Man kann nicht nicht evaluieren

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Transkript:

Man kann nicht nicht evaluieren Forschung und Evaluation Peer Akademie 6 Knacknüsse aus Praxis und Forschung der Peer-Group-Education Bern, 17. September 2014 Roger Keller

Welche Vorteile hat Peer-Group-Education? Häufige Argumente der Befürworterinnen und Befürworter: Partizipative Arbeitsformen Projekte werden nicht einfach von Erwachsenen vorgegeben, sondern Jugendliche können diese aktiv mitgestalten Es können Erfahrungen, Werte und soziale Normen vermittelt werden, die in anderen Systemen wie Familie oder Schule nicht möglich sind Grosse soziale Nähe unter Jugendlichen Wir-Gefühl Gruppenzusammenhalt in einem System mit gemeinsamen Normen und Werten Gemeinsame Sprachcodes und Glaubhaftigkeit von Gleichaltrigen Bessere Voraussetzungen für Wissenserwerb, Einstellungs- und Verhaltensänderungen 2

Welche Nachteile hat Peer-Group-Education? Häufige Argumente der Kritikerinnen und Kritiker: Beteiligung überfordert Kinder und Jugendliche Beteiligte sind zu wenig gut qualifiziert Beteiligung weckt nur falsche Erwartungen und hat Alibifunktion Beteiligung funktioniert nicht, weil die Gesetze es verhindern Peers werden von den Erwachsenen instrumentalisiert und für eigene Zwecke missbraucht Die Verantwortung, v.a. bei unangenehmen Themen, wird an die Jugendlichen delegiert Erfolge der Projekte sind nur kurzfristig. Wer hat nun recht? Wie würden Sie argumentieren? 3

Subjektive und wissenschaftliche Theorien Subjektive Theorien ( gesunder Menschenverstand, Erfahrungsschatz) relativ stabile kognitive Strukturen (mentale Repräsentationen, Schemata) teilweise unbewusste oder unreflektierte Überzeugungen, die unter bestimmten Bedingungen aktiviert werden Wichtig für Komplexitätsreduktion handlungsleitend oder handlungssteuernd Wissenschaftliche Theorien Vernetzung von gut bewährten Hypothesen (Vermutungen, unsichere Sachverhalte) bzw. anerkannten empirischen Gesetzmässigkeiten Intersubjektiv (Bortz & Döring, 2006; Dann, 1989; Jonas, Stroebe & Hewstone, 2009) 4

Gesunder Menschenverstand ist wichtig, aber... Kaffeekonsum Lungenkrebs signifikanter Zusammenhang 5

Gesunder Menschenverstand ist wichtig, aber... Rauchen Kaffeekonsum Lungenkrebs Kein sign. Zusammenhang Welche Zusammenhänge erkennen Sie in der Praxis und wodurch könnten Sie zustande kommen? 6

Vorteile von wissenschaftlichen Theorien Fehlschlüsse über Wirkungen vermeiden... Erklärungen finden, warum Interventionen wirksam sind gemeinsame Sprache und gemeinsame methodische Herangehensweise über verschiedene Studien hinweg... erlaubt die Kumulierung von Ergebnissen verhindert, dass man immer wieder bei Null anfängt Auch wenn nicht-theoriebasierte Interventionen wirksam sind, wissen wir nicht... warum sie wirken (welches die wirksamen Faktoren sind) wie man die Interventionen verbessern könnte (Eisner & Ribeaud, 2008; Haas, Breyer, Knaller & Weigl, 2013; Michie & Abraham, 2004) 7

Was heisst gelingende Praxis? Theoretische Begründung / theoretische Grundlagen der Peer-Education- Ansätze Warum mache ich ein Projekt und mit welchem Ziel? Welches Konzept steht dahinter? Was ist den Kindern und Jugendlichen an der Beteiligung wichtig? Rahmenbedingungen Welche Settings und Projektstrukturen/-verfahren braucht es? Welche Ressourcen sind notwendig, auch für die Evaluation? Wissenschaftliche Evidenz Aus welcher Sicht beurteilen wir, ob ein Projekt gut ist? Sicht der Jugendlichen, Fachpersonen, Eltern, Politik? Gut gemeint ist nicht gut gemacht: Was funktioniert und warum? Treten unerwünschte Nebenwirkungen auf? 8

Fazit Für den Peer-Group-Education-Ansatz gibt es keine in genereller Übereinkunft getragene Theorie. Meistens werden Ansätze diskutiert, die aus der Praxis hervorgegangen sind. Viele Untersuchungen zeigen positive Effekte bezüglich Selbstwirksamkeit, Wissenszuwachs oder Verhaltensänderungen für einzelne Zielgruppen oder Kontexte. Für die professionelle Weiterentwicklung der Peer-Group-Education braucht es allerdings neben der systematischen Erfassung von Praxiserfahrungen - wissenschaftlich fundierte Evaluationsstudien, um genauere Aussagen über die Wirksamkeit des Ansatzes machen zu können. Mit theoriegestützten und evidenzbasierten Interventionen gelingt es besser, die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu stärken bzw. das Risiko der Suchtentstehung zu reduzieren. Forschende Haltung entwickeln 9