Schuldrecht. Realcontracte. Realverträge. MUTUUM (=zinsloses Darlehen)
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- Joseph Valentin Siegel
- vor 8 Jahren
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1 Realcontracte MUTUUM zinsloses Darlehen DEPOSITUM.Verwahrung COMMODATUM..Leihe PIGNUS.Pfandrealvertrag Realverträge Die römischen Realverträge sind grundsätzlich unentgeltliche Geschäfte und kommen durch CONVENTIO (=Willensübereinkunft der Vertragspartner, die den Zweck des Vertrages festlegt) und DATIO (=reale Sachhingabe) zustande. MUTUUM (=zinsloses Darlehen) entsteht durch die mit Übereignung verbundene Hingabe einer bestimmten Sache. Der Empfänger muss nach einer bestimmten Zeit ebensoviel derselben Gattung zurückgeben. Voraussetzungen: CONVENTIO (= Willensübereinkunft, die den Vertragstyp regelt) DATIO (= reale Sachhingabe) Berechtigung des Vormannes Übergang des Eigentums an den Darlehensnehmer Vertretbare Sache (=Sache muss in Maß, Zahl, oder Gewicht bestimmbar sein) Haftung: Das Darlehen wird ausschließlich dem Risikobereich des Darlehensnehmers zugeordnet, die Haftung erfolgt nach dem Grundsatz CASUM SENTIT DOMINUS (da der DN Eigentümer wird, trägt er das Risiko). Bei Verlustfällen muss der Darlehensnehmer verschuldensunabhängig für die Rückzahlung einstehen. Das MUTUUM war ein Darlehen unter Freunden, somit hatte es nur beschränkte wirtschaftliche Tragweite. Größere Kredite, bei denen auch Zinsen verlangt wurden, mussten mittels Stipulation abgeschlossen werden. Klage: IUDICIA STRICTI IURIS Die Klage des Darlehensgebers auf Rückzahlung des Darlehens ist die ACTIO CERTAE CREDITAE PECUNIAE (sofern es sich um ein Gelddarlehen handelt), oder die ACTIO TRITICARIA (wenn es ein Naturaliendarlehen ist). Die Klage des MUTUUMS richtet sich nur auf den Umfang des gegebenen Kapitals, für einen Zinsanspruch bietet sie keinen Platz ( Stipulation) Der Darlehensnehmer kann bei Treuwidrigkeit des Darlehensgebers im Prozess die EXCEPTIO DOLI gegen dessen CONDICTIO einlegen. Sonderformen des römischen Darlehens: Anweisungsdarlehen: realcontracte.doc Lukas Müller Seite 1 von 6
2 Realcontracte kommt zustande, wenn G dem N das Darlehen nicht selbst ausbezahlt, sondern einen Dritten anweist dies zu tun, und der Dritte diesen Beitrag tatsächlich ausbezahlt. Das Darlehen kommt aber zwischen G und N zustande. Die reale Sachhingabe (DATIO) erfolgt nicht durch den Darlehensgeber, sondern durch einen Dritten, somit stammt die Valuta auch nicht aus dem Eigentum des Darlehensgebers, sondern aus jenem des Dritten. Vereinbarungsdarlehen: kommt zustande, wenn N dem G Geld schuldet, mit dem Darlehensnehmer aber übereinkommt, den fälligen Schuldbetrag nicht zu leisten, sondern für eine bestimmte Zeit als Darlehen zu behalten. Kontroverse zwischen ULPIAN und JULIAN: ULPIAN anerkennt das Vereinbarungsdarlehen und sieht ein MUTUUM als entstanden, die fehlende DATIO ist für ihn nicht relevant. Anders sieht dies JULIAN, der das Vereinbarungsdarlehen (aber auch das CONTRACTUS MOHATRAE) verneint. Er meint nur in einem Fall könne die TRADITIO BREVI MANU als Darlehens- DATIO gelten: Bittet der Verwahrer den Hinterleger, dessen hinterlegtes Geld als Darlehen verwenden zu dürfen, und stimmt dieser zu, dann erwirbt der Verwahrer Eigentum und ein MUTUUM kommt zustande. War er aber bereits Eigenbesitzer (z. Bsp.: Wenn V als Zahlstelle fungiert), dann gibt es keine DATIO (und somit kein Darlehen), weil er bereits vorher Eigentümer war. CONTRACTUS MOHATRAE: kommt zustande, wenn N, der ein Darlehen von G möchte, keine Valuta, sondern eine (möglicherweise auch unvertretbare) Sache Gs, mit der Absprache erhält, er solle sie verkaufen und den Erlös als Darlehen ansehen. Haftung: Ist die Sache bereits verkauft, dann ist ein MUTUUM entstanden und der Darlehensnehmer muss gemäß dem Grundsatz CASUM SENTIT DOMINUS verschuldensunabhängig für die Rückzahlung des Darlehens eintreten. Geht aber die Sache zwischen DATIO und Verkauf der Sache unter, dann gestaltet sich die Haftung für den zufälligen Untergang (CASUS) nach dem Utilitätsprinzip: Hatte der Darlehensgeber ein großes Interesse die Sache unbedingt loszuwerden, dann muss er für das zufällige unmöglich werden der Sache eintreten, gibt er dem Darlehensnehmer die Sache aber auf dessen dringliches Ansuchen, so muss dieser für den zufälligen Untergang einstehen. Sachhingabe durch einen nichtberechtigten Vormann: Lösung nach dem Ansatz von ULPIAN: G hat E Geld gestohlen und es dem gutgläubigen N als Darlehen gegeben. N verbraucht das Geld. Nach der DATIO, aber noch vor dem Verbrauch des Darlehens (dh vor Vermengung des Geldes mit eigenem, oder vor der Weitergabe an einen gutgläubigen Dritten) ist N nur Besitzer, nicht aber Eigentümer. E könnte das Geld mittels REI VINDICATIO zurückfordern. In diesem Stadium steht G auch noch keine Klage gegen N zu, denn es ist noch kein MUTUUM zustande gekommen. Sobald N das Geld verbraucht, oder es an einen gutgläubigen Dritten weitergibt, erwirbt er Eigentum und somit entsteht ein Darlehen. G hat von nun an gegen N die ACTIO CERTAE realcontracte.doc Lukas Müller Seite 2 von 6
3 Realcontracte CREDITAE PECUNIAE auf Rückzahlung des Darlehens. E hat gegen G die ACTIO FURTI (pönale Klage) und die CONDICTIO FURTIVA (Sachverfolgende Klage), die er beide gleichzeitig geltend machen kann. SENATUS CONSULTUM MACEDONIANUM: Ist darauf ausgerichtet, Darlehensgeschäfte mit Gewaltunterworfenen Söhnen und Töchtern zu verhindern. Dem Hauskind, das ein Darlehen angenommen hat, kann in zweierlei Hinsicht Rechtsschutz geboten werden: Der Prätor verweigert dem Darlehensgeber die CONDICTIO. Der Prätor überträgt die Prüfung auf den IUDEX, der dem Hauskind gegen die CONDICTIO des Darlehensgebers die EXCEPTIO SENATUS CONSULTI MACEDONIANI im Streitprogramm zuspricht. Auf diese Weise kann er den Rückzahlungsanspruch abwehren. Der Schutz des Hauskindes setzt sich auch dann fort, wenn der Darlehensnehmer gewaltfrei wird. Hat der Haussohn den Darlehensgeber aber unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zur Zahlung eines Darlehens bewogen, dann bekommt er die EXCEPTIO nicht. Selbstverständlich gilt das SC MACEDONIANUM auch dann nicht, wenn der Gewalthaber mit dem Darlehen einverstanden ist! Der Anspruch des G ist eine Naturalobligation. Sollte der Haussohn bezahlen, kann er das Geld nicht unter dem Argument, er würde nicht Schulden, zurückfordern. DEPOSITUM (=Verwahrung) Kommt durch die Hinterlegung einer Sache im Einvernehmen, dass die unentgeltlich verwahrt wird, zustande. Die Hinterlegung ist mit vertretbaren wie unvertretbaren Sachen möglich, der Verwahrer muss dieselbe Sache bei Fälligkeit zurückstellen. Der Verwahrer ist grundsätzlich nicht berechtigt, die Sache zu verwenden (Ausnahme DEPOSITUM IRREGULARE), ein Gebrauch würde ein FURTUM darstellen. Die Verwahrung gegen Entgelt wäre die LOCATIO CONDUCTIO. Klage: BONAE FIDEI IUDICIUM Der Hinterleger kann seinen Anspruch auf Rückgabe der Sache mit der ACTIO DEPOSITI DIRECTA geltend machen. Für den Fall, dass dem Verwahrer Kosten oder Schäden entstanden sind, kann er mit der ACTIO DEPOSITI CONTRARIA Ersatz fordern. Hat der Verwahrer einen Gegenanspruch, dann kann er den Verwahrungsgegenstand so lange zurückbehalten bis er erfüllt wird. Er muss dazu nicht einmal eine EXCEPTIO DOLI einlegen, da es sich um eine BONAE FIDEI IUDICIA handelt. realcontracte.doc Lukas Müller Seite 3 von 6
4 Realcontracte Haftung: Utilitätsprinzip: Grundsatz, dass sich die vertragliche Haftung danach richtet, wie die Interessen im Vertrag verteilt sind. Als Grundregel gilt, dass derjenige, der ein größeres Interesse am Vertrag hat, ein größeres Risiko bei der Schadenstragung trifft. Jeder Vertragstyp weist eine typische Interessensverteilung, und somit auch die Haftungsverteilung auf. Bsp.: Das CONTRACTUS MOHATRAE kommt in der Regel durch das Interesse des Darlehensnehmers zustande, daher haftet er auch für den zufälligen Untergang der zu verkaufenden Sache. Weicht aber der Vertrag von der üblichen Interessensverteilung ab, so gestaltet sich auch die Gefahrentragung anders. Bsp.: Kommt das CONTRACTUS MOHATRAE deshalb zustande, weil der Darlehensgeber die Sache unbedingt verkaufen möchte, so haftet er auch für den zufälligen Untergang der Sache. Schadenstragung beim Depositum: Der wirtschaftliche Nutzen des Verwahrers ist aufgrund der Unentgeltlichkeit der Verwahrung beschränkt, sodass der Verwahrer nur für grobe Pflichtverstöße haftet. Haftung des Verwahrers: Der Verwahrer muss dem Hinterleger Schadenersatz leisten, wenn er die Sache unter Vorsatz (DOLUS) beschädigt oder zerstört. Der Verwahrer muss dem Hinterleger Schadenersatz leisten, wenn er die Sache aus Gründen der groben Fahrlässigkeit (CULPA LATA) beschädigt. Zusätzlich entsteht eine Schadenersatzpflicht, wenn der Verwahrer weniger sorgsam mit dem Verwahrungsgegenstand umgeht, als mit eigenen Sachen und der Verwahrungsgegenstand dadurch beschädigt wird (stellt auf einen subjektive Sorgfaltsstandart ab - CULPA IN CONCRETO) Haftung des Hinterlegers: Wird der Verwahrungsgegenstand aufgrund von leichter Fahrlässigkeit (CULPA LEVIS), oder Zufall (CASUS) beschädigt, dann trägt der Hinterleger den Nachteil. Auch hier gilt der Grundsatz CASUM SENTIT DOMINUS. Verschärfte Haftung des Verwahrers: Gemäß dem Utilitätsprinzip verschärft sich die Haftung des Verwahrers wenn er ein besonders großes Interesse an der Verwahrung hat. Hat er zum Beispiel die Verwahrung aufgedrängt, dann muss er für Schäden infolge von DOLUS, CULPA und CUSTODIA einstehen. Gebraucht er die Sache auch noch vorsätzlich, dann muss er auch für Schäden aus Zufall (CASUS) haften. Verwahrung von Geld: Das DEPOSITUM von Münzen kann auch in ein MUTUUM umgewandelt werden. Dabei wird die Verwahrungs- CONVENTIO in eine Darlehens- CONVENTIO umgewandelt, als DATIO dient die TRADITIO BREVI MANU (es kommt dadurch zu einer Veränderung des Rechtsstatus des Verwahrers, er wird vom Fremdbesitzer zum Eigenbesitzer und Eigentümer). realcontracte.doc Lukas Müller Seite 4 von 6
5 Realcontracte DEPOSITUM IRREGULARE (Vermischung von MUTUUM und DEPOSITUM): Kommt durch eine Verwahrung von Geld zustande, bei der die Parteien bestimmen, dass der Verwahrer das Geld verwenden darf und dafür Zinsen bezahlen darf. Zwei Gründe sprechen dafür, dass es sich um ein DEPOSITUM handelt: Der Hinterleger hat ein Sicherheitsinteresse und ist davon überzeugt, dass die Sache beim Verwahrer besser aufgehoben ist als bei ihm. Die Darlehensklage als IUDICIA STRICTI IURUS lässt für die Einforderung von Zinsen keinen Platz, denn die ACTIO CERTAE CREDITAE PECUNIAE richtet sich nur auf die gegebene Sache. Mit der ACTIO DEPOSITI als BONAE FIDEI IUDICIA können Zinsen beansprucht werden. Das DEPOSITUM IRREGULARE kann angenommen werden, wenn Geld nicht in einem verschlossenen Sack, sondern offen hinterlegt wird. Das DI bewirkt eine Eigentumsübertragung, deshalb muss der Empfänger nach dem Grundsatz CASUM SENTIT DOMINUS verschuldensunabhängig für die Rückzahlung einstehen. DEPOSITUM SEQUESTRE (Streitverwahrung): Zwei Streitparteien können vereinbaren, dass sie den Streitgegenstand für die Dauer des Streits bei einem Verwahrer (Sequestor) hinterlegen und vereinbaren, dass sie dem Streitsieger mittels ACTIO DEPOSITI SEQUESTARIA herausgegeben werden muss. COMMODATUM (=Leihe) Kommt durch die Überlassung einer Sache im Einvernehmen, dass sie der Empfänger unentgeltlich verwenden darf, zustande. Wie beim DEPOSITUM ist bei der Leihe dieselbe Sache zurückzustellen (daher beschränkt sich das COMMODATUM auf Sachen, bei denen der Gebrauch nicht zum Verbrauch der Sache führt). Es spielt keine Rolle, ob der Verleiher Eigentümer der Sache ist oder nicht, die Berechtigung des Vormannes, die beim MUTUUM Vorraussetzung ist, muss nicht gegeben sein. Die Leihe ist unentgeltlich und wird daher als Freundschaftsdienst gehandhabt (Die entgeltliche Leihe wäre die LOCATIO CONDUCTIO REI) Das COMMODATUM berechtigt den Entleiher zum schonenden, die Substanz der Sache nicht beeinträchtigenden, Gebrauch der Sache. Wird diese Grenze überschritten, stellt der Gebrauch ein FURTUM dar. Klage: BONAE FIDEI IUDICIA Der Verleiher hat zur Durchsetzung seiner Ansprüche (insbesondere zur Rückforderung der verliehenen Sache) die ACTIO COMMODATI DIRECTA. Der Entleiher kann Kosten bzw. Schäden die ihm im Zuge der Leihe entstanden sind und den normalen Betriebsaufwand überschreiten, mit der ACTIO COMMODATI CONTRARIA einfordern. realcontracte.doc Lukas Müller Seite 5 von 6
6 Realcontracte Bsp.: Fütterungskosten von Tieren kann er nicht mir der ACTIO CC zurückfordern, doch Behandlungskosten des erkrankten Tieres (sofern er die Erkrankung nicht selbst verschuldet hat) schon, d.h. der normale Betriebsaufwand ist vom Entleiher zu tragen. Haftung: Gemäß dem Utilitätsprinzips umfasst die Gefahrentragung des Entleihers ein weitaus größeres Maß, da die Interessen ungleich verteilt sind. Die Leihe ist unentgeltlich und nützt dem Verleiher damit wirtschaftlich nicht. Der Entleiher haftet für DOLUS, CULPA und CUSTODIA- Verletzungen. Der Verleiher haftet grundsätzlich nur für VIS MAIOR (höhere Gewalt), da hier der Grundsatz CASUM SENTIT DOMINUS zu tragen kommt. PRECARIUM (=Bittleihe) Die faktische, jederzeit widerrufbare, Überlassung einer Sache zum Gebrauch (weil sie meist auf Ersuchen des Entleihers zustande kommt wird sie Bittleihe genannt) Der Leihnehmer (Prekarist) kann seine Sachgewahrsame durch Besitzinterdikte gegenüber Dritten schützen. Der Prekarist unterliegt aber wiederum dem Prekariumsgeber in Besitzinterdikten, der die Sache jederzeit mit dem INTERDICTUM DE PRECARIO herausfordern kann. PIGNUS (=Pfandrealvertrag) Kommt durch die Hingabe einer Sache im Einvernehmen, dass sie als Pfand dienen soll, zustande (ist vom dinglichen Pfandrecht zu unterscheiden!). Der Pfandrealvertrag kommt auch dann zustande, wenn es dem Pfandgeber an sachenrechtlicher Befugnis mangelt, doch erwirbt der Pfandgläubiger in diesem Fall kein dingliches Recht. Grundsätzlich berechtigt der Pfandrealvertrag den Pfandnehmer nicht zum Gebrauch der Sache, missachtet er dies, wird von einem FURTUM gesprochen. Anderes gilt beim Nutzpfand, hier wird die Nutzung des Pfandes zur Schuldtilgung verwendet. Klage: BONAE FIDEI IUDICIA Der Pfandgeber hat die ACTIO PIGNERATICIA IN PERSONAM DIRECTA auf Rückgabe des Pfandes bei Schuldtilgung, oder um den, den Schuldanspruch übersteigenden, Erlös aus der Versteigerung (= SUPERFLUUM) herauszufordern. Der Pfandnehmer hat die ACTIO PIGNERATICIA IN PERSONAM CONTRARIA für die, durch die Innehabung entstandenen, Kosten und für eine Neuverpfändung einer anderen Sache, falls das Pfand mangels dinglicher Berechtigung des Pfandgebers kein dingliches Pfandrecht für den Pfandnehmer begründet hat. Haftung: Gemäß dem Utilitäsprinzip haftet der Pfandnehmer für DOLUS, CULPA und CUSTODIA (die Interessen des Pfandnehmers sind viel größer als jene des Pfandgebers!). realcontracte.doc Lukas Müller Seite 6 von 6
7 Kaufvertrag I Kaufvertrag EMPTIO VENDTITIO Der Kaufvertrag gehört zu der Gruppe der Konsensualverträge, der durch den Austausch von Geld und Ware vereinbart wird. Der Kaufvertrag ist ein zweiseitig verbindliches Rechtsgeschäft, Käufer und Verkäufer sind beide Schuldner und Gläubiger (man spricht von einem synallagmatischen Vertragsverhältnis). Die vertragliche Bindung der Vertragsparteien entsteht bereits durch die beidseitige Willensübereinkunft CONSENSUS- ohne, dass der Abschluss einer bestimmen Form bedürfte. Der Konsens muss sich zumindest auf die wesentlichen, unverzichtbaren Vertragsbestimmungen (Ware und Preis) beziehen, man spricht von den ESSENTIALIA NEGOTII. Pflichten aus dem Schuldverhältnis: Hauptpflichten: Leistung von Ware und Preis Nebenpflichten: Aufklärungs-, Schutz-, und Sorgfaltspflichten Bsp.: Der Verkäufer muss den Käufer über die Gefährlichkeit des Kaufobjekts aufklären, der Verkäufer, der vor der Übergabe noch Eigentümer ist, darf die Sache weder schuldhaft zerstören, noch beschädigen. Achtung: Der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts (vertragliche Bindung) ist stets von jenem der Erfüllung des Vertrages zu trennen. Daher können zwischen Verpflichtung und Erfüllung unerwartete Ereignisse eintreten, die es einer Partei nicht möglich macht, weiterhin am Vertrag festzuhalten (Ausnahme dieses Grundsatzes ist der Barkauf!) Klagen: BONAE FIDEI IUDICIUM Der Käufer hat zur Durchsetzung seiner Ansprüche die ACTIO EMPTI. Der Verkäufer hat zur Durchsetzung seiner Ansprüche die ACTIO VENDITI. Als BONAE FIDEI IUDICIA gewähren die Klagen aus dem Kauf dem IUDEX zur Festlegung der Vertragspflicht einen gewissen Handlungsspielraum BONA FIDES bedeutet im Vertragsrecht Übung des redlichen Verkehrs (= jener Verhaltensmaßstab, an den sich redliche Parteien halten) Was aufgrund dieser BONA FIDES-Regel im Einzelfall zu leisten ist, bestimmen IUDEX und Juristen. Diese Regeln, die in Ermangelung einer konkreten Vertragsbestimmung kraft BONA FIDES eingreifen, nennt man NATURALIA NEGOTII. Auslegung: Grundlage für die Vertragsauslegung ist natürlich das, was die Parteien vereinbart bzw. gewollt haben (ID QUOD ACTUM EST). In die Vertragsauslegung kann auch die ergänzende Vertragsauslegung, der so genannte hypothetische Parteiwille, einfließen: Was wäre von kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 1 von 7
8 Kaufvertrag I den Parteien vereinbart worden, wären bestimmte Umstände bereits zu Vertragsabschluss bekannt gewesen. Konsens/Irrtum: Grundlage des Kaufvertrages sind die übereinstimmenden Willenserklärungen (= CONSENSUS) der Parteien über Ware und Preis. Doch wann ist eine Einigung der Parteien anzunehmen? 1. Wille muss nach außen in Erscheinung treten, 2. Wille der Parteien muss übereinstimmen. a) Offener Dissens (liegt vor, wenn die Parteien offensichtlich verschiedenes wollen) b) Konsens trotz unzutreffender Bezeichnungen: Für das Zustandekommen des Kaufvertrages ist es unschädlich, wenn die Erklärungen der Parteien divergieren, aber beide dasselbe wollen. Auch wenn die Parteien den Kaufgegenstand falsch bezeichnen, bezüglich des Inhalts des Kaufvertrages aber eine Willensübereinstimmung besteht, kommt der Vertrag zustande (FALSA DEMONSTRATIO NON NOCET) c) Versteckter Dissens: Wenn sich die Willenserklärungen der Parteien nach außen decken, die Parteien aber dennoch Verschiedenes wollen, liegt versteckter Dissens vor. Diese äußerliche Übereinstimmung ergibt sich vor allem dann, wenn eine Partei irrtümlich etwas anderes erklärt, als sie eigentlich will. Liegt bei der Abgabe der Willenserklärungen ein Irrtum über die wesentlichen Vertragspflichten (Geschäftstyp, Kaufgegenstand, Kaufpreis) vor, dann gibt es keinen Konsens und somit auch keinen gültigen Kaufvertrag. Bsp.: ERROR IN NEGOTIO- Irrtum über den Geschäftstyp ERROR IN CORPORE- Irrtum über den Kaufgegenstand ERROR IN SEXU- Irrtum über das Geschlecht d) Eigenschaftsirrtum (ERROR IN SUBSTANTIA): Die Frage, ob für die Ungültigkeit des Kaufvertrages ein Irrtum über die Identität der Sache gegeben sein muss, oder ob es aber schon ausreicht, wenn ein Irrtum über ihre Eigenschaft vorliegt, ist nicht einheitlich gelöst. Grundsätzlich lassen sich drei Positionen unterscheiden: MARCELLUS: Er stellt darauf ab, dass der Kaufvertrag bereits dann Gültigkeit besitz, wenn über den Kaufgegenstand in seiner äußeren Erscheinung Konsens erzielt wurde. Ein Irrtum über die Substanz hingegen ist belanglos. ULPIAN: Er bejaht den Substanzirrtum prinzipiell, zieht seinen Radius aber eng. Nur bei vollkommener Verschiedenheit der Substanzen ist der Kaufvertrag ungültig. JULIAN: Er bejaht den Substanzirrtum und spricht von einem ungültigen Kaufvertrag, sobald die Substanz nur teilweise nicht dem Vertrag entspricht. Eigenschaftsirrtum/Sachmangel: Ein Sachmangel liegt dann vor, wenn die verkaufte und übergebene Sache die vereinbarten, oder gewöhnlich vorausgesetzten Merkmale nicht aufweißt. Das Auftreten eines Sachmangels berührt die Gültigkeit des Vertrages nicht, räumt dem Käufer aber einen Gewährleistungsanspruch gegen den Verkäufer ein. Im Einzelfall kann es schwierig sein zu entscheiden, ob ein Eigentumsirrtum, oder aber bloß ein Sachmangel vorliegt. kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 2 von 7
9 Kaufvertrag I Zwang, Furcht und Arglist: Im Allgemeinen werden Rechtsgeschäfte die durch Zwang (VIS) und Furcht (METUS) zustande kommen, nach IUS CIVILE als gültig angesehen. Verschiedene prätorische Rechtsbehelfe schützen aber den, der unter Zwang oder Furcht ein Vertragsverhältnis eingegangen ist. Derjenige, der unter VIS oder METUS einem Vertrag zugestimmt hat, bekommt im Streitverfahren die EXCEPTIO METUS, mit der er den Anspruch des Vertragspartners abwehren kann. Hat er aber bereits eine Leistung erbracht, so kann der mit der IN INTEGRUM RESTITUTIO bereits Geleistetes zurückfordern. Diese Einreden (EXCEPTIO METUS, EXCEPTIO DOLI) ist jedoch nur bei IUDICIA STRICTI IURIS notwendig, bei den BONAE FIDEI IUDICIA allerdings nicht. Kaufvertrag BONAE FIDEI IUDICIA: Hier ergibt sich die Ungültigkeit eines Geschäfts, das aus Zwang, Furcht oder Arglist eingegangen wurde, aus der BONA FIDES- Regel. EX BONA FIDE ergibt sich für denjenigen, der unter VIS, METUS oder DOLUS MALUS einem Vertrag zugestimmt hat, keine Verpflichtung. Kaufpreis: Der Kaufpreis muss grundsätzlich ernst gemeint sein (PRETIUM VERUM), bestimmbar sein (PRETIUM CERTUM) und ab der Spätklassik auch gerecht sein (PRETIUM IUSTUM). Wenn die Parteien den Austausch von Ware gegen Ware bestimmen, kommt allerdings kein Kauf-, sondern ein Tauschvertrag zustand, der im römischen Recht als Innominatkontrakt bezeichnet wird. Ein Kaufvertrag liegt aber auch dann vor, wenn das Entgelt für die Hingabe einer Sache nur teilweise aus Geld, teilweise aber aus einer anderen Leistung besteht. PRETIUM VERUM (ernst gemeinter Kaufpreis): Ein ernst gemeinter Kaufpreis liegt dann nicht vor, wenn der vereinbarte Kaufpreis bloß symbolischen Charakter hat, sodass in Wirklichkeit kein entgeltliches Geschäft, sondern eine Schenkung vorliegt (Bsp.: Jemand verkauft eine Sache mit Wert um 1) Auch dann, wenn in einer Vereinbarung ein Kaufpreis festgesetzt wird, der von vornherein aus Schenkungsabsicht nicht eingetrieben werden soll, besteht kein ernst gemeinter Kaufpreis. Zulässig ist es jedoch, wenn der ernst gemeinte Kaufpreis (schenkungshalber) niedriger bemessen ist, als des dem Marktwert der Sache entspricht. In der modernen Lehre spricht man von einem gemischten Rechtsgeschäft: Einerseits handelt es sich um ein entgeltiches, andererseits aber auch um ein unentgeltliches Geschäft (Problem: Die Regelungen der entgeltlichen Geschäfte können, wie va die Gewährleistung, nicht zur Gänze angewendet werden) Ausnahme: Eine aus Schenkungsabsicht niedrigere Bemessung des Kaufpreises ist zwischen Ehegatten aufgrund des Schenkungsverbotes nicht gestattet (damit könnte dieses Verbot umgangen werden). PRETIUM CERTUM (bestimmbarer Kaufpreis): kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 3 von 7
10 Kaufvertrag I Aus der Vereinbarung zwischen Käufer und Verkäufer, muss der Umfang der Verpflichtung des Käufers erkennbar sein. Als bestimmbar gilt ein Kaufpreis nicht nur dann, wenn er ziffernmäßig feststeht, sondern auch dann, wenn sich ein Preis nach objektiven Kriterien eruieren lässt. Daher sind Vereinbarungen wie Ich kaufe um so viel, wie du für die Sache ausgegeben hast, oder Ich kaufe um so viel, wie ich in der Kassa habe zulässig. Unzulässig sind allerdings einseitige Preisbestimmungen, wie Ich kaufe um den Preis, den du festlegst. PRETIUM IUSTUM (gerechter Kaufpreis): Im klassischen römischen Recht konnten die Parteien die Höhe des Kaufpreises im Rahmen der Privatautonomie beliebig hoch festlegen. Erst in der Nachklassik spielten Erwägungen über einen gerechten Kaufpreis eine Rolle. LAESIA ENORMIS (Verkürzung über die Hälfte): Ihr Zweck ist es, den Verkäufer vor groben Äquivalenzstörungen zu schützen. Bekommt der Verkäufer weniger als die Hälfte des Wertes der Sache als Kaufpreis, so kann er die Vertragsauflösung verlangen. Zu beachten ist, dass im römischen Recht nur der Verkäufer durch die LAESIO ENORMIS geschützt wurde. Edikte, die Höchstpreisangaben, beinhalteten schützen den Käufer vor Äquivalenzstörungen. Nimmt der Verkäufer die LAESIO ENORMIS in Anspruch, so fällt der Vertrag weg und bereits Geleistetes ist bereicherungsrechtlich zurückzuerstatten. Der Käufer kann sich aber vor der Vertragsauflösung schützen, indem er den Abgang bis zum gemeinen Wert erbringt. Man spricht von einem Ersetzungsbefugnis (FACULTAS ALTERNATIVA der Schuldner, der verpflichtet ist eine Leistung zu erbringen, wird von dieser erlöst, in dem er eine andere Leistung erbringt, die er nicht erbringen muss) Die Ware Spezieskauf/Gattungskauf: a) Spezieskauf: Die Parteien legen für den Kaufgegenstand individuelle Merkmale fest (der Sklave Merops, das Schaf Herakles, ) b) Gattungskauf: Die Parteien legen für den Kaufgegenstand generelle Merkmale fest (1 KG mehlige Kartoffeln, ). Für die Gattungsschuld gilt der Grundsatz GENUS NON PERIT, denn solange etwas aus einer Gattung vorhanden ist, kann die Leistung nicht unmöglich sein. Die Unterscheidung zwischen Spezies-, und Gattungskauf ist für die Frage der Möglichkeit der Leistungserbringung ebenso bedeutsam wie für die Frage der Gefahrentragung und Gewährleistung. Alternativobligation: In diesem Fall soll der Schuldner von zwei, oder mehreren geschuldeten Leistungen eine erbringen (= Wahlschuld). Die Wahl, welche der Leistungen vom Schuldner erbracht werden soll, kann sowohl Gläubiger, als auch dem Schuldner zustehen (im Regelfall wohl eher dem Schuldner). kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 4 von 7
11 Kaufvertrag I EMPTIO REI SPERATAE: Zulässig ist der Verkauf einer Sache, die erst entstehen wird (z. Bsp.: zukünftige Früchte, ). Man spricht von einer EMPTIO SPEI SPERATAE, dem Kauf einer künftigen Sache. Der Kaufvertrag kommt allerdings nicht sofort zustande, sondern ist vom Eintreten der Bedingung abhängig (aufschiebender, bedingter Kaufvertrag). Tritt die Bedingung ein, so entfaltet der Kaufvertrag EX TUNC seine Rechtswirkungen, tritt die Bedingung nicht ein, so gibt es keinen Kaufvertrag. Doch bereits vor dem Eintritt der Bedingung treffen die Parteien gewisse vorvertragliche Verpflichtungen. Keiner der Vertragspartner darf den Bedingungseintritt verhindern, wird dies dennoch gemacht, so wird die Verhinderung dem Eintritt der Bedingung gleichgestellt und es ergeben sich Ansprüche in der Höhe des Erfüllungsinteresses. EMPTIO SPEI: Der Kauf einer noch nicht existierenden Sache kann auch so ausgestalten werden, dass der Käufer unabhängig davon, ob die Sache künftig entsteht oder nicht, den Kaufpreis bezahlen muss. Gekauft wird aber hier nicht die Sache an sich, sondern die Chancen der Entstehung der Sache (= Hoffnungskauf) Im Gegensatz zur EMPTIO REI SPERATAE ist der Kaufvertrag sofort gültig, man spricht von einem Risikogeschäft. EX BONA FIDE ist der Verkäufer dazu verpflichtet, Bemühungen zur Realisierung der Chance anzustellen. Möglichkeit der Leistung: Damit ein gültiger Kaufvertrag zustande kommt, muss sein Inhalt auf eine mögliche Leistung gerichtet sein. Unmögliches kann nicht Gegenstand einer Verpflichtung sein (IMPOSSIBILIUM NULLA EST OBLIGATIO). Anfängliche objektive Unmöglichkeit: Von einer Unmöglichkeit wird dann gesprochen, wenn der Leistungserbringung eine anfängliche objektive Unmöglichkeit entgegensteht. a) Anfänglich bedeutet, dass die Unmöglichkeit bereits vor, oder zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gegeben ist. Tritt eine Unmöglichkeit erst nach dem Vertragsabschluss ein, dann sprechen wir von einer nachträglichen Unmöglichkeit, die im Leistungsstörungsrecht behandelt wird. b) Objektiv bedeutet, dass die Leistung von niemand mehr erbracht werden kann. Handelt es sich im Gegensatz dazu um eine subjektive Unmöglichkeit, so kann die Leistung gerade vom Schuldner nicht erbracht werden, jemand andere könnte die Leistung aber erbringen. Die Unmöglichkeitsregeln beziehen sich bloß auf die objektive Unmöglichkeit, nicht aber auf Unvermögen. Faktische und rechtliche Unmöglichkeit: a) Faktisch unmöglich ist eine Leistung dann, wenn sie sich auf eine Leistung bezieht die nie existiert hat, oder nicht mehr existiert. b) Rechtlich unmöglich ist eine Leistung dann, wenn sie gegen die Rechtsordnung verstößt. So ist es zum Beispiel rechtlich unmöglich, dass jemand eine Sache kauft, von kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 5 von 7
12 Kaufvertrag I der er bereits Eigentümer ist, sowie der Kauf eines freien Römers, wenn der Käufer den Freiheitsstatus kennt. rechtlich unmöglich ist auch der Verkauf einer Sache die außerhalb des Privatrechtsverkehrs steht: Sachen, die im öffentlichen Gebrauch stehen (RES PUBLICAE) Sachen des göttlichen Rechts (RES DIVINI IURIS) Rechtsfolge bei Unmöglichkeit: Wenn eine Unmöglichkeit vorliegt, wird der Kaufvertrag grundsätzlich nicht gültig, denn Unmögliches kann nicht Vertragsinhalt werden (IMPOSSIBILIUM NULLA EST OBLIGATIO) In manchen Fällen wird dieses Prinzip aber zugunsten des Käufers durchbrochen, da ein Käufer, der auf das zustande kommen des Kaufvertrages vertraut hat, schutzbedürftig erscheint. Dem Käufer wird trotz Unmöglichkeit ein Anspruch gegen den Verkäufer eingeräumt. Rückforderung des Kaufpreises: Aufgrund des Mangels an einem Kaufvertrag gibt es keine Verpflichtungen, für bereits Geleistetes keinen Rechtsgrund. Der Kaufpreis kann mit der CONDICTIO INDEBITI zurückgefordert werden, die Vorraussetzungen sind: Leistung (tatsächliche Vermögensverschiebung) Kein Rechtsgrund (IUSTA CAUSA) für die Vermögensverschiebung Irrtümlichkeit Die CONDICTIO INDEBITI gehört zu den IUDICIA STRICTI IURIS und richtet sich damit nur auf die Rückgabe einer bestimmten Sache bzw. eines bestimmten Geldwerts. Zusätzliche Ansprüche können mit ihr nicht geltend gemacht werden. Vertrauensschaden (negatives Interesse): Der Käufer kann, wenn er auf das zustande kommen des Vertrages vertraut hat einen gewissen Schaden erlitten hat (z. Bsp.: wenn er im Hinblick auf den Vertrag Geschäfte abschließt). Bei rechtzeitiger Aufklärung kann der Vertrauensschaden vermieden werden. Erfüllungsschaden (positives Interesse): War die gekaufte Sache für den Käufer mehr wert, als er dafür bezahlen hätte müssen, so stellt die Differenz ebenfalls einen Schaden dar. Da dieser aber durch Aufklärung nicht vermieden worden wäre, handelt es sich nicht um einen Vertrauensschaden, sondern um einen Erfüllungsschaden. Dieser Schaden wäre nur dann nicht entstanden, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Der Ersatz des positiven Interesses setzt grundsätzlich einen gültigen Vertrag voraus! Ersatz des negativen Interesses: Liegt eine Unmöglichkeit vor, wird dem Käufer, neben der Rückforderung von bereits Geleistetem, auch der Ersatz des Vertrauensschadens gewährt. Der Ersatz des negativen Interesses ergibt sich aus der BONA FIDES- Regel, die es vorsieht den Vertragspartner über Leistungshindernisse aufzuklären. Fraglich ist jedoch, worauf der Ersatz des Vertrauensschadens für den Käufer gestützt wird: kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 6 von 7
13 Kaufvertrag I ACTIO IN FACTUM/ ACTIO DE DOLO Wenn man die Gültigkeit eines Kaufvertrages verneint, so können die Ansprüche grundsätzlich nicht durch die ACTIO EMPTIO geltend gemacht werden. Manche Juristen dürften analog eine ACTIO IN FACTUM, bei dolosem Verhalten eine ACTIO DE DOLO gewährt haben. ACTIO EMPTI Trotz Unmöglichkeit des Vertragsinhaltes gewähren manche Juristen die Kaufklage als Anspruchsgrundlage, dabei wird verscheiden vorgegangen: 1. manche Juristen bejahen einen Kaufvertrag 2. manche Juristen verneinen einen Kaufvertrag, gewähren aber dennoch die ACTIO EMPTI Unklar ist, ob der Ersatz des negativen Interesses davon abhängt, ob den Verkäufer Verschulden trifft (wenn er beispielsweise den potentiellen Vertragspartner nicht über Leistungshindernisse aufklärt), oder ob der Anspruch des Käufers auf den Ersatz des Vertrauensinteresses immer schon dann besteht, wenn ein Vertrauensschaden entstanden ist. Teilunmöglichkeit: Die Teilunmöglichkeit liegt dann vor, wenn sich die anfängliche objektive Möglichkeit bloß auf einen Teil der Leistung bezieht. Ergibt sich aus der Parteienvereinbarung, dass der Kaufvertrag bei Kenntnis der teilweisen Unmöglichkeit nicht geschlossen worden wäre, dann wird die Teilunmöglichkeit wie eine Gesamtunmöglichkeit behandelt. Ist der Kaufgegenstand nach dem Willen der Parteien aber teilbar, so kommt es zu einer Vertragsanpassung: Über den möglichen Teil der Leistung kommt ein Kaufvertrag zustande, wobei der Kaufpreis natürlich gesenkt wird. kaufvertrag1.doc Lukas Müller Seite 7 von 7
14 Kaufvertrag II Nebenabreden EMPTIO VENDITIO II Zusatzvereinbarungen (ACCIDENTALIA NEGOTII) Neben der für den Vertragsabschluss notwendigen Vereinbarung über Ware und Preis, haben die Vertragspartner die Möglichkeit im Rahmen der Privatautonomie weiter Aspekte zu regeln. Die Vereinbarungen die nicht notwendig, aber möglich sind, bezeichnet man als ACCIDENTALIA NEGOTII zb Eine bestimmte Übergabeart kann ebenso vereinbart werden wie eine Zahlung auf Rate. Sind Zusatzvereinbarungen vorgesehen, so müssen auch diese von übereinstimmenden Willenserklärungen erfasst werden. Ein Dissens über die Nebenabreden führt zur Ungültigkeit des Vertrages. Bedingungen (CONDITIO) Die Parteien können einen Vertrag unter einer Bedingung schließen, d. h. den Eintritt oder die Fortdauer von Rechtswirkungen des Vertrages von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig machen (CONDITIO). Ist der Eintritt oder die Fortdauer von Rechtswirkungen durch ein zukünftiges gewisses Ereignis bedingt, spricht man von Befristung (DIES). Aufschiebende Bedingung (Suspensivbedingung): In diesem Fall wird der Vertrag erst durch den Eintritt der Bedingung wirksam. Bis zum Bedingungseintritt besteht ein Schwebezustand Auflösende Bedingung (Resolutivbedingung): In diesem Fall wird der Vertrag sofort wirksam, kann aber bei Bedingungseintritt aufgelöst werden. Der Bedingungseintritt kann eine auflösende Wirkung, je nach Formulierung EX NUNC oder EX TUNC entfalten. EX TUNC: Der Bedingungseintritt vernichtet den Kaufvertrag rückwirkend. Demnach hat es die Causa nie gegeben, der Verkäufer kann die Sache vindizieren. EX NUNC: Der Bedingungseintritt beendet den Kauf auf die Weise, dass die Causa zu existieren aufhört. Jede Partei kann eine Rückabwicklung der ungerechtfertigten Vermögensverschiebung fordern. Bedingungen finden vor allem bei Rücktrittsvorbehalten Anwendung: LEX COMMISSARIA (Eigentumsvorbehalt) PACTUM DISPLICENTIAE (Kauf auf Probe) IN DIEM ADDICTIO (Bessergebotsklausel) Nebenabreden beim Kaufvertrag (EMPTIO VENDITIO) Auch beim Kaufvertrag können zusätzliche Vereinbarungen festgelegt werden, diese PACTA ADIECTA werden gleich wie die wesentlichen Vertragselemente verbindlicher Inhalt des Kontrakts und sind mit den Klagen aus dem Kauf durchsetzbar. kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 1 von 7
15 Kaufvertrag II LEX COMMISSORIA: Sie ist eine Vertragsklausel, die dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht einräumt. Wenn der Käufer den Kaufpreis nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt vollständig bezahlt. Das moderne Recht versteht darunter den Eigentumsvorbehalt. Die LEX COMMISSARIA steht unter der Bedingung der Nichtzahlung des Käufers. Tritt die Bedingung ein, kann der Verkäufer vom Vertrag zurücktreten und die Sache zurückfordern. Anmerkung: Der Kaufvertrag zerfällt bei Zahlungsverzug zum Schutz des Verkäufers nicht sofort, sondern gibt dem Verkäufer bloß ein Rücktrittsrecht. Es liegt eine POTESTATIVBEDINGUNG vor, d. h. eine Bedingung die vom Willen einer Person abhängt. Würde der Kaufvertrag unverzüglich wegfallen, so könnte sich der Käufer ganz bequem vom Kaufvertrag befreien (z. Bsp.: wenn er kein Interesse mehr am Kauf hat) PACTUM DISPLICENTIAE: Dadurch wird dem Käufer ein Kauf auf Probe gewährt. Falls der Käufer nach der Probezeit kein Interesse mehr am Kauf hat, gilt die Sache als nicht verkauft. Das PACTUM DISPLICENTIAE soll dem Kaufinteressenten die Möglichkeit geben eine Sache zu testen. Es handelt sich dabei um einen auflösend bedingten Kaufvertrag, denn der Käufer hat die Möglichkeit binnen einer gewissen Frist zurückzutreten. Da der Rücktritt wiederum von einer Person abhängt, liegt eine POTESTATIVBEDINGUNG vor. Anmerkung: Natürlich ist es auch möglich, dem Kaufinteressenten eine Ware zur Probe zu übergeben, ohne dass bereits ein Kaufvertrag abgeschlossen wird. Der Käufer hat bei der Offerte die Möglichkeit während der Probezeit anzunehmen und einen unbedingten Kaufvertrag entstehen zu lassen. IN DIEM ADDICTIO: Diese Abrede soll die Ungültigkeit eines Kaufvertrages bewirken, wenn der Käufer innerhalb einer bestimmten Frist ein besseres Angebot erhält (= Bessergebotsklausel). Der Vorteil liegt auf der Seite des Verkäufers, denn er hat bereits einen Käufer für die Sache, kann aber innerhalb einer bestimmten Frist versuchen, ein besseres Angebot zu erhalten. Der Kaufvertrag kann entweder mit aufschiebender oder auflösender Bedingung festgelegt werden: Dispositivbedingung (aufschiebend): Der Kaufvertrag entfaltet seine Rechtswirkungen erst dann, wenn kein besseres Angebot eingeht. Resolutivbedingung (auflösend): Der Kaufvertrag entfaltet seine Rechtswirkungen sofort und wird bei Bedingungseintritt aufgelöst. Anmerkung: Ein besseres Angebot liegt dann vor, wenn die Vertragsabwicklung für den Verkäufer günstiger wird. Dies ist beim Vorliegen eines besseren Preisangebots ebenso der Fall wie bei besseren Zahlungsmodalitäten oder besserer Zahlungsfähigkeit. Weitere Nebenabreden: PACTUM DE RETROEMENDO: Bei dieser Nebenabrede handelt es sich um eine Wiederkaufsklausel. Der Verkäufer lässt sich das Recht einräumen, die Sache zu einem im Vorhinein bestimmten Preis zurückkaufen zu können. PACTUM PROTIMISEOS: Diese Nebenabrede schränkt die Dispositionssphäre des Käufers gewaltig ein. Er kann die Sache nur an den Verkäufer verkaufen. kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 2 von 7
16 Kaufvertrag II Nichterfüllung Nachträgliche Unmöglichkeit: Geht der Kaufgegenstand vor Vertragsabschluss unter, liegt ein Fall der anfänglichen Unmöglichkeit vor. Der Vertrag kommt nicht zustande, doch wird dem Käufer ein Anspruch auf das Vertrauensinteresse gewährt. Geht der Kaufgegenstand nach Vertragsabschluss aber vor der Übergabe unter, so liegt ein Fall der nachträglichen Unmöglichkeit vor. Der Kaufvertrag kommt gültig zustande, doch wird die Erfüllung nachträglich unmöglich. Für die Rechtsfolgen muss unterschieden werden, ob den Verkäufer ein Verschulden am Untergang der Sache trifft, oder ob der Kaufgegenstand zufällig untergegangen ist. Wenn den Verkäufer ein Verschulden am Untergang der Sache trifft, hat er dem Käufer dafür zu haften. Der Verkäufer haftet dem Käufer auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung. Trifft den Verkäufer jedoch kein Verschulden, sondern ist die Sache zufällig untergegangen, stellt sich die Frage der Gefahrentragung. Haftung für Nichterfüllung: Vor der Erfüllung des Vertrages darf der Verkäufer das Kaufobjekt weder vorsätzlich noch fahrlässig zerstören oder beschädigen. Hält er diese Norm nicht ein, haftet er dem Käufer für schuldhafte Nichterfüllung: Der Verkäufer muss den Käufer durch eine Schadenersatzleistung so stellen, wie er stünde, wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden. Man spricht vom Erfüllungsinteresse, Nichterfüllungsschaden oder positivem Interesse. Feststellung des Nichterfüllungsschadens: Zur Berechnung des Schadens wendet man die Differenzmethode an: Man vergleicht den tatsächlichen Vermögensstand mit dem hypothetischen Vermögensstand, der bei ordnungsgemäßer Erfüllung bestanden hätte. Für den Käufer bemisst sich das Erfüllungsinteresse grundsätzlich am Marktwert der Sache. Zu einem über den Kaufpreis hinausgehenden Erfüllungsinteresse des Käufers kommt es, wenn er durch den Kauf ein Saldo herbeigeführt hat. Für den Verkäufer besteht das Erfüllungsinteresse darin, den Kaufpreis vereinbarungsgemäß zu erhalten. Im Verzugsfall stehen ihm Zinsen zu. Deckungsgeschäft: Wenn sich der Käufer die Sache anderwärtig besorgen kann, ist das Erfüllungsinteresse mit den Mehrkosten des Deckungsgeschäfts gleichzusetzen. Entgangener Gewinn (LUCRUM CESSANS): Zum Erfüllungsinteresse zählt nicht nur der Schaden, der darin liegt, dass er den Kaufgegenstand nicht bekommt, sondern auch der Schaden der ihm durch die Verhinderung von Weiterveräußerungschancen entstanden ist. Vorraussetzung für den Ersatz des entgangen Gewinns ist, dass sich die Erwerbschance bereits konkretisiert hat (müsste seinerseits schon einen Kaufinteressenten haben). kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 3 von 7
17 Kaufvertrag II Haftungsmaßstab: Der Verkäufer haftet allenfalls für vorsätzliches Verhalten (DOLUS MALUS) und Fahrlässigkeit (CULPA). Im Einzelfall muss man sich aber die Frage stellen, mit welcher Sorgfalt der Verkäufer die verkaufte Sache behandeln muss. CASE 86: V verkauft K einen bestimmten Sklaven. Nach Kaufabschluss, aber vor Übergabe des Sklaven, erteilt V dem Sklaven einen Befehl, bei dem er sich das Bein bricht. LABEO: Er entscheidet, dass V dem K für diesen Beinbruch nicht einzustehen hat, wenn er ihm etwas befohlen hat, was er ihm auch vor dem Verkauf zu befehlen pflegte und wenn er etwas befohlen hat, was er auch einem nicht verkauften Sklaven befohlen hätte. PAULUS: Er meint es solle nicht darauf ankommen, was V dem Sklaven vor dem Verkauf zu befehlen pflegte, sondern darauf, ob die befohlene Tätigkeit gefährlich ist oder nicht. Ist die befohlene Tätigkeit eine solche, die ein sorgfältiger Hausvater seinem Sklaven nicht befehlen würde, so liegt Verschulden seitens des V vor und er hat dem K dafür zu haften. Gefahrtragung Zufälliger Untergang: Als Gefahr (PERCULIUM) bezeichnet man das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache oder deren Verschlechterung. Zufällig ist der Schadenseintritt dann, wenn er von keiner Partei verschuldet wurde. Der Zufallsbereich umfasst einerseits VIS MAIOR (höhere Gewalt) und CUSTODIA (niederen Zufall). VIS MAIOR: Bei höherer Gewalt handelt es sich um Ereignisse, die man nicht abwehren kann. Gemeint sind unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse, wie der natürliche Tod eines Menschen, ein Schiffbruch, eine Feuersbrunst, Überfälle von bewaffneten Banden, CUSTODIA: Ein niederer Zufall liegt dann vor, wenn der Schadenseintritt durch übermäßige Sorgfalt vermieden worden wäre. Eine solch übertriebene Sorgfalt wird im Rechtsverkehr normalerweise nicht verlangt, doch gibt es Verträge, bei denen der Vertragspartner mit äußerster Sorgfalt handeln muss (zb Leihe) Tritt ein Schaden trotz Ausübung übertriebener Sorgfalt ein, handelt es sich um höhere Gewalt. Untergang infolge höherer Gewalt: Das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache trifft grundsätzlich dessen Eigentümer (CASUM SENTIT DOMINUS). Der Käufer wird erst dann Eigentümer, wenn ihm der verfügungsberechtigte Verkäufer den Kaufgegenstand mittels TRADITIO übergibt. Gefahrtragung bei perfektem Kauf (EMPTIO PERFECTA): Beim perfekten Kauf weichen die Römer bei der Gefahrentragung vom Grundsatz CASUM SENTIT DOMINUS ab und legen PERCULIUM EST EMPTORIS als Grundsatz fest. Ab Perfektion des Kaufvertrages trägt der Käufer die Gefahr. kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 4 von 7
18 Kaufvertrag II Ein perfekter Kaufvertrag liegt dann vor, wenn der Kaufpreis festgesetzt, der Kaufware individuell festgelegt wurde und der Kaufvertrag nicht vom Einritt einer aufschiebenden Bedingung gehemmt wird. Die Regel PERCULIUM EST EMPTORIS besagt, dass der Käufer ab dem Zeitpunkt der Perfektion das Risiko des zufälligen Untergangs der Sache durch VIS MAIOR trägt. Er trägt die Gefahr in zweifacher Hinsicht: Leistungsgefahr: Trotz gültigen Kaufvertrags bekommt der Käufer keine Leistung (weder Primär-, noch Sekundärleistung) Preisgefahr: Der Käufer muss den Kaufpreis bezahlen, bekommt aber keine Gegenleistung. Gefahrentragung beim nichtperfekten Kauf (EMPTIO CONTRACTA): Tritt ein Ereignis von VIS MAIOR zwischen Kaufabschluss und Perfektion ein, das den Leistungsrahmen des Verkäufers einschränkt, aber nicht zur Unmöglichkeit führt, so trifft dieser Nachteil den Verkäufer. Der Kauf wird obligationsmäßig abgewickelt. Tritt ein Ereignis von VIS MAIOR zwischen Kaufabschluss und Perfektion ein und macht dieses die Leistung unmöglich, so bekommt einerseits der Käufer keine Ware (er trägt die Leistungsgefahr), der Verkäufer bekommt aber auch keinen Kaufpreis (Käufer trägt nicht die Preisgefahr). Perfektion: Die Anwendung der Regel PERCULIUM EST EMPTORIAS setzt voraus, dass der Kaufvertrag perfekt geworden ist, dh der abwicklungsreif. Aussonderung: Mit der Aussonderung der zu leistenden Sache aus dem zunächst nur gattungsmäßig beschränkten Leistungsreservoir verwandelt sich die Genusschuld in eine Speziesschuld (Konkretisierung) In der Regel wird die Konkretisierung von Käufer und Verkäufer gemeinsam vorgenommen, so hat der Käufer die Möglichkeit die Gefahr erst kurz vor der Übergabe zu übernehmen. aufschiebende Bedingung / aufschiebende Befristung: Nicht perfekt ist ein aufschiebend bedingter Kaufvertrag, solange die Bedingung noch nicht eingetreten ist, sowie ein aufschiebender befristeter Kaufvertrag vor der Frist. Fehlende Bestimmung des Leistungsvolumens und der Kaufpreissumme: Nicht perfekt ist ein Kaufvertrag, wenn für die Sache ein Preis pro Maßeinheit vereinbart wurde, die Menge aber noch nicht abgezählt wurde und somit kein Gesamtpreis feststeht. Mangel an der Kaufsache: Ein Kaufvertrag ist auch dann nicht perfekt, wenn die Sache einen Mangel aufweist. Die Perfektion trifft mit dem Wegfall oder Beseitigung des Mangels ein. Perfektion bei der Wahlschuld: Bei der Wahlschuld (OBLIGATIO ALTERNATIVA) ist von zwei individuell bestimmten Sachen eine zu leisten. Die Wahlmöglichkeit hat im Zweifelsfall der Verkäufer. kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 5 von 7
19 Kaufvertrag II Solange nicht feststeht, welche der Sachen konkret geleistet wird, ist der Kaufvertrag nicht perfekt. Mit der Ausübung des Wahlrechts kommt es zur Konkretisierung und somit zur Perfektion. Es kommt aber auch dann zur Konkretisierung wenn aufgrund von VIS MAIOR nur noch eine Leistung möglich ist. CASE 84 Paulus: E verkauft T den Sklaven Stichus oder den Sklaven Pamphilus zu einem bestimmten Preis. Variante 1: Nach Kaufabschluss aber vor der Auswahl stirbt zunächst ein Sklave, darauf der zweite. Variante 2: Nach Kaufabschluss sterben beide Sklaven gleichzeitig. AD 1: Mit dem Tod des Sklaven verringert sich das Leistungsreservoir auf den lebenden Sklaven, der Verkäufer wird von der Leistungsverpflichtung nicht frei, sondern muss den lebenden Sklaven leisten. Ab der Perfektion hat der Käufer die Gefahr für VIS MAIOR zu tragen. Stirbt nun auch der zweite Sklave, so hat der Käufer gemäß dem Grundsatz PERCULIUM EST EMPTORIS sowohl Leistungs- als auch Preisgefahr zu tragen. AD 2: Paulus meint, dass einer der beiden Sklaven immer auf Gefahr des Käufers lebt. Sterben also beide Sklaven gleichzeitig, trägt der Käufer ebenfalls Leistungs- und Preisgefahr. Untergang infolge niederen Zufalls: Einige Quellen sprechen davon, dass der Verkäufer dem Käufer für CUSTODIA haftet. Den Verkäufer trifft demnach die Verpflichtung im Bezug auf die verkaufte Sache äußerste Sorgfalt walten zu lassen. Tut er das nicht, verstößt er gegen eine Vertragspflicht und hat dem Käufer ebenso auf das Erfüllungsinteresse zu haften. Verneint man die CUSTODIA- Verpflichtung des Verkäufers, hat er für niederen Zufall nicht zu haften. Er wird von seiner Leistungspflicht frei und muss keinen Schadenersatz leisten. Der Käufer muss keinen Kaufpreis bezahlen. Verzug Schuldnerverzug (MORA DEBITORIS): Liegt vor, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung zum Fälligkeitszeitpunkt nicht so, wie sie vereinbart wurde, anbietet. Schuldnerverzug des Verkäufers: Gerät der Verkäufer mit der Leistung in Verzug, so haftet er auch für den späteren zufälligen Untergang der Sache. Er hat dem Käufer anstelle. Er hat dem Käufer anstelle des unmöglich gewordenen Kaufobjekts Schadenersatz zu leisten. Leistet der Verkäufer den Gegenstand verspätet, so hat er dem Käufer den Schaden zu ersetzen, welcher diesem durch die verspätete Leistung erfahren ist (Verspätungsschaden) Wiegt der Schuldnerverzug so schwer, dass dem Gläubiger ein Festhalten am Vertrag nicht mehr zugemutet werden kann, so kommt auch ein Rücktritt vom Vertrag in Frage. kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 6 von 7
20 Kaufvertrag II Schuldnerverzug des Käufers: Zahlt der Käufer den Kaufpreis nicht rechtzeitig, so hat er dem Verkäufer Verzugszinsen zu leisten, ein darüber hinausgehender Schaden wird nicht ersetzt. Gläubigerverzug (MORA CREDITORIS): Liegt vor, wenn der Käufer die ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht zum vereinbarten Zeitpunkt annimmt. Annahmeverzug des Käufers hat zur Folge, dass der Verkäufer grundsätzlich nur mehr für DOLUS und CULPA LATA haftet. Geht sie Sache aufgrund von CULPA LEVIS, VIS MAIOR oder CUSTODIA unter, so haftet der Verkäufer nicht. Im Falle des Annahmeverzugs kann die Ware an bestimmten öffentlichen Plätzen hinterlegt werden, seit der Regentschaft Diokletians hat die Hinterlegung schuldbefreiende Wirkung. Erwachsen dem Verkäufer infolge des Annahmeverzugs Lagerkosten, so kann er diese mit der ACTIO VENDITI verlangen. Es kann natürlich auch vereinbart werden, dass der Käufer zur Abnahme des Kaufgegenstands nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet ist. kaufvertrag2.doc Lukas Müller Seite 7 von 7
21 Kaufvertrag III EMPTIO VENDITIO Gewährleistung Wurde der Kaufgegenstand übergeben und der Kaufpreis bezahlt, so endet damit das Schuldverhältnis noch nicht. Es können Leistungsstörungen hervorkommen, die zu Gewährleistungsansprüchen des Käufers gegen den Verkäufer führen können. Wesen der Gewährleistung: Im Falle der Gewährleistung muss der Verkäufer für bestimmte, nach der Übergabe auftretende Mängel des Kaufobjekts einstehen. Die Gewährleistungspflicht des Verkäufers besteht unabhängig davon, ob ihn Verschulden an der Mangelhaftigkeit trifft oder nicht. Ein doloses Verhalten führt allerdings zu einer strengeren Haftung. Die Gewährleistung umfasst nur solche Mängel, die zum Zeitpunkt der Übergabe vorliegen oder zumindest angelegt sind, sofern sie nicht nach Perfektion des Kaufvertrages entstanden sind und somit die Regelungen der Gefahrtragung Anwendung finden. Mängel die nach der Übergabe entstehen fallen nicht unter die Gewährleistung. Ab Perfektion auftretende Mängel werden nach den Gefahrentragungsregeln beurteilt: Trifft den Verkäufer Verschulden, so haftet er dem Käufer auf das Erfüllungsinteresse. Erleidet sie Sache zufällig einen Mangel, so trägt der Käufer gemäß dem Grundsatz PERICULUM EST EMPTORIS die Gefahr. Gewährleistung als dispositives Recht: Es steht den Parteien frei, die Gewährleistungspflichten des Verkäufers einzuschränken oder gar auszuschließen. Doch die Privatautonomie findet ihre Grenze bei DOLUS MALUS. Der Ausschluss der Haftung bei dolosem Verhalten wäre nach den römischen Juristen ein Verstoß gegen die BONA FIDES, der Verkäufer hat für doloses Verhalten immer einzustehen. RECHTSMANGELGEWÄHRLEISTUNG Verkauf einer fremden Sache: Für die schuldrechtliche Frage, ob ein Kaufvertrag zustande kommt, ist die Berechtigung des Vormannes grundsätzlich bedeutungslos. Man kann daher Sachen verkaufen, die einem nicht gehören. Eine Ausnahme stellt der Kauf der eigenen Sache (EMPTIO RES SUAE) dar. Eine Sache, die bereits im eigenen Eigentum steht, kann nicht erworben werden. Aufgrund von anfänglicher rechtlicher objektiver Unmöglichkeit kommt kein gültiger Vertrag zustande. Über eine RES FURTIVA kann aber auch dann kein Kaufvertrag geschlossen werden, wenn beide Parteien wissen, dass es sich um eine gestohlene Sache handelt. Verkauft jemand allerdings eine Sache, die ihm nicht gehört, so kann das zu Leistungsstörungen führen: kaufvertrag3.doc Lukas Müller Seite 1 von 7
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