Die Kündigungsschutzklage A. Zulässigkeit Beachte: Verweisungsnorm 46 II ArbGG auf 495 ZPO und damit auf die allg. Normen für zivilrechtliche Streitigkeiten (immer zitieren!!!) I. Eröffnung des Rechtswegs zu den ArbG - Für Kündigungsschutzklage: 2 I Nr. 3 b) ArbGG i.v.m. 48 ArbGG, 17 ff. GVG - AN-Begriff für das ArbGG in 5 ArbGG: o Trotzdem Standarddef.: Arbeitnehmer ist, wer auf Grund eines privatrechtlichen Vertrages gegen Entgelt weisungsabhängige Arbeit verrichtet o Für Kündigungsschutzklage: Doppeltrelevante Tatsache = Schlüssige Behauptung ausreichend ( sic non -Fall) II. Örtliche und sachliche Zuständigkeit 1. Örtlich 46 II ArbGG i.v.m.: - 12, 13 ZPO (allg. Gerichtsstand) - 29 ZPO (Erfüllungsort) - 48 I a ArbGG (Gewöhnlicher Verrichtungsort) 2. Sachlich 8 I ArbGG - 1. Instanz immer ArbG III. Feststellungsinteresse für Kündigungsschutzklage (= spez. Feststellungsklage, 4 KSchG) - 46 II ArbGG, 495, 256 ZPO - Bei der Kündigungsschutzklage immer Vermeidung der Präklusion (s.u.) - Keine Subsidiarität zur Leistungsklage IV. Partei- und Prozessfähigkeit, 46 II ArbGG i.v.m. 50 ff. ZPO und 11 ArbGG RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 1
B. Begründetheit I. Obersatz - Kündigungsschutzklage = Spezialfall der Feststellungsklage zur Geltendmachung der Unwirksamkeit der spez. Kündigung - Punktueller Streitgegenstandsbegriff: Im Gegensatz zur allg. FK wird nicht das Fortbestehen des ArbV geprüft, sondern immer nur die Unwirksamkeit einer im Antrag genau bezeichneten Kündigung - Ausnahme: Treuwidriges Überhäufen mit Kündigungen Allg. FK zulässig II. Wirksames Arbeitsverhältnis - Wirksamer Vertragsabschluss: o Rechts- / Geschäftsfähigkeit, Vertretung o Qualifikation als Arbeitsverhältnis Zweite Prüfung des doppelrelevanten Tatsache AN-Begriff (s.o.) III. Wirksame Kündigungserklärung 1. Auslegung des Inhalts, 133, 157 BGB 2. Schriftform, 126, 623 BGB 3. Zugang, 130 BGB 4. U.U. ordnungsgemäße Vertretung bei Unternehmen kündigt oft der Personalleiter: - 164 BGB, insb. Vertretungsmacht - 174 BGB, bei Nichtvorlage einer Originalvollmacht führt unverzügliche Zurückweisung zur ex nunc Unwirksamkeit der Willenserklärung: o Bei Personalleiter/Prokurist mit eingetragener Prokura ist Vertretungsmacht bekannt 174 BGB (-) o Ansonsten Unwirksamkeit RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 2
IV. Einhalten der Klagefrist, 4, 7, 13 KSchG - Materielle Präklusionsfrist Keine Zulässigkeitsvoraussetzung - Wirkung: Im Versäumnisfall kann die Unwirksamkeit der Kündigung nicht mehr erfolgreich geltend gemacht werden - Achtung: 1 II KSchG gilt für (fast) alle Unwirksamkeitsgründe, deshalb ist die Frist auch unabhängig von der Anwendbarkeit des KSchG zu beachten, vgl. 21 I 2 KSchG - Ausnahmen: Fristbeginn setzt den Zugang einer schriftlichen Kündigung voraus. Erfasst werden deshalb nicht: o Willensmängel o Zugangsprobleme o Vertretungsprobleme (BAG) o Formnichtigkeit o Fristprobleme (BAG) V. Beachtung der Kündigungsfristen - Für die ordentliche Kündigung: Kündigungsfristen des 622 BGB, Achtung: Ist die Kündigung rechtmäßig und weist nur eine zu kurze Kündigungsfrist auf, so wird diese verlängert, die Kündigung wird dadurch nicht unwirksam - Für die außerordentliche Kündigung: Kündigungserklärungsfrist, 626 II BGB VI. Allgemeine Unwirksamkeitsgründe und besondere Kündigungsverbote 1. Unwirksamkeitsgründe: a) 134 BGB, beachte aber 2 IV AGG ( AGG hier nicht anwendbar) b) 138 BGB: - Einhaltung eines ethischen Minimums - Keine Kündigung aus Rache etc. - Wertungen des AGG können hier implizit herangezogen werden RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 3
c) 242 BGB: - Ehrverletzende Form, z.b. durch Aushang am schwarzen Brett - Kündigung zur Unzeit: d) 612 a BGB: o Kündigung bei Tod eines Angehörigen o Achtung: Urlaub ist keine Unzeit, sonst könnte der AN durch geschickt gestellte Urlaubsanträge Kündigungsfristen vereiteln - Maßregelungsverbot = Rechtmäßiges Verhalten darf nicht zur Kündigung führen - Nichtbefolgung rechtswidriger Weisungen, Gewerkschaftsbeitritt etc. e) 85 ff. SGB IX: Zustimmungserfordernis der Integrationsstelle für Schwerbehinderte 2. Kündigungsverbote: a) Gesetzlich: - 9 MuSchG und 18 BEEG (Schwangere und Elternzeit) - 613 a BGB (Betriebsübergang) - 15 KSchG und 22 II BBiG (Betriebsratsmitglieder und Auszubildende) - Wirkung: Ausschluss der ordentlichen, teilweise sogar der außerordentlichen Kündigung b) (Kollektiv)Vertragliche Kündigungsverbote VII. Anhörung des Betriebsrates, 102, 103 BetrVG VIII. Notwendigkeit eines Kündigungsgrundes 1. Außerordentliche Kündigung: - 626 BGB verlangt einen wichtigen Grund - Wichtiger Grund ist eine strengere Anforderung als der sachliche Grund des 1 II KSchG RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 4
- Zweistufige Prüfung: 1. Kündigungsgrund gegeben, 2. Unzumutbarkeit bezüglich des Ablaufs der Kündigungsfrist 2. Ordentliche Kündigung: - 622 BGB setzt grds. keinen Kündigungsgrund voraus - 1. Ausnahme: Erforderlichkeit einer sozialen Rechtfertigung, 1 II KSchG: o 1 I KSchG Persönlicher Anwendungsbereich: Länger als sechs Monate im Betrieb beschäftigt Voraussetzung für die Geltendmachung der Sozialwidrigkeit o 23 I 2 bis 4 KSchG Sachlicher Anwendungsbereich: i.d.r mehr als 5 Alt- AN (alle vor 2004 eingestellt) bzw. i.d.r mehr als 10 Neu-AN Voraussetzung für die Anwendbarkeit des KSchG o Dann verhaltens-, personen- oder betriebsbedingte Kündigung (siehe eigene Übersicht) - 2. Ausnahme: Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme, 242 BGB: o Ausdruck der gegenseitigen Treupflicht (gilt auch in Kleinbetrieben) o Keine willkürliche Kündigung (sonst keine weitergehende Prüfung) RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 5
Zur sozialen Rechtfertigung nach 1 II KSchG A. Allgemeine Prinzipien I. Das Ultima-Ratio Prinzip: - Wegen der hohen Relevanz des Arbeitsverhältnisses für den AN und der Treupflicht des AG darf die Beendigungskündigung immer nur letztes Mittel sein - Jeder Kündigungsgrund hat deshalb besondere, vorrangige Reaktionsmöglichkeiten (s.u.) - Im jeden Fall mag die Änderungskündigung eine mildere Maßnahme darstellen II. Das Prognoseprinzip: - Jede Kündigung ist Ausfluss einer negativen Prognose - Auch hier ist der Prognosegegenstand vom Kündigungsgrund abhängig (s.u.) III. Mittelbarer Einfluss des GG und des AGG: - Mittelbare Drittwirkung von Grundrechten (+), da GG obj. Werteordnung - Folge: Unbestimmte Rechtsbegriffe und Abwägungsklauseln sind Einbruchstellen für die Grundrechtsprüfung - Ebenso wirkt das AGG Nach BAG steht 2 IV AGG der Anwendbarkeit des AGG im Kündigungsschutzprozess nicht total entgegen: Wertungen des AGG sind i.r.d. Sozialwidrigkeit zu berücksichtigen B. Personenbedingte Kündigung I. Ansatzpunkt: Eigenschaften und Fähigkeiten des AN exklusive des steuerbaren Verhaltens II. Prognose: Beeinträchtigung ist dauerhaft III. Kein milderes Mittel vorhanden: - Hier meist Umsetzung - Interessenabwägung RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 6
C. Verhaltensbedingte Kündigung I. Ansatzpunkt: Steuerbares Verhalten, meist schuldhafte Verletzung einer vertraglichen Haupt- oder Nebenpflicht II. Prognose: Pflichtverletzung hat das Arbeitsklima/Vertrauensverhältnis dauerhaft zerstört III. Kein milderes Mittel vorhanden: 1. Abmahnung: - Grundsatz: Ernstgemeinte Ermahnung zum vertragsgemäßen Verhalten unter Androhung rechtlicher Schritte bei nicht Befolgung - Funktionen: o Dokumentationsfunktion o Hinweisfunktion o Rügefunktion o Warnfunktion - Folge: Probleme mit Ernsthaftigkeit, Abmahnung nicht einschlägigen Verhaltens, rechtswidrige Abmahnung etc. - Ausnahme: Abmahnung bei Verletzung im Vertrauensbereich nicht erforderlich (BAG) 2. Interessenabwägung D. Betriebsbedingte Kündigung I. Ansatzpunkt: Betriebliches Erfordernis: 1. Unternehmerische Entscheidung: - Inner- oder außerbetriebliche Gründe: o Außen: Umsatzrückgang, veränderte Wirtschaftslage o Innen: Organisationsentscheidung, z.b. Streichung v. Hierarchiestufen RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 7
o Bedeutung der Unterscheidung: Innen: Schutz durch Art. 12 I GG nur Willkür schädlich Außen: Da externe Gründe überprüfbar sind, können diese gerichtlich angegriffen werden 2. Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit (gerichtlich überprüfbar) 3. Kausalität zwischen Unternehmerentscheidung und Wegfall II. Dringlichkeit des betrieblichen Erfordernisses (i.d.r. gegeben) III. Prognose: Wegfall des Arbeitsplatzes ist dauerhaft IV. Kein milderes Mittel vorhanden: 1. Weiterbeschäftigungsmöglichkeit durch Umsetzung, 1 II 2 KSchG 2. Änderungskündigung, 1 II 3 KSchG 3. Weiterbeschäftigung nach Umschulung, 1 II 3 KSchG 4. Sozialauswahl, 1 III, IV KSchG: - Auswahlrelevanter Personenkreis = Gleiche Arbeitsplatzbeschreibung - Konkretisierung der sozialen Gesichtspunkte - Einschränkung durch berechtigte betriebliche Interessen, 1 III 2 KSchG - Auswahlrichtlinien, 1 IV KSchG RA Dr. Björn Bogner / FA für Arbeitsrecht / FA für gewerblichen Rechtsschutz 8