Der Begründungszusammenhang bei da: Eine SDRT-Analyse
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- Catharina Neumann
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1 Einleitung und Struktur des Vortrags Der Begründungszusammenhang bei da: Eine SDRT-Analyse Maria Averintseva-Klisch & Anna Volodina Univ. Tübingen / Univ. Frankfurt a.m. (1a) (1b) Olga ist enttäuscht, weil sie schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat. Olga ist enttäuscht, da sie schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat. weil & da: + syntaktisch subordinierend + begründend? austauschbar maria.averintseva@uni-tuebingen.de/ volodina@lingua.uni-frankfurt.de weil da da 1 2 Einleitung und Struktur des Vortrags Einleitung und Struktur des Vortrags (1a) (1b) Olga ist enttäuscht, weil sie schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat. Olga ist enttäuscht, da sie schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat. weil & da: + syntaktisch subordinierend + begründend? austauschbar Wie kann dieser Unterschied formal erfasst werden? weil ist ein universaler Kausalmarker im Deutschen (schon Arndt 1956, neuerdings Frohning 2007). Es kann uneingeschränkt in allen Kontexten verwendet werden (vgl. Sweetser 1990 für because) da-gebrauch ist eingeschränkter, aber inwiefern? deskriptive Befunde frühere Ansätze unser Vorschlag: einige Vorhersagen unserer Analyse 3 4
2 Deskriptive Befunde Deskriptive Befunde 1. weil und da gehören teilweise verschiedenen sprachlichen Registern an (IDS-Grammatik), ansonsten weitestgehend austauschbar (Arndt 1956, Brinkmann 1971, Eroms 1980) da wird häufiger in der schriftlichen Kommunikation verwendet (siehe IDS-Grammatik 1997, dazu auch Ergebnisse der Korpusstudie von Breindl/Walter (2009)), in der mündlichen dagegen kaum belegt (vgl. Volodina (2007)) 2. weil da (2) Warum sind die Rohre geplatzt? Die Rohre sind geplatzt, weil/*da es nachts extrem kalt war. (3) Da/*Weil die Rohre geplatzt sind, ist es nachts extrem kalt gewesen. (4) Sein Aufsatz wurde abgelehnt nicht obwohl, sondern WEIL/*DA er so lang ist. (5) Sein Aufsatz wurde deswegen abgelehnt, weil/*da er zu lang war. vgl. Kang (1996), IDS-Grammatik (1997), HDK (2003), Frey (2010) Analysen da-sätze [-] Propositionsmodifikation weil-sätze [+] Propositionsmodifikation (IDS Grammatik 1997) da-sätze Äußerungsbegründungen weil-sätze Sachverhaltsbegründungen (Eroms 1980) da-sätze [-] propositionaler kausaler Zusammenhang weil-sätze [+] propositionaler kausaler Zusammenhang (Pasch 1989, Pasch et al. 2003) 3. Analysen da-sätze weil-sätze (Pasch 1989, Pasch et al. 2003) [-] propositionaler kausaler Zusammenhang [+] propositionaler kausaler Zusammenhang (3a) Die Rohre sind deswegen geplatzt, weil / (*da) es in der Nacht extrem kalt war. KAUS (p,q) [+ propositionaler kausaler Zusammenhang] (3b) Da / (*Weil) die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht extrem kalt gewesen. KAUS (q,eps(p)) [- propositionaler kausaler Zusammenhang] 7 8
3 3. Analysen (Pasch 1989, Pasch et al ) (3b) Da / (*Weil) die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht extrem kalt gewesen. KAUS (q,eps(p)) [- propositionaler kausaler Zusammenhang] Problematische Fälle für diese Analyse: (3b) Da / (?Weil) die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht wahrscheinlich extrem kalt gewesen. KAUS (q,eps(p)) (3b) Da /Weil die Rohre geplatzt sind, muss es in der Nacht extrem kalt gewesen sein. KAUS (q,eps(p)) 9 3. Analysen (Haegeman 2002, 2004, Coniglio 2009, Frey 2010) da-sätze weil-sätze Peripheral adverbial clauses Central adverbial clauses PAC sind ForcePs, basisgeneriert im Vorfeld CAC sind im Mittelfeld generierte IPs, die ins Vorfeld bewegt werden Rizzi 1997, Haegeman (2002:159) Analysen (Haegeman 2002, 2004, Coniglio 2009, Frey 2010) da-sätze weil-sätze Peripheral adverbial clauses Central adverbial clauses a. Central adverbials: Sub Mod Fin IP b. Peripheral adverbials: Sub Force Top* Focus Mod* Fin IP c. Root clauses: Force Top* Focus Mod* Fin IP Rizzi 1997, Haegeman (2002:159) Analysen (Haegeman 2002, 2004, Coniglio 2009, Frey 2010) da-sätze weil-sätze Peripheral adverbial clauses Central adverbial clauses PAC sind - nicht erfragbar; - erlauben kein Korrelat; - können nicht durch einen Nachtrag hinzugefügt werden - haben keine vom Matrixsatz gänzlich unabhängige illokutionäre Kraft - können thematisch sein - usw. 12
4 Unsere These 3. Analysen Das Problem bei der Analyse von Frey: Postponierte weil- und da-sätze können meistens ausgetauscht werden. Das kann mit diesem Ansatz nicht erklärt werden, es sei denn man nimmt an, dass es auch weil-pac gibt. 13 da ist kein i.e.s. Kausalmarker, sondern da markiert die Diskursrelation Defeasible Consequence (= DEF-C). DEF-C (a,b) ist eine subordinierende Diskursrelation zwischen zwei Eventualitäten a und b der Art, dass wenn die Eventualität a gilt, normalerweise (wenn nichts anderes gegeben ist) auch die Eventualität b gilt. If a, then normally b (Asher & Lascarides 2003: 170) (6) Wenn Olga reiten geht, nimmt sie ihre Reitkappe mit. a: Olga geht reiten b: Olga hat eine Reitkappe (Präsupposition) c: Olga nimmt ihre Reitkappe mit DEF-C (a,b): Reiter besitzen normalerweise Reitkappen FOLGE (a,c): wenn O. reiten geht, dann nimmt sie ihre Kappe mit 14 (7) Da Olga (ja) reiten geht, hat sie eine Reitkappe. DEF-C (a,b): wenn a, dann normalerweise b (8) Olga hat eine Reitkappe, da sie (ja) reiten geht. DEF-C (b,a): wenn b, dann normalerweise a Unabhängig von der linearen Abfolge dient das da-konnekt als die Prämisse, aus der normalerweise das zweite Konnekt folgt Das da-konnekt beinhaltet präsupponierte Information Das da-konnekt beinhaltet präsupponierte Information: Präsuppositionstest: (9) a. Olga heiratet Max, da sie ihn doch liebt. präsupponiert Olga liebt Max b. Heiratet Olga Max, da sie ihn doch liebt? c. Es ist (nicht) der Fall, dass Olga Max heiratet, da sie ihn liebt. DEF-C dient typischerweise der Anbindung von Präsuppositionen (Asher & Lascarides 2003) 15 16
5 (10) Olga hat eine Reitkappe, da sie (ja) reiten geht. In (10) besteht zusätzlich zu der DEF-C-Diskursrelation die Diskursrelation EXPLANATION: (i) wenn man reitet, hat man normalerweise eine Reitkappe (ii) also kann die Tatsache, dass man reiten geht, als Erklärung dafür benutzt werden, dass man eine Reitkappe hat (10) Olga hat eine Reitkappe, da sie (ja) reiten geht. Das da-konnekt beinhaltet präsupponierte Information a, b a: o, r b (pres): x olga (o) geht_reiten (x) reitkappe (r) x = o hat (o,r) DEF-C (b,a) EXPLANATION (a,b) 17 Da expliziert DEF-C und nicht EXPLANATION! 18 (11) Olga ist enttäuscht. Sie hat schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht. a: Olga ist enttäuscht b: Sie hat schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht EXPLANATION (a,b) Warum ist Olga enttäuscht? (12) Olga ist enttäuscht, da sie schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat. EXPLANATION (a,b) + da-beitrag: DEF-C (b,a): man ist normalerweise enttäuscht, wenn man schlechte Erfahrungen macht EXPLANATION (a,b) (13) Max ist hingefallen, weil Olga ihn geschubst hat. RESULT (a,b) (14) Weil Olga Max geschubst hat, ist er hingefallen. das weil-konnekt gibt die Erklärung an bzw. benennt die Ursache für die andere Eventualität Weil expliziert die Diskursrelation EXPLANATION/RESULT; ist sie nicht gegeben, stellt weil sie her: (15a) Max ist hingefallen, weil Olga ihn angeschaut hat. EXPLANATION (a,b) (15b) Max ist hingefallen. Olga hat ihn angeschaut. EXPLANATION (a,b) wird unabhängig von da in diesem Kontext inferiert! *EXPLANATION (a,b)
6 Einige Vorhersagen unserer Analyse Wenn zusätzlich zu DEF-C auch die Diskursrelation EXPLANA- TION oder RESULT inferierbar ist (nach dem Prinzip Maximize Discourse Coherence), sind da und weil weitgehend austauschbar 21 (16a) Weil Olga schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat, ist sie enttäuscht. (16b) Da Olga schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht hat, ist sie enttäuscht. da-konnekt ist die Prämisse: DEF-C (a,b): Einige Vorhersagen unserer Analyse präsupponiert ist: Olga hat schlechte Erfahrungen an der Uni gemacht + normalerweise ist man enttäuscht, wenn man schlechte Erfahrungen hat schlechte Erfahrungen könnte eine gute Erklärung für Enttäuscht-sein sein (Vermutung des Sprechers) weil-konnekt ist die Erklärung: RESULT (a,b): Olga hat schlechte Erfahrungen gemacht, und ist deswegen enttäuscht. Nur scheinbare Austauschbarkeit der Konnektoren! 22 Einige Vorhersagen unserer Analyse (17a) *Weil die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht (wohl) extrem kalt gewesen. weil-konnekt muss die Ursache für das zweite Konnekt liefern, aber dass Rohre geplatzt sind ist keine Ursache dafür, dass es nachts kalt war! *RESULT (a,b) (17b) Da die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht (wohl) extrem kalt gewesen. dass die Rohre geplatzt sind, wird als Evidenz dafür vorgebracht, dass es kalt war: EVIDENCE (a,b) (18) Warum sind die Rohre geplatzt? Die Rohre sind geplatzt, weil / *da es nachts extrem kalt war. da-konnekt ist die Prämisse: DEF-C (b,a) Einige Vorhersagen unserer Analyse weil-konnekt ist die Erklärung: EXPLANATION (a,b) Warum? ist die Frage nach der Erklärung, nicht nach DEF-C, deswegen muss die Antwort eine explizite Erklärung geben + syntaktisch: PAC sind nicht erfragbar (Frey 2010) präsupponiertes Material kann nicht erfragt werden! weil / *da 23 24
7 Zurück zu den Anfangsbeobachtungen Zurück zu den Anfangsbeobachtungen Warum? ist nicht die Frage nach DEF-C (= Antwort darf nicht präsupponiert sein) weil / *da (2a) Warum sind die Rohre geplatzt? Weil es nachts extrem kalt war. (2a) Warum sind die Rohre geplatzt? *Da es nachts extrem kalt war. weil-konnekt muss stets EXPLANATION/RESULT herstellen *weil / da (3a) Da die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht extrem kalt gewesen. (3b) *Weil die Rohre geplatzt sind, ist es in der Nacht extrem kalt gewesen. 25 Damit die EXPLANATION an sich als die einzige neue Information fokussiert werden kann, muss sie vom fokussierten Ausdruck overt instanziiert werden WEIL / *DA (4a) Sein Aufsatz wurde abgelehnt nicht obwohl, sondern WEIL er so lang ist. (4b) *Sein Aufsatz wurde abgelehnt nicht obwohl, sondern DA er so lang ist. Phorisches Korrelat des-wegen = wegen XP setzt overt markierte EXPLANATION/RESULT voraus weil / *da (5a) Sein Aufsatz wurde deswegen abgelehnt, weil er zu lang war. (5b) *Sein Aufsatz wurde deswegen abgelehnt, da er zu lang war. 26 Zusammenfassung Literatur Wir haben dafür argumentiert, dass da nicht primär der Herstellung von EXPLANATION/RESULT dient, sondern die Diskursrelation DEFEASIBLE CONSEQUENCE expliziert Das da-konnekt ist immer präsupponiert bzw. wird als Präsupposition akkomodiert Da DEFEASIBLE CONSEQUENCE sehr oft mit den kausalen Diskursrelationen RESULT und EXPLANATION einher geht wenn normalerweise aus A B folgt, ist A ein plausibler Grund für B entsteht der Eindruck, da allein würde EXPLANATION/RESULT herstellen nur weil, nicht da: wenn EXPLANATION/RESULT durch Fokus, Negation, Antwort auf Warum-Frage, Gebrauch mit Korrelat expliziert werden Haegeman, L. 2004, Topicalization, CLLD and the Left Periphery, ZAS Papers in Linguistics 35, nicht EXPLANATION/RESULT inferiert werden können nur da, nicht weil: wenn nur DEFEASIBLE CONSEQUENCE, und Arndt, E. 1956, Die begründenden Sätze im Neuhochdeutschen und ihre wichtigsten Konjunktionen. Berlin (DDR). Dissertation Asher, N. & A. Lascarides 2003, Logics of Conversation, Cambridge: CUP. Breindl, E. & M. Walter 2009, Der Ausdruck von Kausalität im Deutschen, Mannheim: IDS (amades 38). Brinkmann, H. 1971, Die deutsche Sprache. 2. Aufl. Düsseldorf. Coniglio, M. 2009, Die Syntax der deutschen Modalpartikeln: Ihre Distribution und Lizenzierung in Haupt- und Nebensätzen. Doctoral Dissertation, University of Venice. Eroms, H.-W. 1980, Funktionskonstanz und Systemstabilisierung bei den begründenden Konjunktionen im Deutschen, Sprachwissenschaft 5, Frey W. 2010, Peripheral adverbial clauses, their licensing and the prefield in German, eingereicht für Breindl, E., Ferraresi, G., Volodina, A. (Hgg.) Formen und Funktionen von Satzverknüpfung. Frohning D. 2007, Kausalmarker zwischen Pragmatik und Kognition, Tübingen: Niemeyer. Haegeman, L. 2002, Anchoring to Speaker, Adverbial Clauses and the Structure of CP. In: Georgetown University Working Papers in Theoretical Linguistics 2,
8 Literatur Kang, C-U. 1996, Die sogenannten Kausalsätze des Deutschen, Münster/New York: Waxmann Pasch, R. 1989, Adverbialsätze Kommentarsätze Adjungierte Sätze. Eine Hypothese zu den Typen der Bedeutungen von weil, da und denn. In: W. Motsch (Hg.): Wortstruktur und Satzstruktur. Linguistische Studien, Reihe A, Arbeitsbericht 194, Zentralinstitut für Sprachwissenschaft, Berlin. Pasch, R. et al. 2003, Handbuch der deutschen Konnektoren, Berlin / New York: de Gruyter. (= HDK) Rizzi, L. 1997, The Fine Structure of the Left Periphery. In: L. Haegeman (ed.): Elements of Grammar. Handbook in Generative Syntax, Dordrecht: Kluwer. Redder, A. 1990, Grammatiktheorie und sprachliches Handeln: "denn" und "da, Tübingen: Niemeyer. Sweetser, E. 1990, From Etymology to Pragmatics. Metaphorical and Cultural Aspects of Semantic Structure. Cambridge u.a.: CUP Volodina, A. 2007, Konditionale und kausale Relationen im gesprochenen Deutsch. Diss. Univ. Heidelberg Zifonun G., L. Hoffmann & B. Stecker 1997, Grammatik der deutschen Sprache, Berlin/New York: de Gruyter.(= IDS-Grammatik) 29
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