Neue Dynamik für nukleare Abrüstung Der Humanitären Initiative beitreten

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Transkript:

Deutscher Bundestag Drucksache 18/3409 18. Wahlperiode 03.12.2014 Antrag der Abgeordneten Agnieszka Brugger, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Uwe Kekeritz, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Claudia Roth (Augsburg), Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Neue Dynamik für nukleare Abrüstung Der Humanitären Initiative beitreten Der Bundestag wolle beschließen: I. Der Deutsche Bundestag stellt fest: 1. Der Einsatz von Nuklearwaffen hätte eine humanitäre Katastrophe zur Folge. Nicht nur die nächste Überprüfungskonferenz des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages (NVV) 2015 in New York bietet Chancen, dem derzeit stagnierenden Prozess der nuklearen Abrüstung neue Kraft zu verleihen. Am 8. und 9. Dezember 2014 findet die dritte Konferenz zu den humanitären Auswirkungen von Atomwaffen statt. Mit teilnehmenden Staaten aus über 120 Ländern fand bereits die erste Konferenz im März 2013 in Oslo (Norwegen) und die zweite im Februar 2014 in Nayarit (Mexiko) statt, immer mehr Staaten nahmen dabei an diesen Veranstaltungen teil. Die Betrachtung der humanitären Folgen eines Nuklearwaffeneinsatzes hat neue Dynamik und auch weitere Perspektiven in die Abrüstungsdebatte gebracht. Kein Staat und keine internationale Organisation wären in der Lage, adäquate humanitäre Hilfe nach einem Einsatz von Atomwaffen zu leisten. Damit hätte jeder vorsätzliche oder aber auch unintendierte Einsatz von Atomwaffen verheerende Folgen in globalem Ausmaß für die Gesundheit, die Umwelt, das Klima, die soziale Ordnung, die menschliche Entwicklung und auch die Wirtschaft. Diese Erkenntnis stellt auch das Bereithalten von Nuklearwaffen zum Zwecke der Abschreckung grundsätzlich in Frage. Mit ihr wird zudem ein Perspektivwechsel in der bisherigen Abrüstungsdebatte herbeigeführt, der Nuklearwaffen- und Nichtnuklearwaffenstaaten gleichermaßen betrifft. Es gilt, diesen einenden Effekt zu nutzen, um auf dem Weg hin zu einer Welt ohne Atomwaffen weiter voranzukommen und die Blockade in der bisherigen Abrüstungspolitik und die Verhärtungen entlang der üblichen Konfrontationen zu überwinden. Die Bundesregierung nimmt an den Konferenzen teil und teilt nach eigenen Angaben die Einschätzung, dass die humanitären und ökologischen Folgen einer Kernwaffendetonation verheerend wären (Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN 17/14822). Gleichzeitig war Deutschland nicht bereit, die von 155 UN-Mitgliedern mitgetragene Erklärung der Humanitären Initiative zu unterschreiben, in der festgestellt wird, dass ein Einsatz von Atomwaffen unter allen möglichen Umständen ( under any circumstances ) auszuschließen sei. Als Grund

Drucksache 18/3409 2 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode dient das Strategische Konzept der NATO, welches einen Einsatz von Nuklearwaffen nicht vollständig ausschließt und auch die Möglichkeit des Ersteinsatzes von Atomwaffen beinhaltet. Solange dieses Konzept gilt und Deutschland Teil der NATO ist, könne sie sich der Humanitären Initiative nicht anschließen. Andere NATO-Mitglieder wie Norwegen, Dänemark und Island sehen allerdings keinen Widerspruch in der Unterstützung der Humanitären Initiative und der Mitgliedschaft in der NATO. 2. Atomwaffen sind eine Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit in der Welt. Weltweit existieren derzeit etwa 16 300 nukleare Sprengköpfe, von denen schätzungsweise rund 4000 in höchster Bereitschaft gehalten werden. Sie unterliegen somit stets auch dem Risiko, durch einen Fehler eingesetzt zu werden. Neben den offiziellen Nuklearmächten China, Frankreich, Großbritannien, Russland und den USA sind auch Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea im Besitz von Nuklearwaffen. Ein Interesse des Iran an der Entwicklung eigener Nuklearwaffen ist nach wie vor nicht ausgeschlossen. Auch die zivile Nutzung von Atomenergie birgt die Gefahr, dass durch die Weitergabe der Technologie immer mehr Staaten auch die Fähigkeit zum Aufbau militärischer Nuklearprogramme erwerben. Derzeit verfügen mehr als 40 Staaten über die industriellen oder wissenschaftlichen Voraussetzungen, um grundsätzlich Atomwaffen herstellen zu können. Aus der weltweiten zivilen Nutzung von Atomenergie ergeben sich ökologische und sicherheitspolitische Risiken, die der nuklearen Bedrohung im 21. Jahrhundert eine neue Dimension verleihen. Eine weitere Gefahr besteht in der Lagerung tausender Tonnen waffenfähigen Nuklearmaterials an ungesicherten Orten. Damit wächst auch die Bedrohung durch Nuklearterrorismus. 3. Atomwaffen sind die einzigen Massenvernichtungswaffen, die noch nicht durch einen internationalen Vertrag verboten sind. Der Nichtverbreitungsvertrag ist und bleibt das wirkmächtigste Regime in der internationalen nuklearen Abrüstungspolitik. Trotzdem sind Atombomben die einzigen Massenvernichtungswaffen, die noch nicht international geächtet sind. Für dieses langfristige Ziel bietet insbesondere die Humanitäre Initiative eine neue Chance für die Staaten und die Zivilgesellschaft einen Weg zu bestreiten, der über ein rechtlich bindendes Instrument zum Verbot von Nuklearwaffen neue internationale Standards und Normen setzen würde. Dieses Ziel wird nicht in kurzer Zeit zu erreichen sein, aber umso mehr muss dieser Prozess heute mit der Perspektive auf eine Welt frei von Atomwaffen befördert werden. Die Bundesregierung sollte sich hier proaktiv und unterstützend einbringen. Der diplomatische Prozess zur Verhandlung einer solchen Vereinbarung sollte für alle Staaten offen und durch keinen zu blockieren sein. Er sollte daher auch dann beginnen, wenn Staaten mit Nuklearwaffen noch nicht zur Teilnahme überzeugt werden können. Ein solcher Prozess wäre ein komplementärer und unterstützender Schritt zu den bestehenden Vereinbarungen, der Fortschritte in allen Bereichen der Abrüstung und Nichtverbreitung befördern würde und das internationale Regime der nuklearen Abrüstungspolitik langfristig stärken könnte. 4. Die Bundesrepublik Deutschland steht in der Pflicht, ihren Beitrag zur Verwirklichung einer atomwaffenfreien Welt zu leisten und den Abzug der in Deutschland stationierten US-Atomwaffen einzuleiten. Wer nukleare Abrüstung fordert, muss auch selbst auf den vermeintlichen Schutz durch Nuklearwaffen verzichten. Solange Deutschland an der Stationierung von Nuklearwaffen auf dem eigenen Territorium festhält, leidet die deutsche Abrüstungspolitik stark unter mangelnder Glaubwürdigkeit. Die Bundesregierung hat es bisher versäumt, die Chancen zur nuklearen Abrüstung zu nutzen, obwohl sie hierfür eine breite Unterstützung im Parlament hat. Die Nuklearwaffen in Deutschland wurden bei den bisherigen Abrüstungsschritten nicht mit einbezogen. Stattdessen hat die

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 3 Drucksache 18/3409 Bundesregierung der Modernisierung der US-amerikanischen B61-Atombomben in Deutschland zugestimmt und hält nach wie vor an der nuklearen Teilhabe im Rahmen der NATO fest. In diesem Zusammenhang werden auch die notwendigen Trägermittel einschließlich der Tornado-Flugzeuge modernisiert und ihre Lebensdauer verlängert, wodurch der Bundesrepublik Deutschland zusätzliche hohe Kosten entstehen. Die Modernisierung und Anpassung macht darüber hinaus das Ziel eines Abzugs der substrategischen Atomwaffen aus Europa extrem unwahrscheinlich. Die NATO hat es bei der Ausarbeitung ihres Strategischen Konzepts im November 2010 in Lissabon, bei der Überprüfung ihres Abschreckungs- und Verteidigungsdispositivs im Mai 2012 in Chicago sowie bei ihrem letzten Gipfeltreffen im September 2014 in Wales versäumt, sichtbare Fortschritte in der nuklearen Abrüstung zu erzielen und die strategische Rolle von Nuklearwaffen zu reduzieren. Stattdessen wird der Aufbau eines Raketenabwehrsystems fortgeführt, das die Aufrüstung antreibt und dessen Nutzen und Kosten nicht absehbar sind. Die bisherige nukleare Abrüstungspolitik der Bundesregierung ist unentschlossen und weist deshalb kaum Erfolge auf. 5. Die nächste Überprüfungskonferenz des NVV muss substantielle Fortschritte in der nuklearen Abrüstung und Rüstungskontrolle erbringen und darf nicht scheitern. US-Präsident Obama hat mit seiner historischen Rede am 5. April 2009 in Prag zu dem Ziel einer atomwaffenfreien Welt verpflichtet. Mit ihrer neuen Nuklearstrategie haben die USA 2010 das Ziel verkündet, die strategische Rolle ihrer Nuklearwaffen in regionalen Abschreckungsszenarien herabsetzen zu wollen. Zudem vereinbarten die USA und Russland im selben Jahr mit einem neuen Abkommen zur Verringerung strategischer Waffen (New START New Strategic Arms Reduction Treaty), ihr Atomwaffenarsenal zu reduzieren. Zwar befindet sich New START in der Implementierung, allerdings sind bis heute keine Verhandlungen über ein Folgeabkommen aufgenommen worden. Stattdessen lehnt Russland bislang immer wieder entsprechende Angebote der USA ab. Da die USA an der Aufnahme erneuter bilateraler Abrüstungsrunden festhalten, sollte Russland weitere Verhandlungen nicht blockieren. Dies umso mehr, da die Nuklearmächte ihre verbleibenden Nuklearwaffen gleichzeitig kostenintensiv modernisieren und somit einsatzfähiger machen. Es ist auch vor dem Hintergrund der Krise in der Ukraine mehr als bedauerlich, dass weder die USA noch Russland die Gelegenheiten der letzten Jahre genutzt haben, hier weitere Schritte zu unternehmen und insbesondere Russland weitere Verhandlungen abgelehnt hat. Die letzte Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages (NVV) verlief erfolgreich und endete mit dem Beschluss eines Aktionsplans für weitere nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle. Fortschritte bei der Umsetzung des Aktionsplanes konnten beispielsweise durch unilaterale Abrüstungsschritte Frankreichs und Großbritanniens und durch die Unterzeichnung der Protokolle zur nuklearwaffenfreien Zone in Zentralasien erzielt werden. Allerdings wird der überwiegende Teil der Aktionen wie insbesondere die Durchführung einer Konferenz über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten, das Inkrafttreten des Kernwaffenteststopp-Vertrages (Comprehensive Test-Ban Treaty CTBT) oder die Universalisierung des NVV bis 2015 nicht mehr zu realisieren sein. Dies wird eine Einigung auf der nächsten Überprüfungskonferenz des Nichtverbreitungsvertrages im Jahr 2015 massiv erschweren. Alle Staaten sollten die verbleibenden Monate nutzen, um die Realisierung weiterer Punkte aus dem Aktionsplan glaubhaft und entschieden auf den Weg zu bringen, denn ein Scheitern der Konferenz 2015 wäre fatal und ein großer Rückschlag für die globale nukleare Abrüstungspolitik. Die Impulse der letzten Überprüfungskonferenz müssen daher insbesondere von den Nuklearwaffenstaaten nun schnellstmöglich aufgenommen und für eine konsequente Erfüllung des im NVV verankerten Abrüstungsgebotes genutzt werden.

Drucksache 18/3409 4 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, 1. den Weg für ein atomwaffenfreies Deutschland sofort frei zu machen, indem sie aus der operativen nuklearen Teilhabe der NATO aussteigt und die Bereitstellung von Bundeswehrpilotinnen und -piloten und Trägersystemen zum Atomwaffeneinsatz unverzüglich einstellt, von einer Modernisierung der Trägersysteme für substrategische Nuklearwaffen absieht und keine Planungen durchführt oder Mittel dafür bereitstellt, Flugzeuge der deutschen Luftwaffe für einen Nukleareinsatz zu nutzen, die Teilhabe an strategischen Diskussionen und Planungsprozessen in der NATO nutzt, um einen Beschluss herbeizuführen, der verhindert, dass die in Europa stationierten US-Atomwaffen durch modernisierte Waffen mit neuen Fähigkeiten ersetzt werden, sich gegenüber den USA und anderen Bündnispartnern in der NATO mit großem Nachdruck für den sofortigen Abzug aller in Deutschland und Europa verbliebenen US-Atomwaffen einsetzt; 2. dem Bekenntnis zur verheerenden Wirkung einer Nuklearwaffendetonation dadurch Ausdruck zu verleihen, dass sie die Humanitäre Initiative unterstützt und damit zum Ausdruck zu bringen, dass sie sich für das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen nachdrücklich einsetzt; 3. innerhalb der NATO auf die Überwindung einer Politik der nuklearen Abschreckung und eine Zurücknahme der strategischen Bedeutung von Nuklearwaffen, den Verzicht auf die nukleare Ersteinsatzoption, die Verstärkung von verbindlichen und überprüfbaren Abrüstungsvereinbarungen und Rüstungskontrollen sowohl für nukleare als auch für konventionelle Waffen und den vollständigen Abbau der US-Atomwaffen in Europa zu drängen; 4. die Fortsetzung der Verhandlungen zwischen den USA und Russland über nukleare Abrüstung und Rüstungskontrolle zu unterstützen und sich für die Einbeziehung von substrategischen Nuklearwaffen einzusetzen; 5. zur Stärkung des Nichtverbreitungsvertrages die Umsetzung des auf der NVV-Überprüfungskonferenz 2010 beschlossenen Aktionsplans voranzutreiben, die Durchführung einer Konferenz über eine massenvernichtungswaffenfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten mit aller Kraft zu unterstützen, darauf zu drängen, die in Artikel VI des NVV verankerte Verpflichtung der Nuklearwaffenstaaten zur nuklearen Abrüstung durch verbindliche und umfassende Abrüstungsschritte zu erfüllen, engagiert für die Universalisierung des NVV einzutreten und insbesondere bei den Nichtvertragsstaaten Indien, Israel und Pakistan dafür zu werben, dem NVV beizutreten und Nordkorea dazu aufzufordern, zu den Vereinbarungen des NVV zurückzukehren, sowie sich dafür einzusetzen, dass alle Atomwaffenstaaten, ihre Atomwaffenarsenale abbauen und ihre nuklearen Aktivitäten der internationalen Überwachung unterwerfen, sich mit Nachdruck für die universelle Anwendung des Zusatzprotokolls der IAEA (International Atomic Energy Agency) einzusetzen, entschieden für die Einrichtung eines Kernwaffenregisters, die Offenlegung der Plutoniumbestände und eine Berichtspflicht im Rahmen der Überprüfungskonferenzen als vertrauensbildende und die Transparenz fördernden

Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode 5 Drucksache 18/3409 Maßnahmen einzutreten und mit gutem Beispiel voranzugehen durch die Offenlegung aller mit der nuklearen Teilhabe zusammenhängenden Aktivitäten in der Vergangenheit und Gegenwart, für eine universelle Multilateralisierung des nuklearen Brennstoffkreislaufes und die Einstellung nationaler Urananreicherung zugunsten einer ausschließlich von der IAEA kontrollierten Anlage zu werben; 6. für die Ratifizierung des umfassenden Atomwaffenteststoppvertrags (CTBT) zu werben und hierzu mit den betreffenden Annex-2-Staaten (Ägypten, China, Iran, Israel, USA, Indien, Nordkorea, Pakistan) Gespräche auf höchster Ebene zu führen; 7. angesichts der andauernden Blockade in der Genfer Abrüstungskonferenz (Conference on Disarmament, CD) dafür einzutreten, dass Verhandlungen über ein Verbot der Produktion von Spaltmaterial (FMCT) auch außerhalb der CD aufgenommen werden; 8. das Risiko der doppelten Verwendung von zivil und militärisch nutzbaren Gütern einzudämmen, indem sie den Atomausstieg national zügig umsetzt, sich weltweit für den Ausstieg aus der zivilen Nutzung der Atomenergie einsetzt, andere Länder in ihrem Streben nach Energiesicherheit durch erneuerbare Energiegewinnung unterstützt; 9. sich für eine Verhandlungslösung der Konflikte um das nordkoreanische und das iranische Atomprogramm einzusetzen; 10. sich für die Schaffung einer umfassenden atomwaffenfreien Zone in Mitteleuropa mit dem Ziel eines atomwaffenfreien Europas einzusetzen; 11. sich an der Ausarbeitung einer Nuklearwaffenkonvention zur Ächtung von Atomwaffen aktiv zu beteiligen, bei Partnern und in internationalen Organisationen dafür zu werben, entsprechende Initiativen in der Generalversammlung der Vereinten Nationen zu unterstützen und sich für vorbereitende Expertengespräche auf internationaler Ebene einzusetzen; 12. mit allen staatlichen und nichtstaatlichen Akteuren, die sich für eine atomwaffenfreie Welt einsetzen, eng zusammenzuarbeiten und zivilgesellschaftliche Initiativen mit diesem Ziel zu unterstützen; 13. verstärkt für allgemeine und weltweite Abrüstung einzutreten, energisch auf den Abschluss umfassender Abrüstungs-, Rüstungskontroll- und Waffenhandelsvereinbarungen hinzuwirken und selbst durch eine konsequente Abrüstungs- und restriktive Rüstungsexportpolitik voranzugehen. Berlin, den 2. Dezember 2014 Katrin Göring-Eckardt, Dr. Anton Hofreiter und Fraktion

Drucksache 18/3409 6 Deutscher Bundestag 18. Wahlperiode Begründung Solange Nuklearwaffen existieren, besteht auch die Gefahr ihres vorsätzlichen oder versehentlichen Einsatzes. Weltweit existieren immer noch über 16 300 Atomwaffen, viele von ihnen sind schnell einsetzbar. Die Einsätze von Atomwaffen in Hiroshima und Nagasaki haben allzu deutlich die katastrophalen Auswirkungen für Mensch und Umwelt gezeigt. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise befindet sich die Welt in einer kritischen Phase, in der sich entscheidet, ob die seit einigen Jahren zunehmende Schwächung der nuklearen und konventionellen Rüstungskontrolle aufgehalten und die weltweite Aufrüstungsspirale umgekehrt werden kann. Die Krise in der Ukraine bedeutet eine Zäsur für die Europäische Friedensordnung. Längst überwundene Frontstellungen und Konflikte sind wieder aufgeflammt. Frieden und Sicherheit in Europa kann es auch weiterhin nur mit und nicht gegen Russland geben. Vor diesem Hintergrund hat beispielsweise die Entscheidung, das unsinnige und teure NATO-Raketenabwehrsystem voranzutreiben, die Beziehungen zu Russland in den letzten Jahren unnötig belastet und eine Verständigung erschwert. Das Vorgehen Russlands in der Ukraine-Krise stellt aber in verheerendem Ausmaß zentrale Pfeiler der europäischen Sicherheitsarchitektur in Frage: die nationale Souveränität und territoriale Integrität der Staaten, die Verpflichtung zur gewaltlosen Konfliktlösung, die Ablehnung gewaltsamer Grenzverschiebungen und das Einhalten internationaler Verträge wie das Budapester Memorandum von 1994, dessen Bruch einen immensen Rückschlag für die Verlässlichkeit von Sicherheitsgarantien und die internationale Abrüstungspolitik darstellt. Deutschland, die EU und NATO haben hier eine besondere Verpflichtung und sollten sich auch weiterhin engagierter und glaubwürdiger für weitere Schritte in der nuklearen Abrüstung einsetzen. Doch insbesondere der Verbleib der US-amerikanischen Atomwaffen in Büchel, die von Deutschland unterstützten Ausnahmen und Grauzonen in Abrüstungsverträgen (wie beispielsweise bei den Konventionen zur Ächtung von Streumunition und Landminen) und seine Rolle als einer der größten Rüstungsexporteure der Welt zeugen von der problematischen und unambitionierten Abrüstungspolitik der Bundesregierungen unter der Kanzlerin Dr. Angela Merkel.

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