Akkretion. Wolfgang Suttrop, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching

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Transkript:

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 1 Akkretion Wolfgang Suttrop, Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 2 lat.: accretio: Anwachsen, Zunahme Akkretion Akkretion = Massenzunahme eines schweren Objekts durch Gravitation (und Auswärtstransport von Drehimpuls) Beispiele: 1. Sternentstehung: Protosterne 2. kompakte Objekte: Weisse Zwerge, Neutronensterne, stellare schwarze Löcher 3. Galaxien-Zentren: Aktive Galaktische Kerne (Active Galactic Nuclei, AGN)

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 3 Inhalt 1. Ein einfaches Modell für sphärische Akkretion (Drehimpuls = 0) 2. Warum leuchten AGN? 3. Bei endlichem Drehimpuls ist Drehimpulstransport wichtig! 4. Ein verbessertes Modell beschreibt flache Akkretionsscheiben 5. Leuchtkraft von flachen Akkretionsscheiben

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 4 Einfachstes, kugelsymmetrisches Akkretionsmodell Bondi und Hoyle (1944), Bondi (1952) Annahmen: Kugelsymmetrie Newton sche Mechanik (=nicht-relativistisch) Eine massetragende Teilchenspezies (Neutrale oder Ionen) Festes Gravitationspotenzial: Ein zentrales Gravitationszentrum, keine gegenseitige Anziehung der akkretierten Materie Kein Magnetfeld, keine Nettoladung Hydrodynamische Beschreibung, stationäre und adiabatische Strömung, keine Viskosität (innere Reibung) Kein Energietransport durch Strahlung Kraftgleichgewicht: Gravitationskraft Druckgradient, Massenträgheit

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 5 Kugelsymmetrische Akkretion: Bondi-Gleichungen Kontinuitätsgleichung: Radialkomponente: t ρ m + (ρ m u) = 0 t ρ m + 1 d r 2 dr ( r 2 ρ m u r ) = 0 Integration: M(r) = R r 0 ρ m(r )dr Ṁ(r) = 4πr 2 ρ m u r Kraftgleichung: (Φ = GM/r Gravitationspotenzial) 1 u+( u ) u = p Φ t ρ m Radialkomponente (mit u/ t = 0): du r u r dr = 1 dp ρ m dr GM r 2 Integration über r (Bernoulli-Gleichung): u 2 r 2 + Z p p dp ρ m (p ) GM r = const. = E Schallgeschw.: c 2 s = dp/dρ m = γp/ρ m u 2 r 2 + 1 γ 1 c2 s GM r = E = 1 γ 1 c2 s,

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 6 Lösungen der Bondi-Gleichungen Dimensionslose Parameter für Ort, Geschwindigkeit, Massendichte, Akkretionsrate: ( ) GM x r, y u r, z ρ m c 3 s,, λ Ṁ c s, ρ m, 4π(GM) 2 ρ m, c 2 s, x 2 yz = λ, y 2 2 + zγ 1 1 γ 1 = 1 x Def.: Radiale Machzahl u y/z (γ 1)/2 ( ) 1 λ 2(γ 1)/(γ+1) 2 u4/(γ+1) x 2 + 1 ( ) λ 2(γ 1)/(γ+1) γ 1 x 2 = 1 u x + 1 γ 1 Durchgängige Lösungen für λ < λ c, λ c = ( 1 2 ) (γ+1)/2(γ 1) ( 5 3γ 4 ) (5 3γ)/2(γ 1) (i) λ = (1/4) λ c, (ii) λ = λ c, (iii) λ = 4λ c H. Bondi, Mon. Not. Roy. Astron. Soc. 112 (1952) 195

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 7 Akkretionslösung der Bondi-Gleichungen Monoton nach innen ansteigende Geschwindigkeit - u r ( ) = 0: Überschallgeschwindigkeit innerhalb des transsonischen Radius Für r 0 freier Fall: u r (2GM/r 2 ) 1/2 N.B. Es existieren auch Lösungen mit u r < 0 (Auswärtsströmung) Analogie zu Parker-Modell des Sonnenwinds Aber: Haben wichtige Kräfte vernachlässigt: Strahlung: Energietransport - Abkühlung reduziert hydrostatischen Druck Strahlungsdruck evtl. wichtig im Kraftgleichgewicht Fliehkraft (endlicher Drehimpuls)

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 8 Strahlungsdruck, Eddington-Grenze Geg. Luminosität (Leuchtkraft) L(r) (z.b. aus Schwarzkörperstrahlung, Stefan-Boltzmann-Gesetz, Kap. 11) Energieflußdichte: L/(4πr 2 ) Photonenimpuls E/c Impulsübertrag L/c (Einheit: Kraft). Vollionisiertes H-Plasma: Streuung an Elektronen überwiegt Streuung an Protonen Kraft durch Strahlungsdruck: F rad = L σ T c 4πr 2 mit σ T : Thomson-Streuquerschnitt (s. Vorlesung Plasmadiagnostik): σ T = 8π 3 e 4 16π 2 ε 2 0 c4 m 2 e = 6.65 10 29 m 2 Instabil, wenn F rad > F grav = GMm p /r 2 Eddington-Grenze für die Leuchtkraft von Sternen: L Arthur Stanley Eddington (1882-1944) 4π G m p c σ T M = 1.3 10 31 J/s ( M M )

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 9 Kann helles Galaxiezentrum ein Stern sein? Ann.: Leuchtkraft im Zentrum einer Galaxie entsteht durch Fusion von Wasserstoff (s. Kap. 11) - gesamte Fusionsenergie wird in Leuchtkraft umgewandelt. PP-Kette / CNO-Zyklus: 4p 4 He+2e + + 2ν e + 2 bzw. 3 γ+24.68 MeV Leuchtkraft (Strahlungsleistung) L = ηṁc 2 Fusions- Wirkungsgrad : η = 0.008 Beispiel: AGN mit L = 10 39 J/s Massenverbrauch Ṁ 1.4 10 24 kg/s 22M /Jahr Eddington-Grenze: M L/(1.3 10 31 J/s)M = 7.7 10 7 M Stern nahe der Eddington-Grenze hätte durch schnellen Abbrand sehr kurze Lebensdauer (M/Ṁ 3.5 Mio. Jahre) sehr viel schwereres Objekt (bis 10 10 M ) bildet supermassives schwarzes Loch

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 10 Leuchtkraft durch Akkretion (obere Grenze) Virialsatz: Für Vielteilchensysteme (mit Potential Φ 1/r) gilt: E kin = E pot /2 Annahme: Die übrigen E pot /2 können in Strahlung umgewandelt werden. L = 1 2 GM r Ṁ Mit Schwarzschild-Radius (Fluchtgeschwindigkeit = Lichtgeschwindigkeit) r s = 2GM c 2, L = 1 4 r s c 2 Ṁ r Letzte stabile Bahn ausserhalb des Schwarzschildradius bei r 3r s L 1 12Ṁc2 η = 1/12 10 η Fusion ; d.h. 10-fach höherer Wirkungsgrad

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 11 Betrachte zwei Massen auf kreisförmigen Kepler-Bahnen: r 2 r v v 1 1 m Einfaches Modell: Zwei Massen 1 2 m 2 Drehimpuls: J = m i v i r i = GM ( ) m 1 r 1/2 1 + m 2 r 1/2 2 Gesamtenergie (E kin + E pot ): E = GM ( m1 + m ) 2 2 r 1 r 2 Betrachte kleine Radiusänderungen r 1, r 2. Drehimpulserhaltung (linearisiert): m 1 r 1/2 1 r 1 = m 2 r 1/2 2 r 2 Gleichgew. Zentrifugalkraft-Gravitation: mv 2 r = GMm r 2, v 2 = GM r Um eine Masse nach innen zu bringen (z.b. m 1 ), muß die andere Masse nach aussen versetzt werden. Drehimpulstransfer von innen nach aussen! - wird bewirkt durch Reibung zwischen verschiedenen Bahnen (Viskosität)

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 12 Energieabsenkung und Akkretion Energieänderung als Funktion von r 1 (linearisiert) [ E( r 1 ) = GMm (r1 ) 3/2 1 2r1 2 1] r 1 r 2 }{{} <0 f. r 1 <r 2 Energieabsenkung für r 1 < 0, r 2 > 0 (breitere radiale Massenverteilung) Änderung des radialen Massenschwerpunkts : R = i m i r i i m i = m 1r 1 + m 2 r 2 m 1 + m 2, R = m 1 m 1 + m 2 [ 1 ( r2 r 1 ) 1/2 ] r 1 < 0 f. r 1 < 0 Keplerorbits bei konstanter Energie sind stabil - Energieverlust (z.b. durch Strahlung, Reibungswärme etc.) bewirkt Akkretion Akkretionsrate hängt davon ab, ob und wie schnell Drehimpuls abgeführt wird.

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 13 Akkretionsscheiben Dünne Scheibe Fliehkraft Strahlungsdruck Geringe Reabsorption Große Strahlungsverluste Helle Objekte kalt (10 5...10 6 K) Dicke Scheibe (Torus,...) Fliehkraft (oder ) Strahlungsdruck optisch dickes Medium, geringe Strahlungsverluste heiss (10 11...10 12 K) stoßfrei, τ M/Ṁ

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 14 Bedingung für dünne/flache Akkretionsscheibe Abschätzung: Halbe Höhe der Scheibe z 0 c s v φ r r Mit v 2 φ = GM/r (aus Gleichgewicht Fliehkraft-Schwerkraft) (Kinetische Energie potenzielle Energie) c 2 s v 2 φ = γ k BT mgm r 1 bzw. γ k BT mgm r Schwarzschild-Radius (Fluchtgeschwindigkeit = Lichtgeschwindigkeit) r s = 2GM c 2, 2γk BT mc 2 }{{} <<<1 r r }{{} s >1 1

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 15 Galaxie NGC7331 (Ansicht schräg zur Achse) Aktives Galaktisches Zentrum (AGN) Viele Galaxien (auch unsere Milchstrasse) sind flache Scheiben. AGN: T 10 5.5 K, stellare schwarze Löcher: T 10 7 K, alle: T m p c 2 /k B = 10 13 K

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 16 Modell für flache Akkretionsscheibe Ref.: Shakura und Sunyaev, Astron. Astroph. 24 (1973) 337 Dünne Akkretionsscheibe (z 0 r) Axialsymmetrie ( / φ = 0) 1. Kontinuitätsgl. (Massenerhaltung) 2. Kraftgleichung (Impulserhaltung) bzw. (mit Kontinuitätsgl.) r ρ m + (ρ m u) = 0 ρ m u t + ρ m( u ) u = p ρ m Φ g + T (ρ m u) t + (ρ m u u) = p ρ m Φ g + T Gravitationspotenzial: Φ g = GM 1 r 2 + r 2 z 1/2

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 17 Radialer Impulstransport, Drehmoment Spannungstensor T: Impulstransport ( j-te Komponente) in i-richtung T i, j = ρ m ν ( u i + u j + 2 ) x j x i 3 ( u) δ i, j ν: kinematische Viskosität (µ/ρ m ) [ν] = m 2 /s ( Impuls-Diffusionskoeffizient ) Radialer Transport des φ-impulses: T r,φ = ρ m ν r r ( uθ r ) + 1 r u r }{{} θ =0 = ρ mνr Ω r Kepler-Bewegung: v 2 = Ω 2 r 2 = GM r, T r,φ = 3 ( ) GM 3/2 2 ρ mν r 3 Tangentiale Kraft auf Zylinderfläche: Integriere T über φ und z. Drehmoment: Γ = F r Γ(r) = r Z 2π 0 Z z0 rt r,φ dz dφ = 2πr 3 Ω νρ A z 0 r mit ρ A = R z 0 z 0 ρ m dz (Flächendichte)

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 18 Modellgleichungen für flache Scheiben Kontinuität (radiale Komponente) - Gleichung für ρ A (r,t) bzw. Ṁ t ρ A + 1 r r (rρ Au r ) = 0, Drehimpuls (Kraftgleichung in φ-richtung) Z dr Ṁ = 2πrρ A u r r t ( r 2 ρ A Ω ) + ( r 3 ) Ωρ A u r } r {{} radiale Advektion = 1 2π r Γ(r) } {{ } viskos Näherungsweise stationäre Strömung für t M/Ṁ r ( r 3 Ωρ A u r ) = 1 2π r Γ(r) Z dr d dr [ ] Ṁr 2 Ω+2πr 3 Ω νρ A r = 0 Massenfluß (nach innen) durch (viskosen) Drehimpulstransport (nach aussen).

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 19 Modell flache Scheiben: Akkretionsrate Drehimpulsgleichung radial integrieren, Ann.: Drehmoment Γ verschwindet an innerer Grenze (r = r i ) Ṁ [ r 2 Ω(r) ri 2 Ω(r i ) ] [ ( ) ] r 1/2 1 = 3πr 2 ρ A νω(r) Ṁ = 3πρ A ν 1 Dies ist die Akkretionsrate Ṁ für gegebene Viskosität ν (bzw. umgekehrt). Problem: Viskosität durch Stösse kann die beobachteten Akkretionsraten nicht erklären (um Größenordnungen zu klein) Lösungsvorschläge: Turbulente Viskosität (Shakura, Sunyaev 1973): ν = αc s z 0 (α: ad-hoc Parameter) Drehimpulstransport durch Magnetfeld (vgl. Sonnenwind) r i

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 20 Energiegleichung: t Modell flache Scheiben: Energietransport ( ) 1 2 ρ mu 2 + ρ m Φ g + ρ m ε int + [( ) ] 1 2 ρ mu 2 + ρ m Φ g + ρ m w u+ F rad 2T u Mit: ε int = (1/γ 1)p/ρ m : Innere (spezifische) Energie, w = ε int + p/ρ m (γ/γ 1)p/ρ m : Spezifische Enthalpie k B T/m p rω F rad : Energiefluß durch Strahlung, vorwiegend in radialer Richtung: Fz rad /Fr rad z 0 /r 1 Stationär ( / t = 0), und in Komponenten: [( 1 d 1 r dr 2 ρ mu 2 + ρ m Φ g ) ru r + r F rad r 2ρ m rt r,φ u φ ] + Frad z z = 0 = 0 Integrieren über z: 1 r d dr [( ) 1 2 u2 + Φ g ρ A ru r ρ A νr 3 Ω Ω ] + 2F rad = 0 r wobei F = F(r) den Wärmefluss in der Fläche bezeichnet

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 21 Modell flache Scheiben: Leuchtkraft Einsetzen der vorherigen Ergebnisse: Ṁ = 2πrρ A u r, u φ = rω u Kepler = ( ) GM 1/2 ( ) ] r 1/2 1, Ṁ = 3πρ A ν[ 1 r r i ergibt Strahlungsfluß (unabhängig von ν!) F rad (r) = Ṁ 3GM 8πr 3 [ ( ) ] r 1/2 1 r i Gesamte Leuchtkraft: Über die Oberfläche (oben und unten) integrieren Z L = 2 F rad (r)2πr dr = 1 r i 2 GMṀ r i Gerade die aus dem Virialsatz erhaltene maximale Leuchtkraft Flache Akkretionsscheibe ist sehr effektiver Strahler!

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 22 Einfachstes Modell für Spektrum: Lokales thermisches Gleichgewicht, Emission als schwarzer Strahler Stefan-Boltzmann-Gesetz (Leistung Temperatur) P rad = 2σT s (r) 4 σ = 2π 5 k 4 B /(15h3 c 2 ) = 5.67 10 8 W m 2 K 4 Planck-sches Strahlungsgesetz: B ν = hν3 1 c 2 ) 1 exp( hν k B T s [B ν ] = 1 W m 2 Hz 1 sr 1 Integration über Scheibe und Raumwinkel: Flache Scheibe: Spektrum Z rmax S ν 4πz 0 B ν (T s (r))2πrdr r i

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 23 Zusätzlich zum thermischen Spektrum tritt häufig starke Emission im (harten) Röntgenbereich auf. Ursache: Inverse Compton-Streuung Compton-Streuung: hν m 0,e c 2 Streuung zu kleineren Photonenenergien Inverse Compton-Streuung: hν E e Photon gewinnt Energie Vergleich mit Beobachtungen Binäres System RXTE J1118+480

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 24 Zusammenfassung (1) Akkretion von Materie (i.w. Wasserstoffplasma) findet in der Umgebung von schwerer Objekte (scharze Löcher, Neutronensterne, Weiße Zwerge,... ) statt. Im einfachsten hydrostatischen Modell für sphärisch symmetrische Akkretion (Bondi 1952) wird Gleichgewicht zwischen Schwerkraft und hydrostatischem Druck angenommen (und Fliehkräfte vernachlässigt). Analog zum ähnlichen Parker-Modell für den Sonnenwind ergeben sich Lösungen mit einwärts oder auswärts gerichteter Strömung. Die Randbedingung kleiner Dichte und Geschwindigkeit Null im Unendlichen ergibt eine zum Zentrum beschleunigte und Überschallgeschwindigkeit erreichende Strömung. Akkretionszentren (z.b. AGNs) weisen i.a. eine sehr hohe Leuchtkraft auf. Ein hell leuchtendes Objekt muss auch eine hohe Masse haben, da es sonst gegen die Expansion durch den Strahlungsdruck instabil wird (Eddington-Grenze). Die zu den meisten beobachteten Akkretionszentren gehörige Masse impliziert, daß es sich um schwarze Löcher handelt. Nach dem Virialsatz steht nur ein Teil der potenziellen Energie eines Systems für die Umwandlung in kinetische Energie zur Verfügung. Der Rest ergibt eine Obergrenze für die Leuchtkraft eines Systems, die als Bruchteil der Ruheenergie der einströmenden Teilchen ausgedrückt werden kann. Paradoxerweise können schwarze Löcher (durch Akkretion) weit effektiver abstrahlen als Sterne (durch Fusion von Wasserstoff).

Astrophysikalische Plasmen Akkretion 25 Zusammenfassung (2) Bei endlichem Drehimpuls zeigt eine einfache Überlegung (zwei Massen auf Kepler-Bahnen), daß Absenkung der totalen Energie (z.b. durch Strahlung) mit auswärts gerichtetem Impulstransport verbunden ist. Dies muß durch Reibung geschehen. Sind Fliehkräfte groß gegen den kinetischen und den Strahlungsdruck, bilden sich flache Akkretionsscheiben aus. Durch geringe Dicke und damit geringe Reabsorption der emittierten Strahlung sind diese Objekte i.a. kalt und starke Strahler. Viele Akkretionszentren (auch AGNs) sind flache Scheiben. Im gegenteiligen Fall (weitgehend isotrope expansive Kräfte) werden Akkretionsvolumina dicke Scheiben oder Tori, was durch Reabsorption die Strahlungsverluste senkt. Das Innere kann sich aufheizen und einen zum Kraftgleichgewicht beitragenden Strahlungsdruck aufbauen. Ein einfaches kinetisches Modell für flache Scheiben (Shakura und Sunyaev, 1973) berücksichtigt Fliehkräfte, ein zentrales Gravitationspotenzial und endliche kinematische Viskosität zum Drehimpulstransport. Durch Integration über die Scheibendicke und azimuthale Symmetrie ist das Modell effektiv eindimensional. Die Massen-Akkretionsrate ist in diesem Modell unmittelbar proportional zur Viskosität. Die Leuchtkraft ist von der Viskosität unabhängig und erreicht gerade die vom Virialsatz vorgegebene Grenze. Die beobachtete Leuchtkraft vieler Akkretionszentren impliziert eine Akkretionsrate, die mit Viskosität durch Stöße der Teilchen im dünnen Gas der Akkretionsscheibe nicht erklärt werden können. Die Erklärung des Impulstransports ist Gegenstand aktueller Forschung. Insbesondere Turbulenz in der akkretierten Materie und der erhöhte Drehmomenttransport durch magnetische Felder (analog zum Sonnenwind) sind mögliche Ursachen.