Gier, Gemeinwohl und das Management von Motivationen
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- Detlef Adenauer
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1 Gier, Gemeinwohl und das Management von Motivationen Margit Osterloh
2 (1) Gier (2) Gier Zwei Definitionen von (Hab)-Gier aus der Sicht der Ökonomik = unbegrenztes Eigeninteresse im Sinne von rationalem Streben nach materiellem Besitz im Rahmen der rechtlichen Ordnung -> dient dem Gemeinwohl (Adam Smith, Milton Friedman) -> Gier = moralischer Egoismus = übersteigertes Eigeninteresse im Sinne von rationalen Streben nach materiellen Besitz unter Inkaufnahme von negativen externen Effekten -> schadet dem Gemeinwohl -> Gier = unmoralischer Egoismus 1 /23
3 Gier als moralischer Egoismus Adam Smith (1776/1978): Nicht vom Wohlwollen des Metzgers, Brauers und Bäckers erwarten wir das, was wir zum Essen brauchen, sondern davon, daß sie ihre eigenen Interessen wahrnehmen Milton Friedman (1962): The only social responsibility of business is to use ist resources and engage ist activities designed to encrease ist profits so long as it stays within the rules of the game -> Dignity and sanctification of greed (Lerner 1937) 2 /23
4 Gier als unmoralischer Egoismus Williamson (1984): Opportunism or selfishness with guile is to engage in the full set of ex ante and ex post efforts to lie, cheat, steal, mislead, disguise, obfuscate, feign, distort and confuse. Empfehlung: Motivationsmanagement (Belohnung und Bestrafung) so ausgestalten, als ob alle Individuen Opportunisten seien (Worst Case Szenario). 3 /23
5 Problem Fördert die Lehre vom moralischen Egoismus tatsächlich das Gemeinwohl? Sind Unternehmensskandale, Abzockerei etc. die Folge einzelner bad apples oder dysfunktionale Konsequenzen der Lehre vom moralischen Egoismus? 4 /23
6 Voraussetzungen der Wirksamkeit des moralischen Egoismus im standardökonomischen Modell Annahmen über Präferenzen: 1. Unbegrenztes Eigeninteresse 2. Gilt für alle Individuen 3. Stabile Präferenzen 4. Vollständige Kenntnis der eigenen Präferenzen -> Herausdrängen der Psychologie aus der Ökonomik -> Homunculus oeconomicus 5 / 23
7 Folgerungen für das Motivations-Management zur Steigerung des Gemeinwohls im standardökonomischen Modell 6 /23
8 Ø Leistung pro Arbeiter Empirische Evidenz: Materielle Anreize erhöhen Leistung Safelite Autoglas-Einbau: Einführung Akkordlohn führt zu 20% Leistungssteigerung (Lazear 2000) 7 /23
9 Ø Problemlösungszeit in Sek. Empirische Evidenz: Materielle Anreize verringern Leistung Aufgabennummer Variabler Leistungslohn verlängert die Lösungszeit für kreative Aufgaben um 50% (McGraw/McCullers 1979) 8 /23
10 Revision der Standardökonomik durch die Befunde der Psychologischen Ökonomik Art der Präferenzen Standardökonomik Unbegrenzt eigennützig Psychologische Ökonomik eigennützig und prosozial Unterschiede zwischen Individuen nein ja Stabilität der Präferenzen ja nein Kenntnis der eigenen Präferenzen vollständig unvollständig 9 /23
11 Zu 1: Art der Präferenzen Zwei Arten von Motivation: Extrinsische Motivation: Intrinsische Motivation: Dient der mittelbaren Bedürfnisbefriedigung (Belohnung) Handeln ist instrumentell (Mittel zum Zweck) Dient der unmittelbaren Bedürfnisbefriedigung Handeln ist der Zweck - flow = eigennützige Freude an der Arbeit, - prosoziale Motivation ( Altruismus, Reziprozität) 10 / 23
12 Zu 2: Unterschiede zwischen Individuen Prosoziale Präferenzen Altruismus (unkonditional) Reziprozität (konditional)... sind Teile der intrinsischen Motivation... sind bei unterschiedlichen Menschen in unterschiedlicher Stärke vorhanden 11 / 23
13 Zu 2: Unterschiede zwischen Individuen Diktatorspiel: Ökonomie-Studierende der Standardökonomik sind weniger altruistisch als Studierende anderer Fächer (Frank et al. 1993; Wang et al. 2011) Studentinnen sind im Diktatorspiel altruistischer als Studenten (Eckel & Grossman 1998) Ultimatumspiel: Starke kulturelle Unterschiede (Henrich et al. 2001) 12 /23
14 Zu 2: Starke kulturelle Unterschiede Bevölkerungsgruppe Lamalera, Walfänger, Indonesien Aché, Brandroder & Jäger, Paraguay Bevölkerung der Industrieländer Hadza (Grossgruppen), Jäger & Sammler, Tansania Torguud, Viehhirten, Mongolei Mapuche, Kleinbauern, Chile Hadza (Kleingruppen), Jäger & Sammler, Tansania Machiguenga, Brandroder, Peru Abgeb. Geldsumme (%) /23
15 Zu 3: Veränderliche Präferenzen Verdrängungseffekt Prosoziale Präferenzen können reduziert werden, wenn Tätigkeit vorher intrinsisch motivierend war der extrinsische Anreiz kontrollierend ist Defekteure nicht bestraft werden (konditionale Kooperationsbereitschaft) der extrinsische Anreiz den Verlust intrinsischer Motivation nicht ausgleicht durch Framing durch cognitive self-awareness 14 / 23
16 Zu 3: Veränderliche Präferenzen Verstärkungseffekt Prosoziale Präferenzen können verstärkt werden z.b. durch Verstärkung der Autonomie in der Arbeit statt pay for performance (Deci & Ryan 2000) Kompetenzerleben, Auszeichnungen (Frey & Neckermann 2008) Soziale Eingebundenheit, Partizipation, Fairness (Frey & Torgler 2008; Tyler & Blader 2000) Framing, Signale über sozial angemessenes Verhalten (Lindenberg & Foss 2011) 15 / 23
17 Zu 3: Beispiel für den Verdrängungseffekt durch pay for performance : Sammeln für die Krebshilfe V (Gneezy & Rustichini 2000a) 16 / 23
18 Zu 3: Beispiel für den Verdrängungs- /Verstärkungseffekt durch Bestrafung von Defekteuren durch das Team Mean Contribution Level (Quelle: Fehr & Gächter 2000) 17 / 23
19 Zu 3: Beispiel für den Verdrängungseffekt durch Framing: Abholen vom Kindergarten Nach Einführung einer Buße holen doppelt so viele Eltern ihre Kinder zu spät vom Hort ab (Quelle: Gneezy & Rustichini 2000 b) 18 / 23
20 Zu 3: Beispiel für den Verdrängungs- /Verstärkungseffekt durch Framing Laborexperiment Community Game versus Wallstreet Game (Liberman, Samuels & Ross 2008) Feldexperiment Diebstahl aus Briefkasten ohne und mit Grafitti (Keizer, Lindenberg & Steg 2008) Befragung Studierende Nichtökonomen schätzen Gier positiv ein, wenn sie vorher standardökonomischen Argumenten ausgesetzt waren (Wang, Malhotra & Murningham 2011) 19 / 22
21 Zu 3: Beispiel für den Verstärkungseffekt durch cognitive self-awareness Titanic versus Lusitania (Frey, Savage & Torgler 2010) 20 /17
22 Zu 4: Unvollständige Kenntnis der eigenen Präferenzen Ergebnisse der ökonomischen Glücks- /Lebenszufriedenheitsforschung Individuen schätzen langfristigen Nutzen falsch ein, z.b. Reichtum macht glücklich - aber in geringerem Ausmass als Arbeit oder Gesundheit Nicht absoluter, sondern relativer Reichtum zählt (Easterlin Paradox) (Frey & Stutzer 2008; Frey & Frey Marti 2010) 21 /23
23 Fazit Die Lehre vom moralischen Egoismus fördert den unmoralischen Egoismus durch unrealistische Annahmen der Standardökonomie, -> sich selbst erfüllende Prophezeiung, verursacht durch - institutionelle Designs (Selbstselektion, Verdrängung/ Verstärkung) - Framing/Normenbildung - unvollständige Kenntnis der eigenen Präferenzen 22 /17
24 Folgerungen für das Motivations-Management zur Steigerung des Gemeinwohls im Modell der Psychologischen Ökonomik Unternehmung: 1. Sorgfältige Selektion in Bezug auf prosoziale Präferenzen 2. Fixe Entlohnung (evtl. mit Gewinnbeteiligung) bei komplexen Tätigkeiten 3. Faire Entlohnungsgrundsätze (distributive und prozedurale Fairness) 4. Auszeichnungen 5. Bestrafung von Defekteuren durch das Team 6. Framing der Beschäftigung als Community Game anstelle als Wall Street Game 23 / 23
25 Folgerungen für das Motivations-Management zur Steigerung des Gemeinwohls im Modell der Psychologischen Ökonomik Gesellschaft Nicht: Maximierung des Bruttosozialglücks durch benevolente Diktatoren/Regierungen Sondern: Information der Individuen über die Einflussfaktoren der Lebenszufriedenheit Forschung Erweiterung des dominanten Modells der Standardökonomik durch realistische Annahmen Verstärkte Forschung über institutionelle Konsequenzen der Psychologischen Ökonomik 24 /23
26 Literatur Bruno Frey & Margit Osterloh: Managing Motivation, 2. Auflage, Gabler Verlag Wiesbaden 2002 Margit Osterloh & Katja Rost (Hrsg) : Der Anstieg der Management- Vergütung: Markt oder Macht? Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden 2011 Margit Osterloh & Antoinette Weibel: Investition Vertrauen. Prozesse der Vertrauensentwicklung in Organisationen. Gabler Verlag Wiesbaden 2006 Bruno S. Frey & Claudia Frey Marti: Glück- Die Sicht der Ökonomie. 2. Aufl. Ruegger Verlag Zürich/Chur / 23
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