1 Grundsätzliches zur Altersversorgung 1.1 Abgrenzung Altersvorsorge und Altersversorgung Unter dem Begriff der Altersvorsorge versteht man im Allgemeinen alle Aktivitäten zum Ansparen von Vermögen, das der Sicherung des Lebensstandards im Alter dient. Altersversorgung liegt immer dann vor, wenn neben dem Ansparen von Vermögen noch die Absicherung von biometrischen Risiken wie z. B. Tod, Invalidität oder Langlebigkeit hinzukommt. Allerdings werden diese Begriffe nicht einheitlich verwendet. Auch in Fachkreisen sowie in der politischen Diskussion finden diese Begriffe unterschiedliche Anwendungen. Selbst im Einkommensteuergesetz ist die unterschiedliche Definition nicht zugrunde gelegt. 2 In 10a EStG, der die Riester-Förderung behandelt, spricht man von Altersvorsorgeverträgen. Nach Auffassung des Autors müsste man hier von Verträgen zur Altersversorgung sprechen, denn Hauptmerkmal und auch Zertifizierungskriterium 3 eines Riester-Vertrags ist eine lebenslange Leibrente und somit das biometrische Risiko der Langlebigkeit. 1.2 Geschichte der Altersversorgung Die deutsche gesetzliche Rentenversicherung wurde vor über 100 Jahren als erstes staatliches Rentensystem der Welt mit Versorgungsleistungen im Alter, bei Arbeitsunfähigkeit und bei Tod eingeführt. Die Altersrente wurde ursprünglich im Kapitaldeckungsverfahren finanziert. Jeder Versicherte hatte ein persönliches Rentenkonto, auf dem seine Beiträge angespart und verzinst sowie später daraus die Altersleistung bezahlt wurden. 4 Die Weltwirtschaftskrise der zwanziger Jahre des letzten Jahrhunderts sowie der Zweite Weltkrieg hatten der gesetzlichen Rentenversicherung schwer zugesetzt und die Beitragsreserven waren danach nahezu aufgebraucht. Deshalb beschloss der Bundestag in den fünfziger Jahren den Übergang zum Umlageverfahren. Seitdem entscheidet das Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentenbeziehern über die Höhe der Renten. Allerdings bereitet der demografische Wandel unserer Bevölkerung der gesetzlichen Rentenversicherung zunehmend Probleme bei der Finanzierung der Renten. 2 3 4 Vgl. auch Horlemann, Die Besteuerung von Alterseinkünften in Deutschland, Kapitel 2.1. 1 Abs. 1 Nr. 4 AltZertG. Deutsches Institut für Altersvorsorge, Die wichtigsten Entwicklungen in der GRV, o. J., http://www.dia-vorsorge.de/df_050102.htm, 10.3.2010. 1
1.3 Der demografische Wandel Die sinkende Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter und die gleichzeitig steigende Zahl der älteren Bevölkerungsgruppen verschieben den demografischen Rahmen in noch nicht bekannter Weise. Heute kommen auf 100 Personen im Erwerbsalter zwischen 20 und unter 65 Jahren 32 Personen im Rentenalter ab 65 Jahre. Im Jahr 2030 sind es nach den Vorausberechnungen bereits 52 Personen. Im Jahr 1991 lag das Verhältnis noch bei 100:24 Personen. 5 Eigene Darstellung 1: Altenquotient Nach aktuellen Berechnungen des Statistischen Bundesamtes hat ein 65-jähriger Mann heute noch eine Lebenserwartung von durchschnittlich 17 Jahren, eine 65-jährige Frau von durchschnittlich 20 Jahren. In der Vorausberechnung für das Jahr 2060 steigt die durchschnittliche Lebenserwartung von 65-jährigen Frauen und Männern auf 26 bzw. 23 Jahre. 6 Eigene Darstellung 2: Lebenserwartung 65-Jähriger 5 6 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Demografischer Wandel in Deutschland, Heft 1, Ausgabe 2007, Kapitel 1.5. Vgl. Statistisches Bundesamt, 12. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Begleitmaterial zur Pressekonferenz am 18. November 2009 in Berlin, Kapitel 4.2. 2
Für das Umlageverfahren der gesetzlichen Rentenversicherung hat dies weitreichende Folgen, da im Verhältnis immer weniger Beitragszahler auf die Rentenbezieher kommen. 1.4 Drei-Säulen-Modell Drei-Schichten-Modell Die Alterssicherung in Deutschland ist, historisch gewachsen, auf drei Säulen aufgebaut: der gesetzlichen und der betrieblichen Altersversorgung sowie der privaten Altersvorsorge. Eigene Darstellung 3: Drei-Säulen-Modell Im Zuge der Einführung des Alterseinkünftegesetzes entstand das Drei- Schichten-Modell. Schicht eins Basisversorgung, Schicht zwei Zusatzversorgung und Schicht drei private Altersvorsorge. Zu Beginn wurde in der öffentlichen Diskussion von einer Ablösung des Drei-Säulen-Modells durch das Drei-Schichten-Modell gesprochen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Es entstand lediglich eine weitere Einteilung der Altersversorgung nach der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen. 3
Eigene Darstellung 4: Drei-Schichten-Modell 1.5 Das Altersvermögensgesetz Kern des Altersvermögensgesetzes war die Einführung einer privaten, staatlich geförderten kapitalgedeckten Altersversorgung, der Riester-Rente. Diese freiwillige private Zusatzversorgung soll das durch die Rentenreform 2001 abgesenkte Nettorentenniveau ausgleichen. Dies war ein erster und nach Ansicht des Autors wichtiger Schritt, die gesetzlichen Versorgungssysteme durch eine gezielte Förderung der privaten und betrieblichen Altersversorgung zu ergänzen. Durch das Altersvermögensgesetz wurde insbesondere auch die betriebliche Altersversorgung reformiert. Hier war das Ziel, durch eine Neuordnung der steuerund sozialversicherungsrechtlichen Rahmenbedingungen Arbeitnehmer zu motivieren, Arbeitslohn zugunsten einer betrieblichen Altersversorgung umzuwandeln und gleichzeitig die Arbeitgeber hierfür mit in Verantwortung zu nehmen. Ein wichtiger Punkt dabei war die Verankerung eines gesetzlichen Anspruchs auf Entgeltumwandlung. Bis Ende 2001 war ein Arbeitnehmer auf die Zustimmung seines Arbeitgebers angewiesen, wenn er Entgeltumwandlung betreiben wollte. Seit dem 1. Januar 2002 ist nun der Arbeitgeber verpflichtet, Entgeltumwandlung zuzulassen bzw. anzubieten. Zusätzlich wurde noch der Pensionsfonds als weiterer Durchführungsweg in der betrieblichen Altersversorgung eingeführt. 4
1.6 Das Alterseinkünftegesetz Im Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 wurde festgestellt, dass die unterschiedliche steuerliche Behandlung von Renten und Pensionen gegen den Gleichheitsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG verstößt und somit verfassungswidrig ist. Der Gesetzgeber wurde aufgefordert, bis zum 1. Januar 2005 eine verfassungskonforme Regelung zu treffen. Für die Umsetzung setzte der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel die Sachverständigenkommission zur Neuordnung der steuerlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen ein. Mit dem Vorsitz wurde Prof. Bert Rürup betraut. Auftrag der Kommission war, einen umfassenden Vorschlag für ein Gesamtkonzept der steuerlichen Behandlung aller Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezüge zu erarbeiten. Die Vorschläge der Sachverständigenkommission mündeten letztlich in das Alterseinkünftegesetz, das zum 1. Januar 2005 in Kraft trat. Kernpunkt war der Einstieg in eine nach dem Vorbild der Beamtenversorgung vollständige nachgelagerte Besteuerung von Alterseinkünften. Hierfür entwickelte die Sachverständigenkommission das Drei-Schichten-Modell. Alterseinkünfte aus Schicht eins und zwei werden in voller Höhe der Einkommensteuer unterworfen. 7 Im Gegenzug werden die Altersvorsorgeaufwendungen unter Berücksichtigung von bestimmten Höchstbeträgen durch Sonderausgabenabzug von der Einkommensteuer freigestellt. 8 Bei den Altersvorsorge- und Kapitalanlageprodukten der dritten Schicht werden die Beiträge aus bereits versteuertem Einkommen geleistet. Die reine Rückzahlung der eingezahlten Beiträge unterliegt daher generell nicht der Besteuerung. 9 Steuerpflichtig sind hier grundsätzlich nur die aus dem Sparkapital erwirtschafteten Erträge 10 im Zeitpunkt des Zuflusses an den Steuerpflichtigen. Um eine Zweifachbesteuerung bei der Einbeziehung bereits laufender oder in Kürze beginnender Renten zu vermeiden, wurden für die Besteuerung der Ren- 7 8 9 10 Alterseinkünfte werden bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens nach 2 EStG in der jeweiligen Einkunftsart berücksichtig. Ob und in welcher Höhe tatsächlich Einkommensteuer anfällt, hängt davon ab, wie viele Einkünfte insgesamt innerhalb des Veranlagungszeitraums erzielt werden. Zudem ist der Grundfreibetrag nach 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG zu berücksichtigen. In der Einzahlungsphase werden die Beiträge von der Steuer freigestellt und in der Auszahlungsphase wieder in steuerpflichtige Einkünfte umgewandelt. Man spricht hier auch vom Korrespondenzprinzip. Vgl. Horlemann, Die Besteuerung von Alterseinkünften in Deutschland, Kapitel 3. U. a. spricht man hier auch von einer sog. vorgelagerten Besteuerung. Besteuerung der Erträge je nach Einkunftsart; z. B. Kapitalerträge nach 20 EStG oder Rentenbezüge mit dem Ertragsanteil nach 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb. 5
ten sowie für die Absetzbarkeit der Altersvorsorgeaufwendungen Übergangsregelungen bis zum Jahre 2040 geschaffen. 11 In manchen Fällen konnte es dazu kommen, dass das im Kalenderjahr 2004 geltende Recht insgesamt günstiger war. Um eine Schlechterstellung des Steuerpflichtigen zu vermeiden, führt die Finanzverwaltung deshalb bis zum Jahr 2019 eine Vergleichsrechnung mit dem alten Recht durch. 12 11 12 Das BVerfG hat in seinem Urteil vom 6.3.2002 (Az 2 BvL 17/99) ausdrücklich auf die Vermeidung einer Zweifachbesteuerung nicht nur für die Übergangszeit, sondern generell bei der nachgelagerten Besteuerung hingewiesen. Ob im Einzelfall eine unzulässige Doppelbesteuerung vorliege, könne erst in den Jahren des Rentenbezugs geprüft werden; vgl. auch BFH, Pressemitteilung vom 13.1.2010, Az XR 28/07, XR 6/08, XR 34/07. 10 Abs. 4a Satz 1 EStG und 10c Abs. 5 EStG. 6