A Die Menge C der komplexen Zahlen

Ähnliche Dokumente
Die komplexen Zahlen werden definiert als die geordneten Paare z = (x, y) reeller Zahlen x, y R, zusammen mit den Rechenoperationen

Komplexe Zahlen. Allgemeines. Definition. Darstellungsformen. Umrechnungen

Addition, Subtraktion und Multiplikation von komplexen Zahlen z 1 = (a 1, b 1 ) und z 2 = (a 2, b 2 ):

2.9 Die komplexen Zahlen

10 Komplexe Zahlen. 2. Februar Komplexe Multiplikation: Für zwei Vektoren. z 1 =

3.2. Polarkoordinaten

Einführung Seite 28. Zahlenebene C. Vorlesung bzw. 24. Oktober 2013

Vorlesung. Komplexe Zahlen

Analysis 1, Woche 3. Komplexe Zahlen I. 3.1 Etwas Imaginäres

ax 2 + bx + c = 0, (4.1)

erfanden zu den reellen Zahlen eine neue Zahl

KAPITEL 1. Komplexe Zahlen

Komplexe Funktionen. für Studierende der Ingenieurwissenschaften Technische Universität Hamburg-Harburg. Reiner Lauterbach. Universität Hamburg

Komplexe Zahlen. (a, b) + (c, d) := (a + c, b + d) (a, b) (c, d) := (a c b d, a d + b c)

Mathematik I Herbstsemester 2014 Kapitel 7: Komplexe Zahlen

Komplexe Zahlen. Rainer Hauser. Januar 2015

11 Komplexe Zahlen. Themen: Der Körper der komplexen Zahlen Die Mandelbrot-Menge Der Fundamentalsatz der Algebra

viele weitere Anwendungen wie zum Beispiel Schwingungsvorgänge. 4.1 Die algebraische Struktur der komplexen Zahlen

Komplexe Zahlen (Seite 1)

Körper sind nullteilerfrei

Dynamische Systeme und Zeitreihenanalyse // Komplexe Zahlen 3 p.2/29

1. Definition der komplexen Zahlen Ziel: neuerliche Zahlbereichserweiterung, so dass auch Quadratwurzeln aus negativen Zahlen

Menge der natürlichen Zahlen = {1, 2, 3,...} Aber: a + x = b ist nur lösbar, falls b > a

Stefan Ruzika. 24. April 2016

Vorkurs Mathematik Übungen zu Komplexen Zahlen

29 Komplexe Zahlen und Polynome

Die komplexen Zahlen

7. KOMPLEXE ZAHLEN. und die. KOMPLEXE e-funktion

Komplexe Zahlen. Axel Schüler, Leipzig Juli 2003

2.6 Der komplexe Logarithmus und allgemeine Potenzen

Ergänzungen in Mathematik Studierende Nanowissenschaften

Zahlen und Gleichungen

Höhere Mathematik für Naturwissenschaftler Studienjahr 2016/17

Vorlesung. Komplexe Zahlen

Potenzen und Wurzeln komplexer Zahlen. Eulersche Identität. Polardarstellung. Additionstheoreme. Vollständige Faktorisierung von Polynomen

12 3 Komplexe Zahlen. P(x y) z = x + jy

Exkurs Zahlbereichserweiterungen zu den Komplexen Zahlen

Multiplikation und Division in Polarform

Kapitel 5. Die trigonometrischen Funktionen Die komplexen Zahlen Folgen und Reihen in C

Vorkurs Mathematik-Physik, Teil 5 c 2016 A. Kersch

3.1. Die komplexen Zahlen

z + b ) 2 2a 4a 2 Nach Ausklammern des linken Terms mittels binomischer Formel ergibt sich = b2 4ac

Dieses Kapitel widmet sich den komplexen Zahlen. Die in den folgenden Kapiteln dargestellten Themen können damit

Komplexe Zahlen. Gerald und Susanne Teschl. 15. Januar 2014

Einiges über komplexe Zahlen

Aufgaben zu Kapitel 5

Mathematik = x 2 + x 2 = x + x 2 25x = 146 x =

Komplexe Zahlen und konforme Abbildungen

Kapitel 6. Exponentialfunktion

Komplexe Zahlen. Lernziele dieses Abschnitts sind:

Mathematik I für das MW und VIW. Karsten Eppler Technische Universität Dresden Institut für Numerische Mathematik

Mathematik I für das MW und VIW. Karsten Eppler Technische Universität Dresden Institut für Numerische Mathematik

= 2 i 2= 2 2 i, z 4. = 1.5, z 8

5.A Die Konstruktion der komplexen Zahlen

Menge der irrationalen Zahlen C = {z z = a + bi; a, b R, i 2 = 1} Menge der komplexen Zahlen R C Somit ergibt sich: N N Z Q R C

Die komplexen Zahlen

Lineare Algebra I 8. Übungsblatt - Weihnachtszettel - Lösungen

Brückenkurs Mathematik für Studierende der Chemie

2 Komplexe Funktionen

Zusammenfassung Zahlbereiche

Mathematischer Vorkurs für Physiker WS 2009/10

Kapitel 5 Komplexe Zahlen

Übungen Ingenieurmathematik

Eigenschaften von Winkelfunktionen

Leitprogramm. Komplexe Zahlen

17 Grundrechenarten für komplexe Zahlen

Dieses Projekt wurde im Rahmen der Lehrveranstaltung Logik als Arbeitssprache im Sommersemester 2004 verfasst.

SBP Mathe Aufbaukurs 3. Imaginäre und komplexe Zahlen. Komplexe Zahlen in der Gaußschen Zahlenebene. Darstellungen komplexer Zahlen.

Facharbeit. Clemens-Brentano-Gymnasium in Dülmen. Schuljahr 2000/2001

Vorlesung Mathematik 3 KI Bachelor 1

ANALYSIS 1 für Lehramt Ma Regelschullehrer SS 2008

Kapitel 7. Exponentialfunktion

13 Die trigonometrischen Funktionen

Die komplexen Zahlen. Kapitel 1. Kapitel Historisches

Technische Universität München

Definition von R n. Parallelverschiebungen in R n. Definition 8.1 Unter dem Raum R n (n N) versteht man das kartesische Produkt R R... R (n-mal), d.h.

2 Geometrie und Vektoren

Komplexe Zahlen. 1) Motivierende Aufgabe. 2) Historisches

1. Körper und Körpererweiterungen

TEIL 1 (ohne Rechner)

Vorkurs Mathematik 2016

Komplexe Zahlen. Bekannte Zahlenmengen. Natürliche Zahlen. Die Zahlenmenge ist IN = {0, 1, 2, 3,...}. Es gelten die folgenden Gesetze:

Mathematik 1 für Wirtschaftsinformatik

Es gibt eine Heuristik, mit der sich die Primzahldichte

3. DIE EXPONENTIALFUNKTION UND VERWANDTES

1 Vektoren, Vektorräume, Abstände: 2D

Potenzgesetze und Logarithmengesetze im Komplexen

Übungen Mathematik I, M

z k k! = 1 + z + z2 2! + z3 k=0

Kapitel 7. Funktionentheorie. 7.1 Holomorphe und harmonische Funktionen. 1. Definitionen

3.5. DIE EXPONENTIALREIHE 73

10. Die komplexen Zahlen.

Definition von Sinus und Cosinus

Mathematischer Vorbereitungskurs für Ökonomen

KOMPLEXE ZAHLEN UND LINEARE GLEICHUNGSSYSTEME

Mathematik für Anwender I

Ferienkurs Analysis 1. Tag 2 - Lösungen zu Komplexe Zahlen, Vollständige Induktion, Stetigkeit

Dezimalzahlen. Analysis 1

Komplexe Zahlen. Facharbeit. vorgelegt am von. Florian Hennig. Berufliches Schulzentrum Mittweida

Leitfaden a tx t

Transkript:

A Die Menge C der komplexen Zahlen (Vgl. auch Abschnitt C) A.1 Definition Wir erweitern R um eine Zahl i / R (genannt imaginäre Einheit) mit der Eigenschaft i 2 i i = 1. (653) Unter einer komplexen Zahl z C versteht man einen Ausdruck der Form z = x+ iy = x+yi = yi +x = iy +x (x,y R). (654) Die reellen Zahlen x und y heißen Real- bzw. Imaginärteil von z, z = x+ iy : Re[z] = x, Im[z] = y. (655) Addition und Multiplikation in C werden erklärt durch z 1 +z 2 (x 1 + iy 1 )+(x 2 + iy 2 ) := (x 1 +x 2 )+ i(y 1 +y 2 ), (656) z 1 z 2 (x 1 + iy 1 ) (x 2 + iy 2 ) := x 1 x 2 + iy 1 x 2 + ix 1 y 2 + i 2 y 1 y 2 (x 1 x 2 y 1 y 2 )+ i(x 1 y 2 +y 1 x 2 ). (657) Diekomplexen Zahlenohne Imaginärteil, x+0i C, lassen sich alsomit denrellen Zahlen x R identifizieren, denn es gilt (x 1 +0i)+(x 2 +0i) = (x 1 +x 2 )+0i, (x 1 +0i) (x 2 +0i) = (x 1 x 2 )+0i. (658) Damit gilt R C. Insbesondere ist C eine Körpererweiterung von R. Zur Division zweier komplexer Zahlen erweitert man den Bruch mit dem konjugiert Komplexen z := x iy des Nenners z = x+ iy, 2+5i 3+4i = (2+5i) (3 4i) (3+4i) (3 4i) = (6+20)+(15 8)i 3 2 +4 2 = 26 25 + 7 25 i. (659) Probe: Multiplikation des Resultats mit 3+4i ergibt wieder 2+5i. 109

A.2 Geometrische Deutung der Rechenoperationen Man kann die komplexen Zahlen z = x+ iy mit den Punkten der xy-ebene identifizieren, die dann Gaußsche Zahlenebene genannt wird. Die reelle Zahlengerade R entspricht dabei der x-achse. A.2.1 Deutung der Addition Ordnet man den komplexen Zahlen Ortsvektoren zu, die vom Ursprung der Zahlenebene, also der Zahl z = 0 ausgehen, so ist die Addition (656) zweier Zahlen nichts anderes als die Vektoraddition ihrer Ortsvektoren. Um auch für die Multiplikation (657) eine geometrische Deutung zu finden, führen wir eine neue Darstellung komplexer Zahlen ein: A.2.2 Polardarstellung komplexer Zahlen DasProduktderZahlz = x+iy mitderzuihrkomplex-konjugiertenzahlz := x iy, zz (x+ iy)(x iy) = x 2 +y 2, (660) ist immer reell und nicht-negativ. Die positive Wurzel daraus, zz = x 2 +y 2 =: z, (661) ist die Länge des Ortsvektors der Zahl z in der Zahlenebene, also ihr geometrischer Abstand von der Zahl 0. Dieser Abstand heißt der Betrag z von z. Der Winkel φ, den dieser Ortsvektor (im mathematisch positiven Gegenuhrzeigersinn) mit der positiven x-achse einschließt, heißt das Argument arg(z) von z. Es gilt also z = r, arg(z) = φ z = rcosφ }{{} =x + i rsinφ }{{} =y ( ) r cosφ+ i sinφ. (662) Diese Polardarstellung ist die Alternative zur kartesischen Darstellung z = x + i y einer komplexen Zahl. A.2.3 Deutung der Multiplikation In der Polardarstellung ergibt sich für das Produkt zweier komplexer Zahlen ( ) ( ) z 1 z 2 r 1 cosφ 1 + i sinφ 1 r 2 cosφ 2 + i sinφ 2 = r 1 r 2 [( cosφ 1 cosφ 2 sinφ 1 sinφ 2 )+ i 110 )] (cosφ 1 sinφ 2 +sinφ 1 cosφ 2 (663).

Nach den Additionstheoremen für Sinus und Cosinus gilt also ] z 1 z 2 = r 1 r 2 [cos(φ 1 +φ 2 )+ i sin(φ 1 +φ 2 ). (664) Satz: Bei der Multiplikation (657) zweier komplexer Zahlen z 1 und z 2 multiplizieren sich die Beträge der Faktoren, während sich deren Argumente addieren, z 1 z 2 = r 1 r 2 z 1 z 2, arg(z 1 z 2 ) = arg(z 1 )+arg(z 2 ). (665) Bsp.: Man zeichne die Zahlen z 1 = 4+ i und z 2 = 1+ i in die Zahlenebene. Mit z 1 z 2 = 17 2 6 und φ 1 +φ 2 15 +45 = 60 kann man aus dieser Zeichnung ablesen, daß z 1 z 2 3+5i. Dies ist sogar das exakte Ergebnis! A.3 Die komplexe Exponentialfunktion A.3.1 Rein-imaginäre Zahlen Für eine reelle Zahl φ definieren wir mit der Exponentialreihe aus Kapitel 1 e iφ := (iφ) n. (666) n! n=0 Zwar ist zunächst völlig unklar, was unter der Exponentialfunktion einer komplexen Zahl iφ zu verstehen ist, doch auf der rechten Seite ist jeder Term der Reihe wohldefiniert, wenn wir i 0 := 1 festlegen und beachten, daß aus i 2 = 1 folgt: i 3 = i, i 4 = 1, etc., (iφ) n n=0 n! = i 0φ0 0! + i 1φ1 1! + i 2φ2 2! + i 3φ3 3! + i 4φ4 4! + i 5φ5 5! +... = 1+ iφ φ2 2! i φ3 3! + φ4 4! + i φ5 5! ++... ) ) = (1 φ2 2! + φ4 4! +... + i (φ φ3 3! + φ5 5! +... = cosφ+ i sinφ, (667) mit den bekannten Reihen für cosφ und sinφ. Es gilt also die bemerkenswerte Beziehung e iφ = cosφ+ i sinφ. (668) Die Zahlen e iφ mit 0 φ < 2π bilden den Einheitskreis in der Zahlenebene, e iφ = cos 2 φ+sin 2 φ = 1. (669) 111

Man kann dieses Ergebnis graphisch illustrieren, indem man, etwa für φ = 1 oder φ = π 2, die Zahlen 1, iφ, 1 2 φ2, 1 6 φ3 i, etc. vektoriell in der Zahlenebene aufsummiert. Wir verstehen jetzt auch die enge gegenseitige Verwandtschaft der Taylorreihen (53) (55) für e x, cosx und sinx. Jetzt können wir die Polardarstellung schreiben in der Form z = x+ iy r(cosφ+ i sinφ) = re iφ. (670) Bsp. 5: Man beachte die wichtigen Polardarstellungen i = e i π 2, 1 = e iπ, i = e i 3 2 π, 1 = e 2πi = e 0. (671) Weitere Beispiele sind 1+ i = 2e i π 4, 1 i = 2e i 7 4 π, e i = cos1+ i sin1 0,54+0.84 i. (672) A.3.2 Beliebige komplexe Zahlen In Verallgemeinerung obiger Reihenentwicklung kann man für beliebiges u = λ+ iφ C (mit λ,φ R) definieren e u e λ+iφ := e λ e iφ e λ (cosφ+ i sinφ). (673) z = e u ist also die komplexe Zahl mit Real- und Imaginärteil bzw. mit Betrag und Argument Re[z] = e λ cosφ, Im[z] = e λ sinφ, (674) z = e λ, arg(z) = φ. (675) A.4 Wurzeln komplexer Zahlen A.4.1 Definition Jede Lösung w C der Gleichung w n = z heißt eine n-te Wurzel der komplexen Zahl z. Aus der geometrischen Deutung der Multiplikation ergibt sich der 112

Satz: Jede komplexe Zahl z = z e iφ mit z 0 hat genau n paarweise verschiedene n-te Wurzeln. Unter ihnen heißt die Zahl w 1 = n z e iφ/n (676) der Hauptwert der n-ten Wurzeln. Die übrigen n-ten Wurzeln bilden zusammen mit dem Hauptwert in der Zahlenebene ein reguläres n-eck mit Mittelpunkt im Ursprung. A.4.2 Fundamentalsatz der Algebra Eine Verallgemeinerung des letzten Satzes ist der Satz (FS der Algebra): Die allgemeine komplexe algebraische Gleichung z n +a n 1 z n 1 +...+a 1 z +a 0 = 0 (677) hat genau n Lösungen z 1,...,z n, die allerdings nicht paarweise verschieden sein müssen. Genauer gesagt: Jedes komplexe Polynom n-ten Grades zerfällt über C in genau n Linearfaktoren, z n +a n 1 z n 1 +...+a 1 z +a 0 = (z z 1 ) (z z n ) = n (z z k ). (678) k=1 Bsp. 1: Das Polynom z 2 +1 läßt sich nicht als Produkt z 2 +1 = (z z 1 )(z z 2 ) (679) mit reellen Konstanten z 1 unf z 2 darstellen. Sehr wohl gilt aber z 2 +1 = (z i)(z + i) (680) mit den komplexen Konstanten z 1 = i unf z 2 = i Bsp. 2: Kompliziertere Beispiele sind z 3 2z 2 +9z 18 = (z 2 +9)(z 2) = (z 3i)(z +3i)(z 2), z 2 4z +13 = [ z (2 3i) ][ z (2+3i) ]. (681) 113