Finanzwissenschaft I Staat und Allokation
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- Daniela Hofmeister
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1 Finanzwissenschaft I Staat und Allokation Robert Fenge Lehrstuhl für Finanzwissenschaft Universität Rostock Tel.: 0381/ robert.fenge@uni-rostock.de
2 Gliederung 1. Was ist Finanzwissenschaft? 2. Der öffentliche Sektor 3. Der Markt und die Hauptsätze der Wohlfahrtstheorie 4. Unvollkommener Wettbewerb 5. Öffentliche Güter 6. Externe Effekte 7. Unvollständige Information 8. Natürliche Monopole 9. Kollektive Willensbildung 10. Staatsversagen
3 Literatur Basisliteratur Wigger, B. (2006): Grundzüge der Finanzwissenschaft, 2.Aufl., Springer Wellisch, D. (2000): Finanzwissenschaft I: Rechtfertigung der Staatstätigkeit, Vahlen Weitere Literatur Corneo, G. (2007): Öffentliche Finanzen: Ausgabenpolitik, Tübingen, Mohr-Siebeck Hindriks, J. und G. Myles (2006), Intermediate Public Economics, Cambridge, MIT Press
4 1. Was ist Finanzwissenschaft? 1.1. Grundlegende Fragen: Wie stark soll der Staat in die Beziehungen der Individuen einer Gesellschaft eingreifen? Kann der Staat (wirtschaftliche) Aktivitäten besser organisieren als die Individuen untereinander? Libertäre Staatsauffassung: The scope of government must be limited. Its major function must be to protect our freedom both from enemies outside our gates and from fellow-citizens: to preserve law and order, to enforce private contracts, to foster competitive markets. Beyond this major function any use of government is fraught with danger. (Friedman, 1962) Sozialistische Marktauffassung: Production is carried on wastefully and without adequate plan. The commodities and services necessary to the life of the community are never so distributed as to relate to need or to produce a result which maximises their social utility...we have, in fact, both the wrong commodities produced, and those produced distributed without regard to social urgency. (Laski, 1967) Wo sind die Grenzen eines sinnvollen Staatseingriffs in den Markt?
5 1.2. Das ökonomische Grundproblem besteht in der Knappheit der Ressourcen, die für Befriedigung menschlicher Bedürfnisse herangezogen werden können. Wie sollen diese knappe Ressourcen verwendet werden? In gemischten Wirtschaftsordnungen gibt es prinzipiell zwei Mechanismen: a) der Preismechanismus des Marktes b) und die Aktivität des staatlichen Sektors 1.3. Funktionen des Staates in einer Marktwirtschaft Ordnungsfunktion: Wahrung der Eigentumsrechte, Vertragsfreiheit, Schutz der körperlichen Unversehrtheit. Innerhalb dieses Ordnungsrahmens: Warum reicht eine freie Marktwirtschaft zur Lösung des ökonomischen Grundproblems nicht aus? Weil die Ergebnisse, die bei einem freien Spiel der Marktkräfte auftreten können, von den Individuen nicht immer erwünscht sind! Um zu bestimmen, was erwünscht ist, müssen Kriterien definiert werden.
6 Effizienz Ressourcen sollen so auf alternative Verwendungsweisen verteilt werden, dass einerseits möglichst große Mengen an Gütern produziert werden können und andererseits diejenigen Güter produziert werden, die eine möglichst gute Bedürfnisbefriedigung gewähren. => Allokationsproblem Gerechtigkeit Ressourcen sollen so eingesetzt werden, dass die Verteilung der Güter als gerecht angesehen werden wird. => Verteilungsproblem Stabilität Wirtschaftliche Entwicklung unterliegt Schwankungen. Ausgleich der Schwankungen, die durch die zyklische Wirtschaftstätigkeit der Wirtschaftssubjekte hervorgerufen werden. => Stabilisierungsproblem
7 Definition Finanzwissenschaft beschäftigt sich mit dem öffentlichen Sektor in seiner Eigenschaft als Fiskus, in seiner Auswirkung auf Niveau und Allokation von Ressourcen sowie im Hinblick auf seinen Einfluss auf die Einkommensverteilung und das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität. Finanzwissenschaft als ökonomische Analyse der Staatstätigkeit wird unterteilt in a) die positive Analyse, die die Anreizstrukturen staatlicher Institutionen für individuelles rationales Handeln untersucht, b) die normative Analyse, die unter Zugrundelegung von Normen und Zielen das Ergebnis staatlichen Handelns beurteilt und Vorschläge zur Verbesserung staatlicher Institutionen liefert, c) die politökonomische Analyse, die demokratische Wahlverfahren analysiert und damit erklärt, wie tatsächliche staatliche Institutionen zustandekommen.
8 Musgravesche Dreiteilung der Staatsfunktionen: Ressourcenallokation, Umverteilung, Stabilisierung Allokationsfunktion: Betrifft die Bereitstellung öffentlicher Güter sowie den Prozess, mit dem die Aufteilung der vorhandenen Ressourcen bestimmt wird. Distributionsfunktion: Die Korrektur der Verteilung von Einkommen und Vermögen in Übereinstimmung mit dem, was die Gesellschaft als gerecht ansieht. Stabilisierungsfunktion: Die Verwendung von Budgetmitteln zur Aufrechterhaltung von Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, Zahlungsbilanzausgleich und angemessenem Wachstum. Es soll die Wellenbewegung des wirtschaftlichen Ablaufs durch staatliches Handeln verstetigt werden.
9 1.4. Allokationstheorie als Frage nach der Koordination einer arbeitsteiligen Wirtschaft: WER soll WAS, WANN, WIE, und WO, mit WELCHEN Produktionsfaktoren und FÜR WEN produzieren. Zusätzlich müssen die produzierten Güter entsprechend den Präferenzen auch gewollt sein. Lösungsvorschläge: Planwirtschaft: Koordination erfolgt durch den Staat Marktwirtschaft: Koordination erfolgt durch die unsichtbare Hand der Marktkräfte Volkswirte versuchen, die Koordination der Märkte zu verstehen, die Fehler in der Koordination aufzudecken und die Bedingungen zu bestimmen, unter denen staatliche Eingriffe eine Verbesserung (effizienter, gerechter, stabiler) der Allokation erreichen.
10 Mögliche Schwachstellen des Marktes Verteilungsergebnisse werden als nicht gerecht empfunden. Externe Effekte z.b. in der Umweltproblematik. Machtkonzentration auf Märkten gereicht zum Nachteil der Konsumenten. Für Eingriffe in den Wirtschaftsprozess muss man allerdings zuerst verstehen, wie die unsichtbare Hand funktioniert (normative Theorie) Frage: Was muss ein funktionierender Markt leisten? Aus Analyse des Ist-Zustandes im Vergleich zur Norm können Marktfehler aufgedeckt werden. Diagnostizierte Marktfehler können dann Anlass für einen wirtschaftspolitischen Eingriff sein. Wichtig: Rationale Wirtschaftspolitik gründet in der Diagnose von Marktfehlern.
11 1.5. Das allgemeine ökonomische Verhaltensmodell Methodologischer Individualismus Die Präferenzen des Individuums sind Grundlage jeder Beurteilung von wirtschaftlichen Zuständen. Der Staat wird nicht als Einheit oder selbständiges Organ betrachtet, sondern sein Handeln wird aus den Entscheidungen der Individuen abgeleitet. Homo oeconomicus Es wird unterstellt, dass die Menschen (langfristig) rational handeln und das Beste in der ihnen vorgegebenen Situation tun. Als Grund für eine Fehlallokation am Markt wird also nicht die Dummheit der Menschen betrachtet.
12 Eigennutzannahme: Individuen entscheiden und handeln nach eigenem Vorteil. Altruistisches oder bösartiges Verhalten wird nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber Annahme ist, dass in den meisten Fällen (im Durchschnitt) egoistisches, nutzenmaximierendes Verhalten überwiegt. Annahme gegebener Präferenzen und veränderlicher Beschränkungen: Da Ressourcenknappheit vorliegt, können die Bedürfnisse der Individuen nur beschränkt erfüllt werden. Annahme: Präferenzen sind gegeben, aber die Beschränkungen sind variabel. Bei Ihrer Nutzenmaximierung unterliegen sie jedoch zwei unterschiedlichen Arten von Beschränkungen: 1. echten ökonomischen Beschränkungen, (wie z.b. Zeit, Land, Ressourcen, etc.) 2. Surrogatsbeschränkungen (künstliche Beschränkungen etwa durch den Staat), die unter Umständen zu einer suboptimalen Allokation führen können.
13 1.6. Kollektive versus individuelle Rationalität Problem: Maximiert jedes Individuum seinen Nutzen, dann ist nicht sichergestellt, dass ein gesamtwirtschaftliches Nutzenmaximum erreicht wird. Beispiel Theater: Wenn man einen schlechten Platz hat, lohnt es sich aufzustehen, um besser sehen zu können. Wenn jedoch alle aufstehen, hat jeder die gleiche Sicht wie bisher, nur muss nun jeder die ganze Zeit stehen. Im Theater wird dieses Problem durch ungeschriebene Gesetze gelöst, im Falle einer Volkswirtschaft sind meistens geschriebene Gesetze nötig. Das ungeschriebene Gesetz "Du darfst nicht stehen" verhindert, dass individuelle Nutzenmaximierung zu einer Nutzenminderung aller Individuen führt. Es wird nicht durch die übergeordneten Präferenzen der Theaterleitung legitimiert, sondern durch die Präferenzen der Zuschauer selbst. Das ist Politik auf der Basis des methodologischen Individualismus.
14 Beispiel Gefangenendilemma: Zwei Personen haben zusammen eine Straftat verübt und werden von der Polizei verhaftet. Es gibt eine Kronzeugenregelung: Wenn einer der beiden die Straftat gesteht, wird er sofort freigelassen und der andere, der geschwiegen hat, bekommt lebenslänglich. Wenn beide gestehen, muss jeder von ihnen 10 Jahre im Gefängnis verbringen. Falls beide leugnen, werden sie mangels Beweis nach der U-Haft freigelassen (0,5 Jahre). Die beiden Verdächtigen befinden sich in unterschiedlichen Zellen und können nicht miteinander kommunizieren. B A Leugnen Gestehen Auszahlungsmatrix Leugnen Gestehen Kollektive Rationalität: Minimum der Haftsumme 0,5 / 0,5. Für beide Individuen aufgrund ihrer Präferenzen das optimale Ergebnis. Individuelle Rationalität: Gestehen ist dominante Strategie: 10/10. 0,5 0 0,
15 Beispiel Umwelt: Es gibt zwei Individuen, die jeweils ein Auto besitzen, das mit seinen Abgasen die Luft verpestet. Mittels eines Rußpartikelfilters ließen sich die Emissionen vermindern. Die Kosten eines Filters betragen 1000,- und sein Nutzen für A und B jeweils 600,- (kann auch als Zahlungsbereitschaft interpretiert werden). Auszahlungsmatrix B A Filter Kein Filter Filter Kein Filter Kollektive Rationalität: Beide bauen einen Filter ein und haben einen Nutzengewinn von je 200. Individuelle Rationalität: Kein Filter ist dominante Strategie: 0/0
16 Beispiel Umwelt wenn Subvention gezahlt wird: A und B müssen die Kosten jeweils zur Hälfte tragen. D.h. wenn nur A den Filter einbaut, muss B 500 zu den Kosten beitragen (Steuer/Subventionslösung). Auszahlungsmatrix B A Filter Kein Filter Filter Kein Filter Kollektive Rationalität: wie vorher. Individuelle Rationalität: Filter einbauen ist nun dominante Strategie, unabhängig davon, was der andere tut: 200 / 200.
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