeit in der Wärmekapazität C v. In einem einfachen Debyemodell ist die mittlere Schallgeschwindigkeit c isotrop. Mit einer anisotropen mittleren Schallgeschwindigkeit kann aber der Unterschied zwischen den intra- und interplanaren Atomwechselwirkungen berücksichtigt werden. Wie im isotropen Debye-Modell werden alle Moden bis zu einem festen Wellenvektor max betrachtet. Die maximale Freuenz max und die Debye-Temperatur θ D sind dann am kleinsten in l-richtung und am größten in der hk-ebene des reziproken Raums. Ein ansiotroper Ansatz für die Dispersionsrelation in Graphit ist = c hk ( h + k ) + c l l. Wenn c l c hk, ist c hk h + k. Bei niedrigen Temperaturen sind nur Moden mit kleinen signifikant angeregt. In diesem Bereich gibt es näherungsweise gleich viele Moden für jede Kombination von h und k und die Zustandsdichte hat die Form eines zweidimensionalen Gitters. In Aufgabe 6. wurde die Zustandsdichte für ein zweidimensionales Gitter hergeleitet: ρ() / max. Für den temperaturabhängigen Teil der Schwingungsenergie gilt mit der Variablensubstitution x = h/(k B T ) θd /T U S (T 3 /θd) dx(x /(e x 1)) (T 3 /θd) 0 Daher ist die Wärmekapazität C v T und es folgt die Temperaturabhängigkeit der thermischen Leitfähigkeit. 0 dx(x /(e x 1)). 5