Zystische Pankreasläsion: Wie weiter?

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Transkript:

Zystische Pankreasläsion: Wie weiter? Pascale Tinguely, Daniel Candinas, Beat Gloor Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital, Universität Bern Korrespondenz: Prof. Dr.med. Beat Gloor, Universitätsklinik für Viszerale Chirurgie und Medizin, Inselspital, Universität Bern Freiburgstr. 3010 Bern beat.gloor@insel.ch

Zystische Läsionen im Pankreas werden häufig gefunden, oft primär auf einer CT oder MR Untersuchung des Oberbauches. Primär erlaubt die Anamnese die Unterscheidung zwischen entzündlichen Flüssigkeitsansammlungen oder Pseudozysten nach einer akuten Pankreatitis und neoplastischen zystischen Läsionen, die oft zufällig bei asymptomatischen Patienten diagnostiziert werden. Es gilt dann die Veränderung genauer zu charakterisieren und einer klinischen Entität zuzuordnen, wobei primär zwischen serösen und muzinösen Zysten unterschieden werden muss. Letztere haben ein unterschiedlich hohes Malignitätspotenzial. Eine Endosonographie mit Punktion erlaubt in der Regel die zystische Läsion genauer zu charakterisieren, im Vergleich zur reinen Bildgebung mittels MRT oder CT. Gelingt es eine Läsion genügend zu charakterisieren, empfiehlt sich heute ein Vorgehen entsprechend der 2012 publizierten Konsensus Richtlinien. Insbesondere bei Seitenast IPMN sind die Bücher noch nicht geschlossen, da die Angaben bezüglich Häufigkeit der malignen Veränderungen extrem schwanken und somit der Nutzen einer prophylaktischen Pankreasteilresektion unter Umständen kleiner ist als das Risiko des Eingriffs. Cystic lesion of the pancreas: What to do next? Cystic lesions of the pancreas are frequently found, mostly on abdominal CT or MR scans. Firstly the patient s history allows a distinction between a post acute fluid collection or a pseudocyst and neoplastic cysts which are generally found accidentally in asymptomatic patients. The neoplastic lesion needs to be characterized and allocated to a clinical entity with the primary aim of distinguishing between serous and mucinous lesions. The latter harbor a variable risk for malignant transformation. Using Endosonography and puncture usually allows for a better characterization of a single cyst as compared to CT or MR. Once a cystic lesion is clearly diagnosed management according to the 2012 published guidelines is recommended. However, especially for branch duct IPMN many questions remain unsolved, mainly because of the uncertainty of the risk of malignant transformation which may be lower than the risk of pancreatic surgery.

Zystische Pankreasveränderungen werden teils bei der Abklärung unspezifischer Abdominalsymptome, teils als Zufallsbefund bei Durchführung von Schnittbilduntersuchungen oder eines Abdomen Ultraschalls im Rahmen anderer Erkrankungen gefunden. Die Wertigkeit eines dergestalt gefundenen zystischen Befundes kann je nach klinischem Kontext eine Herausforderung sein, denn das mögliche Spektrum der weiteren Entscheide kann von ignorieren bis hin zu zeitnah einer Pankreasteilresektion zuführen reichen. Tabelle 1 listet einige klinisch wichtige zystische Pankreasläsionen. Abbildung 1 stellt ein Flow Diagramm dar mit dem eine Charakterisierung einer neu diagnostizierten zystischen Läsion mit hoher Sicherheit und ohne ausufernde diagnostische Tests möglich sein sollte. 1. Frage: Entzündliche versus Neoplastische (Pseudo-)Zyste? Entzündliche Zysten beispielsweise im Rahmen einer Echinococcose sind selten und aufgrund des Aspektes sowie der fehlenden Pankreatitisanamnese einfach von der Pseudozyste zu unterscheiden. Im Zweifelsfall kann mittels Serologie diese Differenzialdiagnose weiter geklärt werden. Post-Pankreatitis Pseudozysten, welche überall im und um das Pankreas in unterschiedlicher Grösse auftreten können, können meist aufgrund der Anamnese zugeordnet werden. Pankreaspseudozysten sind reine Flüssigkeitskollektionen, die länger als 4 Wochen nach Krankheitsbeginn noch bestehen und sind basierend auf der neusten Klassifikation selten [1]. Eine Therapieindikation ergibt sich nur bei Grössenprogredienz und auftretenden oder zunehmenden Symptomen. Eine fixe Grössenangabe, welche als Basis für eine Operationsindikation dient wurde verlassen (früher grösser 6 cm). Postentzündliche Pseudozysten haben eine Verbindung zum Pankreasgangsystem und zeigen deshalb keine spontane Rückbildung. Entsprechend muss die Therapie in der Ableitung des Zystensekrets zurück in den Magen-/Darmtrakt bestehen. Dies kann endoskopisch oder laparoskopisch erfolgen. Bei komplexen Befunden im voroperierten Abdomen muss primär offen chirurgisch vorgegangen werden. Die Therapie der Wahl besteht in einer Biopsie der Zystenwand und Ableitung der Zysten entweder in den Magen oder den Dünndarm. 2.Frage: Seröse oder Muzinöse Neoplastische Zysten?

Prognostisch bedeutender sind die neoplastischen Zysten, deren biologisches Verhalten von grundsätzlich benigne bis hin zu präkanzerös mit hohem Malignitätspotenzial charakterisiert ist. a) Seröse Zysten Seröse Zystadenome, entweder mikrozystisch oder makrozystisch, treten häufiger bei Frauen in der sechsten Lebensdekade auf. Falls das radiologische Bild ein sogenanntes Honigwaben -Bild zeigt und auch eine zentrale Verkalkung besteht, ist die Diagnose sicher, und weder Überwachung noch Resektion sind indiziert, weil diese Läsion ein benignes biologisches Verhalten hat. Maligne seröse zystische Pankreasläsionen sind extrem selten. Weltweit sind insgesamt lediglich 27 Fälle von malignen serösen zystischen Neoplasien dokumentiert [2]. Gründe für eine radiologische Verlaufskontrolle, weitere Diagnostik mittels endoskopischem Ultraschall und Punktion oder Resektion können sein: Auftreten von Symptomen wie Oberbauchschmerzen oder Druckgefühl (ohne andere klare Ursache) Grösser werdende Zyste (mit Zunahme von Symptomen) Morphologische Unklarheit Obstruktion des Ductus wirsungianus Obstruktion des Ductus choledochus b1) Muzinös zystische Neoplasie Der Begriff muzinös-zystische Neoplasie wurde primär als Überbegriff für alle Muzinproduzierenden zystischen Neoplasien verwendet. Heute sollte der Begriff in einem engerem Sinne für die spezielle Entität der MCN, welche sich klar von den (ebenfalls muzinösen) IPMN unterscheiden, verwendet werden. Die Charakteristika der MCN sind: Perimenopausale Frauen Keine Verbindung zum Pankreashauptgang Primär im Pankreasschwanz lokalisiert (rund 95 %) Verdickte Wand mit Kalzifikationen in bis zu 30 % Punktat: viskös, erhöhtes CEA, niedrige Amylase Wegen eines relevanten (bis 38%) Malignitätsrisikos, insbesondere wenn die Läsion eine Grösse von 3 cm oder mehr erreicht, ist die Indikation zur Resektion grundsätzlich gegeben. Wird, sei es in einer Biopsie, welche allerdings bei typischem radiologischem Aspekt nicht

notwendig ist, oder im OP-Präparat ein sogenanntes Ovarian Type -Stroma gefunden, ist die Diagnose gesichert. In diesen Fällen sind keine weitere Verlaufskontrollen indiziert, falls die Läsion zum Zeitpunkt der Rektion keine Hinweise auf Malignität gezeigt hat. Auch wenn die Läsion erst im Stadium der Malignität gefunden wird, kann die Prognose durch eine radikale Resektion deutlich verbessert werden mit einem 5-jahres Überleben von 20 bis 60% [3]. b2) Intraduktal papillär muzinöse Neoplasie Die zystische Entität mit der grössten Variabilität betreffend Lokalisation und biologischem Verhalten ist zweifellos die IPMN. Die Charakteristika der IPMN sind: Unterteilt in 3 Typen: Hauptgang-Typ, Seitenast-Typ oder Mixed-Typ Oft multifokale Erkrankung Punktat: viskös, erhöhtes CEA, erhöhte Amylase Das Risiko der Malignität hängt vom Subtyp ab (Hauptgang- versus Seitenast-Typ). Für Hauptgang-IPMN, zu denen auch die Mixed-Typ Erkrankung gerechnet wird, beträgt das Risiko für ein invasives Karzinom sicher mehr als 30 %. In der Literatur sind bis zu 63 % beschrieben, weshalb die Resektion bei jeder bestätigten Hauptgang- oder Mixed-Typ IPMN indiziert ist, oder wenn diese Diagnose als sehr wahrscheinlich eingestuft werden muss. Eine Wait and see -Politik ist eine Option bei kleinen Läsionen mit diagnostischer Unklarheit oder Patienten mit hoher Co-Morbidität in schlechtem Allgemeinzustand mit entsprechend erhöhtem perioperativem Risiko. Die morphologischen Charakteristika, welche helfen, das Malignitätsrisiko einer IPMN besser eingrenzen zu können, sind: Dilatation des Pankreashauptganges Knoten / Verdickung der Zystenwand Septenbildung in der Zyste Verkalkung in der Zyste Solide Komponenten in der Zyste Zystengrösse von mehr als 3 cm Abbildung 2 zeigt einen möglichen Algorhythmus zur weiteren Wertung des zystischen Befundes modifiziert nach [4].

Wichtig hervorzuheben ist die Tatsache, dass bei den 2012 Richtlinien die morphologischen Kriterien, welche einen Hinweis auf Malignität ergeben können, prioritär sind und erst beim Fehlen solcher, die Grösse als Kriterium für das weitere Vorgehen gilt. Die im Rahmen der Konsensus Konferenz zusammengestellten und publizierten Daten ergeben für die Hauptgang IPMN ein Malignitätsrisiko von 62% (549 von 883 Fällen). Auf Grund dieser Zahlen besteht für Hauptgang und Mixed-Typ IPMN ein genereller Konsens, dass die Indikation zur Resektion gegeben ist. Für die Seitenast IPMN wurde eine Malignitätsrate von 24% (494 von 2027 Patienten) errechnet. Diese Zahl basiert auf Studien, die zwischen 2003 und 2010 publiziert worden waren [4]. Die grosse Kontroverse dreht sich um die Seitenast IPMN. Im 2014 erschienen Zahlen über insgesamt 512 Pankreasresektionen bei IPMN aus den Jahren 2004 bis 2012. Darin enthalten waren 233 Seitengang IPMN, und von diesen wiederum 141 (60%) aus der Rubrik der sogenannten Sendai-negativen Seitenast IPMN. Dies sind Befunde, die gemäss den Richtlinien als harmlos gelten und nicht reseziert werden sollen. Jedoch, 18% zeigten Zeichen der Malignität im Sinne von mindestens hochgradigen Dysplasien. Diese hohe Rate wird unter anderem damit erklärt, dass, obwohl die radiologischen Abklärungen eine Seitenast IPMN vermuten liessen, von 233 Läsionen bei 67 (29%) in der histologischen Aufarbeitung eine Hauptgangbeteiligung nachgewiesen wurde [5]. Sofort nach Publikation dieser Daten wurden Zahlen veröffentlicht, welche ein anderes Bild ergeben: Von 283 resezierten IPMN waren 35 (12%) Sendai-negativ. Von diesen zeigten 5 (14%) eine high grade-dysplasie, ein invasives Karzinom wurde in keinem Fall gefunden. Von 529 Sendai-negativen Läsionen, die während 20 Monaten nachbeoachtet wurden, wurden lediglich 22 (4,1%) reseziert, dies wegen Grössenzunahme oder eines Markeranstieges. Von diesen 22 zeigten 4 ein Karzinom unabhängig von der IPMN und 18 eine benigne Veränderung oder eine nicht-invasive IPMN. Vor dem Hintergrund dieser Zahlen unterstützen diese Autoren ein Zuwarten. Sie weisen auch darauf hin, dass bei der bei ihnen hausüblichen Mortalität von 2% nach Pankreaskopfresektionen mit 11 Todesfällen hätte gerechnet werden müssen, wenn sie alle 529 Sendai-negativen Läsionen reseziert hätten [6]. Zusätzlich zur aktuellen Kontroverse beigetragen haben die im 2015 publizierten Richtlinien der American Gastroenterological Association (AGA) zum Thema Management von asymptomatischen neoplastischen Pankreaszysten [7, 8]. Diese Richtlinien gehen von einem sehr viel tieferen Malignitätsrisiko - 0,25% - der zystischen Läsion aus. Es wird dann argumentiert, dass das Vorhandensein von Knoten in der Wand einer Zyste das Risiko rund achtfach erhöht, womit das Malignitätsrisiko erst auf 2% berechnet würde. Damit liegt das Risiko der Erkrankung tiefer, oder im Extremfall, auf gleicher Höhe wie das Letalitätsrisiko

der Operation. Vor diesem Hintergrund ist es klar, dass eine Operation nicht empfohlen werden kann. Hauptkritik an den AGA Richtlinien ist die fehlende Evidenz für die Empfehlungen [9]. Welche Punkte sind ungeklärt? Viele Fragen sind noch offen. Die wichtigsten davon sind: Wie soll eine zystische Neoplasie weiter abgeklärt werden, falls die Initiale Diagnostik eine Zuordnung zu einer der bekannten Entitäten nicht zulässt? Was ist der geeignetste Abklärungsalgorhithmus? Welche Modalität soll in welchen Intervallen zum Einsatz kommen? Die verschiedenen sogenannten Hochrisikostigmata sind mit unterschiedlichen Risiken für eine maligne Entartung assoziiert. Es ist unklar, wie die einzelnen Risikofaktoren gewichtet werden sollen. Wann sollen Follow up-untersuchungen eingestellt werden? Die Risiken der Pankreaschirurgie sind durch Zahlen in der Tumorchirurgie gut dokumentiert. Haben prophylaktische Resektionen von Seitengang-IPMN mit weichem Pankreasgewebe und engem Hauptgang eine höhere Morbidität und Letalität gegenüber den etablierten Zahlen? Bei welchen Patienten ist bei multifokaler Seitengang-IPMN allenfalls gar eine totale Pankreatektomie indiziert?

Literatur 1. Banks, P.A., et al., Classification of acute pancreatitis--2012: revision of the Atlanta classification and definitions by international consensus. Gut, 2013. 62(1): p. 102-11. 2. Huh, J., et al., Malignant pancreatic serous cystic neoplasms: systematic review with a new case. BMC Gastroenterol, 2016. 16(1): p. 97. 3. Testini, M., et al., Management of mucinous cystic neoplasms of the pancreas. World J Gastroenterol, 2010. 16(45): p. 5682-92. 4. Tanaka, M., et al., International consensus guidelines 2012 for the management of IPMN and MCN of the pancreas. Pancreatology, 2012. 12(3): p. 183-97. 5. Fritz, S., et al., Pancreatic main-duct involvement in branch-duct IPMNs: an underestimated risk. Ann Surg, 2014. 260(5): p. 848-55; discussion 855-6. 6. Correa-Gallego, C., et al., Liberal resection for (presumed) Sendai negative branchduct intraductal papillary mucinous neoplasms--also not harmless. Ann Surg, 2014. 259(3): p. e45. 7. Scheiman, J.M., J.H. Hwang, and P. Moayyedi, American gastroenterological association technical review on the diagnosis and management of asymptomatic neoplastic pancreatic cysts. Gastroenterology, 2015. 148(4): p. 824-48 e22. 8. Vege, S.S., et al., American gastroenterological association institute guideline on the diagnosis and management of asymptomatic neoplastic pancreatic cysts. Gastroenterology, 2015. 148(4): p. 819-22; quize12-3. 9. Fernandez-Del Castillo, C. and M. Tanaka, Management of pancreatic cysts: the evidence is not here yet. Gastroenterology, 2015. 148(4): p. 685-7.

Tabelle 1: Zystische Pankreasläsionen (die häufigsten sind fett gerduckt) Neoplastisch - Serös zystische Neoplasie - Muzinös zystische Neoplasie (MCN) - Intraduktal papillär muzinöse Neoplasie (IPMN) - Solide pseudopapilläre Neoplasie: Meist junge Frauen und im linksseitigen Pankreas lokalisiert - Solide Tumore mit zystischen Anteilen: zystisches Azinuszellkarzinom, zystisches Adenokarzinom Nicht neoplastisch - Pseudozyste - Akute Flüssigkeitskollektion: in der Frühphase (<4 Wochen nach Schmerzbeginn) nach akuter Pankreatitis - Kongenitale Zyste - Muzinöse nicht neoplastische Zyste - Retentionszyste - Parasitäre Zyste

Legende zu den Abbildungen: Abbildung 1: Unterscheidung entzündliche versus neoplastische zystische Pankreasläsion Abbildung 2: Vorgehen in Abhängigkeit der radiologischen Befunde bei neoplastischer Zyste (modifiziert nach[4].