Vorlesung Lehren des Strafrecht AT und Delikte gegen die Person Professor Dr. Felix Herzog Sommersemester 2015 Körperverletzung im Amt
Körperverletzung im Amt (1) 340 ist ein qualifizierter Tatbestand; Grundtatbestand ist 223 340 III: 224 bis 229 sind entsprechend anwendbar, d.h. es gibt die Tatbestände der gefährlichen, schweren (usw.) Körperverletzung im Amt das Strafmaß ergibt sich dann aus 224 bis 229; die Amtsträgerschaft ist bei der Strafzumessung zu berücksichtigen die Körperverletzung im Amt ist kein Antragsdelikt
Körperverletzung im Amt (2) 340 ist ein (unechtes) Amtsdelikt Täter kann nur sein, wer Amtsträger ist für alle Sonderdelikte (z.b. Amtsdelikte) gelten Besonderheiten bei Täterschaft und Teilnahme (vgl. 28) zum Begriff Amtsträger siehe die Legaldefinition in 11 I Nr. 2
Körperverletzung im Amt (3) Die Körperverletzung im Amt kann unter Verweis auf das Vorliegen des Grundtatbestandes aus 223 I StGB (2.Var.) geprüft werden. Es ist aber auch möglich, das Vorliegen des Grunddelikts inzident im Rahmen der Prüfung der Körperverletzung im Amt (1.Var.) zu klären. 1. Prüfungsalternative I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand 223 2. Objektiver Tatbestand 340 3. Subjektiver Tatbestand 223 4. Subjektiver Tatbestand 340 II. Rechtswidrigkeit III. Schuld
Körperverletzung im Amt (4) 2. Prüfungsalternative Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld - 223 I StGB I. Tatbestand II. 1. Verweis auf oben geprüftes und vorliegendes Grunddelikt ( 340 I StGB) 2. Objektiver Tatbestand 340 I StGB 3. Subjektiver Tatbestand (Vorsatz hins. Vorliegen des Grundtatbestands und hins. der obj. Tatbestandsmerkmale des 340 I StGB) Rechtswidrigkeit III. Schuld
Körperverletzung im Amt (5) Bei der Prüfung der qualifizierten Körperverletzung im Amt ist entsprechend sowohl der Grundtatbestandes aus 223 I als auch der Tatbestand der Körperverletzung im Amt aus 340 mit der Prüfung des jeweiligen qualifizierenden Merkmals, z.b. aus 224, zu verbinden. Hinweis: Bei der fahrlässigen Körperverletzung im Amt ist 229 das Grunddelikt. Beispiel: gefährliche KV im Amt I. Tatbestand 1. Objektiver Tatbestand 223 2. Objektiver Tatbestand 340 3. Objektiver Tatbestand des 224 ivm. 340 III 4. Subjektiver Tatbestand 223 5. Subjektiver Tatbestand 340 6. Subjektiver Tatbestand des 224 ivm. 340 III II. Rechtswidrigkeit und III. Schuld
Körperverletzung im Amt (6) Tätereigenschaft: Amtsträger Tathandlung: Körperverletzung gemäß 223 I StGB während der Ausübung seines Dienstes (1. Variante) oder in Beziehung auf seinen Dienst (2. Variante) Definitionen: Amtsträger vgl. 11 Nr. 2 StGB (Legaldefinition) während der Ausübung seines Dienstes = Zeit, in der er befugt als Amtsträger tätig ist in Beziehung auf seinen Dienst = Begehung in einem vielleicht nicht örtlichen oder zeitlichen, aber sachlichen Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Amtsträger
Körperverletzung im Amt (7) Beispiele für sonstiges öffentlich- rechtliches Amtsverhältnis Notare (nicht Rechtsanwälte!) Minister (nicht Abgeordnete!)
Körperverletzung im Amt (8) Beispiele für sonst zur Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung Bestellte Lehrer, Dozenten (an öffentlichen Hoch/Schulen) Direktor, Oberarzt eines Universitätsklinikums Angestellte eines städtischen Versorgungsoder Verkehrsbetriebes (sofern überwiegend im öffentlichen Eigentum)
Lehrer L schlägt zu L hat als Lehrer in einer 6. Klasse immer wieder Schwierigkeiten mit der Schülerin S, die sich einen Spaß daraus macht, ihn durch Störmanöver aus dem Konzept zu bringen. L hat schon alles versucht, aber S ändert ihr Verhalten nicht. Eines Tages versetzt er ihr nach entsprechender Androhung eine schallende Ohrfeige. Das Landes-SchulG verbietet ausdrücklich körperliche Züchtigungen. (vgl. BGH NStZ 1993, 591; OLG Hamm NJW 1956, 1690)
Kokain-OP-Fall Polizeihauptmeister P verbringt G in ein Krankenhaus, nachdem er ihn festgenommen hat. G hat mit Kokain gefüllte Plastikkügelchen verschluckt. Der Internist entscheidet, dass Gastroskopie zu gefährlich sei und ordnet eine Entfernung mittels Operation an. Es werden 14 Kügelchen sichergestellt. Ungeklärt bleibt, ob P den Eingriff zum Zwecke der Beweissicherung angeordnet hat oder ob der Eingriff allein auf Veranlassung und in Verantwortung der Ärzte durchgeführt wurde. (vgl. BVerfG NJW 2002, 2869)
Blutproben-Fall Der Polizeibeamte P hält einen PKW an, um eine Alkoholkontrolle durchzuführen. Obwohl der Fahrer F angibt, nichts getrunken zu haben und die drei (gut angeheiterten) Mitfahrer dies bestätigen, ordnet P eine Blutentnahme bei F an und nimmt ihn mit ins Krankenhaus. Die Dienstanweisung lautet, dass regelmäßig vorher ein Atemalkoholtest durchzuführen ist. (vgl. OLG Köln NStZ 1986, 234)
Besondere Rechtfertigungsgründe Alle Eingriffsgrundlagen typischerweise des Polizeirechts oder der StPO kommen als Rechtfertigungsgründe in Betracht, insb. 81a, 81c StPO 127 II StPO sowie sonstige Zwangsmaßnahmen ivm.... Gesetzen der Länder über Ausübung und Grenzen des unmittelbaren Zwanges (UZwG) (vgl. z.b. BayObLG NStZ 1988, 518)
Brechmittel-Fall Vier Polizeibeamte in Zivil beobachten, wie J Plastikkügelchen verkauft, die er im Mund aufbewahrt; als sie ihn festnehmen wollen, verschluckt er die Kügelchen. Sie nehmen J mit zum Revier und fordern ihn unter ärztlicher Aufsicht auf, ein Emetikum (Ipecacuanha-Sirup) zu trinken. J fürchtet, dass er andernfalls weiter festgehalten wird, schluckt den Sirup und erbricht sich mehrmals. (vgl. EGMR StV 2006, 617; BGH NJW 1983, 462
Folter-Fall G, der im dringenden Verdacht steht, ein Kind entführt zu haben, macht bei den polizeilichen Vernehmungen keine Angaben. Polizeivizepräsident D befürchtet, dass das Kind stirbt, wenn es nicht schnell befreit werden kann. Er ordnet an, G unter vorheriger Androhung erhebliche Schmerzen zuzufügen, um ihn zum Reden zu bringen. G gesteht daraufhin, das Kind getötet zu haben. (vgl. LG Frankfurt a.m. NJW 2005, 692)