292 Lineare Differentialgleichungssysteme mit konstanten Koeffizienten Wir betrachten das homogene System y = A y, t R, ( wobei A C n n, und wollen ein Fundamentalsystem bestimmen Grundlegende Beobachtung: Ist λ C ein Eigenwert von A und v C n ein zugehöriger Eigenvektor, so ist durch φ(t := e λt v, t R, eine Lösung von ( gegeben Folgerung: Gibt es eine Basis v, v 2,, v n des C n aus Eigenvektoren von A mit zugehörigen Eigenwerten λ, λ 2,, λ n, so ist durch Ende Woche 8 φ j (t := e λ jt v j, t R, j =, 2,, n, ein Fundamentalsystem φ, φ 2,, φ n von ( gegeben Bemerkung (Erinnerung: Es gibt genau dann eine Basis aus Eigenvektoren von A, wenn A diagonalisierbar ist, dh genau dann, wenn für jeden Eigenwert algebraische und geometrische Vielfachheit übereinstimmen Das ist zb immer der Fall, wenn A n verschiedene Eigenwerte λ, λ 2,, λ n hat Beispiel: Wir betrachten die Matrix A = 2 2 2 Es gilt det (A λi = (4 λ(λ 2 Ein Eigenvektor zum Eigenwert 4 ist gegeben durch, und der Eigenraum zum Eigenwert wird aufgespannt von den Vektoren und Ein Fundamentalsystem von ( ist also gegeben durch φ (t = e 4t, φ 2 (t = e t, φ 3 (t = e t 26
Reelle Matrizen mit nicht-reellen Eigenwerten: Sei A R n n komplex diagonalisierbar und λ C \ R ein Eigenwert mit zugehörigem Eigenvektor v C n \ R n Dann ist auch λ Eigenwert von A mit Eigenvektor v Die linear unabhängigen komplexwertigen Lösungen e λt v und e λt v im Fundamentalsystem ersetze man durch die linear unabhängigen reellwertigen Lösungen Re ( e λt v, Im ( e λt v Beispiel: Wir betrachten A = ( Es gilt det (A λi = λ 2 + = (λ i(λ + i ( Ein Eigenvektor zum Eigenwert ±i ist gegeben durch, und es gilt ±i ( i ( e it = i ( cos t (cos t + i sin t = sin t Ein reelles Fundamentalsystem von ( ist also gegeben durch ( ( cos t φ (t =, sin t φ2 (t = sin t cos t ( sin t + i cos t 293 Fundamentalsysteme für nicht-diagonalisierbare Matrizen Wir betrachten weiter das homogene System wobei A C n n nicht diagonalisierbar ist y = A y, t R, (H Man führe das folgende Verfahren für jeden Eigenwert von A durch: Sei λ C ein Eigenwert von A mit algebraischer Vielfachheit m (dh λ ist m-fache Nullstelle des charakteristischen Polynoms p(λ = det (A λi Man bestimme eine Basis v, v 2,, v m des Hauptraumes von A zum Eigenwert λ, dh eine Basis von Kern (A λ I m (selbst wenn der Eigenraum Kern (A λi von A zum Eigenwert λ eine Dimension < m hat, hat der entsprechende Hauptraum immer die Dimension m Dazu bestimme man zunächst eine Basis von Kern (A λ I, erweitere diese zu einer Basis von Kern (A λ I 2 usw Zweckmäßigerweise bestimmt man dabei in jedem Schritt Vektoren w mit (A λ I w = v, 27
wobei v aus dem Spann der bisher gefundenen Vektoren ist (und v = im ersten Schritt Dann sind φ, φ 2,, φ m, gegeben durch φ j (t = e λ t ( v j + t(a λ I v j + t2 2! (A λ I 2 v j + + tm (m! (A λ I m v j für j =, 2,, m, linear unabhängige Lösungen von (H Falls A R n n ist, beachte man folgendes: Ist in der obigen Situation λ R, so bestimmt man eine reelle Basis v, v 2,, v m R n des Hauptraumes und erhält so reellwertige Funktionen φ, φ 2,, φ m Ist λ C\R, so ist auch λ ein Eigenwert der algebraischen Vielfachheit m In diesem Fall erhält man 2m linear unabhängige reellwertige Lösungen von (H durch Re φ, Re φ 2,, Re φ m, Im φ, Im φ 2,, Im φ m Der Eigenwert λ wird in dem Verfahren dann nicht mehr berücksichtigt! Beispiel: Sei A = Es gilt det (A λi = (λ 2 (λ 2 und Weiter gilt Kern (A I = Kern 2 2 2 3 = lin{ }, Also ist ein Fundamentalsystem gegeben durch φ (t = e 2t,, φ 2 (t = e t,, φ 3 (t = ist Eigenvektor zum Eigenwert 2 Kern (A I 2 = lin{ [ + t, ] e t } 294 Asymptotisches Verhalten Sei A C n n Wir interessieren uns für das Verhalten von Lösungen von (H für t Aus der Gestalt der Funktionen im Fundamentalsystem aus 293 erhalten wir den 28
Satz: ( Alle Lösungen von (H konvergieren gegen Null für t genau dann, wenn Re λ < für jeden Eigenwert λ von A gilt (2 Alle Lösungen von (H bleiben für t beschränkt genau dann, wenn Re λ für alle Eigenwerte λ von A gilt und wenn für jeden Eigenwert λ mit Re λ = geometrische und algebraische Vielfachheit übereinstimmen 295 Die Matrixexponentialfunktion Sei A C n n Für jedes t R definiert man exp(ta := e ta := t l A l Die Reihe konvergiert dabei in dem Sinne, dass für jedes (j, k der Eintrag der Matrix N t l A l l= an der Stelle (j, k konvergiert [Zum Beweis bestimme man C so, dass A x C x für alle x R n gilt (das gilt zb für C = ( n j,k= a jk 2 /2 Dann ist A l x C l x für alle l N und tl A l x l= l= t l C l x l= = e C t x <, so dass die Reihe t l A l x l= für jedes x C n in C n absolut konvergiert] Eigenschaften: Seien A, B C n n ( Ist AB = BA, so gilt e A+B = e A e B Beweis wie beim Cauchyprodukt, wobei man beachtet, dass (wegen AB = BA! gilt l ( l (A + B l = A j B l j, l N j j= (2 Die Matrix e A ist invertierbar mit (e A = e A (3 Für alle s, t R gilt e (s+ta = e sa e ta (4 Für jedes y C n definiert φ(t := e ta y eine Lösung des homogenen Systems (H mit Anfangswert φ( = y Mit anderen Worten: e ta ist dasjenige Fundamentalsystem Φ(t von (H mit Φ( = I Bemerkung: Sind v C n, λ C und m N so, dass (A λi m v = gilt, so haben wir m e ta v = e λt e t(a λi v = e λt t k k! (A λik v, t R, k= 29
womit klar ist, dass die in 293 angegebenen φ j Lösungen von (H sind ( ω Beispiele: A = : Es gilt A ω 2 = ω 2 I, also für k N: Ende Woche 9 A 2k+ = ( k ω 2k A, A 2k = ( k ω 2k I Somit ist für jedes t R: ( ( k e ta k= (2k! = (ωt2k k= k= ( k (2k+! (ωt2k+ k= ( k (2k+! (ωt2k+ ( k (2k! (ωt2k ( cos(ωt sin(ωt = sin(ωt cos(ωt Beachte e A = I und ( d ω sin(ωt ω cos(ωt dt (eta = = A e ta, t R ω cos(ωt ω sin(ωt λ 2 J = C n n Es gilt λ λ J = λi + = λi + N Wegen (λin = N(λI ist also e tj = e tλi e tn = e λt e tn Nun hat N k für k =,, n auf der k-ten Nebendiagonalen Einsen und sonst Nullen, und N k ist die Nullmatrix für k n Somit ist t t 2 t n 2 (n! e tj = e λt t 2 2 t 3