Controlling. für Wirtschaftsingenieure, Ingenieure und Betriebswirte. von Armin Müller, Peter Uecker, Cornelia Zehbold. 1. Auflage
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1 Controlling für Wirtschaftsingenieure, Ingenieure und Betriebswirte von Armin Müller, Peter Uecker, Cornelia Zehbold 1. Auflage Hanser München 2003 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN Zu Inhaltsverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG
2 CARL HANSER VERLAG Armin Müller, Peter Uecker, Cornelia Zehbold Controlling für Wirtschaftsingenieure, Ingenieure und Betriebswirte
3 175 8 Produktionscontrolling Prof. Dr. Werner Hug, Fachhochschule Südwestfalen Hagen hug@fh-swf.de 8.1 Studienziele Dieses Kapitel soll dem Leser ermöglichen Ziele, Anforderungen und Methoden eines zukunftsorientierten Produktionscontrollings kennen zu lernen; Differenzierungen aber auch Verzahnungen zwischen operativem und strategischem Produktionscontrolling zu erkennen; die zentrale Bedeutung einer auf den Grundsätzen der flexiblen Plankostenrechnung aufbauenden Maschinenstundensatzrechung für das Produktionscontrolling zu erfassen und einschätzen zu können; die Möglichkeiten und Grenzen einer differenzierten kostenstellen- und kostenträgerbezogenen Abweichungsanalyse zu erkennen; die Verzahnung eines kostenrechnerisch fundierten Produktionscontrollings mit einer Management-Erfolgsrechnung herzustellen; die Chancen einer Ergänzung der Ergebnis- und Finanzperspektive um Kunden-, Prozess- und Lern- bzw. Innovationsperspektive durch das Balanced Scorecard-Konzept zu erfassen, um dar aus entsprechende Kennzahlen für den Controllingprozess zu generieren; die Notwendigkeit eines konsequent betriebenen Kaizen-Controllings zu verstehen, um so die im Rahmen von kontinuierlichen Verbesserungsprozessen erarbeiteten Ergebnispotenziale auch finanzwirksam werden zu lassen. 8.2 Ziele und Anforderungen an das Produktionscontrolling Ein zukunftsweisendes Produktionscontrolling muss vielfältigen Anforderungen gerecht werden (vgl. Wil demann, 2001, S. 27 ff.). Es zeichnet sich vor allem aus durch seine Wettbewerbs- und (interne) Kundenorientierung, Einbeziehung strategischer und operativer Aspekte, Prozess- und Leistungsorientierung und explizite Einbeziehung der Mitarbeiter und Wertschöpfungspartner. Im Vordergrund steht nicht mehr die Frage: Welches Ergebnis ist erzielt worden?, sondern die Frage: Durch welche Maßnahmenbündel kann der Unternehmenswert nachhaltig gesteigert werden? Produktionscontrolling darf folglich nicht nur kostenrechnerisch fundiert sein. Es muss darüber hinaus zukunftsorientiert jene Lei stungs trei ber identifizieren und mit Kennzahlen hinterlegen, die den strategisch-operativen Führungsprozess best mög lich unterstützen (siehe Abbildung 8.1).
4 176 8 Produktionscontrolling Produktionscontroller müssen sich intensiv damit auseinander setzen, welche strategischen und operativen Controllingaufgaben zukünftig zu erledigen sind und wie knappe Controllingressourcen bestmöglich zur Unterstützung des Führungsprozesses einzusetzen sind. Ausgehend von der strategisch-operativen Planung, sind die wichtigsten Controllingthemen für das zu planende Jahr zu identifizieren und zu priorisieren. Vor aus set zung für ein erfolgreiches (Produktions-)Controlling ist die Standardisierung von Routineaufgaben, damit für projektorientierte innovative Controllingaufgaben ausreichend Controllingkapazität bereitgestellt werden kann (s. Abbildung 8.2). Abbildung 8.1: Perspektiven der Balanced Scorecard Ressourcen und Potenziale Shareholder Value Abbildung 8.2: Produktionscontrolling im Spannungsverhältnis von Standardisierung und Innovation (in Anlehnung an Weber/Schäffer, 2000, S. 59 f.)
5 8.3 Kostenorientiertes Produktionscontrolling 177 Erfolgreiche Produktionscontroller verfügen über ein breit gefächertes Know-how. Sie beherrschen Investitions-, Kostenstellen- und Produktkostencontrolling sowie den Umgang mit der Balanced Scorecard. Sie sind offen für ein zukunftsorientiertes Kaizen-Controlling. Die Integration und Verzahnung von Projektcontrolling und periodenbezogenem Controlling wird zukunftsweisend bewältigt. (Wildemann, 2001, S. 41 ff.). Als interner Consultant versorgt er das Management mit entscheidungsrelevanten Informationen und stellt so eine ra tio na le Unternehmensführung sicher (Weber/Schäffer, 1999). Gemäß den formulierten Anforderungen steht zunächst der Themenkomplex Standardisieren im Fokus des Produktionscontrollings. Im Zentrum steht dabei das Kostenstellen- und Herstellkostencontrolling auf der Basis der flexiblen Plankostenrechnung zu Vollkosten. Balanced Scorecard und Kaizen-Controlling stehen für das Innovieren. Hier wird die Verknüpfung von strategischem und operativen Controllings sowie die Integration von Projektcontrolling und periodenbezogenem Controlling an Hand von Beispielen aus dem Produktionsbereich thematisiert. 8.3 Kostenorientiertes Produktionscontrolling Produktion und Herstellkosten In Abbildung 8.3 werden Zusammenhänge zwischen Fertigungskosten, Herstellkosten und kalkulierten Selbstkosten gezeigt. Es wird deutlich, dass sich Produktionscontrolling im Sinne einer optimierten Wertschöpfung nicht nur auf Fertigungskosten fokussieren darf (wie z. B. Reichmann 1995, S. 277). Wechselwirkungen zwischen Fertigung und Materialkosten einerseits und den F + E-, Ver waltungs- und Vertriebskosten andererseits müssen stets berücksichtigt werden. Die Bedeu tung dieser Zusammenhänge wird deutlich, wenn man die Konzeption der Zuschlagskalkulation durch die Konzeption des Target Costings ersetzt (vgl. Coenenberg/ Fischer/Schmitz, 1997, S ). Abbildung 8.3: Produktion und Produktkalkulation (Beispiel einer mehrstufi gen Zuschlagskalkulation)
6 178 8 Produktionscontrolling Maschinenstundensatzrechnung auf der Basis der flexiblen Vollkostenrechnung Bei Anwendung der Zuschlagskalkulation bekommt ein Produkt mit hohen Einzelkosten wertproportional (prozentualer Zuschlag auf die Einzel- bzw. Herstellkosten) auch Gemeinkosten aus den indirekten Gemeinkostenbereichen zugerechnet (vgl. Männel/ Hummel, 1990, S. 283 ff). Eine verursachungsgerechte Kostenzurechnung auf Produkte gemäß der tatsächlichen Ressourceninanspruchnahme ist damit nicht möglich. Insbesondere in anlagenintensiven Fertigungsbetrieben mit einer heterogenen Produkt- und Fertigungsstruktur hat man hieraus mit dem Einsatz der Maschinenstundensatzrechnung schon sehr früh kostenrechnerische Konsequenzen gezogen. Ziel der Maschinenstundensatzrechnung ist eine differenzierte Produkt-Kalkulation gemäß der in Anspruch genommenen Ressourcen im Produktionsprozess. Die Maschinenstundensatzrechnung ist somit eine spezielle, produktionsorientierte Variante der Prozesskostenrechnung (vgl. Hahn/Kaufmann, 1997, S ; Wildemann, 2001, S. 148 ff.). Die Maschinenstundensatzrechnung erfordert eine detaillierte Kostenstelleneinteilung im Fertigungsbereich bis hin zu einzelnen Maschinen(gruppen) bzw. Arbeitsplätzen mit einer kostenstellengenauen Erfassung der anfallenden Kosten als Kostenstelleneinzelkosten. Die Gemeinkosten des Fertigungsbereichs werden dabei in der Regel über Umlagen oder innerbetriebliche Leistungsverrechnung auf die Kostenstellen und über den Maschinenstundensatz auf die Produkte weiter verrechnet. Legt man für die Ermittlung der Maschinenstundensätze eine Plankostenrechnung zugrunde (vgl. insbesondere Kilger, 1993, S ), gilt folgende Beziehung: Planverrechnungssatz = Plankosten der Kostenstelle (Einzel- und Gemeinkosten) Summe der geplanten Maschinenlaufzeit (Planbeschäftigung) Die Planbeschäftigung der Kostenstelle (Summe der geplanten Maschinenlaufzeit) ergibt sich aus den Vorgabezeiten der Arbeitspläne je Produkteinheit und Arbeitsgang multipliziert mit den in der Planperiode geplanten Produktionsmengen (Plan-Absatzmengen ± geplante Bestandsveränderungen). Die Zusammenhänge zwischen Maschinenstundensatzrechnung, Produktkalkulation, Anlagenwirtschaft (Investition) werden im Folgenden mit Hilfe eines durchgängigen Beispiels aufgezeigt. Im Anschluss daran wird gezeigt, wie auf der Basis der flexiblen Plankostenrechnung und Auftragsnachkalkulation Informationen für ein aussagefähiges Produktionscontrolling generiert werden können. Für die Kostenstelle Tandemstraße eines Kaltwalzwerkes (s. Abbildung 8.4) wird gemäß Produktionsplanung eine Kapazitätsinanspruchnahme von 400 Maschinenstunden (2½-schichtige Auslastung) geplant. Die Fertigungsstraße wird programmunabhängig von 8 Mitarbeitern gefahren. Die Inanspruchnahme des Personals ist direkt proportional zu den geplanten Maschinenstunden. Dies bedeutet einen Mitarbeitereinsatz von Stunden im Monat. Bei 25,00 Personalkosten je Mitarbeiterstunde ergeben sich folglich monatliche Plankosten von (Zur Problematik, Lohnkosten mengenproportional zu planen, vgl. Riebel, 1994, S. 279 f. und 514 ff.).
7 8.3 Kostenorientiertes Produktionscontrolling 179 Ebenso wie die Personalkosten werden die weiteren Kostenarten geplant. Die zu planenden Kosten werden dabei kostenartenweise in leistungsunabhängige (fixe) und leistungsabhängige (variable bzw. proportionale) Kosten aufgespalten. Für die Planung der Kosten werden spezifische Leistungsparameter der Anlage (z. B. Energieverbrauch, Betriebsstoffe), erfahrungsbasierter Verbrauch an Werksgeräten (Walzen) und Werkzeugen, Instandhaltungskosten (für geplante, aber auch ungeplante Instandhaltungsleistungen) sowie anlagenspezifische Kapitalkosten (Abschreibung und Zinsen) herangezogen (zur Planung einzelner Kostenarten vgl. ausführlich Kilger, 1993, S ). Ein Teil der Kosten wird durch innerbetriebliche Leistungsverrechnung auf die Kostenstelle verrechnet (vgl. Kilger, 1993, S. 437 ff.), so zum Beispiel Kosten der anlagenspezifisch erbrachten Leistungen der werkseigenen Instandhaltungsabteilung und der Produktionslogistik. Dies ist aus kostenrechnerischer Sicht so lange korrekt, wie diese Kosten direkt durch die jeweilige Kostenstelle veranlasst sind. Trifft dies nicht zu, so stellt sich die Frage, ob die Kosten der Produktionslogistik nicht aus der maschinenbezogenen Kostenstellenrechnung auszugliedern sind und in einer Logistikkostenstelle Produktionslogistik zu erfassen und zu planen sind. Die Kosten der Produktionslogistik müssten dann gemäß in Anspruch genommener Logistikleistungen auf Kostenträger verrechnet werden. Die Kalkulation würde transparenter und genauer, aber auch aufwändiger als zuvor. Vor- und Nachteile sind abzuwägen. Weitere fixe (Gemein-)Kosten werden über Umlagen auf die Fertigungskostenstellen projiziert, um dann als Bestandteil der Maschinenstundensätze auf die einzelnen Kostenträger weiterverrechnet zu werden. Diese Vorgehensweise vereinfacht zwar die Kalkulation, eine verursachungsgerechte und vor allem transparente Zuordnung der Kostenumlagen auf die Kostenträger kann damit jedoch nicht sichergestellt werden. Auch hier ist zu prüfen, welche Kostentreiber die ausgewiesenen Kosten maßgeblich beeinflussen. Ein Teil der Kosten insbesondere die Kosten der Arbeitsvorbereitung, Produktionsplanung- und Steuerung könnte durch Ermittlung geeigneter Prozesskostensätze direkt auf einzelne Produkte verrechnet werden (vgl. Schweitzer/Küpper, 1998, S. 334 ff. sowie Horváth, 1996, S ). Restliche Umlagen sind sukzessive durch transparente Konzepte innerbetrieblicher Leistungsverrechnung zu ersetzen: bereitgestellte Leistungen haben einen verbindlichen (Verrechnungs-)Preis, eine Belastung der Kostenstelle erfolgt nur bei Leistungsinanspruchnahme. Die Abbildung 8.4 macht auch deutlich, welche Zusammenhänge im betrieblichen Alltag zu beachten sind. Für die Zwecke der Kostenträgerstückrechnung (Kalkulation) ist es beispielsweise nicht erforderlich, die Einzelkostenlöhne über die Kostenstellen- und Maschinenstundensatzrechnung auf die Kostenträger zu verrechnen. Diese Vorgehensweise erleichtert jedoch den Controllingprozess. Alle Kosten, die der Kostenstellenleiter zu verantworten hat, können direkt in der Kostenstellenrechnung abgelesen werden. Die Vorteile dieser Vorgehensweise werden offensichtlich, wenn man den aus den Plankosten abgeleiteten Sollkosten die jeweiligen Istkosten gegenüberstellt, um die kostenstellenspezifischen Verbrauchsabweichungen zu ermitteln (zu verhaltenssteuerungsorientierten Ansätzen der Kosten- und Erlösrechnung vgl. Schweitzer/Küpper, 1998, S ). Nachdem die Plankosten der Kostenstelle ermittelt sind, lassen sich die Maschinenstundensätze (Planverrechnungssätze der Kostenstelle) leicht errechnen. Die Differenzierung der Planverrechnungssätze in fixe und proportionale Maschinenstundensätze
8 180 8 Produktionscontrolling eröffnet vielfältige Möglichkeiten. Eine Vollkosten-Kalkulation ist ebenso möglich, wie eine Erfolgsermittlung auf Basis der Systematik eines Teilkostenrechnungssystems (Deckungsbeitragsrechnung). Abbildung 8.4: Beispiel einer Kostenstellenrechnung auf Basis einer fl exiblen Plankostenrechnung Die Kosten der Kostenstelle setzen sich aus einem Bündel kostenartenspezifischer Kostenfunktionen zusammen (s. Abbildung 8.4). Für die Gesamtkostenfunktion Kostenstelle Tandemstraße gilt: Gesamtkosten (Maschinenstunden) = Plankosten fix + Maschinenstundensatz proportional Maschinenstunden Gesamtkosten = Maschinenstunden
9 8.3 Kostenorientiertes Produktionscontrolling 181 Somit ergibt sich folgende grafische Darstellung der Kostenfunktionen (s. Abbildung 8.5). Abbildung 8.5: Kostenfunktionen Tandemstraße Sollkosten und verrechnete Plankosten Produktkalkulation, Maschinenstundensatzrechnung und Produktionscontrolling Ein wesentliches Element des Produktionscontrollings, das häufig in den Hintergrund tritt, ist die Produktkalkulation. Unter Fortführung des soeben erläuterten Beispiels soll der Zusammenhang zwischen Maschinenstundensätzen und Produktkalkulation verdeutlicht werden. Problemstellung Großkunde Meier fragt für das Produkt 4712 eine zusätzliche Menge von Tonnen per anno an. Wie würde sich bei Annahme des Auftrags die monatliche Planbeschäftigung der Tandemstraße ändern? Wie ändern sich auf der Basis der neu zu ermittelnden monatlichen Planbeschäftigung die Maschinenstundensätze der Tandemstraße, wenn man die in Abbildung 8.6 ausgewiesenen Kalkulationsdaten zugrunde legt? Mit welchen Kosten ist der Kostenträger 4712 bei Zugrundelegung der angegebenen Kalkulationsdaten zu kalkulieren? Dabei wird unterstellt, dass die Prozesskosten und Maschinenstundensätze für die auftragsrelevanten Prozesse und Arbeitsgänge mit Ausnahme der Werte für die Tandemstraße bereits unter Berücksichtigung des Zusatzauftrags kalkuliert sind. Die von der Produktionsplanung ermittelten Kalkulationsdaten sind Ausgangspunkt der weiteren Überlegungen: Ermittlung des Materialeinsatzes, zur Herstellung des Produktes notwendige arbeitsgangbezogene Prozesszeiten sowie Kalkulationselemente vor- beziehungsweise nachgelagerter Beschaffungs-, Logistik- und Vertriebsleistungen.
10 182 8 Produktionscontrolling Der zusätzliche Kapazitätsbedarf der Tandemstraße ermittelt sich wie folgt: monatlich geplante Absatzmenge ( t/12 Monate = t /Monat) multipliziert mit dem Produkt aus produktionsbedingtem Materialübereinsatz je Tonne [1 / (1 11,111%) = 1,1250] und arbeitsgangspezifischer Fertigungszeit je Tonne (0,04 h/t). Abbildung 8.6: Parallelkalkulation (Voll- und Teilkosten) auf der Basis der Maschinenstundensatzrechnung Der zusätzliche Kapazitätsbedarf beträgt 45 h je Monat, die neue Planbeschäftigung der Tandemstraße 445 h je Monat. Die monatlichen Plankosten der Kostenstelle belaufen sich bei unveränderten Fixkosten nun auf Auslastungsbedingt reduziert sich der Maschinenstundensatz fix auf 494,38, der Maschinenstundensatz proportional bleibt unverändert (s. die folgende tabellarische Übersicht 8.1). Tabelle 8.1: Monatliche Maschinenstundensätze Plankosten je Monat Planbeschäftigung fix proportional gesamt ,00 750, , ,38 750, ,38 Auf der Basis der nunmehr für alle Kostenstellen vorliegenden Maschinenstundensätze, des ermittelten Materialeinsatzes, des Schrottanteils und der ausgewiesenen Prozesskosten können jetzt sowohl die Teil- als auch die Vollkosten des Zusatzauftrags kalkuliert werden (s. Abbildung 8.6). Mit Hilfe dieser, mit den Kostenstellen- und Produktverantwortlichen verbindlich festgelegten Kostenstandards können nun laufend (periodisch und/oder fallweise) kostenstellen- und kostenträgerbezogene Abweichungsanalysen durchgeführt werden. Die erste Phase des Controllingprozesses, das planerische Feedforward ist damit abgeschlossen, sodass wir uns nun dem Feed-back zuwenden können.
11 8.3 Kostenorientiertes Produktionscontrolling Kostenstellenbezogene Abweichungsanalysen Auch die Technik der Abweichungsanalyse (vgl. Kilger, 1993, S. 590 ff.; Schweitzer/ Küpper, 1998, S. 636 ff.) soll an einem Beispiel erläutert werden. Im Monat März eines laufenden Jahres sind bei einer Ist-Beschäftigung von 407 Maschinenstunden (geplant waren 445 Maschinenstunden) auf die Kostenstelle Tandemstraße verbucht worden. Die monatlichen Plankosten waren mit veranschlagt (siehe Abbildung 8.7 sowie Tabelle 8.1). Das Produktionscontrolling muss sich folgende Fragen stellen: 1. Welche Gesamtkosten Sollkosten der Ist-Beschäftigung sollten sich gemäß der flexiblen Plankostenrechnung bei einer Beschäftigung von 407 Maschinenstunden ergeben? 2. Was sind die Ursachen für Abweichungen der Istkosten von den Sollkosten? Ist es die veränderte Beschäftigung (Beschäftigungsabweichung)? Ist der tatsächliche mengenmäßige Input einzelner Kostenarten größer/kleiner als geplant (Verbrauchsabweichung) oder/und haben sich die Preise für benötigte Einsatzgüter gegenüber dem Planansatz verändert (Preis- bzw. Tarifabweichung)? 3. Bei welchen Einsatzgütern bzw. Kostenarten können welche Abweichungen festgestellt werden? 4. Wer ist für die jeweiligen Abweichungen verantwortlich? 5. Können die festgestellten negativen Abweichungen durch entsprechende Gegenmaßnahmen kompensiert werden? Sind es einmalige Ausreißer, Planungsfehler, Buchungsfehler usw.? Können positive Abweichungen fortgeschrieben werden? 6. Bestehen Wechselwirkungen zwischen Abweichungen unterschiedlicher Kostenarten (zum Beispiel positive Abweichungen bei den Abschreibungen und negative Abweichungen bei den Einzelkostenlöhnen durch nicht bzw. zu spät getätigte Rationalisierungs- oder Ersatzinvestitionen)? Die gegenüber Plan geringere Beschäftigung ist auf reduzierte Fertigungsmengen zurückzuführen. Unveränderte Fertigwarenbestände vorausgesetzt, bedeutet dies geringere Absatzmengen als geplant. Die Beschäftigungsabweichung von signalisiert, dass die gemäß Kalkulation auf Produkte verrechneten Fixkostenanteile der Tandemstraße nicht über Verkaufserlöse in das Unternehmen zurückgeflossen sind. Weiter wird deutlich, dass die geplanten Ressourcen nur zu 91,5 % in Anspruch genommen wurden. Ausgehend davon, dass der Vertrieb den Umsatz in Kenntnis der kalkulierten Produktkosten geplant hat (integrierte Planung), ist die Beschäftigungsabweichung vom Vertrieb zu verantworten. Aussagekräftig sind in der Regel die Beschäftigungsabweichungen von Engpassanlagen sowie aggregierte Beschäftigungsabweichungen über gesamte Fertigungsbereiche, letztere als Maß der durch schnittlichen Auslastung eines Fertigungsbereichs (vgl. Reichmann, 1996, S ). Die kostenstellenbezogene Verbrauchsabweichung ist als kostenmäßig bewerteter Mehr- oder Minderverbrauch betrieblicher Einsatzfaktoren zu interpretieren. Sie wird durch Gegenüberstellung der auf die Kostenstelle kontierten Istkosten und der Sollkosten der Ist-Beschäftigung ermittelt. Im hier diskutierten Beispiel beträgt die Verbrauchsabweichung Die Istkosten übersteigen die Sollkosten. In der Detailanalyse wird deutlich, dass die Kostenarten Löhne, Energie und Instandhaltung deutlich negativ von den Sollkosten abweichen. Teilweise kompensiert werden diese Negativabweichungen durch geringere Werksgerätekosten, Abschreibungen und (kalkulatorischen) Zinsen. Das Controlling hat die Ursachen der Abweichungen zu ana-
12 184 8 Produktionscontrolling lysieren und erarbeitet gemeinsam mit dem Produktionsmanagement Maßnahmen, um die Zielerreichung sicherzustellen. Im vorliegenden Fall ist zu prüfen, inwiefern sich geplante Rationalisierungsinvestitionen zeitlich verzögern (positive Abweichungen bei Abschreibungen und Zinsen) und somit geplante Personal- und/oder Energiekosteneinsparungen nicht realisiert werden können. Ein konzeptionell schlüssiges Reporting beinhaltet die Identifikation der Abweichungen, die detaillierte Analyse der Ursachen sowie die daraus abgeleiteten Maßnahmenpakete mit Nennung von Verantwortlichen, Terminen, benötigten Ressourcen, erwarteten Kosten und Effekten. Abbildung 8.7: Abweichungsanalyse einer Fertigungskostenstelle mit Hilfe der fl exiblen Plankostenrechung Grundsätzlich muss man bezüglich der Verbrauchsabweichung zwei Kategorien von Kostenarten unterscheiden. Erstens Kostenarten, denen ein homogenes Mengengerüst zugeordnet werden kann und zweitens jene Kostenartengruppen, denen sehr heterogene Mengengerüste zugrunde liegen. Zur Systematik von Spezialabweichungen siehe z. B. Kilger, 1993, S und Reichmann, 1995, S. 287 f. Bei Kostenarten der ersten Gruppe lässt sich die Verbrauchsabweichung in eine Mengenabweichung und in eine Preis- bzw. Tarifabweichung aufspalten. Als Beispiele lassen sich Einzelkostenlöhne und Energiekosten nennen (s. Abbildung 8.7). Durch expliziten Ausweis der Verbrauchsmengen (Plan- und Ist-Mengen Lohnstunden und kwh) in der Kostenstellenrechnung kann die Aufspaltung der Verbrauchsabweichung in eine Mengen- und Tarifabweichung ermittelt werden. Der Mehrverbrauch Strom be-
13 8.3 Kostenorientiertes Produktionscontrolling 185 trägt im Berichtsmonat kwh. Wird dieser Mehrverbrauch mit dem Planpreis von 0,08 je kwh bewertet (4.800 / kwh) erhält man die Mengenabweichung von 2.764,00. Die Preisabweichung errechnet sich wie folgt: Multiplikation des Ist-Verbrauchs in Höhe von kwh mit dem Preisunterschied von 0,00111 je kwh erhält man eine Preisabweichung von 1.170,00. Die Gesamtabweichung beläuft sich auf 3.934,00. Die Mengenabweichung wird dem Kosten stellenverantwortlichen, die Preisabweichung dem zuständigen Einkaufsverantwortlichen zugeordnet. Mengenabweichung ( M) Preisabweichung ( P) M = kwh 0,08 / kwh P = (m plan + m) (p plan p ist ) = m ist p M = P = kwh (0,08 0,08111) / kwh mit p plan Planpreis je kwh, P = m Mengenabweichung M + P = = mit p plan/ist Plan-/Istpreis m plan/ist Plan-/Istmenge Die Analyse der Lohnkosten zeigt, dass die durchschnittlich bezahlten Stundenlöhne um 6,8 % über Plan liegen. Eine detailliertere Analyse ist erforderlich, um die Ursachen der Abweichung herauszuarbeiten: Fehleinschätzung tarifvertraglich induzierter Änderungen in der Planungsphase, Höhergruppierung von Mitarbeitern, strukturell geänderte Zusammensetzung der Bedienungsmannschaft (anderer Lohngruppen-Mix ), kostenintensivere Schichtmodelle u. ä. Die Grenzen eines ausschließlich auf Kostenanalysen gegründeten Controllings werden deutlich sichtbar. Nach Verantwortungsbereichen Kostenstellengruppen (Meisterbereiche), Fertigungsund Werksbereiche verdichtete kostenstellenbezogene Verbrauchsabweichungen eignen sich gut als Führungskennzahlen des Produktionscontrollings, allerdings mit dem Nachteil, dass es sich hierbei um Spätindikatoren handelt. Um die eingangs aufgestellten Forderungen eines systemorientierten Controllings zu erfüllen, sind die Spätindikatoren durch geeignete Frühindikatoren zu ersetzen bzw. zu ergänzen. Dies erfordert eine intensive Auseinandersetzung mit kostenartenspezifischen Kostentreibern Kostenträger- und produktbezogene Abweichungsanalysen Neben kostenstellenbezogenen Abweichungsanalysen kommt produktbezogenen Abweichungsanalysen eine besondere Bedeutung zu. Eine kostenträgerbezogene Abweichungsanalyse (Auftragsnachkalkulation) muss herauszuarbeiten inwiefern Materialausbeute (Materialeinsatz/Erzeugung) und Materialpreise, Vorgabezeiten für Fertigungsprozesse (incl. Rüsten), vorgegebene Fertigungsverfahren, Standardlosgrößen und sonstige Vorgaben den in der Kalkulation zu Grunde gelegten Annahmen entsprechen. Etwaige Abweichungen sind kostenmäßig zu bewerten. Im einzelnen lassen sich folgende Abweichungsarten ermitteln (s. Abbildung 8.8).:
14 186 8 Produktionscontrolling 1. Preisabweichung Materialeinzelkosten 2. Verbrauchsabweichung Materialeinzelkosten 3. Leistungsabweichungen für Fertigungs- und Rüstprozesse 4. Verfahrensabweichungen 5. Losgrößenabweichungen und 6. Abweichungen Sondereinzelkosten. Die Preisabweichung Materialeinzelkosten errechnet sich wie folgt: Ist-Materialeinsatz multipliziert mit der Preisabweichung Planpreis minus Istpreis (je Tonne) abzüglich entsprechender Abweichungen aus Schrotterlösen. Im Fallbeispiel resultiert aus dieser Rechnung ein gerundeter Wert von 700. Die kostenerhöhende Preisabweichung von 20,00 je t eingesetztes Rohmaterial korrigiert um die um 5,00 je t höheren Schrotterlöse ist vom Einkauf zu vertreten. Ermittlung der Preisabweichung (Material) 36,460 t (520,00 /t 540,00 /t) = 729,20 5,875 t (80,00 /t 85,00 /t) = 29,38 = 699,82 Die Verbrauchsabweichung Einzelkosten ist durch die Produktion zu vertreten. Es wurde mehr Material eingesetzt als ursprünglich kalkuliert. Da die Produktion die Preisabweichungen nicht zu vertreten hat, wird der mengenmäßige Mehrverbrauch auf der Basis der Planpreise für das Rohmaterial und den Fertigungsschrott ermittelt. Ermittlung der Verbrauchsabweichung (Material) (36,460 t 30,585 t 1,125) 520 /t = 1.066,98 (36,460 t 30,585 t 1,125) 80 /t = 164,15 = 902,83 Die Summe der Materialabweichungen (Preis- und Verbrauchsabweichung) beläuft sich auf 1.602,65 (gerundeter Wert ). Die Leistungsabweichung für Fertigungs- und Rüstprozesse resultiert aus einem im Vergleich zur kalkulierten Zeit zeitlichen Mehr- oder Minderaufwand für die einzelnen Arbeitsgänge, bewertet mit den Maschinenstundensätzen der jeweiligen Fertigungseinrichtungen. Dies sei anhand des Teil-Fertigungsprozesses Tandemstraße erläutert (s. Abbildung 8.8). Laut Betriebsdatenerfassung beträgt die Ist-Fertigungszeit Tandemstraße für die erzeugte Menge von 30,585 t auf 1,42 h. Für das Walzen einer Tonne Fertigprodukt wurden folglich 0,0464 Stunden benötigt, die Vorgabezeit beträgt (unter Berücksichtigung des Materialübereinsatzes) 0,0450 Stunden. Durch Multiplikation des zeitlichen Mehrbedarfs mit den Maschinenstundensätzen der Tandemstraße zu proportionalen Kosten und Vollkosten ergeben sich die folgenden wertmäßigen Leistungsabweichungen für den Fertigungsprozess. Ermittlung der Leistungsabweichung (Fertigen Tandemstraße) proportionale Kosten: 30,585 t (0,0450 h/t 0,0463 h/t) 750 /h = 32,76 Vollkosten: 30,585 t (0,0450 h/t 0,0463 h/t) /h = 56,78
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