Aktuelle Herausforderungen an die Verwaltungsrechtspolitik Verantwortung der Verwaltung für ihr Handeln (Frage der demokratischen Legitimation) Einbeziehung der Bürger in das Verwaltungshandeln Notwendigkeit oder Überflüssigkeit zunehmender Verrechtlichung Neuartige Handlungs- und Rechtsformen Informales und planendes Handeln der Verwaltung Privatisierung von Verwaltungsaufgaben (Outsourcing, Public Private Partnership - PPP) Bewältigung technisch komplexer Sachverhalte Ressortübergreifende Problemstellungen Europäisierung des Verwaltungsrechts
II. Rechtsquellen des Verwaltungsrechts
Rechtsquellen der Verwaltung Völkerrecht Europarecht Verfassungsrecht Formelle Gesetze Rechtsverordnungen und Satzungen Gewohnheitsrecht Richterrecht Verwaltungsvorschriften
Normenpyramide Europarecht: Primärrecht Verfassungsrecht Allgemeine Regeln des Völkerrechts Einfache Gesetze Rechtsverordnungen Satzungen Verwaltungsvorschriften
Bindungswirkung des EG-Rechts I. Primärrecht: Vertrag von Maastricht (1992) Vertrag von Amsterdam (1998) Vertrag von Nizza (2003)
Bindungswirkung des EG-Rechts II. Sekundärrecht 3 Stufen der Bindungswirkung - Art. 249 EGV EG-Verordnungen: allgemeine und unmittelbare, verbindliche Geltung (kein Umsetzungsakt im nationalen Recht nötig) EG-Richtlinien: Verbindlichkeit des Zieles, jedoch Freiheit der Umsetzung in Form und Mittel (Umsetzung durch Gesetz des Mitgliedsstaates) Empfehlungen und Stellungnahmen: nicht verbindlich
Bindungswirkung des EG-Rechts III. Kollisionsregeln 1. Grundsatz des effet utile : Nationales Verwaltungsrecht darf nicht so ausgestaltet sein, dass Verwirklichung von Gemeinschaftsrecht unmöglich wird (EuGHE 1983, 2633/2664) kein Mitgliedsstaat darf sich auf innerstaatliches Recht berufen, um Nichtbeachtung gemeinschaftsrechtlicher Pflichten zu rechtfertigen (EuGH RIW 1990, 940)
Bindungswirkung des EG-Rechts 2. Grundsatz gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung: =>Widerspricht deutsches Verwaltungsrecht dem EG-Recht, so ist zunächst eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung zu versuchen; scheitert diese, darf der Verwaltungsträger das nationale Recht nicht anwenden! (Nichtanwendungspflicht!) EuGH DVBl 1990, 689; BVerwG DVBl 1993, 559, 727
Verfassungsbindung der Verwaltung Kollisionsregeln Vorrang der Verfassung (Art. 20 III GG) Bundesrecht bricht Landesrecht (Art. 31 GG) Vorrang des (formellen) Gesetzes (Art.20 III GG) Lex superior derogat legi inferiori. (Das höhere Gesetz verdrängt das rangniedrigere) Lex posterior derogat legi priori. (Das jüngere Gesetz hebt das ältere Gesetz auf) => wichtige Abweichungen: Art. 72 III, IV GG
Verfassungsbindung der Verwaltung Verfassungskonforme Auslegung Beispiel: Anmeldepflicht nach 14 I Versammlungsgesetz =>Entfällt bzw. wird modifiziert bei Spontan- bzw. Eilversammlungen (Auswirkung von Art. 8 GG)
Verfassungsbindung der Verwaltung Grundsatz der Gleichbehandlung (Art. 3 GG) Diskriminierungsverbote Selbstbindung der Verwaltung Begründung einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis z.b. durch ständige Anwendung von Verwaltungsvorschriften, Abweichung erfordert dann sachlichen Grund
Verfassungsbindung der Verwaltung Rechtstaatliche Bindungen Rechtssicherheit/Bestimmtheit Rechtssicherheit/Vertrauensschutz Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Gesetzesbindung der Verwaltung Die Konditionalnorm Tatbestandsseite Rechtsfolgenseite wenn a (+b+c) => dann x Beispiele: 11 II Versammlungsgesetz (sinngemäß) 13 I Versammlungsgesetz (wörtlich) Alle Straftatbestände: z.b. 243 StGB
11 Versammlungsgesetz: (1) Der Leiter kann Teilnehmer, welche die Ordnung gröblich stören, von der Versammlung ausschließen. (2) Wer aus der Versammlung ausgeschlossen wird, hat sie sofort zu verlassen.
13 I Versammlungsgesetz: (1) Die Polizei ( 12) kann die Versammlung nur dann und unter Angabe des Grundes auflösen, wenn 1. (...) 2. (...) 3. (...) 4. (...) In den Fällen der Nummern 2 bis 4 ist die Auflösung nur zulässig, wenn andere polizeiliche Maßnahmen, insbesondere eine Unterbrechung, nicht ausreichen. (2) Sobald eine Versammlung für aufgelöst erklärt ist, haben alle Teilnehmer sich sofort zu entfernen.
243 Strafgesetzbuch: (1) In besonders schweren Fällen wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter 1. zur Ausführung der Tat in ein Gebäude, einen Dienst- oder Geschäftsraum oder in einen anderen umschlossenen Raum einbricht, einsteigt, mit einem falschen Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsmäßigen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt oder sich in dem Raum verborgen hält, 2. eine Sache stiehlt, die durch ein verschlossenes Behältnis oder eine andere Schutzvorrichtung gegen Wegnahme besonders gesichert ist, (...)
Die Konditionalnorm Tatbestandsseite Rechtsfolgenseite wenn a (+b+c) => dann x Gebundene Verwaltung wenn TB erfüllt => Rechtsfolge zwingend ( ist / muß / hat zu ) Ermessensverwaltung wenn TB erfüllt => R.folge nicht zwingend ( kann / soll )
Die Konditionalnorm Sonderfall: Beurteilungsspielraum unbestimmte Rechtsbegriffe, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind 3 Fallgruppen: Höchstpersönlichkeit Fachwissenschaftlichkeit Prognose-Entscheidungen
Die Konditionalnorm Sonderfall des Sonderfalls: Die Koppelungsvorschrift Beurteilungsspielraum + Rechtsfolgeermessen Beispiel: 16 Abs. 2 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz: Die zuständige Behörde kann auf Antrag mit Zustimmung der Entsorgungsträger ( ) deren Pflichten auf einen Dritten ganz oder teilweise übertragen, wenn der Dritte sach- und fachkundig und zuverlässig ist, die Erfüllung der übertragenen Pflichten sichergestellt ist und keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen.
Gewohnheitsrecht Wie entsteht Gewohnheitsrecht? Zwei Voraussetzungen: lange andauernde Übung allgemeine Überzeugung der Rechtsgemeinschaft Klassische Beispiele im Öffentl. Recht Öffentlich-rechtlicher Aufopferungsanspruch Enteigungsgleicher/enteignender Eingriff Öffentl.-rechtl. Folgenbeseitigungsanspruch
Rechtsetzung durch die Verwaltung Außenrecht: Rechtsverordnungen Satzungen Binnenrecht: Geschäftsordnungen Verwaltungsvorschriften
Rechtsverordnungen a) Merkmal Hierarchische Rückbindung der Legitimation b) Anwendungsbereich Art. 80 GG (Bundesverordnungen) Art. 55 BV (Landesverordnungen)
Rechtsverordnungen c) Vorteile Flexibilität (vereinfachtes Normsetzungsverfahren) Nutzbarmachung des Fachwissens der Verwaltung Entlastung des Gesetzgebers von Detailregelungen
Rechtsverordnungen d) Formelle Voraussetzungen Ermächtigung (nicht: Zuständigkeit => VA) Einhaltung des Verfahrens (=> LStVG) e) Materielle Voraussetzungen hält sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage kein Widerspruch zu höherrangigem Recht inhaltliche Bestimmtheit der Norm Verhältnismäßigkeit der Norm Grenze der Verlagerung der Normsetzung auf die Exekutive: Wesentlichkeitstheorie/Parl.vorbehalt
Satzungen Wesen: Normsetzungsermächtigung an Körperschaften des öffentlichen Rechts zur Regelung ihrer eigenen Aufgaben (Selbstverwaltungsaufgaben, weisungsfreie Angelegenheiten) Wie VO eine abstrakt-generelle Norm, wenn auch regelmäßig ein engerer Personenkreis betroffen ist
Satzungen Zwecke: wie VOen (Verlagerung von Detailfragen) Aktivierung gesellschaftlicher Kräfte bei der Gestaltung sie selbst betreffender Angelegenheiten Dezentralisation, Subsidiarität, Sachkenntnis vor Ort Annäherung zwischen Normgeber und Normadressat als Akzeptanzvoraussetzung
Satzungen Referenzgebiet Kommunalrecht Gemeinden: Art. 23 GO: allgemeine Satzungsermächtigung Art. 24 GO: Anschluss- und Benutzungssatzung Art. 63 GO: Haushaltssatzung Landkreise: Art. 17, 18, 57 LKrO Bezirke: Art. 17,18, 55 BezO Zweckverbände: Art. 11, 22, 18ff. KommZG
Satzungen Wichtige Beispiele: Satzungen nach BauGB: Bebauungsplan, 10; Flächennutzungsplan, 5 BauGB Kommunale Abgabensatzungen: Art. 2 KAG (Bayerisches Kommunalabgabengesetz) Gemeindliche Steuern (Hundesteuer, Zweitwohnungsteuer) Beiträge (Erschließungsbeiträge, Fremdenverkehrsbeitrag, Kurtaxe) Gebühren (Wasser/Abwasser, Friedhofsgebühren)
Satzungen Weitere Rechtsgebiete: Universität, Hochschulen Standesrecht der berufsständischen Kammern: Industrie- und Handelskammer, Satzung der Handwerksinnungen, des Landesinnungsverbands, der Kreishandwerkerschaften Berufsordnung der Anwälte Ärztestandesrecht
Satzungen Allgemeine Satzungsermächtigung allein rechtfertigt keine Grundrechtseingriffe, spezielle Eingriffsbefugnis notwendig Beispiele: Art. 24 GO, Art. 2 KAG
Geschäftsordnungen Verwandt zu den Satzungen: (allgemeine) Rechtsätze von Kollegialorganen Beispiel: Geschäftsordnung des Gemeinderats Keine Außenwirkung (Normwirkung gegenüber Bürger) Aber: Schaffung von Binnenrecht analog 47 VwGO überprüfbar
Verwaltungsvorschriften Definition: generell-abstrakte Anordnungen einer Behörde an nachgeordnete, weisungsabhängige Verwaltungsglieder oder eines Vorgesetzten an die ihm unterstellten Bediensteten (Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, 24 Rn. 1)
Verwaltungsvorschriften Rechtsnatur (str.): Rechtssätze im (B)Innenbereich der Verwaltung (Binnenrecht) grds. keine Außenwirkung, daher keine Rechtsnormen wohl aber Rechtswirkungen, da z.b. ein Verstoß disziplinarisch verfolgt und sanktioniert werden kann außerdem Bindung im Außenverhältnis über Art. 3 Abs. 1 GG möglich
Verwaltungsvorschriften Bindungswirkung: als Binnenrecht grds. keine Bindungswirkung nach außen aber: Bindung im Außenverhältnis über Art. 3 Abs. 1 GG möglich Beachte jedoch: Bei fehlerhafter Rechtsanwendung durch die Verwaltung entsteht kein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht!
Verwaltungsvorschriften Anwendungsbereich: Ausfüllung von gesetzlich eingeräumten Ermessensspielräumen Regelung von gesetzesfreien Räumen: Vergabe- und Subventionsrichtlinien Beachte: Verwaltungsvorschriften legitimieren nicht zu Rechtseingriffen!
Verwaltungsvorschriften Typologie: Organisations- und Verfahrensvorschriften Norminterpretierende Verwaltungsvorschriften Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften Ermessensrichtlinien
Verwaltungsvorschriften Organisations- und Verfahrensvorschriften: Regeln zur behördeninternen Zuständigkeit und zur Art und Weise der Aufgabenerledigung
Verwaltungsvorschriften Norminterpretierende VV: Einheitliche Auslegung von Gesetzesvorschriften durch die Verwaltung z.b.: Begriff der unzumutbaren/besonderen Härte i.r.d. 12 Abs. 4 WPflG! hierdurch aber keine Bindung der Gerichte!
Verwaltungsvorschriften Normkonkretisierende VV: Besondere Bedeutung im Umweltrecht zur Bestimmung der Schädlichkeit von Umwelteinwirkungen nach 3 Abs. 1 BimSchG (früher auch bezeichnet als antezipierte Sachverständigengutachten wegen Einbeziehung des naturwissenschaftlich-technischen Sachverstandes), z.b.: Technische Anleitungen TA Lärm & TA Luft
Verwaltungsvorschriften Ermessensrichtlinien: Richtlinien zur Ausfüllung des vom Gesetzgeber vorgegebenen Ermessens z.b.: Gebührenverzeichnisse zur Ausfüllung bestehender Gebührenrahmen
Verwaltungsvorschriften Rechtliche Erfordernisse Ermächtigungsgrundlage i.s.v. Art.80 GG nicht erforderlich (Binnenrecht) Ausnahme: VV der BReg nach Art. 84 II, 85 II GG Grenze der Zulässigkeit von VV => Wesentlichkeitstheorie Sonderrechtsverhältnisse (früher: besondere Gewaltverhältnisse): Schule, Beamte, Militär, Strafvollzug Beispiel: Beihilferecht des Bundes und der Länder