Gewalt: Ursachen und Präventionsmöglichkeiten in der Schule
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- Margarete Dittmar
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1 Gewalt: Ursachen und Präventionsmöglichkeiten in der Schule Prof. Dr. Rainer Dollase Universität Bielefeld, Abt. Psychologie und Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Pädagogisches Zentrum Hamm
2 Gliederung 1. Gibt es heute mehr Gewalt als früher? 2. Aggressionen verstehen - ein Modell zum Merken 3. Was können wir vorbeugend gegen Gewalt tun?
3 1. Gibt es heute mehr Gewalt als früher?
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7 Widerspruch: Praktiker behaupten, Gewalt habe deutlich zugenommen - Wissenschaft nicht (Klockhaus/Funk, ) Tatsachen sprechen gegen Zunahme von Gewalt: z.b. Raufunfälle in Hauptschulen von 48,6 auf 32,8 von 1993 auf 2003 gesunken (Bundesverband Unfallkassen)
8 Zeitwandelstudien (Ridder/Dollase 1999): In unserer Klasse gibt es viel Streit Zustimmung sank von 66% in 1983 auf 55% in 1996
9 Warum die Praktiker mehr Gewalt wahrnehmen als früher Die Normen der Beurteilung haben sich verschoben (Zeitwandelstudien bestätigen dies) - Menschen heute sind gewaltempfindlicher Die Erinnerung trügt (Bsp Schule) Der Nachwuchs wird seit tausenden von Jahren schlechter dargestellt als wir früher Die wissenschaftlichen Untersuchungen sind falsch
10 persönliche Erinnerungen tägliche, handgreifliche Auseinandersetzungen Halbstarkenkrawalle Prügelstrafe in Elternhaus und Schule
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12 Halbstarkenkrawalle [Bearbeiten] Erste Halbstarkenkrawalle entluden sich nach Konzerten oder Filmvorführungen, die auch später noch oft der Anlass waren. So zogen am 30. Dezember 1956 im Anschluss an eine Vorführung des Films Außer Rand und Band mit Bill Haley rund 4000 Jugendliche randalierend durch die Innenstadt von Dortmund, belästigten Passanten und lieferten sich Auseinandersetzungen mit der Polizei. Großkrawalle fanden besonders von statt. Häufig wurde das Mobiliar der Kino- und Konzertsäle dabei vollständig zerstört. Die Halbstarkenkrawalle führten zu scharfen Diskussionen in den Medien und der Politik. Auf besonderes Unverständnis stieß dabei die scheinbare Sinn- und Ziellosigkeit der Randale. Als Hauptschuldige für diese Entwicklung wurde häufig die amerikanische Populärkultur genannt. Heute werden die Krawalle, aber auch allgemein das Phänomen Halbstarke, häufig als Protest an der damaligen, von den Jugendlichen selber als streng und trostlos empfundenen Gesellschaft und ihren Autoritäten verstanden, auch wenn dieser Protest auf keinen Fall politisch motiviert und organisiert war. Der Begriff "Halbstarker" ist heute allerdings unüblich beziehungsweise unmodern.
13 Aber... Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung bei 14-17jährigen in NRW 1996: : Zunahme um 63%
14 Gründe Anzeigeverhalten gewandelt? Gewaltsensibilität gestiegen? Anklage wegen Nichtigkeiten?
15 Aktueller Wertewandel bei Kindern und Jugendlichen...
16 Zufriedenheitsurteile über Eltern, Freunde, Lehrkräfte und Schulklasse von SchülerInnen der SI aller Schulstufen (N = 7800, Ende der 90er Jahre) Jahre Jahre Jahre Jahre 1,2 1,4 1,6 1,8 2 B B J J J B J B 2,2 2,4 H 2,6 H 2,8 3 H H B J H Eltern Freunde Schulklasse LehrerInnen
17 Wertediskrepanz Lehrer und Schüler religiös sein Gehorsamkeit was zu sagen haben Ehrgeizig sein Sauberkeit Wohlstand Erfolg haben Sicherheit Bescheidenheit H JH J H J H B JH B BJ H J JH J B B B H B BJ B H Leben genießen Schutz der Umwelt abwechslungsreiches Leben unabhängig sein soziale Gerechtigkeit Hilfsbereitschaft Toleranz Ehrlichkeit Frieden H J B B JH HJ B HB J BH J BH J B H J HB J B HJ 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 5 5,5 6 B J H Lehrer (ca.85) Schüler SI (ca.175) Schüler SII (ca.225)
18 Bist Du zu den anderen Kindern in der Klasse meistens nett? Gehst Du gerne in die Schule? Verträgst Du Dich mit den anderen Kindern gut? J JB B JB Gefällt es Dir zuhause oder in der Schule besser? (zuhause) JB hon einmal vorgekommen, daß Du ein Kind aus Deiner Klasse geschubst, gestoßen oder geschlöagen hast? Hast Du es lieber, wenn in der Schule jeder für sich arbeitet oder mehrere zusammen? (jeder für sich) Gibt es viele Kinder, die Dich nicht leiden können? B B J BJ J Gibt es viele Kindern, die Du nicht leiden kannst? B J Wirst Du oft wütend, wenn etwas nicht klappt? B J Macht es Dir viel aus, wenn andere Kinder sich mit Dir streiten? B J Tun die anderen Kinder meist das, was Du ihnen sagst? J B Fangen die anderen Kinder oft Streit mit Dir an? B J Fällt es Dir oft schwer, in der Schule aufzupassen Ärgern Dich die anderen Kinder in der Klasse viel? B B J J Lachen Dich andere Kinder oft aus? Guckst Du gerne zu, wenn andere Kinder spielen, oder spielst Du lieber mit? (zugucken) B BJ J B J 1974 (N=170) 1997 (N=1222)
19 2. Aggressionen verstehen - ein Modell zum Merken
20 Die üblichen Schuldigen... Die Arbeitslosigkeit und die Fremden - aber: in Liechtenstein gibt es Gewalt und Rechtsextremismus Fernsehen und Videospiele... na klar
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22 TV und Aggression
23 Ungefähr gleich starker Einfluß... Fernsehen und Videospiele elterlicher Erziehungsstil die Gleichaltrigen die Lehrer die Persönlichkeit des Kindes/Jugendlichen
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25 Lehrkräfte und Mitschüler als Ärgernisse
26 Gruppen als Aggressionsanlass... Mensch ist ein Cliquenwesen... Provokationen und Frustrationen in Gruppen häufiger möglich Entwicklungsrisiko Gruppe
27 Je netter die Lehrkräfte... desto weniger Gewaltneigung in einer Schulklasse desto weniger Fremdenfeindlichkeit (N=7800, r ca..26)
28 Aggressivität angeboren? Ja - jeder Mensch ist dazu fähig. Aggression ist ein Schutzmechanismus. Persönlichkeitsmerkmale/ Temperamentseigenschaften erschweren Erziehung zur Friedlichkeit.
29 Die Big Five (nach Borkenau u.a.) Extraversion - Introversion Soziale Verträglichkeit - Unverträglichkeit Gewissenhaftigkeit - Nachlässigkeit Emotionale Stabilität - Instabilität Intellekt/Offenheit - unwissend, ungebildet
30 Die neuen Temperamentsdimensionen* 1. Aktivität- Passivität 2. Regelmäßigkeit biologischer Funktionen vs. Unregelmäßigkeit 3. Annäherung - Vermeidung (Hemmung) 4. Anpassungsvermögen 5. Sensorische Reizschwelle (hoch - niedrig) 6. Stimmungslage (negative - positive Emotionalität) (7. Intensität,später we$efa%en) (8. Ablenkbarkeit 9. Ausdauer = zusammengelegt) 7. Aufmerksamkeit/Ausdauer * nach Zentner, M. Die Wiederentdeckung des Temperaments, Fischer TB,1999
31 Entwicklungsverlauf
32 Und wo ist das Modell zum Merken?
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34 Was ist Aggression? Physische, verbale und relationale Aktion/ offen-verdeckt/ individuell - kollektiv Schädigung, Intention und Normabweichung Gewalt = körperliche Aggression instrumentell (Erlangung und Abwehr) - Ärger Aggression (Unmut und Vergeltung - Spontane Aggression
35 Zitat zur Gewalt gegen unbeteiligte Dritte Auch wenn es der landläufigen Meinung entgegensteht - dass sich provozierte Gewalt gegen unbeteiligte Dritte richtet, kommt ziemlich selten vor. (Spektrum der Wissenschaft, 1/2002)
36 Am Anfang... steht immer eine provozierende Aktion (bewußt oder unbewußt, manchmal unbeabsichtigt) Menschen haben ein hierarchisches Selbstinteresse - Dominanzorientierung - Narzissmus - überhöhtes Selbstwertgefühl Sie wollen besser sein als andere, ertragen es nicht, schlechter zu sein als andere, Neid
37 Zitat zu Selbstwertgefühl und Aggression Unsere Untersuchungen besagen, dass Menschen mit geringem Selbstwertgefühl wenig dazu neigen, aggressiv zu reagieren. Gefährlich sind diejenigen, die sich für etwas besseres halten als ihre Mitmenschen. (Baumeister, R., 2002)
38 Zitat zu Ängstlichkeit und Aggression Entgegen einer unter Psychologen und Psychiatern ziemlich verbreiteten Ansicht haben wir keine Anzeichen dafür gefunden, dass die despotischen Jungen unter dem rauen Äußeren ängstlich und unsicher sind (Olweus, D. 2002)
39 Es folgt... Eine Bewertung des Angegriffenen über die Provokation... (War es eine Bedrohung?) manche aber sind so empfindlich, daß sie schon durch geringe Einschränkungen provoziert werden ( Was guckst du so...) Wie kann ich reagieren? (Welche Handlungsmöglichkeiten habe ich?)
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41 ... und dann die aggressive Reaktion die fällt bei manchen verbal, handgreiflich, versteckt, offen, durch Brüllen, ironisch, mimisch, harmlos oder gewalttätig aus...hängt davon ab, was möglich ist; was man für wirkungsvoll hält
42 Das Modell Provokation Bewertung Reaktion
43 3. Was können wir vorbeugend gegen Gewalt tun?
44 Drei Strategien 1. Die Provokationen vermeiden, d.h. die Auslöser von Aggression vermindern 2. Die Provokationen anders bewerten, d.h. desensibilisieren,nehmerqualitäten entwickeln 3. Die Reaktionen auf Provokationen zivilisieren
45 Strategie: Provokationen vermeiden Bedrohung und Verletzung anderer vermeiden Höflichkeit, Toleranz einüben eigene Wünsche nicht provozierend äußern Die Interessen der anderen respektieren außer mir wollen auch die anderen was vom Leben haben
46 Prinzipien der Ich Gesellschaft (Auswahl) Selektionsprinzip ( Nur das Starke und Gute kann überleben ) Selbstverantwortungsprinzip ( Jeder ist seines Glückes Schmied ) Leistungsprinzip ( Jeder nach seiner Leistung ) Hierarchisierungsprinzip ( Es gibt wertvolle und wertlose Menschen! Adultisierungsprinzip ( Lehrjahre sind keine Herrenjahre )
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49 Strategie: Provokationen anders bewerten Situation des Provokateurs verstehen Warum hat er das wohl getan? War es wirklich so schlimm? Bin ich zu empfindlich? Wie hart muß man reagieren? Geht es auch friedlicher?
50 Strategie: Die Reaktionen auf Provokationen zivilisieren.. Ich - Botschaften senden Deeskalieren ablenken Aggressionshemmungen aufbauen
51 Noch eine wichtige Möglichkeit... Ressourcen schaffen, nett sein, herzlich erziehen... (r= -.26, Lehrer nett mit Aggression und Fremdenfeindlichkeit)
52 Herzlichkeit und Wärme..sind Teile einer Schutzschicht, dämpfen die Neigung zur Provokation, Überempfindlichkeit, fördert Toleranz, zivilisiert Reaktion auf Provokation
53 Und besondere Aufgaben für die LehrerInnen und die Schulleitung?
54 Nur evaluierte Programme einsetzen Programme richtig einsetzen LehrerInnen und SchülerInnen nett behandeln Streitfälle verständnisvoll schlichten Ein fröhliches, positives Interaktionsklima schaffen (nicht nur: ein Anti-Gewalt Klima)
55 Bewertung von Anti- Gewalt Programmen durch Prof. Dr. Siegfried Preiser (Universität Frankfurt) Kriterienkatalog der Sektion Politische Psychologie des BdP erstellt Gutachten durch Fachleute
56 Sind Sie stark genug, etwas Kritisches über Programme zu erfahren?
57 Teacher proof curricula gibt es nicht Programme und Projekte als Alibifunktion Programme und Projekte ändern oft den Alltag nicht Teuer und zeitaufwendig Nicht mit dem pädagogischen Alltag vereinbar
58 Du bist auch eine Präventionsmethode Gewalt und Fremdenfeindlichkeit verschwindet im Kontakt von Mensch zu Mensch
59 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
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