Fourierreihen. Die erste dieser Aussagen folgt direkt aus der Definition. Für die zweite bemerken

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Fachbereich Mathematik SS 0 J. Latschev Analysis II Fourierreihen In diesem Kapitel der Vorlesung widmen wir uns der Frage, inwieweit man jede periodische Funktion als Reihe in gewissen Standardfunktionen wie sin(nx), cos(nx) oder e inx mit n Z darstellen kann. Dazu führen wir den Raum L per([, ]) := {f : [, ] C f() = f() und f(x) dx < } ein. Jede Funktion in L per([, ]) lässt sich zu einer -periodischen Funktion auf ganz R fortsetzen, und manchmal werden wir von einer -periodischen Funktion f : R C als Element von L per([, ]) sprechen, oder umgekehrt von Elementen aus L per([, ]) als -periodischen Funktionen. Zunächst halten wir folgenden Sachverhalt fest: Satz. L per([, ]) ist ein komplexer Vektorraum. Beweis. Die -periodischen (stückweise stetigen) Funktionen f : R C bilden unter der punktweisen Addition und Multiplikation mit Skalaren µ C bekanntermaßen einen komplexen Vektorraum, und L per([, ]) ist per Definition eine Teilmenge dieses Vektorraumes. Um nachzuprüfen, dass L per([, ]) selbst ein komplexer Vektorraum ist, genügt es also, die folgenden beiden Aussagen nachzuweisen: Ist f L per([, ]) und µ C, so ist µ f L per([, ]). Aus f L per([, ]) und g L per([, ]) folgt auch f + g L per([, ]). Die erste dieser Aussagen folgt direkt aus der Definition. Für die zweite bemerken wir, dass f(x) + g(x) f(x) + f(x) g(x) }{{} f(x) + g(x) + g(t) ( f(t) + g(t) ). Damit folgt aber aus der Endlichkeit der Integrale von f und g auch die Endlichkeit des Integrals von f + g. Wir müssen natürlich auch dafür sorgen, dass das Integral überhaupt existiert. Dafür verlangen wir hier noch, dass f stückweise stetig (aber nicht notwendig beschränkt) ist, d.h. es gebe eine von f abhängige Zerlegung = t 0 < t < t < < t n = des Intervalls [, ], so dass f auf den offenen Teilintervallen (t i, t i ) stetig ist. Dies impliziert die Existenz des angegebenen Integrals mit Wert in R { } und ist eine von mehreren möglichen ad-hoc-lösungen. Eine befriedigendere Behandlung des wichtigen technischen Problems der Integrierbarkeit von f ist im Rahmen der Lebesgueschen Integrationstheorie möglich, wo man den Begriff der Messbarkeit einer Funktion unabhängig von der Endlichkeit des Integrals formulieren kann.

Ähnlich wie im C n können wir auf L per([, ]) ein Skalarprodukt definieren. Definition. Wir definieren das Skalarprodukt.,. : L per([, ]) L per([, ]) C durch f, g L := f(x)g(x)dx. Bisher hatten wir nur reellwertige Funktionen integriert. Integrale wie das eben benutzte von komplexwertigen Funktionen sind komponentenweise zu verstehen, d.h. man integriert Real und Imaginärteil separat. Die üblichen Rechenregeln gelten auch für Integrale komplexer Funktionen. Um die Existenz des Integrals zu prüfen, bemerkt man, dass Re(f(x)g(x)) = ( f(x) + g(x) f(x) g(x) ) und Im(f(x)g(x)) = ( f(x) + ig(x) f(x) g(x) ), und die rechten Seiten haben für f, g L per([, ]) jeweils ein endliches Integral. Das gerade definierte Skalarprodukt hat folgende Eigenschaften:. λf + µf, g L = λ f, g L + µ f, g L. f, λg + µg L = λ f, g L + µ f, g L 3. f, g L = g, f L 4. f, f L 0. Im Gegensatz zu R n und C n ist in L per([, ]) die Eigenschaft f, f L = 0 nicht äquivalent zur Aussage f = 0, da man f zum Beispiel in einem Punkt abändern kann, ohne dass das Integral sich ändert. Wir führen nun noch die vom Skalarprodukt induzierte Norm ein, und zwar wie üblich f L := f, f L. Im folgenden bezeichnet I stets eine abzählbare Indexmenge, zum Beispiel Z oder N. Definition. Ein Orthonormalsystem (ON-System) ist eine abzählbare Menge von Funktionen {φ n } n I aus L per([, ]) mit φ i, φ j L = { 0 falls i j falls i = j. In der Lebesgueschen Integrationstheorie löst man dieses Problem durch Übergang zu einem geeigneten Quotientenraum.

Beispiel. Die Funktionen {φ n (x) := e inx } n Z bilden ein ON-System in L per([, ]). In der Tat sind alle φ n -periodisch. Außerdem gilt φ n, φ m L = einx e imx dx = e i(n m)x dx =: I n,m. Im Fall n = m ist die Funktion e i(n m)x = konstant, so dass I n,m = folgt. Ist n m, so ist i(n m) ei(n m)x eine Stammfunktion für e i(n m)x, so dass I n,m = i(n m) ei(n m)x = i(n m) (ei(n m) e i(n m) ) = 0, denn e i(n m) = e (n m)i e i(n m) = e i(n m)x, so dass die Differenz verschwindet. Daraus erhalten wir durch Umrechnen ein weiteres Beispiel. Die Funktionen, sin(x), cos(x), sin(x), sin(x),..., sin(nx), cos(nx),... bilden ebenfalls ein ON-System in L per([, ]). In der Tat stimmt die erste Funktion mit φ 0 aus dem ersten Beispiel überein. Außerdem gilt so dass cos(nx) = (einx + e inx ) = (φ n(x) + φ n (x)) und sin(nx) = i (einx e inx ) = i (φ n(x) φ n (x)), cos(nx) = (φ n (x) + φ n (x)) und sin(nx) = i (φ n(x) φ n (x)). Die ON-Bedingung folgt nun durch Nachrechnen aus der ON-Bedingung für die φ n. Sei nun {φ n } n I ein beliebiges ON-System in L per([, ]). Wir definieren c n (f) := f, φ n L = f(x)φ n (x)dx. Die Konstante c n (f) C heisst n ter Fourierkoeffizient von f bezüglich des ON-Systems {φ n } n I. 3

Satz (Minimalitätseigenschaft der Fourierkoeffizienten). Sei {φ n } n N ein ON-System in L per([, ]) und f L per([, ]). Dann gilt für jedes k N und beliebige Konstanten γ,..., γ k C die Ungleichung f(x) c n (f)φ n (x) dx f(x) γ n φ n (x) dx. Äquivalent kann man die behauptete Ungleichung auch als f c n (f)φ n L f γ n φ n L schreiben. Im Sinne des von der L -Norm definierten Abstandes sind also die Fourierpolynome jeweils die bestmögliche Approximation von f durch Linearkombinationen aus Funktionen des ON-Systems. Beweis. Wir rechnen nach: f γ n φ n L = f γ n φ n, f = f, f L = f, f L = f, f L + f, f L = f, f L = f, f L + = f = f m= γ m φ m L m= γ n φ n, f L γ n c n (f) γ n f, φ n L + γ n c n (f) + γ n c n (f) γ n + c n (f) φ n, f L c n (f)c m (f) φ n, φ m L c n (f)φ n, f c n (f)φ n L. m= c n (f) f, φ n L c m (f)φ m L m= γ n γ m φ n, φ m L 4

Als direkte Konsequenz des letzten Beweises erhalten wir nun auch Satz 3 (Besselsche Ungleichung). Sei {φ n } n N ein ON-System in L per([, ]) und f L per([, ]). Dann gilt f L = f(x) dx. Beweis. Wie im letzten Beweis gesehen gilt für jedes k N 0 f c n (f)φ n L = f, f L das heisst für alle k N muss f, f L, gelten. Dann konvergiert aber die Reihe, und es gilt die behauptete Ungleichung für ihre Summe. Als konkrete Folgerung aus Satz 3 halten wir noch fest: Folgerung. Sei {φ n } n N ein ON-System in L per([, ]) und f L per([, ]). Dann gilt für die Fourierkoeffizienten von f bezüglich {φ n } lim c n(f) = 0. n Beispiel. Für das ON-System {φ n (x) = e inx } n Z gilt c n (f) = c n (f) = f(x)e inx dx f(x)e inx dx. Betrachtet man die Teil-ON-Systeme {φ n } n 0 bzw. {φ n } n 0, so besagt die Folgerung also lim f(x)e inx dx = 0 und n lim n f(x)e inx dx = 0 für jedes f L per([, ]). Analog erhält man durch Betrachtung der anderen ON-Systeme { sin(nx)} n N bzw. { cos(nx)} n N die Aussagen und lim n lim n für jedes f L per([, ]). f(x) sin(nx) dx = 0 f(x) cos(nx) dx = 0 und 5

Bevor wir das nächste Konzept einführen, greifen wir kurz einen Begriff der linearen Algebra auf. In endlich-dimensionalen Vektorräumen V wie R d oder C d mit einem Skalarprodukt (wie wir es am Beginn des letzten Semesters definiert hatten) ist eine orthonormale Basis eine Teilmenge {v,..., v d } von genau d = dim V Elementen, welche die Beziehung { 0 falls i j v i, v j = falls i = j erfüllen. Es folgt dann, dass sich jedes Element x V schreiben lässt als x = d x, v i v i, i= wobei außerdem noch x = x, x = d x, v i i= gilt. In den in der Analysis auftretenden unendlich-dimensionalen Vektorräumen sind Basen im Sinner der linearen Algebra meist unbrauchbar, da sie nahezu immer überabzählbar sind. Stattdessen ist ein etwas abgeschwächtes Konzept sehr nützlich, welches wir nun im Spezialfall von L per([, ]) vorstellen: Definition 3. Ein ON-System {φ n } n I in L per([, ]) heißt vollständig, falls für jede stetige Funktion f L per([, ]) f, f L = n I gilt. 3 Bemerkung. Wir erinnern an unsere Vereinbarung, dass die Indexmenge I abzählbar ist. Da die Summanden der Reihe nichtnegativ sind, hängt die Summe, so sie existiert (und das tut sie wegen der Besselschen Ungleichung), nicht von der Reihenfolge der Summanden ab. Wir können also eine beliebige Bijektion von I mit N zur Interpretation der rechten Seite der letzten Gleichung wählen. Insbesondere treffen wir die Vereinbarung, dass im Fall I = Z mit der Reihe der Grenzwert N lim N gemeint sei. Warnung: Dies ist keine allgemein gültige Definition, und funktioniert so nur für Reihen mit nichtnegativen Gliedern! 3 Diese Definition wurde gewählt, um den Beweis des folgenden Satzes zu vereinfachen. Man kann zeigen, dass aus der Bedingung für alle stetigen Funktionen f L per([, ]) die Bedingung für alle Funktionen f L per([, ]) folgt. 6

Die wichtigsten Fragen der Theorie der Fourierreihen kann man nun wie folgt formulieren: Sei ein vollständiges ON-System {φ n } n I L per([, ]) gegeben. Für welche f L per([, ]) gilt dann f(x) = n I c n (f)φ n (x), (a) im Sinne der punktweisen Konvergenz? (b) im Sinne der gleichmäßigen Konvergenz? Wir werden diese Fragen im Rahmen dieser Vorlesung nur streifen (siehe aber die Zusammenfassung am Ende dieser Notizen). Satz 4 (Satz von Parseval, auch Satz von Plancherel). {φ n (x) = e inx } n Z ist ein vollständiges ON-System in L per([, ]), d.h. für alle f C([, ], C) mit f() = f() gilt = f L. Beweis. Da f : [, ] C (bzw. seine Fortsetzung auf R) -periodisch und stetig ist, finden wir mit dem Approximationssatz von Stone und Weierstraß trigonometrische Polynome f j, welche gleichmäßig gegen f konvergieren. Zu jedem ε > 0 gibt es also ein trigonometrisches Polynom f ε (x) = N γ nφ n (x) mit γ n C und Es gilt dann sup f(x) f ε (x) < ε. x [,] f(x) N γ n φ n (x) dx ε. Aus der Minimalitätseigenschaft der Fourierkoeffizienten (Satz ) erhalten wir hiermit f, f L N = f(x) Wir finden also zu jedem ε > 0 ein N N mit f, f L ε N N c n (f)φ n dx ε. f, f L, wobei die letzte Ungleichung eine Konsequenz der Besselschen Ungleichung (Satz 3) ist. Insgesamt folgt dann aber = f, f L. 7

Bemerkung. Wie zuvor erhält man wieder durch Umrechnung (oder durch Wiederholung des Beweises), dass auch, sin(x), cos(x), sin(x) ein vollständiges ON-System ist., sin(x),..., sin(nx), cos(nx),... Schließlich beweisen wir doch noch eine Aussage über die Konvergenz der Fourierreihe. Satz 5. Sei {φ n } n Z ein vollständiges ON-System in L per([, ]), welches aus stetigen Funktionen besteht, und sei f : R C eine -periodische stetige Funktion. Falls unter diesen Voraussetzungen die Fourierreihe c n (f)φ n (x) von f gleichmäßig konvergiert, so konvergiert sie gegen f. Beweis. Nach Voraussetzung existiert die Funktion g : [, ] C, g(x) = c n (f)φ n (x), und ist als Grenzwert der gleichmäßig konvergierenden Folge der jeweils stetigen Fourierpolynome selbst auch stetig. Außerdem gilt c n (g) = c n (f), wie man durch gliedweise Integration der gleichmäßig konvergierenden Reihe g(x)φ n (x) aus der ON-Eigenschaft der φ n erhält. Nun berechnen wir = = f(x) g(x) dx f(x) dx f(x) dx f(x) f(x)g(x) dx f(x) c n (f)φ n (x) dx + c n (f)φ n (x) dx f(x)g(x) dx + ( ) = f(x) dx c n (f) f(x)φ n (x) dx ( ) c n (f) f(x)φ n (x) dx + = f(x) dx = f(x) dx =0, + g(x) dx 8

wobei wir wieder die gleichmäßige Konvergenz zum Vertauschen des Integrals mit der Summe genutzt haben, und die letzte Gleichung aus der Vollständigkeit des ON-Sytems und dem Satz von Parseval (Satz 4) folgt. Da f und g beide stetig sind, muss aus dieser Gleichung aber f = g folgen. Als Anwendung der hier präsentierten Theorie wollen wir einige Werte der Riemannschen ζ-funktion ζ(s) = n s bestimmen. Dazu berechnen wir zunächst eine konkrete Fourierreihe. Beispiel. Wir betrachten die Funktion f : [, ] R, f(x) = x, und bestimmen die Fourierkoeffizienten bezüglich des ON-Systems {φ n (x) = e inx } n Z. Es gilt c 0 (f) = f, φ 0 L = x dx = 3 x3 =. 3 Für n 0 erhalten wir durch zweifache partielle Integration c n (f) = f, φ n L = = = = ( )n 4 n Nun besagt der Satz von Parseval e inx x in }{{} =0 xe inx n c 0 (f) + n 0 }{{} x e inx u }{{} dx v = ( )n n. = das heisst konkret (wegen c n (f) = c n (f)) Daraus erhalten wir ζ(4) = }{{} x u e inx in }{{} v e inx n dx } {{ } =0 5 9 + 8 n = 5 4 5. x 4 dx, n = ( ) 5 4 6 5 5 = 4 9 90. 9 dx

Außerdem folgt auch c n (f)φ n (x) = 3 + = 3 + c n (f) ( e inx + e inx) 4 ( ) n cos(nx), und diese Reihe konvergiert nach dem Majorantenkriterium gleichmäßig auf ganz [, ]. Mit Satz 5 erhalten wir also x = f(x) = 3 + 4 ( ) n Auswertung an der Stelle x = ergibt woraus = 3 + 4 ( ) n n ζ() = n n cos(nx) auf ganz [, ]. () ( ) n = 3 + 4 n, n = 6 folgt. Wertet man () an der Stelle x = 0 aus, so erhält man stattdessen das heisst = 0 = 3 + ( ) n+ 4 ( ) n n, n = 4 + 9 6 ±... Bemerkung. Durch k-faches Integrieren von () mit k und Auswerten an der Stelle x = erhält man rekursiv Formeln für die Werte ζ(k + ) an allen geraden natürlichen Zahlen. Zusammenfassung Wir kennen nun zwei mögliche Reihendarstellungen für Funktionen: Potenzreihen und Fourierreihen. Der Vorteil der Fourierreihen ist, dass sich deutlich mehr Funktionen durch sie darstellen lassen, zumindest auf einem vorgegebenen beschränkten Intervall. Potenzreihen definieren auf ihrem Konvergenzkreis ja analytische Funktionen, während sich auch viele stetige oder sogar sprungstetige Funktionen als Fourierreihe schreiben lassen. Der Nachteil der Fourierreihen ist die vergleichsweise Schwierigkeit, allgemeine Konvergenzkriterien zu beweisen. Auch konvergieren sie, wenn überhaupt, oft nur punktweise, während Potenzreihen auf kompakten Teilmengen des Konvergenzkreises stets gleichmäßig konvergieren. 0

Fakten zu Fourierreihen (ohne Beweise) Zum Abschluss hier noch einige Aussagen über Fourierreihen bzgl. des ON- Systems {φ n (x) = e inx } n Z, die einen gewissen Einblick in die allgemeine Theorie geben sollen. Für differenzierbare -periodische Funktionen f konvergiert die Fourierreihe immer gleichmäßig gegen f. Für f C k per([, ]) gilt sogar sup x [,] f(x) N c n (f)e inx M(f)N k+ für eine geeignete, von f abhängige Konstanten M(f). Je glatter also die Funktion, um so schneller konvergiert die Fourierreihe. Zu jeder Lebesgue-Nullmenge N [, ] findet man eine stetige Funktion f : [, ] R, so dass die Fourierreihe von f für alle x N divergiert. (Satz von Carleson, 966) Für jedes f L per([, ]) existiert eine Lebesgue-Nullmenge N(f), so dass für alle x [, ] \ N(f) die Fourierreihe von f konvergiert. (Hunt, 968) Dasselbe gilt, wenn man den Exponenten durch ein p mit < p < ersetzt (die L p -Räume sind analog zu L definiert). (Kolmogorov, 96) Es gibt eine Funktion f L per([, ]), deren Fourierreihe in keinem Punkt x [, ] konvergiert. 4 Literatur zum Thema Ein einführendes Kapitel zu Fourierreihen findet sich in den meisten Analysis- Lehrbüchern, so auch bei Forster, Ammann/Escher, Rudin oder Königsberger. Weiterführende Literatur (bei Bedarf, eher nicht für jetzt) ist zum Beispiel das Buch Fourier series and integrals von Dym und McKean. Beweise für die schwierigen Theoreme von Carleson und Hunt findet man in Modern Fourier analysis von Grafakos (ebenfalls nicht für jetzt). 4 Hier ist L im Sinne der Lebesgue-Integrierbarkeit zu verstehen.