Pädiatrix Heft 3 / Insulin- pumpen- therapie
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- Hedwig Raske
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1 Pädiatrix Heft 3 / 2007 Insulin- pumpen- therapie
2 Quelle: bmp von Dr. Corinna Volz-Zang Die ist ein Paradebeispiel für Heimselbstbehandlung. Dr. Christian Vogel Mit dem Wissen, dass bei Diabetikern auch kurzzeitige Blutzuckerentgleisungen zu Folgeerkrankungen führen und es darum gilt, eine normoglykämische Stoffwechsellage zu erreichen, bei der es weder zu Hyper- noch zu Hypoglykämien kommt, hat sich die Diabetestherapie in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert. Mit der Einführung der intensivierten Insulintherapie Grundversorgung mit einem Basisinsulin und zusätzliche Gabe kurzwirksamer Insuline zu den Mahlzeiten ist zwar ein flexiblerer Lebenswandel mit trotzdem meist guter Blutzuckereinstellung möglich geworden, doch ist diese Therapieform mit erheblichem Aufwand und vor allem mehrfachen täglichen Injektionen verbunden. Schon lange bemüht sich Indikationen zur Umstellung auf CSII Verbesserung der Stoffwechselsituation (hyperglykämische Blutzuckerwerte, überhöhter HbA1c-Wert) Vermeidung gehäufter Hypoglykämien Dämmerungsphänomen (Dawn-/Dusk-Phänomen) Diabetes im Säuglings- und Kleinkindalter Erhöhung der Flexibilität Förderung der Motivation Sicherstellung einer normoglykämischen Stoffwechseleinstellung bei Schwangerschaft Ultima ratio (definiert durch die AG Pumpentherapie im Kindes- und Jugendalter, Quelle: Dr. Vogel) die Forschung um Möglichkeiten, eine optimale Blutzuckereinstellung ohne die lästige Spritzerei zu ermöglichen. Bereits in den späten 1970er Jahren standen die ersten Insulinpumpen zur Verfügung [1]. Jedoch erst durch die Weiterentwicklung, die dazu führte, dass die Geräte kleiner und handlicher wurden, wurde diese Therapieoption für den Alltag interessant und wird seitdem immer häufiger eingesetzt. bei Kleinkindern Ist schon für Erwachsene die Vorstellung, sich nicht mehrfach täglich Insulininjektionen setzen zu müssen, eine verlockende Therapieoption, ist es das erst recht für Kinder und Jugendliche. Gerade wegen des stark schwankenden Stoffwechsels bei Säuglingen und Kleinkindern sowie der besonders großen Hemmungen der Eltern, die kleinen Kinder mehrfach täglich mit Spritzen zu malträtieren, ist gerade für diese Altersgruppe die (CSII) eine äußerst interessante Option. Der erste Bericht über eine bei Kindern unter sechs Jahren liegt inzwischen bereits über zwanzig Jahre zurück [2]. Zwar wurden auch danach zahlreiche Studien zur bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt.
3 Trotzdem war über lange Zeit die Datenlage gerade bei Kleinkindern und Vorschulkindern wenig überzeugend, da es sich zum einen um Studien mit geringer Teilnehmerzahl und zum anderen häufig um retrospektive Studien oder Studien ohne Kontrollgruppen handelte, sodass es Vorbehalte gab, die Insulinpumpen in dieser Altersgruppe einzusetzen. Inzwischen sind jedoch eine Reihe prospektiver kontrollierter Studien mit der bei kleinen Kindern mit Typ-1-Diabetes durchgeführt worden. Dr. Erica Eugster, Abteilung Pediatric Endocrinology am Riley Hospital in Indianapolis (USA), hat mit dem Lawson-Wilkins Drug and Therapeutics Committee im Herbst vergangenen Jahres in Pediatrics ein Positionsstatement zur bei kleinen Kindern mit Typ-1-Diabetes publiziert [3]. Darin kommen die Experten zu dem Schluss, dass CSII sowohl sicher in der Anwendung als auch wirksam in dieser Altersgruppe ist. Allerdings fehlt der Beweis, dass diese Therapieform a priori die diabetische Kontrolle bei den Kindern verbessert. Gerade weil aber der Großteil der Eltern für ihre Kinder und sich selbst eine deutliche Zunahme an Lebensqualität durch diese Therapieform feststellt, halten die Autoren die für eine wichtige Therapieoption in der Pädiatrie. Datenlage in Deutschland Kinder und Jugendliche mit Wie beispielsweise in den USA, so hat auch in Deutschland seit Beginn der 1990er Jahre die Anwendung der nahezu exponentiell zugenommen insbesondere bei Kindern (siehe Abbildung 1). Waren 1996 noch 39 Kinder auf Insulinpumpen eingestellt, waren es 2006 bereits mehr als 4 000, was einem prozentualen Anteil der bei pädiatrischen Patienten mit Typ-1-Diabetes von inzwischen knapp 20 Prozent entspricht. Diese Zahlen stammen von der DPV-Wiss-Initiative (Diabetes Patienten Verlaufsdokumentation), einer Initiative, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Verlaufsdaten diabetischer Patienten prospektiv und standardisiert zu dokumentieren. Der Katheterwechsel sollte alle 48 Stunden erfolgen und wird vom Patienten selbst oder von den Eltern durchgeführt. Bei korrekter Handhabung der Katheter (Hautdesinfektion, korrektes Prozedere beim Einstechen und Nichtüberschreiten der Liegezeit des Katheters) geht das Auftreten von katheterassoziierten Infektionen gegen Null, berichtet Oberarzt Dr. Christian Vogel, Leiter der Abteilung Pädiatrische Endokrinologie und Diabetologie des Klinikums Chemnitz. In den Insulinpumpen können sowohl Normalinsuline als auch die drei kurzwirksamen Analoginsuline eingesetzt werden. Der Anteil der Analoginsuline in der Pumpe liegt in Deutschland ungefähr bei 75 Prozent. Im November letzten Jahres stellte Vogel anlässlich der zweiten gemeinsamen Tagung der Arbeitsgemeinschaften Pädiatrische Endokrinologie und Pädiatrische Diabetologie in Dresden Zwischenergebnisse der Verlaufsbeobachtung der DPV-Wiss-Initiative vor. Über drei Jahre waren Daten zur Wirksamkeit und Sicherheit der im Kindes- und Jugendalter gesammelt worden. Zum Zeitpunkt der Datenerhebung im Juni 2006 lagen Datensätze von pädiatrischen Patienten aus 228 Zentren vor. Dabei handelte es sich um Patienten mit einer intensivierten Insulintherapie (ICT) und Patienten mit einer (CSII). Um den Vergleich der beiden Therapieformen zu ermöglichen, wurden die Daten gematched, d. h., es wurden die Daten von 434 Patienten mit ICT (7 793 Datensätze) mit den Daten von 434 Patienten mit CSII (7 265 Datensätze) aus insgesamt 74 Zentren verglichen. Die beiden Gruppen waren bezüglich Alter, Geschlecht, Diabetesdauer, BMI, HbA1c, Anzahl schwerer Hypoglykämien etc. vor Umstellung (in der Regel von der konventionellen Insulintherapie) vergleichbar. Wie Dr. Vogel berichtete, waren im ersten 5 Abbildung 1: Prozentualer Anteil aller in der DPV- Wiss-Datenbank registrierten Kinder und Jugendlichen mit Typ-1-Diabetes, die eine erhalten Quelle: Dr. Christian Vogel, Vortrag Dresden
4 6 Kontraindikationen für die im Kindes- und Jugendalter Non-Compliance des Patienten mangelhafte mentale Befähigung fehlende Motivation depressiv-suizidale Verhaltensweisen ungünstiges soziales Milieu Drogen- oder Alkoholprobleme (modifiziert nach [5]) Therapiejahr die HbA1c-Werte bei CSII zwar statistisch besser als unter ICT, jedoch war dieser Effekt weder im zweiten noch im dritten Jahr signifikant. Insgesamt stiegen unter beiden Therapien die HbA1c-Werte an. Wie Dr. Vogel erklärte, zeigen alle Therapiestudien, dass es bisher mit keiner Therapieform möglich ist, den HbA1c-Wert langfristig deutlich zu verbessern. Einen Vorteil im Vergleich zur intensivierten Insulintherapie bietet die dagegen im Hinblick auf die Rate schwerer Hypoglykämien (ISPAD Grad II, International Society of Pediatric und Adolescent Diabetes), die im zweiten und dritten Therapiejahr unter CSII im Vergleich zu ICT signifikant geringer war. Demnach wird durch die Insulinpumpen die Häufigkeit schwerer Hypoglykämien um ca. 21 Prozent gesenkt. Das trifft jedoch nicht für schwerste Hypoglykämien zu, die sich in ihrer Häufigkeit bei beiden Therapieformen nicht unterscheiden (siehe Abbildung 2). Die Rate diabetischer Ketoazidosen war bei und intensivierter Insulintherapie vergleichbar. Auch die Betreuungsintensität nach der initialen Schulung unterschied sich nicht zwischen beiden Therapieformen. Ein Unterschied zeigte sich noch bei der Insulindosis, die unter geringer war. Kinder werden durch Insulinpumpen nicht dicker Lange stand die unter dem Verdacht, die Patienten dick zu machen, da die ständige Zufuhr von Insulin einen permanenten Hunger erzeuge. Tatsächlich ist jedoch für die intensivierte Insulintherapie nachgewiesen worden, dass die Patienten tendenziell dicker werden. Die Gewichtszunahme ist abhängig von verschiedenen Faktoren, nicht nur vom Insulinangebot, sondern eben auch von der Lebensqualität. Wenn der Patient sich nicht mehr an eine strenge Diät halten muss, je mehr Freiheiten ihm also die Therapie lässt, desto lockerer geht er mit dem Thema Essen um. Er isst einfach mehr, und er isst vor allem dann mehr, wenn er lange vorher die restriktive Therapie hatte. Das ist unser Problem, insbesondere wenn die Therapie im pubertären Stadium geändert wird, erläutert Vogel. Und gerade in diesem Alter wird besonders oft umgestellt, weil die Jugendlichen erst zwischen zwölf und 15 Jahren wirklich in der Lage sind, die Pumpe selbst zu bedienen. Ein Vergleich mit der intensivierten Insulintherapie zeigt, dass die Kinder unter der nicht mehr Gewicht zulegen als unter der intensivierten Insulintherapie. Abbildung 2: Rate schwerer (ISPAD Grad II) und schwerster (ISPAD Grad III) Hypoglykämien pro 100 Patientenjahre (Punkte in Zwölfmonatsschritten der Zeitpunkt der Umstellung nach ein, zwei und drei Jahren) Quelle: Dr. Christian Vogel, DPV-Wiss-Daten als primäre Therapie? Immer wieder wird die Frage gestellt, ob es nicht sinnvoll sei, direkt nach Krankheitsmanifestation Kinder und Jugendliche auf Insulinpumpen einzustellen. Nach Vogels Einschätzung ist das vor allem für Säuglinge und Kleinkinder von Interesse. Und es bedürfe dringend einer klinischen Studie, die unter kontrollierten Bedingungen die Vorgehensweise primärer Einsatz Pumpentherapie oder primäre Behandlung ohne Pumpe vergleicht. Auch heute werden bereits Säuglinge und Kleinkinder auf Insulinpumpen eingestellt, sofern dies die Gesamtsituation erlaubt. Die zentrale Frage ist dabei, ob die Eltern in der Lage sind, diese technisch
5 7 zunächst anspruchsvolle Therapie konsequent und zuverlässig durchzuführen und ob die Compliance sichergestellt ist, denn nur dann ist die Insulinpumpe therapeutisch sinnvoll und wird nicht selbst zum Risiko. Schlussfolgerungen der Dreijahresauswertung der DPV-Wiss-Daten Die ist für Kinder und Jugendliche nicht gefährlich (Hypoglykämie, Ketoazidose ) verringert den Insulinbedarf macht nicht dicker im Vergleich zur ICT führt im Verlauf nicht zur Erhöhung der Betreuungsintensität führt aber auch nicht zu einer anhaltenden Verbesserung des HbA1c-Wertes Quelle: Vortrag Dr. Vogel, Dresden Lebensqualität zentraler Parameter zur Beurteilung der Diabetestherapie Die kostet etwa das Zwei- bis Dreifache im Vergleich zu herkömmlichen Diabetestherapien. Mit Argusaugen wird daher von Kostenträgern auf den Therapieerfolg bzw. den Nutzen gegenüber herkömmlichen Therapieformen geschaut. Zwar ist die im Hinblick auf den HbA1c-Wert, der als Goldstandard für die Beurteilung der Diabetestherapie gilt, der intensivierten Insulintherapie nicht überlegen. Mit Nachdruck weist Vogel jedoch darauf hin, dass bei der Diabetesbehandlung nicht allein der HbA1c-Wert zur Beurteilung der Therapie herangezogen werden dürfe. Auch andere Faktoren und hier insbesondere die Lebensqualität der Patienten spielen zusätzlich eine wichtige Rolle. Bisher ist dieser Aspekt, der ja auch eine große Bedeutung für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen hat, in Studien jedoch kaum berücksichtigt worden. Die Arbeitsgemeinschaft Pumpentherapie im Kindes- und Jugendalter widmet sich derzeit in einer großen Studie der Frage der Lebensqualität. Die Ergebnisse liegen allerdings noch nicht vor. Es wird postuliert, dass sich Kinder und Jugendliche mit Insulinpumpe insgesamt besser entwickeln und im Alltag besser zurechtkommen als mit herkömmlichen Therapieformen. Dies ist nach Aussagen von Vogel die Erfahrung, die erfahrene Kinderdiabetologen nahezu immer machen. Nach seiner Einschätzung ist die das wichtigste innovative Therapeutikum, das in den letzten Jahren verfügbar wurde und mit nichts anderem in der Gesamtentwicklung der Kinderdiabetologie zu vergleichen sei. Literatur 1. Lenhard MJ et al.: Continuous subcutaneous insulin infusion: a comprehensive review of insulin pump therapy. Arch Intern Med Oct 22; 161(19): Review 2. Bougneres PF et al.: Insulin pump therapy in young children with type 1 diabetes. J Pediatr Aug; 105(2): Eugster EA et al.: Position statement: Continuous subcutaneous insulin infusion in very young children with type 1 diabetes. Pediatrics Oct; 118(4): e Shalitin S et al.: Closing the loop: combining insulin pumps and glucose sensors in children with type 1 diabetes mellitus. Pediatr Diabetes Aug; 7 (4): Review 5. Hürter P et al.: Kompendium pädiatrische Diabetologie. Springer-Verlag, Heidelberg 2007 Die artifizielle Bauchspeicheldrüse Science Fiction oder schon bald Realität? Schon die Insulinpumpe ist für Diabetespatienten ein großer Schritt in Richtung eines Lebens mit verbesserter Lebensqualität. Der Durchbruch zu einem Leben ohne ständige Beschäftigung mit der Krankheit wäre jedoch die Entwicklung eines autonomen Systems, eines sogenannten closedloop system, das die Aktivität der pankreatischen Betazellen imitiert, indem es für eine normoglykämische Stoffwechseleinstellung sorgt und den Patienten von ständigen Berechnungen der täglichen Insulin- und Kohlenhydratzugabe befreit. Dr. Shlomit Shalitin vom Institute for Endocrinology and Diabetes am Schneider Children s Medical Center of Israel, Tel Aviv, befasst sich in seinem Review-Artikel Closing the loop: combining insulin pumps and glucose sensors in children with type 1 diabetes mellitus mit dem aktuellen Stand der Forschung [4]. Derzeit wird bereits ein vollständig implantierbares artifizielles Pankreassystem untersucht, bei dem der Sensor in die Vena cava superior und die Insulinpumpe, die das Insulin ins Peritoneum pumpt, unter die Haut der anterioren Abdominalwand implantiert wird. Wie Shalitin darstellt, zeigen die publizierten und präsentierten Daten mit verschiedenen Systemen, dass es inzwischen zwar möglich ist, die Nüchternblutglukosespiegel zu kontrollieren, also die basale Insulinversorgung sicherzustellen; die bisherigen Systeme sind jedoch nicht effizient genug, die postprandialen Blutzuckeranstiege zu kontrollieren. Hier wird also noch einige Zeit vergehen, bis mit Produktzulassungen gerechnet werden kann. Die Insulinpumpe ist der größte Fortschritt im Spektrum unserer Therapiemöglichkeiten, die wir jetzt haben. Dr. Christian Vogel
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