Wege der transgenerationalen Dynamik: Bedeutung für Therapie und Prävention 63. Lindauer Psychotherapiewochen April 2013 Karl Heinz Brisch

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Transkript:

Wege der transgenerationalen Dynamik: Bedeutung für Therapie und Prävention 63. Lindauer Psychotherapiewochen 15.-19. April 2013 Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München Karl-Heinz.Brisch@med.uni-muenchen.de

Bitte um freundliche Beachtung! Video- und Audio-Aufzeichnungen sowie Fotografieren sind aus Gründen des Datenschutzes und Urheberrechts nicht erlaubt. Mit bestem Dank für Ihr Verständnis!

Folien www.khbrisch.de Downloads Folien Brisch Lindau 2013 Ab 23. April bis 15. Mai 2013

Übersicht Weitergabe von psychischen Erfahrungen über Generationen Bedeutung der Gene Bedeutung der Umwelt Traumatische Erfahrungen Wie entsteht Psychopathologie? Zusammenspiel zwischen Genen, Umwelt und Verhalten Wechselspiel mit Psychodynamik Therapie Prävention Beispiele

Themenschwerpunkte Mo DI Mi Do Fr Schwangerschaft und Geburt Säuglinge und Kleinkinder Kinder und Jugendliche Erwachsene Therapie und Prävention

Überlebenswichtige/Motivationale Systeme 1. Physiologische 2. 3. Bedürfnisse Bindung Exploration 6. Sensorischsexuelle Stimulation Beziehung 5. Selbstwirksamkeit 4. Vermeidung von negativen Reizen

Überlebenswichtige motivationale Systeme Sichern das Überleben Unverzichtbar Genetisch angelegt Starkes motivationales Verhalten Großer Stress bei Missachtung der Motivation Symptome und Krankheit bei längerer Versagung

Veränderung im Denken zur Entwicklung der Persönlichkeit? Riesige Fortschritte in der Forschung Ende des Streits über Vormachtstellung von Genetik oder Verhalten oder Umwelt oder Psychodynamik HEUTE: environmental and behavioral genetics Verhaltens- und Umweltgenetik

Bedeutung der Gene Genetische Einflüsse sind vorhanden Adoptions- und Zwillingsstudien Sie sind teilweise sehr ausgeprägt Selten aber determinieren sie vollständig Verhalten Phänotyp Einfluss auf psychische Erkrankung ist indirekter Art

Variabilität und Varianz der Psychopathologie trotz Genetik Empfänglichkeit der Gen-Expression für Risikofaktoren und Schutzfaktoren Gene selbst können Schutzfaktoren sein Multifaktorielle Ursachen von Störungen Beispiele Autismus Schizophrenie ADHS

Bedeutung der Umwelt Geringer genetischer Einfluss großer Umwelteinfluss Beispiele Angststörungen Dissoziale Störungen Dissoziative Störungen

Ende der Monokausalität Es gibt in der Regel keine nur genetisch bedingten psychischen Erkrankungen Es gibt in der Regel keine nur umweltbedingten psychischen Erkrankungen alle Verhaltensweisen werden durch eine größere Anzahl von Genen und Umweltfaktoren beeinflusst

Wie entstehen Übergänge zur Psychopathologie? Gene sind eine basale Ausstattung für die Produktion von Proteinen Körperliche Funktionen GEHIRN Verhaltensbereitschaften Aktivierung der Genexpression durch Interaktions- und Umwelterfahrungen Regelkreisläufe und Feedback-Prozesse

Gen-Expression - Regelkreislauf Erfahrungen im Bereich des Verhaltens, der Kognition und der Emotion verändern Gen- Aktivierung und Expression Beeinflussung der Protein-Produktion durch Interaktionserfahrungen Veränderungen in neuronalem Wachstum und synaptischen Verbindungen Einfluss auf psychisches Erleben und Verhalten

Psychodynamik Vater/Mutter-Kind-Interaktion Einfluss auf neuronale Wachstumsprozesse im Kind (und im Vater/ in der Mutter!) mit Auswirkungen auf Motorik, Kognition, Verhalten, Affekt Einfluss auf alle Verhaltensbereiche des Kindes Einfluss auf die Wahrnehmung des Kindes durch den Vater/ die Mutter Einfluss auf mögliche väterliche/mütterliche Projektionen von eigenen Konflikten auf das Kind Einfluss auf Verhalten des Vaters/ der Mutter in der Interaktion

Psychodynamik und Gene Psychodynamik des Vaters/der Mutter beeinflusst Verhalten des Vater/der Mutter gegenüber dem Kind Erleben des väterlichen/des mütterlichen Verhaltens durch Kind beeinflusst Gen-Expression beim Kind Gen-Expression beeinflusst die Hormonproduktion Hormone beeinflussen z. B. neuronales Wachstum und Verhalten Verhalten des Kindes beeinflusst wiederum den Vater/die Mutter in seinem/ihrem Erleben

Hormone des Vaters/der Mutter Aktivierung der Psychodynamik des Vaters/der Mutter beeinflusst sein/ihr Verhalten Erleben des väterlichen/mütterlichen Verhaltens durch Kind Gen-Expression des Vaters/der Mutter Gen-Expression des Kindes Beeinflussung der Vater/Mutter-Kind - Interaktion Verhalten des Kindes Hormonproduktion des Kindes

Vorgeburtliche Bindung der Eltern ans ihr Kind Bonding Freude Ambivalenz und Angst Pränatale Diagnostik Kindsbewegungen Intensivierung der mütterlichen/väterlichen Bindung vor der Geburt Identifikation mit dem wachsenden Kind

Behandlungsbeispiel Baby mit Schlafstörung Pränatale Diagnostik Trennungs-Trauma der Mutter als Kind Angststörung Mutter-Kind-Interaktion

Therapie Notfall-Therapie für Mutter und Kind Verarbeitung der früheren Traumatisierung der Mutter

Bonding während der Geburt und in den ersten Lebenswochen Geburtsängste Hormon Oxytocin Erstkontakt im Kreissaal Postpartale Depression Rooming-in von Mutter/Vater mit Baby Bedding-in und postpartale Depression Stillen und stillfreundliches Krankenhaus Familienzimmer, auch in der Neonatologie

Pränatale Angst der Schwangeren Pränatale Angst der Schwangeren und Verhaltensstörungen der Kinder im Vorschulalter (O'Conner, 2002) Veränderung der Durchblutung in der Gebärmutter Stress für Fötus (Teixeira, 1999) Risikofaktoren unverarbeitete frühere Tod- und Fehlgeburten Gewalt (Brisch et al. Pränatale Angst und Regulationsstörungen der Babys, irritable Babys, Mutter-Kind-Interaktionsstörungen (vgl. auch Dowling, Martz, Leonard, & Zoeller, 2000; Linnet et al., 2003) (Kofman, 2002)

Pränataler Stress, Neurotransmitter und Adoption Pränatale Stressexperiment mit Mäusen Postnatal: Aktivierung der Gen-Expression für Dopamin- und Glutamat-Rezeptoren im Frontalhirn Früh-Adoption der pränatal gestressten Mäusebabys durch nicht gestresste Kontrollmütter keine Transmitterveränderungen mehr!! Verminderung der Gen-Expression durch Interaktion mit pränatal nicht gestressten Kontroll-Müttern (Barros et al. 2004)

Deprivations-Experimente mit Mäusen Genetische identische Mäuse Frühdeprivation - Stresserfahrung Cortisol-Erhöhung durch Gen-Expression Lebenslang höherer basaler Cortisol-Spiegel Hoher basaler Cortisol-Spiegel in nächster Generation ohne Deprivations-Erfahrung Geringere Aufmerksamkeit Schlechtere Lernleistung Diskussion: Modus der gesteigerten Gen-Expression wird vererbt Meaney, M. J. (2001). Annu. Rev. Neurosci.;. Meaney et al, 1988 Science; Francis et al. 1999, Science.

Früher Verlust der Mutter und lebenslange Veränderungen Genetisch identische Mäuse Herausnahme der Mutter aus dem Nest für kurze Zeit FRÜHE große Stresserfahrung für Mäusebabys Spezifische genetische Veränderung: Fehlende Methylierung für Vasopressin-Gen - Überproduktion Gedächtnis, Antrieb und Emotionen verschlechtert Erhöhte Stresshormone Schlechte Stressbewältigung Modell für Depressions- und Angstentwicklung (Murgatroyd et al Nature Neuroscience, 2009; AG Dietmar Spengler; MPI München/Holzboer)

Warum Deprivationssymptome? Frühe emotionale und soziale Mangelversorgung ist ein großer Stress für die Gehirnentwicklung (sequentielle Traumatisierung) Stress durch "Bindungs-Mangel" Großer Stress hemmt neuronale Wachstumshormone Stresshormon Cortisol zerstört Nervenzellen Studien Frühdeprivation

Symptome bei Deprivation Hospitalismus R. Spitz Entwicklungsverzögerung in allen Bereichen Kleinwuchs Kleiner Kopfumfang Stereotypien und Selbststimulation Autismus ähnliche Symptome Bindungsstörungen Fremd- und Selbstaggressivität

Hemmung des neuronalen Wachstums Blockierung durch negative Erfahrung Deprivation Misshandlung Hemmung des neuronalen Wachstums Einfluss auf Motorik Kognition Verhalten Affektausdruck und Regulation

Erwachsenen-Bindungs- Interview - AAI (George) Bindungsinterviews mit jungen Erwachsenen aus Kinderheim (A. Keim)

Früheste Erinnerung P: Mh...nur soviel erinnere ich mich...das erste Mal wachte ich auf, ich war glaub ich so vier Jahre alt, aber ich erinnere ich, ähm, ich war einer von den kleinen in einem Kinderhaus, wo ich geboren wurde. Und da hab ich die Fläschchen von den anderen geklaut. Es gab Milch mit Keksen, so eingeweicht, und so...in dem Fläschchen. Und oft hab ich auch den anderen geholfen, ich hab immer geschaut, ob zwischen den vielen Flaschen noch ein Stück Brot liegt, und das hab ich den anderen gegeben zu essen, und wenn ich dann selbst nichts mehr zu essen hatte, hab ich halt die Flasche von jemand anderem genommen, verstehst du? Das war meine erste Erinnerung, (2)

Die 2. Chance.. P: Ja. Wir waren ungefähr so 70 Kinder. In diesem Heim. Bis zum Alter von 17 Jahren. Äh, ich war in der ersten Klasse, was soll ich sagen. Nachmittags waren da 4 Erzieher, also 2 für die Mädchen, 2 für die Jungs.. Und morgens standen wir auf. Es kamen die, und haben uns aufgeweckt, mal geschlagen, das war sehr...da haben sie uns sehr viel geschlagen... Und..dann war ich in der zweiten Klasse. Und da kam diese neue Erzieherin..M? Und ich hab mich an sie gebunden. Durch sie hab ich früh angefangen zu träumen..wie sag ich das, der beste Tänzer zu werden.

Beginn einer Bindungsbeziehung (1) I: Ok. Kannst du 5 Wörter, 5 Adjektive finden, die deine Beziehung zu M. beschreiben? 5 Wörter, wie deine Beziehung mit ihr war. P: Um sie zu beschreiben? I: Nein, eure Beziehung. P: Sie war sehr...wie sag ich, mütterlich...sie war sehr aktiv, sehr empfänglich...sehr unterhaltsam...und sehr...liebevoll gegenüber Kindern.

Beginn einer Bindungsbeziehung (2) I: Ok, super. Jetzt bitte ich dich, eine Situation zu beschreiben, die eure Beziehung als mütterlich zeigt. Also, eine Situation, die dir in den Kopf kommt zu "mütterlich". P: Ah, äh...also, lass mich dir erzählen, ein Geschehen: Ich war eines Tages in der Gruppe und hab mir das Bein gebrochen, ganz einfach. Und da waren so viele Erzieher, und unter denen war auch M. Und sie hat mich in die Arme genommen und hat mich runter ins Krankenzimmer gebracht, hat mich verbunden, und hat sie mich alleine, mit ihrem Geld, in eine Stadt gefahren, dass mir ein Gips gemacht wurde. Und das, wie sag ich, ist mir so im Gedächtnis geblieben, das war für mich etwas wie eine Mutter. So "Schau, so müsste eine Mutter sein". Und ihr hab ich das auch gesagt, ich war 10 Jahre alt und sagte: "Du bist für mich wie eine Mutter".

Förderung des neuronales Wachstums Produktion von neuronalem Wachstumshormon durch Gen-Aktivierung Aktivierung durch positive psychische Erfahrung Feinfühlige Mutter-Kind-Interaktion Wachstum in synaptischen Verbindungen und Netzwerken

Stress-Toleranz-Fenster und Gefühle Übererregung Sympathikus Dissoziation EINFRIEREN Panik Todesangst + Aktiviertes Bindungsbedürfnis - Übererregung Parasympathikus Dissoziation ERSCHLAFFUNG Modifiziert nach Lutz Ulrich Besser Copyright Besser 2008

Stresshormon Cortisol (1) Produktion des Stresshormons durch Aktivierung des Gens für Cortico- Releasing-Hormon in der Hypophyse Aktivierung der Genexpression durch Stresserfahrung Z. B. in der Vater/Mutter-Kind-Interaktion

Stresshormon Cortisol (2) Einfluss des Cortiols auf z. B. Blutdruck Immunabwehr Blutzucker Emotion Depression Psychose Kognitive Wachheit und Gedächtnis Schrumpfung des Hippocampus bei Dauerstress und hohen Cortisolwerten

Therapie Mutter-Kind-Einrichtung Psycho-Edukation Positives Video-Feedback- Feinfühligkeitstraining Traumatherapie für die Mutter

Therapie Spiel-Therapie für das Kind/Traumatherapie Traumatherapie für die Mutter

Ursachen der desorganisierten Bindung Ungelöstes Trauma der Eltern Auffälligkeiten der Pflegeperson in der Interaktion mit dem Kind Angstmachendes Verhalten Ängstliches Verhalten Hilfloses Verhalten In einzelnen Episoden Wiederholung des Traumas mit eigenem Kind (Gewalt)

Verhalten des Kindes bei desorganisierter Bindung I Widersprüchliches, nicht voraussagbares und rasch wechselndes Verhalten zwischen Nähesuche, Vermeidung, Ignorieren der Bindungsperson Stereotype motorische Verhaltensweisen "Unterwasser-Bewegungen" (verlangsamte Motorik) Wiederholt für einig bis viele Sekunden wie im Halbschlaf oder Tagtraum ( Trance, leichter dissoziativer Zustand)

Verhalten des Kindes bei desorganisierter Bindung II Motorisches Einfrieren (Freezing) Nicht vorhersagbare Affektausbrüche Plötzliche Liebesbekundung und Körperkontakt Massive Wutanfälle Selbstverletzung Aggression gegen sich, andere Personen oder Gegenstände Akute Körpersymptome, Schmerzen

Video-Beispiel Sichere Bindung Desorganisierte Bindung

Ausschnitte aus Bindungsinterview der Mutter Säugling mit 12 Monaten desorganisierte Bindung

Video-Beispiel Gelungene Ko-Regulation von Wut und Aggression zwischen Geschwister-Kindern durch die Mutter

Therapie Spiel-Therapie für das Kind/Traumatherapie Traumatherapie für die Mutter

Bindungsrepräsentationen der Erwachsenen sicher-autonom unsicher distanziert verstrickt ungelöstes Trauma (Zusatzmuster)

Bindung zwischen den Generationen Zusammenhang zwischen Bindung der Eltern und des Kindes sichere Eltern mit sicheren Kindern Mutter-Kind ca. 75% Vater-Kind ca. 65% unsichere Eltern mit unsicheren Kindern traumatisierte Eltern mit desorganisierten Kindern Eltern, die ihre Kinder traumatisieren, häufiger mit bindungsgestörten Kinder

Gen x Umwelt - Interaktion ADHS KLINIKUM DER UNIVERSITÄT MÜNCHEN Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung ( Kind ) Dopamin D4 Rezeptor Gen Polymorphismus DRD4 D-Bindungsmuster Unsicher desorganisiert ( Kind ) MKI U-Bindungsmuster Unsicher mit ungelöstem Trauma ( Mutter ) Andere Kandidatengene (DAT1, HTTLRP, DRD1-5 etc.) Genvarianten Gen - Umwelt Interaktion Ungelöste Traumata des Kindes Umwelteinflüsse Ungelöste Traumata der Mutter Gehirnentwicklung ( Kind ) Copyright N. Vuksanovic & K. H. Brisch München 2013. Alle Rechte vorbehalten. Legende: MKI Bisherige Forschung Unser Vorhaben Mutter-Kind Interaktion

Bindung, Trauma, ADHS (1) N=47 Jungen MIT ADHS (Alter 5-9 Jahre) N=42 Jungen OHNE ADHS Und jeweils die Mütter der Jungen Zusammenhang: Todesfälle nahestehender Personen der Mutter Trennung der Eltern der Mutter unsichere Bindung der Mutter MIT hohen Cortisolwerten der Kinder in beiden Gruppen ADHS- Kinder und Mütter von ADHS Kindern niedrigere Cortisolwerte um 9 Uhr (Vuksanovic et al, 2010, 2011, 2012, 2013)

Bindung, Trauma, ADHS (2) Kognitiver Stressor (Intelligenztest) Deutliche Stressreaktion in beiden Gruppen vergleichbar Emotionaler Stressor Bindungsdiagnostik Bei ADHS Kindern Höhere Stressreaktion Signifikant höhere Cortisolwerte Höhere Sensibilität des Stress-Regulations-Systems Art des Stressors ist von Bedeutung

Bindung, Trauma, ADHS (3) Mütterliche Bindungsrepräsentation ungelöstes Trauma/Verlust korreliert signifikant mit Bindungsrepräsentation desorganisiert des Kindes Signifikante Korrelation zwischen ADHS Symptomen, traumatischen Erfahrungen des Kindes und desorganisierter Bindungsrepräsentation des Kindes

Was sind Bindungsstörungen? Durch multiple Traumatisierungen des Kindes wird die frühe Eltern-Kind- Interaktion gravierend gestört Die Folge ist eine frühe Psychopathologie der Bindungsentwicklung, die wir Bindungsstörung nennen.

Ursachen von Bindungsstörungen Multiple unverarbeitete Traumatisierungen von Kindern in der frühen Zeit durch ihre Bindungspersonen Massive Vernachlässigung Emotionale Gewalt Sexuelle Gewalt Körperliche Gewalt Verbale Gewalt Häufig wechselnde Bezugssysteme Multiple Verluste Zeuge von Gewalt zwischen den Bindungspersonen

Stationäre Intensiv-Psychotherapie von frühen Störungen Komponenten der Behandlung Körperliche Behandlung Sozialarbeit Milieutherapie Einzel- und Gruppenpsychotherapie Traumatherapie Pädagogik

Milieutherapie Psychodynamisches und bindungsdynamisches Verstehen Sicherer Halt und Struktur Neue Bindungserfahrungen (Bezugsschwester) Umgang mit Affekten und Stress Entwicklungsförderndes Umfeld Förderung von sozialen Kontakten zur Peergroup

Einzel-Psychotherapie Tiefenpsychologisch fundierte Einzeltherapien, 2-4 x pro Woche Notfall-Therapie Begleitende Elterntherapie, mindestens 1x pro Woche Externe Einzeltherapie für Mutter/Vater

Kreative non-verbale Therapien Kunsttherapie Musiktherapie Konzentrative Bewegungstherapie Gruppentherapien, 3 x pro Woche Einzeltherapien, individuelle Frequenz (1-3x pro Woche)

B.A.S.E. - Babywatching 1x pro Woche Beobachtung einer Mutter mit ihrem Baby Förderung der Feinfühligkeit und Empathiefähigkeit Unterstützung des Sozialverhaltens Ziel: Verringerung von aggressiven und ängstlichen Störungen Copyright K.H. Brisch München 2013. Alle Rechte vorbehalten.

Staatliche Schule für Kranke Mo Fr 8:30 bis 12:00 Klinikklasse von 4 6 Schülern unterschiedlicher Jahrgangsstufen Integrative Zusammenarbeit zwischen Therapeuten und LehrerInnen Förderung und Beurteilung von individuellen Lern- und Leistungsmöglichkeiten Gruppen-Lern-Fähigkeit Copyright K.H. Brisch München 2013. Alle Rechte vorbehalten.

Intensive Supervision Team-Supervision (14tägig) Fall-Supervision (2-3x wöchentlich) Krankenpflege-Gruppe Therapeuten-Gruppe Alle (Krankenpflege, TherapeutInnen, PiAs, Lehrerinnen, Zivildienstleistende, SchülerInnen)

Transgenerationale Dynamik? Traumatisierung der Mutter durch Verlust des eigenen Vaters während der Schwangerschaft Vorzeitige Wehen und Schwangerschaftserbrechen Mit 12 Monaten: Trinkstörung des Babys Mit 6 Jahren Ausgeprägte Tic-Störung (Gilles de la Tourette) Aggressivität Impulsdurchbrüche Kaum Affektsteuerung

Stationäre Intensiv-Behandlung im Alter von 6 Jahren Dauer: 11 Monate Diagnosen: Ticstörung Emotionale Störung des Kindesalters Z. n. Trinkstörung im Säuglingsalter

Symptomatik Massive motorische (Zuckungen, ausfahrende Bewegungen) und vokale (Grunzen wie ein Meerschweinchen, Koprolalie) Tics Primäre Enuresis Nocturna Fehlende Affekt- und Impulskontrolle Schlafstörung mit Alpträumen Störung des Sozialverhaltens Infektanfälligkeit

Psychologische Diagnostik Intelligenztestung: HAWIK IV: durchschnittliche Intelligenz (IQ 114) Bindungsdiagnostik: Doll-Play: desorganisierte Bindungsrepräsentation Projektive Testverfahren: FIT (Familie in Tieren), SET (Satzergänzunstest) und Sceno: auffällig

Intensiv-Psychotherapeutische Psychodynamische Spieltherapie 4x wöchentlich (Einzeltherapie mit Schwerpunkt Traumatherapie) Notfall-Therapie-Stunden Kreativtherapien Behandlung - Kind Musik-, Kunst-, Konzentrative Bewegungstherapie im Gruppensetting 1-3x wöchentlich Musiktherapie im Einzelsetting Keine Medikamente

Intensiv-Psychotherapeutische Behandlung - Eltern Engmaschige Elternarbeit (1x wöchentlich) Wochenenden zu Hause bei den Eltern (1 Übernachtung pro Woche) Eigene ambulante Psychotherapie für die Mutter bei niedergelassener Psychotherapeutin Traumatherapie/EMDR-Therapie

Outcome Keine vokalen Tics, gelegentlich Augenzwinkern in Stress-Situationen Keine Enuresis nocturna Bindungsdiagnostik: Doll-Play: sichere Bindungsrepräsentation (gesunde emotionale Entwicklung = Schutzfaktor) Gute Affekt- und Impulsregulation Bestes Sozialverhalten in der Peergroup Vorbereitung der Entlassung

Follow-up Bindungsdiagnostik mit Puppenspiel- Ergänzungs-Test 6 Monate nach Entlassung: Sichere Bindungs-Repräsentation

Intensiv-Psychotherapie Aufhebung von Gen-Blockierungen durch Ent-Methylierung!?

Prävention

Reparatur von genetischem Defekt durch positive Umwelterfahrungen Angereicherte Umwelterfahrung für Mäuse Mehr soziale Kontakte Neue Spielobjekte Zusätzliche freie Bewegung Folge: verstärkte synaptische Langzeitpotenzierung intensiviert Erinnerung für positive Erfahrung Vererbung auf die nächste Generation Arai, J. A., et al. (2009). Neuroscience, 29, 1496-1502.

Genetische Reparatur durch positive Umwelterfahrungen von schwangeren Angstmäusen Aufhebung der Angstreaktion durch angereicherte Umwelterfahrung der schwangeren Mäuse Übertragung der Effekte und genetischen Veränderungen während der Embryogenese durch DNA-Methylierung auf Fetus Vererbung in die nächste Generation Arai, J. A., et al. (2009). Neuroscience, 29, 1496-1502.

SAFE SICHERE AUSBILDUNG FÜR ELTERN www.safe-programm.de Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München

Zielgruppen Werdende Väter und Mütter Erstgebärende Mehrgebärende Paare und Alleinerziehende Motivation für emotionale Entwicklung ihres Kindes

Module von SAFE Pränatal Postnatal Hotline Traumatherapie

SAFE - Mentor- Multiplikatoren Weiterbildung in SAFE für Hebammen Schwangerschaftsberaterinnen Krankenschwestern Geburtshelfer Kinderärzte Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Psychologen u. a.

SAFE-Spezialkurse (1) SAFE nach der Geburt Fremdbetreuung/Krippe Eltern mit Mehrfachbelastungen Pflege- /Adoptiveltern Eltern von frühgeborenen Kindern Psychisch kranke Eltern Drogenabhängige Eltern (Substitution) Eltern nach Foltererfahrungen

SAFE-Spezialkurse (2) Kiga Schule Jugendliche/Jugendhilfe Mutter-Kind-Heim

B.A.S.E. Eltern-Baby-Beobachtung im Kindergarten und in der Schule Vorbeugung von aggressiven und ängstlichen Verhaltensstörungen Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Kinderpoliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München

B.A.S.E Baby-Watching in KITAS/Kindergarten/Schule B = Baby-Watching A= Against Aggression and Anxiety S = For Sensitivity E = For Empathy

Zusammenfassung Es gibt viele Hinweise für einen transgenerationalen Zusammenhange zwischen Gen-Aktivierung und Beziehungserfahrungen Behandlung von frühen, transgenerationalen Störungen sollte möglichst früh beginnen Intensiv-Psychotherapie mit Eltern und Kindern Prävention ist möglich ab Schwangerschaft Bio-psycho-soziale gesunde Entwicklung

Internationale Konferenz 11. - 13. Oktober 2013 in München Bindung und Psychosomatik Programm www.khbrisch.de Copyright Karl Heinz Brisch München 2013. Alle Rechte

Herzlichen DANK! Allen Eltern und Kindern Meinem Team Niedergelassene Kolleginnen und Kollegen Techniker Herr Bandte Lindauer Psychotherapiewochen

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! www.safe-programm.de www.base-babywatching.de Karl-Heinz.Brisch@med.uni-muenchen.de