Stellungnahme. der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO)

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Transkript:

BAGSO e. V. Bonngasse 10 53111 Bonn Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen e.v. Bonn, 23.09.2014 Stellungnahme der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) zum Entwurf eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch Leistungsausweitung für Pflegebedürftige, Pflegevorsorgefonds (Fünftes SGB XI-Änderungsgesetz - BT-Drucksache 18/1798) I. Vorbemerkung Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen (BAGSO) vertritt über ihre 112 Mitgliedsverbände die Interessen von 13 Millionen älteren Menschen in Deutschland. 83 Prozent der laut Pflegestatistik Pflegebedürftigen sind über 65 Jahre alt und auch die diejenigen, die Sorge und Pflege für ihre Angehörigen oder Freunde übernehmen, sind häufig bereits älter oder hochaltrig 1. Die BAGSO hat u.a. in den Expertenbeiräten zum neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff mitgewirkt und ist eine der maßgeblichen Organisationen in der Pflegemitwirkung nach 118 SGB XI. Aufgrund bereits bestehender Schwächen und mit Blick auf zukünftige Herausforderungen hält sie eine grundlegende Reform der Pflegeversicherung und der Pflegestrukturen für dringend erforderlich. Im März 2014 hat die BAGSO im Positionspapier zur Weiterentwicklung der Pflege ihre zentralen Empfehlungen und Forderungen dargelegt 2. Der vorgelegte Gesetzesentwurf stellt aus Sicht der BAGSO einen ersten Schritt der Umsetzung der Empfehlungen des Expertenbeirats zur konkreten Ausgestaltung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs dar, indem zum 1. Januar 2015 einzelne Leistungsverbesserungen eingeführt werden. Diese sind jeweils grundsätzlich zu begrüßen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass der für Verbraucher bereits jetzt schwer zu 1 Pflegestatistik 2011, Destatis 2013, S. 9. 2 BAGSO-Positionspapier zur Weiterentwicklung der Pflege erhältlich unter kontakt@bagso.de (http://www.bagso.de/publikationen/positionen.html, Kurzfassung erschienen in BAGSO-Nachrichten 3/2014, S. 29-30,).

2 überblickende Flickenteppich der Leistungen noch komplexer wird und damit die Implementierung einer mit der Einführung von neuem Pflegebedürftigkeitsbegriff und Neuem Begutachtungsassessment (NBA) zwingend erforderlichen Gesamtsystematik erschwert wird. II. Zur Bewertung der Inhalte des Gesetzesentwurfs Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden folgende Regelungen getroffen: Dynamisierung der Leistungsbeträge und Anhebung des Beitragssatzes Flexibilisierung und Ausbau von Leistungen zur Stabilisierung der häuslichen Pflege (Kurzzeit- und Verhinderungspflege, Tages- und Nachtpflege) Einführung von neuen Entlastungsangeboten und Ausweitung der Betreuungsund Entlastungsangebote auf alle Pflegebedürftige, flexiblere Verwendung des ambulanten Sachleistungsbetrags Ausbau der Zuschüsse für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen Ausdehnung der zusätzlichen Betreuungsangebote nach in stationären Pflegeeinrichtungen Aufbau eines Pflegevorsorgefonds Zu diesen Regelungen nimmt die BAGSO wie folgt Stellung: 1. Dynamisierung der Leistungsbeträge ( 36 44, 45 SGB XI) Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Leistungen in der ambulanten und stationären Pflege um vier Prozent angehoben werden sollen; Leistungen, die erst mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz (PNG) geschaffen wurden, um 2,67 Prozent. Die Anhebung der Leistungen begrüßt die BAGSO sehr. Allerdings wird der seit Einführung der Pflegeversicherung bestehende kontinuierliche Wertverlust hierdurch nicht kompensiert. Es muss vielmehr weiterhin davon ausgegangen werden, dass Pflegebedürftige und ihre Angehörigen wachsende Eigenanteile zur Pflege übernehmen müssen und das Risiko von Armut im Fall von Pflegebedürftigkeit erhöht wird. Um dem entgegenzuwirken fordert die BAGSO die Einführung einer Dynamisierungsautomatik, die sich nicht nur an der allgemeinen Preissteigerung, sondern insbesondere an den Lohnsteigerungen orientiert und damit eine langfristig tragfähige Lösung bietet. 2. Anhebung des Beitragssatzes ( 50 SGB XI) Die Anhebung des Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung um 0,3 Prozentpunkte auf 2,35 Prozent zum 01.01.2015 hält die BAGSO für notwendig, um

3 die geplanten Leistungsverbesserungen zu finanzieren. Faktisch stehen aufgrund des Mittelabflusses in den geplanten Pflegevorsorgefonds nur 0,2 Prozent zur Verfügung. Die BAGSO weist an dieser Stelle erneut darauf hin, dass Rentnerinnen und Rentner im Gegensatz zu Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den Beitrag zur Pflegeversicherung derzeit vollständig allein tragen müssen, und fordert die Rückkehr zur paritätischen Beitragsfinanzierung auch für Rentnerinnen und Rentner, indem der Rentenversicherungsträger die Hälfte der Beiträge übernimmt. 3. Tages- und Nachtpflege ( 41 SGB XI) Vor dem Hintergrund der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Pflege der Angehörigen, aber auch im Hinblick auf die zunehmende Zahl alleinlebender Pflegebedürftiger stellt insbesondere die Tagespflege eine wichtige Versorgungsform dar, die soziale Einbindung, Alltagsbeschäftigung und Betreuung ermöglicht. Die BAGSO begrüßt daher den Ausbau der teilstationären Leistungen und die ungekürzte Parallelabrechnungsmöglichkeit zu Pflegesachleistungen und/oder Pflegegeld ausdrücklich. Die Möglichkeit einer sozialgesetzbuchübergreifenden Inanspruchnahme von Leistungen (z.b. ambulante Pflegeleistungen, Leistungen der Rehabilitation) würde die Tagespflege für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen attraktiver machen, indem je nach Bedarf unterschiedliche Angebote an einem Ort gebündelt in Anspruch genommen werden könnten. 4. Kurzzeit- und Verhinderungspflege ( 39 und 42 SGB XI) Die Flexibilisierung und Möglichkeit der Kombination von Kurzzeit- ( 42) und Verhinderungspflege ( 39) sind im Grundsatz zu begrüßen. Derjenige, der anstelle der Verhinderungspflege ausschließlich Kurzeitpflege in Anspruch nimmt, hat somit einen Betrag von bis zu 3.224 Euro und einen Zeitraum von bis zu acht Wochen zur Verfügung. Derjenige, der andersherum anstelle der Kurzzeitpflege ausschließlich Verhinderungspflege nutzen möchte, hat nur insgesamt 2.418 Euro pro Jahr und einen Zeitraum von bis zu sechs Wochen zur Verfügung. Diese unterschiedliche Verrechnungsmöglichkeit erscheint weder sachlich nachvollziehbar noch den Betroffenen vermittelbar. Die BAGSO schlägt daher vor, Betroffenen ein einheitliches Sachbudget über den Gesamtbetrag dieser Leistungen zu gewähren, um die Inanspruchnahme je nach individuellem Bedarf und örtlich vorhandenem Angebot gestalten zu können. Im Sinne der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen wäre es wünschenswert, eine Kontinuität der Versorgung durch bekanntes Pflegepersonal von der ambulanten Betreuung, teilstationären Versorgung hin zu den nur vorübergehenden Angeboten der Kurzzeit- oder Verhinderungspflege zur Verfügung stellen zu können. Der im Gesetz an sich vorgesehene Gesamtversorgungsvertrag, der dies ermöglichen würde, wird jedoch in manchen Bundesländern bislang nicht umgesetzt.

4 5. Einführung von neuen Entlastungsangeboten und Ausweitung der Betreuungs- und Entlastungsangebote auf alle Pflegebedürftige ( 45a-d SGB XI) Mit der Neufassung des 45b werden zusätzliche Entlastungsleistungen eingeführt, die der Deckung des Bedarfs der Versicherten an Unterstützung im Haushalt dienen und dazu beitragen, Angehörige und vergleichbar Nahestehende in ihrer Eigenschaft als Pflegende zu entlasten. Dies bedeutet, dass der zukünftig zur Verfügung stehende Betrag von 104 bzw. 208 Euro im Monat flexibler und bedarfsgerechter eingesetzt werden kann. Die Erweiterung des Spektrums der nach 45b abrechenbaren Angebote ist daher grundsätzlich zu begrüßen und kann zu einer Stabilisierung der häuslichen Pflegearrangements führen. Eine entscheidende Verbesserung sieht die BAGSO darin, dass zukünftig nicht nur Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz nach 45a Zugang zu niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangeboten haben, sondern alle Pflegebedürftigen. Die für Betreuung und Entlastung zur Verfügung stehende Summe reicht jedoch bei weitem nicht aus, um die dringend notwendige Entlastung und Unterstützung der Pflegebedürftigen und informell Pflegenden zu ermöglichen. Zudem wäre es im Sinne einer Verfahrenserleichterung und größeren Gestaltungsfreiheit sinnvoller, den Abrechnungszeitraum pro Kalenderjahr und nicht pro Monat festzulegen. 6. Kombinationsleistung aus Sachleistungsbudget und niedrigschwelligen Betreuungs- und Entlastungsangeboten ( 45b Absatz 3 neu SGB XI) Es wird die Möglichkeit eingeführt, einen nicht voll ausgeschöpften Anspruch auf ambulante Pflegesachleistungen aus den 36 und 123 bis zur Höhe des halben jeweiligen Höchstbetrages für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote einzusetzen. Daneben kann auch weiterhin ein anteiliges Pflegegeld bezogen werden. Die Einführung dieser neuen Kombinationsleistung stärkt zwar die Flexibilisierung, wirft in der Praxis jedoch Probleme auf. So werden die Kosten für niedrigschwellige Betreuungs- und Entlastungsangebote gegenüber den ambulanten Pflegesachleistungen von den Pflegekassen nur nachrangig im Rahmen der Kostenerstattung abgerechnet, womit ein gewisses finanzielles Risiko für die Verbraucher verbunden ist. Eine Parallelstruktur von hauswirtschaftlichen Leistungen nach 45b und denen nach 36 SGB XI ist Betroffenen schwer zu vermitteln. Insgesamt ist ein erhöhter Beratungs-, Organisations- und Koordinierungsaufwand für die Betroffenen zu erwarten. Die Einführung einer Beratungspflicht für Personen, die diese Art der Kombinationsleistung nutzen, erscheint zunächst sinnvoll. Die mit einer Nichtinanspruchnahme der Beratung verbundenen Sanktionsfolgen wie die Kürzung oder Streichung der Kostenerstattung (vgl. S. 32) schießen jedoch über das Ziel hinaus.

5 7. Zuschüsse für Wohnumfeld verbessernde Maßnahmen ( 40) Die deutliche Erhöhung des Zuschusses zu Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes befürwortet die BAGSO sehr. Mit dem Betrag von bis zu 4.000 Euro wird Betroffenen die Möglichkeit gegeben, auch bei fortschreitender Pflegebedürftigkeit in der eigenen Häuslichkeit verbleiben zu können. Die förderfähigen Maßnahmen sollten jedoch über die bewährten Umbaumaßnahmen hinaus um innovative Ansätze z.b. aus dem Bereich der AAL-Technologien ergänzt werden. 8. Zusätzliche Betreuungsangebote nach 87b in stationären Pflegeeinrichtungen Zusätzliche Betreuungskräfte, die das Angebot in voll- und teilstationären Einrichtungen um Betreuung und Aktivierung ergänzen, sollen zukünftig nicht nur Bewohnerinnen und Bewohnern mit eingeschränkter Alltagskompetenz zur Verfügung stehen, sondern allen Pflegebedürftigen. Gleichzeitig wird der Berechnungsschlüssel auf eine Betreuungskraft je 20 Bewohnerinnen und Bewohner angehoben. Auch wenn dies die Personalsituation grundsätzlich verbessert, stellt sich die Frage nach der konkreten Abgrenzung dieser zusätzlichen Betreuungsleistungen von den Leistungen der sozialen Betreuung, die durch Fachpersonal erbracht werden. Die Formulierung in der Erläuterung zu 87b, dass zusätzliche Betreuungskräfte nicht regelmäßig in grundpflegerische und hauswirtschaftliche Tätigkeiten eingebunden werden dürfen (S. 40), verwischt die Grenze der Aufgabengebiete von Betreuungskräften bzw. Pflegehilfskräften. 9. Qualitätsprüfungen ( 114, 115 SGB XI) Die BAGSO begrüßt die ergänzenden Regelungen, wonach die auf Stichproben basierten Qualitätsprüfungen in begründeten Fällen und bei Verdacht auf nicht fachgerechte Pflege durch Anlassprüfungen einzelner Pflegebedürftiger ausgeweitet werden. Ebenfalls ist sinnvoll, im Transparenzbericht die Art der jeweils zugrunde liegenden Prüfung anzugeben. Diese kleinen Veränderungen dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass dringender Handlungsbedarf besteht, die zügige Umsetzung des gesetzlichen Auftrages nach einem indikatorengestützten System der Erfassung von Ergebnisqualität durch die Vereinbarungspartner nach 113 einzufordern. Dies wird nur gelingen, wenn entsprechende Strukturen wie eine unabhängige Moderation oder Geschäftsordnung geschaffen werden. Bei der Umstellung gilt es insbesondere, neben den gesundheitsbezogenen Indikatoren auch solche für Lebensqualität aufzunehmen. Weiterhin gibt es noch grundsätzlichen Klärungsbedarf, wie die Qualitätsprüfungen und Transparenzberichte im ambulanten Sektor auf ein indikatorengestütztes System umgestellt werden können.

6 Die wichtige und richtige Beteiligungsmöglichkeit der Interessenvertretung der Pflegebedürftigen, Behinderten und informell Pflegenden im SGB XI ( 118 und Richtliniengeschehen) muss systematisiert werden und mit einer unterstützenden Struktur hinterlegt werden. 10. Leistungsverbesserungen für Versicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz ( 123 SGB XI) Die mit dem Pflegeneuausrichtungsgesetz erstmals geschaffenen Leistungen für Versicherte mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz nach 45a, aber ohne Vorliegen einer Pflegestufe, werden um weitere Ansprüche ergänzt. Die BAGSO begrüßt, dass nunmehr auch der Zuschlag für Mitglieder von ambulant betreuten Wohngruppen ( 38a), Anschubfinanzierungsleistungen für die Gründung ambulant betreuter Wohngruppen ( 45e), Leistungen der teilstationären Tages- und Nachtpflege ( 41) und Leistungen der Kurzzeitpflege ( 42) bezogen werden können. 11. Aufbau eines Pflegevorsorgefonds ( 131 bis 139 SGB XI) Die BAGSO vertritt die Position, dass Pflege eine gesellschaftliche Aufgabe ist, die solidarisch und paritätisch finanziert werden muss. Die Pflegeversicherung muss dauerhaft auf eine solide finanzielle Grundlage gestellt werden. Die Bildung eines Pflegevorsorgefonds als Sondervermögen, das der Pflegeversicherung bis 2033 dringend benötigte Mittel entzieht und erst danach für Ausgaben zur Verfügung stehen soll, kann dieses Ziel aus der Sicht der BAGSO nicht erfüllen. III. Schlussbetrachtung Der vorgelegte Gesetzentwurf enthält eine Reihe von Regelungen, die die Situation Pflegebedürftiger und ihrer Angehörigen verbessern können. Dazu zählen die leichten Erhöhungen der Leistungen, die Einführung neuer ergänzender Leistungen und die Ausweitung des Kreises der Anspruchsberechtigten bei Leistungen, die zuvor entweder nur Pflegebedürftigen mit anerkannter Pflegestufe oder aber nur Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz zugute kamen. Die Regelungen, die eine größere Flexibilität bei der Leistungsinanspruchnahme ermöglichen, führen einerseits zu mehr Wahl- und Gestaltungsfreiheit und sind daher grundsätzlich zu begrüßen. Andererseits erscheint die konkrete Ausgestaltung der Regelungen in Form von Kombinations- oder Ergänzungsleistungen jedoch sehr kompliziert, was einen hohen Beratungsbedarf zur Folge hat. Im Sinne der Vereinfachung und Übersichtlichkeit sollten verstärkt Budgetlösungen gefunden werden. Insbesondere plädiert die BAGSO dafür, die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht weiter zu verzögern und das zweite Pflegestärkungsgesetz für eine

7 grundlegende Reform des Pflegesystems zu nutzen. Zu einem Gesamtkonzept zählen die Stärkung von Präventions- und Rehabilitationsmaßnahmen, die Überwindung von Schnittstellenproblemen zwischen den Sozialversicherungssystemen, die weitere Entlastung pflegender Angehöriger und bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege sowie die Stärkung der Palliativ- und Hospizversorgung. Ergänzung: Die Situation von nicht-pflegeversicherten Pflegebedürftigen Abschließend möchte die BAGSO auf die besondere Situation der Gruppe Hilfe- und Pflegebedürftiger hinweisen, die nicht in der sozialen Pflegeversicherung oder der privaten Pflegeversicherung versichert sind. Dies sind insbesondere ältere jüdische Zuwanderer, sog. jüdische Kontingentflüchtlinge, die aufgrund fehlender Vorversicherungszeiten keine Leistungen des SGB XI erhalten. Im Bedarfsfall sind für sie ausschließlich die jeweiligen Sozialhilfeträger im Rahmen der Hilfe zur Pflege zuständig. So ergibt sich bereits heute eine Unterversorgung von Demenzkranken dadurch, dass die durch das Pflegeneuausrichtungsgesetz 2008 eingeführten Leistungen nach 45 SGB XI nicht im SGB XII aufgenommen wurden und ihnen somit von den meisten Sozialhilfeträgern keine niedrigschwelligen Betreuungsleistungen gewährt werden, eine stationäre jedoch in aller Regel nicht nachgefragte - Versorgung jedoch schon. Um diese Schlechterstellung nicht weiter fortzuschreiben, appelliert die BAGSO daran, die im Fünften SGB XI- Änderungsgesetz vorgesehenen Leistungserhöhungen und erweiterungen auch im Sozialgesetzbuch XII zu verankern. 23.09.2014 Geschäftsstelle der BAGSO