Kapitel 18. Spezielle Relativitätstheorie Einleitung

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Transkript:

Kapitel 18 Spezielle Relativitätstheorie Wir werden im Kap. 19 die Lorentz-Invarianz der Maxwell-Gleichungen nachweisen. Historisch ist dieses vor der Entwicklung der relativistischen Mechanik geschehen. Diese ist jedoch anschaulicher und wir werden daher zunächst eine Einführung in die spezielle Relativitätstheorie geben. Die Newton schen Bewegungsgleichungen sind invariant unter Galilei-Transformationen, nicht jedoch unter Lorentz-Transformationen. Das Relativitätsprinzip verlangt daher eine Modifikation der Newton schen Gleichungen, und zwar derart, daß bei Geschwindigkeiten v c die Newton schen Gleichungen gültig bleiben. 18.1 Einleitung Einige experimentelle Tatsachen zeigen, dass die Galileiinvariante Mechanik nur begrenzte Gültigkeit haben kann. Konstanz der Lichtgeschwindigkeit Die beobachtete Invarianz der Lichtgeschwindigkeit, c = 2, 99992458 10 5 km/s steht in Widerspruch zum Additionstheorem v = v 1 + v 2 für Geschwindigkeiten. Die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit folgt, wie besprochen, auch direkt aus den Maxwellgleichungen. Radioakiver Zerfall bewegter Teilchen Das Myon, eine Art schweres Elektron mit Masse m µ 207 m e, zerfällt spontan in ein Elektron und zwei Neutrinos, µ e + ν 1 + ν 2, mit einer Zerfallszeit (im Labor) τ (0) (µ) = (2.19703 ± 0.00004) 10 6 s. 156

Misst man nun die Zerfallszeit von bewegten Myonen (an einem Strahl), so findet man eine Zerfallszeit, welche via τ (v) (µ) = γ τ (0) (µ), γ = 1 (18.1) 1 v 2 /c2, von der Geschwindigkeit v der Myonen abhängt. Nun ist aber der Zerfallsvorgang eines Elementarteilchens ein intrinsischer Vorgang, der also ohne äußeren Einfluss nur nach der inneren Uhr des Elementarteilchens abläuft. Gleichung (18.1) bedeutet nun, dass die innere Uhr bei erhöhten Geschwindigkeiten um den Faktor γ langsamer läuft. 18.2 Wellengleichung Die Ausbreitung des Lichts, d.h. der 6 Komponenten des elektromagnetischen Feldes E, B, wird durch die Wellengleichung ( 1 2 ) ( 1 c 2 t 2 [ ]) 2 u( x, t) = 2 c 2 t 2 x + 2 2 y + 2 u( x, t) = 0 2 z 2 beschrieben. Wir betrachten erst einmal eine Raumdimension, d.h. mit der allgemeinen Lösung ( 1 2 ) c 2 t 2 u(x, t) = 0, (18.2) 2 x 2 u(x, t) = u 1 (x + ct) + u 2 (x ct), (18.3) wobei die u 1 () und u 2 () beliebige Funktionen sind, die sich aus den Anfangsbedingungen bestimmen lassen. Lichtkegel Nach (18.3) ist somit c die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Lichts. Insbesondere breitet sich das Licht von einem Ereignis zur Zeit t 0 und Ort x o auf dem Lichtkegel u(x, t) = δ(x x 0 + c(t t 0 )) + δ(x x 0 c(t t 0 )) aus. Wegen der (experimentell festgestellten) Konstanz der Lichtgeschwindigkeit muss daher die Kugelwellenfront c 2 (t t 0 ) 2 ( x x 0 ) 2 = 0 (18.4) invariant unter einer noch zu findenden Klasse von Transformationen sein. Diese Klasse von Transformationen soll dann nicht nur für die Wellengleichung, d.h. für die Elektrodynamik, sondern auch für die Mechanik gelten; man nennt sie Lorentztransformationen. 157

t Lichtkegel x Postulate der speziellen Relativitätstheorie Die Gesetze der Mechanik müssen demnach gegenüber der Newton schen Mechanik modifiziert werden, da diese unter der Gruppe der Galileitransformationen invariant sind und eine Galileitransformation mit v 0 (18.4) nicht invariant lässt. Bei der Bestimmung der neuen Gesetze der Mechanik lässt Einstein sich vom Trägheitsprinzip leiten, welches besagt, dass für freie Teilchen das Trägheitsgesetz x = 0 invariant sein soll. Die Relativitätstheorie beruht also auf drei Postulaten: Konstanz der Lichtgeschwindigkeit Relativitätsprinzip Alle Gesetze der Mechanik (und der Elektrodynamik) müssen invariant unter der Gruppe der Lorentztransformationen sein. Trägheitsprinzip Die Gleichung x soll für freie Teilchen (Lorentz-)invariant sein. 18.3 Lorentztransformationen In der speziellen, wie auch in der allgemeinen Relativitätstheorie, gibt es eine strenge Vorschrift wie Koordinaten zu schreiben sind. Hoch- oder tiefgestellte Indizes haben verschiedene Bedeutungen, welche wir später genauer definieren werden, und dürfen nicht verwechselt werden. Vierer-Vektoren Wir beschreiben die Raum-Zeit durch den R 4 mittels des Vierer-Vektors x = (x 0, x 1, x 2, x 3 ); x 0 = ct; x = (x 1, x 2, x 3 ). Wir nennen x 0 = ct die Zeitkoordinate und (x 1, x 2, x 3 ) = x die kartesische Raumkoordinate. Weltlinie Die Bewegung eines Teilchens ist eine Kurve im R 4, welche jede Ebene x 0 = konst. nur einmal schneidet ( Weltlinie ). 158

ct ct x(t) x Metrischer Tensor Für freie Teilchen sind die Weltlinien Geraden. Die gesuchten Transformationen A müssen also geradentreu sein und sogar affin, wenn kein Ereignis ins Unendliche abgebildet werden soll, x = Ax + a; (deta 0; a R 4 ). (18.5) Koordinatendifferenzen ξ = x x 0 transformieren sich homogen, ξ = Aξ und die Konstanz der Lichtgeschwindigkeit verlangt nach (18.4) die Invarianz von 3 0 = c 2 (t t 0 ) 2 ( x x 0 ) 2 = (ξ 0 ) 2 (ξ i ) 2 = ξ T g ξ, (18.6) i=1 wobei ξ T der transponierte 4-er Vektor ist und wir mit g = 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1 den metrischen Tensor im R 4 definiert haben. Der metrische Tensor führt via (18.7) (ξ 1, ξ 2 ) ξ T 1 g ξ 2 (18.8) zu einem Skalarprodukt (ξ 1, ξ 2 ), welches allerdings nicht positiv definit ist. Den R 4 mit dem Skalarprodukt (18.8) bezeichnet man als den Minkowski-Raum. Invarianz der Lichtgeschwindigkeit Die Invarianz der Lichtgeschwindigkeit ist mit der Invarianz von (18.6) unter einer Lorentz- Transformation ξ ξ = Aξ äquivalent, 0 = (ξ ) T g ξ = ξ T A T g A ξ, }{{} h 159

dass heißt der Tensor h muss proportional zu g sein, also h = A T g A = µ 2 g, (18.9) wobei die Proportionalitätskonstante i.allg. positiv ist (betrachte z.b. ξ = µξ). Feste Maßstäbe Reine Dilatationen ξ = µξ (µ > 0) beschreiben simultane Maßstabsänderungen für Länge und Zeit; sie sind mit allen Postulaten verträglich. Im Allgemeinen wollen wir jedoch die physikalischen Gesetze unter der Annahme formulieren, dass wir in jedem Bezugssytem mit den gleichen (festen) Maßstäben messen. Dann sind Dilatationen nicht zugelassen und µ 2 1. Damit definieren wir die Gruppe der Lorentztransformationen Λ durch x = Λx + a; Λ T gλ = g a R 4. (18.10) Lorentz-Transformationen lassen per Definition den metrischen Tensor invariant. 18.4 Darstellung der Lorentztransformationen Die allgemeine Lorentztransformation ist durch 6 Parameter bestimmt. Rotationen Drei Parameter ϕ = ϕ ˆϕ beschreiben Rotationen um eine Achse ˆϕ um den Winkel ϕ = ϕ. Eigentliche Lorentz-Transformationen Drei Parameter φ = φ ˆφ beschreiben die Transformation auf ein bewegtes Bezugssystem mit der Geschwindigkeit v = cˆφ tanhφ, mit φ = φ. Die allgemeine, homogene Lorentztransformation ist durch Λ( φ, ϕ) = exp ( φ K + ϕ J ) (18.11) gegeben, wobei die infinitesimalen Erzeugenden K = (K x, K y, K z ) und J = (J x, J y, J z ) in Komponenten durch K x = 0 1 0 0 1 0 0 0, J x = 0 0 0 1 0 0 1 0, (18.12) 160

K y = K z = 0 0 1 0 1 0 0 0 0 0 0 1 1 0 0 0, J y =, J z = 0 0 0 1 0 1 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0, (18.13), (18.14) gegeben sind. Den Nachweis, dass sich räumliche Rotationsmatrizen als exp( ϕ J) schreiben lassen, können wir an dieser Stelle nicht geben. Für Rotationen um die z-achse läßt sich dieses schnell nachrechnen. Gruppeneigenschaft Die homogenen Lorentztransformationen bilden eine Gruppe, es gilt also stets Λ( φ, ϕ) Λ( φ, ϕ ) = Λ( φ, ϕ ), wobei allerdings der Zusammenhang zwischen ( φ, ϕ, φ, ϕ ) und ( φ, ϕ ) i.allg. kompliziert ist. Lorentztransformationen ohne einen Rotationsanteil, also Λ( φ, 0) bezeichnet man als spezielle oder eigentliche Lorentztransformationen. Kommutatoren Der Kommutator zweier Operatoren (Matrizen) A und B ist als [A, B] := AB BA definiert. Der Kommutator zweier Erzeugenden ist wieder eine Erzeugende, somit bilden die Erzeugenden eine sog. Lie-Algebra. Die Kommutatorrelationen der Erzeugenden lassen sich als (Übung) [K i, K j ] = ǫ ijk J k [J i, K j ] = ǫ ijk K k [J i, J j ] = ǫ ijk J k schreiben, wobei i, j, k über x, y, z laufen. Insbesondere sieht man aus [K i, K j ] = ǫ ijk J k, dass die speziellen Lorentztransformationen keine Gruppe bilden: Zwei spezielle Lorentztransformationen in verschiedenen Richtungen hintereinander beinhalten auch eine Rotation. 18.5 Spezielle Lorentztransformationen Drehungen sind auch Lorentztransformationen, doch sie bringen keine neue Physik mit sich. Wir betrachten daher im Folgenden nur die speziellen Lorentztransformationen und können uns hier, o.b.d.a. auf einen Boost entlang der x-koordinaten beschränken, d.h. Λ = exp[φk x ]. 161

Boosts Wir wollen nun die explizite Form von (18.11) für einen Boost berechnen. Wir bemerken zunächst, dass K 2 x = 0 1 0 0 1 0 0 0 0 1 0 0 1 0 0 0 = 1 0 0 0 0 1 0 0 1 und somit Kx 2m = 1 und Kx 2m 1 = K x (m 1). Wir berechnen nun explizit die Exponentialreihe für einen Boost in x-richtung, e φkx = φ n ( n! Kn x = 1 + φ 2m ) ( 1 φ 2m 1 ) + K x. m=1 (2m)! m=1 (2m 1)! }{{}}{{} cosh φ 1 sinh φ n=0 In Komponenten finden wir also oder, mit x = Λ(φ)x, Λ(φ) = e φkx = cosh φ sinh φ 0 0 sinh φ cosh φ 0 0 0 0 1 0 0 0 0 1, ct = cosh(φ) ct + sinh(φ) x x = sinh(φ) ct + cosh(φ) x y = y z = z (18.15) Geschwindigkeit Bisher ist der Parameter φ in der Lorentz-Transformation ein formeller Parameter ohne physikalische Bedeutung. Um diese zu finden betrachten wir einen Punkt, welcher im bewegten Koordinatensystem ruht. Für diesen ist x = const., seine Bewegung wird im Laborsystem durch sinh(φ) ct + cosh(φ) x = 0, beschrieben. Seine Geschwindigkeit ist also v = x t = c sinh φ cosh φ = c tanh φ. (18.16) Damit haben wir den Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeit v des bewegten Systems und dem Parameter φ der Lorentztransformation gefunden. Aus cosh 2 φ sinh 2 φ = 1; cosh 2 φ = finden wir mit β v/c 1 1 tanh 2 φ ; sinh2 φ = tanh2 φ 1 tanh 2 φ 162

cosh φ = und somit wird (18.15) zu 1 1 β 2 γ, sinh φ = βγ, (18.17) ct = cγ t βγ x x = vγ t + γ x (18.18) Wir können nun nachweisen, dass (18.18) tatsächlich eine Lorentztransformation ist, das heißt, dass der Lichtkegel (18.4) invariant ist, c 2 (t ) 2 (x ) 2 = γ 2 (ct vx) 2 γ 2 ( vt + x) 2 = γ 2 (1 β 2 ) ( c 2 t 2 x 2). Die Wellengleichung ist im bewegten Bezugssystem genau dann erfüllt wenn sie auch im Laborsystem gilt. Kausalität Wir bemerken noch, dass der Lichtkegel (18.4) die Kausalität erfüllt. zeitartige Ereignisse Man bezeichnet zwei Ereignisse (ct 1, x 1 ) und (ct 2, x 2 ) als zeitartig, wenn erfüllt ist. c 2 (t 2 t 1 ) 2 > (x 2 x 1 ) 2 raumartige Ereignisse Man bezeichnet zwei Ereignisse (ct 1, x 1 ) und (ct 2, x 2 ) als raumartig, wenn gilt. c 2 (t 2 t 1 ) 2 < (x 1 x 1 ) 2 Für t 1 < t 2 kommt bei zwei zeitartigen Ereignissen ein Lichtsignal vom ersten Ereignis vor dem zweiten Ereignis an, bei zwei raumartigen Ereignissen erst danach. Bei zeitartigen Ereignissen kann das erste also das zweite Ereignis auslösen, bei raumartigen Ereignissen ist dies nicht möglich. Nach (18.4) erfüllen Lorentztransformationen also die Kausalität. 18.6 Addition von relativistischen Geschwindigkeiten Wir betrachten zwei Boosts hintereinander in x-richtung, den ersten mit Geschwindigkeit v 1, den zweiten mit Geschwindigkeit v 2. Die Endgeschwindigkeit sei v 3 und tanh φ i = β i, (i = 1, 2, 3). Man findet aus der Exponentialdarstellung 163

die Beziehung 1 e φ 3K x = e φ 2Kx e φ 1K x = e (φ 2+φ 1 )K x, oder φ 3 = φ 2 + φ 1 ; tanhφ i = v i ; i = 1, 2, 3, c tanh 1 β 3 = tanh 1 β 2 + tanh 1 β 1. (18.19) Aus dieser Gleichung lässt sich die Endgeschwindigkeit v 3 als Funktion der beiden einzelnen Geschwindigkeiten v 1 und v 2 berechnen. Wir formen um: β 3 = tanh [ ] sinh ( tanh 1 β tanh 1 β 2 + tanh 1 2 + tanh 1 β 1 β 1 = cosh ( ) tanh 1 β 2 + tanh 1 β 1 = sinh(tanh 1 β 2 ) cosh(tanh 1 β 1 ) + cosh(tanh 1 β 2 ) sinh(tanh 1 β 1 ) cosh(tanh 1 β 2 ) cosh(tanh 1 β 1 ) + sinh(tanh 1 β 2 ) sinh(tanh 1 β 1 ). Jetzt verwenden wir sinh = tanh / 1 tanh und cosh = 1/ 1 tanh. Damit wird ) und wir erhalten mit sinh tanh 1 β = β 1 β 2, cosh tanh 1 β = 1 1 β 2 β 3 = β 2 + β 1 1 + β 2 β 1, v 3 = v 2 + v 1 1 + v 2 v 1 /c 2 (18.20) die gewünschte Additionsformel für relativistische Geschwindigkeiten. Für v 1 /c 1 und v 2 /c 1 wird (18.20) zu v 3 = v 1 + v 2 + O(v 1 v 2 /c 2 ). Im nichtrelativistischen Grenzfall kleiner Geschwindigkeiten erhalten wir also die übliche Formel der Galilei schen Mechanik. Man kann leicht zeigen (Übung), dass v 3 nach (18.20) nie größer als die Lichtgeschwindigkeit sein kann. 18.7 Vektorkalkül In der relativistischen Mechanik spielt der Begriff eines 4-er Vektors eine zentrale Rolle. Kontravariante Vektoren Man nennt (ξ 0, ξ 1, ξ 2, ξ 3 ) einen kontravarianten 4-er Vektor, falls sich die Komponenten unter Lorentztransformationen wie Koordinatendifferenzen verhalten, d.h. wenn 1 Beachte: für [A, B] 0 ist exp(a)exp(b) exp(a + B). 164

ξ µ = Λ µ ν ξν (18.21) gilt. Nicht alle Quardrupel von Zahlen sind 4-er Vektoren; ganz entscheidend sind ihre Transformationseigenschaften. Z.B. ist (x µ ) = (ct, x, y, z) ein 4-er Vektor, aber (ct, x, y, z 3 ) ist kein 4-er Vektor. Kovariante Vektoren Lorentztransformationen sind so definiert, dass der metrische Tensor g invariant bleibt. Somit ist das Skalarprodukt (18.8) (ξ, η) = ξ µ g µν η ν ξ µ η ν = ξ 0 η 0 ( ξ η ) auch Lorentz-invariant, falls ξ und η 4-er Vektoren sind, sich also wie (18.21) transformieren. Hierbei haben wir mit η µ g µν η ν (x µ ) = (ct, x, y, z) die kovarianten Komponenten von η definiert. Mit g µν = g µν kann man das Skalarprodukt auch als schreiben. (ξ, η) = g µν ξ µ η ν Kovariante Ableitungen Die Differenzierung nach der Raum-Zeit, x = (ct, x, y, z), ist kovariant, µ x µ (18.22) und das Skalarprodukt ξ µ x = µ ξµ µ ein invarianter Differentialoperator. Die Kovarianz von µ lässt sich folgendermaßen zeigen: Für eine skalare Funktion f(x) (skalare Funktionen sind Lorentz-invariant) ist die Differenzierung entlang ξ, d dλ f(x + λξ) = ξ µ f λ=0 x µ = (ξµ µ ) f(x) Lorentz-invariant, und somit auch ξ µ µ. Damit muss also µ kovariant sein. Wellenoperator Natürlich ist der Wellenoperator g µν µ ν = 1 c 2 2 165 t 2

invariant; dies war ja unser Ausgangspunkt. Ferner ist für jedes Vektorfeld A(x) die Divergenz eine Invariante (Skalarfeld). µ A µ = Aµ x µ 18.8 Relativistische Mechanik Wir suchen eine Lorentz-invariante Bewegungsgleichung für ein geladenes Teilchen in einem elektromagnetischen Feld, welche für kleine Geschwindigkeiten den bekannten nichtrelativistischen Grenzfall haben soll. Wir fangen mit einem freien Teilchen an. Differentielle Bogenlänge Die differentielle Bogenlänge ds auf einer Weltlinie x(t) ist ein Skalar, ds 2 = g µν dx µ dx ν = c 2 dt 2 ( dx 2 + dy 2 + dz 2), (18.23) oder, mit der 3-er Geschwindigkeit v = d x/dt, und somit Lorentz-invariant. ds 2 = ( c 2 ( v 2 x + v2 y + v2 z Eigenzeit Die Eigenzeit τ ist via c dτ = ds definiert, also )) dt 2 dτ = 1 c ds = 1 v 2 /c 2 dt. (18.24) Da τ Lorentz-invariant ist und im Limes kleiner Geschwindigkeiten mit der Laborzeit t übereinstimmt, ist τ die Eigenzeit, also die Uhr in dem bewegten Bezugssystem. Zeitdilatation Der in der Einleitung diskutierte radioaktive Zerfall ist als physikalischer Prozess Lorentz invariant und läuft daher nach (18.24) n der Laborzeit dt gemäß dt = γ dτ um den Faktor γ = 1/ 1 v 2 /c 2 langsamer ab (Zeitdilation), in Einklang mit dem Experiment, siehe (18.1). 4-er Geschwindigkeit Als 4-er Geschwindigkeit bezeichnet man u = dx dτ ; (uµ ) = c v 1 v 2 /c 2, 1 v 2 /c 2 166

mit (u, u) = c 2. Anlog ist der 4-er Impuls via p = mu; (p µ mc m v ) = 1 v 2 /c 2, (18.25) 1 v 2 /c 2 definiert, wobei m die Ruhemasse ist. Er erfüllt stets (p, p) = m 2 c 2. (18.26) Lagrangefunktion Um die Lagrangefunktion für ein freies Teilchen herzuleiten gehen wir vom Prinzip von Euler-Maupertuis (siehe Mechanik) aus, welches besagt, dass für ein freies Teilchen die Variation der Lorentz-invarianten Wirkung (2) (1) für feste Endpunkte (1) und (2) verschwindet (Die Endzeiten sind jedoch variabel). Wir postulieren also, dass das Prinzip von Euler-Maupertuis auch relativistisch gilt, wenn man wie mit s einen Lorentz-invarianten Kurvenparameter wählt. Wir multiplizieren mit ( mc) und erhalten Das Variationsprinzip ( mc) ds = ds ( mc 2 ) dτ = δ (2) (1) führt zur Definition der Lagrangefunktion Die Lagrange-Gleichungen, L dt = 0, ( mc 2 ) 1 v 2 /c 2 dt. }{{} L L = ( mc 2 ) 1 v 2 /c 2 mc 2 + m 2 v2 + O(v 2 /c 2 ). werden somit zu d L L = 0, (i = 1, 2, 3) dt ẋ i x i d m v = 0 dt 1 v 2 /c 2, (18.27) welches den relativistischen 3-er Impuls p = m v 1 v 2 /c 2 167

definiert, in Einklang mit (18.25). Die Lösung von (18.27) ist natürlich v = konst.. Relativistische Energie Aus der Mechanik wissen wir, dass für zeitunabhängige Lagrangefunktionen die verallgemeinerte Energie α p α q α L erhalten ist. In unserem Fall ist die Energie E E = 3 p i ẋ i L = i=1 m v 1 2 v 2 /c 2 ( mc2 ) 1 v 2 /c 2 = m v2 + (mc 2 )(1 v 2 /c 2 ) 1 v 2 /c 2, also E = mc 2 1 v 2 /c 2 E( v = 0) = mc 2, mit der Ruheenergie E( v = 0) = mc 2. Ein Vergleich mit (18.25) zeigt, dass der 4-er Impuls also die Form p µ = ( E c, p ) hat und die Relation (p, p) = E 2 /c 2 p 2 = m 2 c 2 somit zu (18.28) E = p 2 c 2 + (mc 2 ) 2 (18.29) wird. Gl. (18.29) ist die berühmte Energie-Impuls-Beziehung der speziellen Relativitätstheorie. Masselose Teilchen Aus (18.29) folgt, dass auch Teilchen ohne Masse, wie z.b. Photonen, einen Impuls haben. p = E/c Teilchen im elektromagnetischen Feld Für ein Teilchen in einem elektromagnetischen Feld verallgemeinert sich die relativistische Bewegungsgleichung (18.27) zu d dt m v 1 v 2 /c 2 = e E + e c v B, (18.30) der nicht-relativistische Grenzfall v/c 1 wird korrekt wiedergegeben. Teilchen im konstanten elektrischen Feld Als Beispiel betrachten wir ein konstantes elektrisches Feld E = E 0ˆx. Mit v = vˆx wird dann die Bewegungsgleichung (18.30) zu 168

mv 1 v 2 /c 2 = ee 0 t, oder 0 = m 2 v 2 (ee 0 t) 2 ( ) 1 v2 c 2 Für die Geschwindigkeit v = v(t) erhalten wir ( = v 2 m 2 + (ee 0t) 2 ) c 2 (ee 0 t) 2. v = v(t) = ee 0 t m 2 + (ee 0 t) 2 /c 2. Für kleine Zeiten ist v ee 0 t/m, für große Zeiten ist lim t v = c, die Lichtgeschwindigkeit c hat also die Bedeutung einer asymptotischen Grenzgeschwindigkeit. 169