6 Integration auf Untermannigfaltigkeiten 6.1 annigfaltigkeiten. Eine k dimensionale C α annigfaltigkeit ist ein metrischer Raum mit einer Überdeckung {V : J} durch offene engen und Homöomorphismen ϕ : T V von offenen Teilmengen T des R n auf die V mit der Eigenschaft, dass für alle k und ϕ 1 k ϕ : ϕ 1 (V ) ϕ 1 k (V ) eine C α -Abbildung ist, falls V = V V k nichtleer ist. (i) (ii) Eine stetige Abbildung heißt Homöomorphismus, falls sie biektiv ist und auch ihre Inverse stetig ist. an nennt die ϕ Koordinatenabbildungen oder lokale Karten. (iii) Wichtig ist insbesondere der Fall kompakter annigfaltigkeiten. Hier gibt es stets eine endliche Überdeckung. (iv) Das C α lässt man oft weg. Dann ist nicht klar, was gemeint ist. eist heißt es C. Hier soll es mindestens C 1 heißen. 6.2 Bemerkung. Äquivalent ist folgende Darstellung. R n für ein (hinreichend großes) n N, und zu edem Punkt a existieren eine offene Umgebung U R n und eine α-mal stetig differenzierbare Funktion f = (f 1,...,f n k ) : U R n k gibt mit folgenden Eigenschaften: (i) U = {x U : f(x) = 0} (d.h. f 1 (x) =... = f n k (x) = 0) und (ii) Für edes x hat die Ableitung f (x) at (n k) n den (maximalen) Rang n k. (a) (b) (c) Sprechweise: Wenn der Schnitt von mit einer hinreichend kleinen offenen enge eine Eigenschaft hat, so sagen wir, habe lokal diese Eigenschaft. In diesem Sinn können wir formulieren: Lokal ist das gemeinsame Nullstellengebilde der n k C α Funktionen f 1,... f n k, deren Gradientenvektoren in allen Punkten linear unabhängig sind. Untermannigfaltigkeiten der Dimension k = n 1 nennt man Hyperflächen. Sie sind lokal die Nullstellenmenge einer reellwertigen C α Funktion mit nichtverschwindendem Gradienten. annigfaltigkeiten, die als Teilmenge des R n gegeben sind, nennt man eingebettete annigfaltigkeiten. Wir werden im folgenden damit arbeiten und annehmen, dass die Kartenabbildungen ϕ ebenfalls α-mal differenzierbar sind und ϕ inektiv ist (maximalen Rang hat). 6.3 Beispiel: Die Einheitskreislinie S 1 R 2. Wir können S 1 einerseits als Nullstellengebilde schreiben: S 1 = {(x,y) R 2 : x 2 + y1 2 = 0}. Andererseits haben wir zwei (in diesem Fall ganz einfache) Kartenabbildungen, die S 1 beschreiben, nämlich ϕ 1 : T 1 = ]0,2π[ V 1 = S 1 \ {(1,0)}, ϕ 1 (t) = (cos t,sin t) und ϕ 2 : T 2 = ] π,π[ V 2 = S 1 \ {(1,0)}, ϕ 2 (t) = (cos t,sin t) 6.4 Der aßtensor auf. Es sei ϕ : T R k V eine Karte für. Wir definieren den aßtensor g = (g i ) i,=1,...,k durch g(t) = ϕ (t) T ϕ (t). 40
In Komponenten: g i (t) = n µ=1 ϕ µ (t) ϕ µ ϕ (t) =, ϕ. t i t t i t Die Determinante γ = detg heißt Gramsche Determinante. ehr dazu später in 6.10. Wie verhält sich der aßtensor bei Koordinatenwechsel, d.h. wenn wir statt ϕ eine andere Kartenabbildung ϕ : T V (obda gleiches V ) wählen? Nach Definition ist ϕ = ϕ ψ für eine C α Funktion ψ. Dann gilt für den zugehörigen aßtensor g und dessen Determinante γ: g(s) = ϕ (s) T ϕ (s) = ( ϕ (ψ(s))ψ (s) ) T ( ϕ (ψ(s))ψ (s) ) und γ(s) = γ(ψ(s)) (det ψ (s) ) 2 6.5 Lemma. Die Gramsche Determinante ist stets positiv. Beweis. Für edes t ist g(t) = ϕ (t) T ϕ (t) ist eine quadratische atrix. Ferner ist ker g(t) = ker ϕ (t) = {0} nach Annahme. (Hier verwenden wir, dass stets ker A A = ker A gilt). Damit ist g(t) inektiv, also auch surektiv. Somit ist die Determinante 0. Sie ist sogar positiv, weil ϕ T ϕ wegen ϕ T ϕ v,v = ϕ v,ϕ v 0 keine negativen Eigenwerte hat. 6.6 Zerlegung der Eins. Es sei eine annigfaltigkeit mit einer endlichen Überdeckung {U : = 1,...,N}} durch offene engen und Kartenabbildungen ϕ : T U (gibt es z.b., falls kompakt ist). Dann gibt es Funktionen α : R, = 1,...,N mit folgenden Eigenschaften: (i) 0 α 1 für edes ; (ii) α (x) = 0, falls x / U ; (iii) α = 1. (iv) Die Funktionen α ϕ : R k R sind messbar (dabei denken wir uns diese Funktion außerhalb von T durch Null fortgesetzt). (an kann sogar C α -Funktionen bekommen.) Beweis. Wir setzen α = χ U k χ U k. Das geht, weil mindestens eine der Funktionen im Nenner = 1 ist. 6.7 Integration auf annigfaltigkeiten. it den obigen Bezeichnungen nennen wir eine Funktion f : C auf der k dimensionalen annigfaltigkeit messbar, falls sie in allen Karten messbar ist, d.h., falls für = 1,...,N die Funktionen f ϕ : T C messbar sind. Wir setzen f(x)ds(x) = (α f)(ϕ (t)) γ (t)dt. T =1 Dabei ist γ die Gramsche Determinante für ϕ. Wir nennen S das Oberflächenmaß für. Wir können dann auch schreiben f(x)ds(x) = α (x)f(x)ds(x). =1 Es ist noch zu zeigen, dass diese Definition unabhängig ist 41
(i) von der Wahl der Kartenabbildungen; (ii) von der Wahl der Zerlegung der Eins (bei Einhaltung der Eigenschaften (i)-(iv) aus 6.6). Zu (i): Wir betrachten obda den Fall einer Karte mit der Notation aus 6.4. Hier ist für eine Funktion g : V C nach 6.4 und dem Transformationssatz g( ϕ(t)) γ(t)dt = g(ϕ ψ(t)) γ(t)det ψ(t) 2 dt = g(ϕ(s)) γ(s) ds. et et Zu (ii) Nehmen wir an, wir haben eine weitere Zerlegung der Eins 1 = p l=1 β l, bezüglich anderer Karten ϕ l : T l V l, l = 1,...,p. Dann ist und p l=1 =1 α (x)β l (x)f(x)ds(x) = α (x)β l (x)f(x)ds(x) = T α (x)f(x)ds(x) β l (x)f(x)ds(x), da im ersten Fall alle Funktionen auf \ V und im zweiten Fall alle Funktionen auf \ Ṽl verschwinden. Summation über bzw. l ergibt: =1 α (x)f(x)ds(x) = p =1 l=1 α (x)β l (x)f(x)ds(x) = p l=1 β l (x)f(x)ds(x). 6.8 k-dimensionale Volumina. Wir nennen eine Teilmenge E von messbar/integrierbar, falls ihre charakteristische Funktion in obigem Sinn messbar/integrierbar ist. Wir nennen dann vol k (E) = χ E (x)ds(x) das k dimensionale Volumen von E. Die enge aller messbaren engen bildet wegen ϕ 1 ( A k ) = ϕ 1 (A k ), ϕ 1 (A 1 \ A 2 ) = ϕ 1 eine σ-algebra A(), und (, A(),vol k ) ist ein aßraum. (A 1 ) \ ϕ 1 (A 2 ) Wir können also auch auf annigfaltigkeiten die üblichen Integralsätze aus 2-4 anwenden. 6.9 Beispiel. Es sei T R ein offenes Intervall und ϕ : T R n eine stetig differenzierbare Kurve mit ϕ (t) 0 für alle t. Ist ϕ zusätzlich ein Homöomorphismus (also insbesondere überschneidungsfrei), so ist ϕ(t) eine eindimensionale Untermannigfaltigkeit des R n mit der globalen Karte ϕ : T ϕ(t). Die Gramsche Determinante ist und somit vol 1 (ϕ(t)) = ϕ(t) 1dS(x) = γ(t) = ϕ (t) T ϕ (t) = ϕ (t) 2, T γ(t) dt = J ϕ (t) dt = Kurvenlänge von ϕ : T R n. 42
6.10 Interpretation des aßtensors. Für edes t 0 T (Koordinatenumgebung) definiert die positiv definite atrix g(t 0 ) ein Skalarprodukt auf R k (genauer auf den Tangentialvektoren in t 0, mehr dazu später) durch v,w g(t0 ) = v,g(t 0 )w = ϕ (t 0 )v,ϕ (t 0 )w. Es erlaubt uns, in den Koordinatenumgebungen die Längen und Winkel zu messen, die die Bildvektoren unter ϕ auf der annigfaltigkeit bilden: Es seien γ 1,γ 2 : ] 1,1[ T zwei Kurven mit γ 1 (0) = γ 2 (0) = t 0 und Tangentialvektoren γ 1 (0) = v, γ 2 (0) = w. Für die Bildkurven Γ = ϕ γ : ] 1,1[ ergibt sich: Γ 1(0),Γ 2(0) }{{} Skp der Bild-TV, unabh.von ϕ = ϕ (γ 1 (0))γ 1(0),ϕ (γ 2 (0))γ 2(0) = ϕ (t 0 )v,ϕ (t 0 )w = v,w g(t0 ) = }{{} i g-skalarprodukt der TV Insbesondere verwenden wir zur Bestimmung der Länge der Bildkurve Γ 1 das aß gi ds = Γ 1(u) du = γ 1i (u)γ 1 (u) du. g i v i w. Schreibt man dt = γ 1 (u)du als Veränderung der -ten t-komponente, so ist ds = g i dt i dt. an nennt ds das Längenelement und schreibt meist ds 2 = i g i dt i dt. Oft gibt man daher den aßtensor in der Form g = i g i dt i dt an; später wird diese Schreibweise klarer. 6.11 Beispiel. Wir betrachten die 2-Sphäre S 2 in R 3. Wir haben die Karte Φ : ]0,π[ ]0,2π[ R 3 sinθ sin ϕ Φ(ϕ, θ) = sinθ cos ϕ. cos θ Der aßtensor bzw. die Gramsche Determinante sind ( sin 2 ) θ 0 g(ϕ,θ) = bzw. γ(ϕ,θ) = detg(ϕ,θ) = sin 2 θ. 0 1 Das Bild von Φ ist die 2 Sphäre ohne den Nullmeridian. Da er eine Nullmenge ist, spielt er für die Integration keine Rolle. Für f : S 2 C ist also 2π π f(x)ds(x) = f(φ(ϕ,θ))sin θ dθ dϕ. S 2 0 0 Insbesondere erhalten wir für die Oberfläche der Einheitskugel 2π π vol 2 (S 2 ) = 1dx = sin θ dθ dϕ = 4π. S 2 0 0 43
6.12 Rotationsflächen. Es sei I ein Intervall in R und f : I R >0 stetig differenzierbar und strikt positiv. Dann ist die Rotationsfläche des Graphen von f um die z Achse = {(x,y,z) R 3 : z I,x 2 + y 2 = f(z)} eine zweidimensionale annigfaltigkeit: Bis auf eine Nullmenge ist sie durch die Karte gegeben. Hier ist und g(t,ϕ) = Φ : I ]0,2π[ R 3 f(t)cos ϕ Φ(t, ϕ) = f(t)sin ϕ t f (t)cos ϕ f(t)sin ϕ Φ (t) = f (t)sin ϕ f(t)cos ϕ (Rang 2). 1 0 ( 1 + f (t) 2 0 ) 0 f(t) 2 und γ(t),ϕ) = f(t) 2 (1 + f (t) 2 ). Das Volumen der Rotationsfläche ist daher sofern das Integral existiert 2π vol 2 () = f(t) 1 + f (t) 2 dt dϕ = 2π f(t) 1 + f (t) 2 dt. 0 I I 6.13 Beispiel. Es sei T R n 1 offen und F : T R stetig differenzierbar. Dann ist der Graph von F, nämlich die enge = {(x 1,...,x n ) : x n = F(x 1,...,x n 1 )}, eine Hyperfläche in R n : Die zugehörige Karte ist Dann gilt: ϕ : T ( ) t ϕ(t) = ; mit ϕ (t) = F(t) ( ) Idn 1 grad F(t) von Rang n 1. detg(t) = det(ϕ (t) T ϕ (t)) = det(i + grad F(t) T grad F(t)) Bekannt? = 1 + grad F(t) 2 und sofern das Integral existiert f(x)ds(x) = T f(t,f(t)) 1 + grad F(t) 2 dt. 6.14 Die obere Halbsphäre vom Radius r. (Ein Spezialfall von 6.13) Wir schreiben die Halbsphäre S + r = {x R n : x = r,x n > 0} als Graph: Wir wählen T = {t R n 1 : t < r} und F : T R, F(t) = r 2 t 2 und ( ) t ϕ : T H, ϕ(t) = F(t) 44
Dann ist F t (t) = t r 2 t 2; detg(t) = 1 + t 2 r 2 t 2 = r 2 r 2 t 2. Für ede integrierbare Funktion ist also f(x)ds(x) = S + r rs=t = t r s 1 f(t, r 2 t 2 ) f(rs,r 1 s 2 ) r r 2 t 2 dt r n 1 1 s 2 ds. 6.15 Polarkoordinaten. Es sei f : R n C integrierbar. Dann ist für fast alle r > 0 die Einschränkung der Funktion f auf die Sphäre vom Radius r integrierbar, und es gilt: ( ) ( ) f(x)dx = f(y)ds(y) dr = f(rt)ds(t) r n 1 dr. R n 0 y =r 0 t =1 Beweis. Wir bezeichnen mit H + = {(x 1,...,x n ) : x n > 0} die obere Halbebene. Es langt offensichtlich, den Satz für den Fall zu beweisen, dass f = fχ H + ist. Wir setzen B = B(0,1) R n 1 und definieren die Abbildung ϕ : B R >0 H + ; ϕ(s,r) = r(s 1,...,s n 1, 1 s 2 ). Dies ist offensichtlich eine Biektion. Ferner ist ϕ (s,r) =... r s 1 r sn 1 rs 1... rs n 1. 1 s 2 Entwicklung nach der letzten Spalte (und Vertauschen der ten mit der letzten Zeile) liefert detϕ (s,r) = rn 1 s 2 1 +... r n 1 s 2 n 1 + rn 1 1 s 2 = 1 s 2 1 s 2 r n 1 1 s 2 0, somit ist ϕ ein C Diffeomorphismus. Nach dem Transformationssatz ist f(x)dx = f(rs,r 1 s 2 r n 1 ) dsdr. H + B R >0 1 s 2 Nach dem Satz von Fubini existiert für fast alle r > 0 das Integral über B, und es gilt: ( f(x)dx = f(rs,r 1 s 2 r n 1 ) )dr. ds H + 0 B 1 s 2 Nun ist das innere Integral nach 6.14 gerade das Integral von f über die obere Halbsphäre vom Radius r. Wir erhalten also die erste Identität unseres Satzes. Für die zweite klammern wir erst r n 1 aus und wenden dann 6.14 (mit r = 1) auf g(s) = f(rs) an. 45