Wege zu einer geschlechtergerechten Schule. Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland Hildesheim, 15. Januar 2014
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1 Wege zu einer geschlechtergerechten Schule Prof. Dr. Hannelore Faulstich-Wieland Hildesheim, 15. Januar 2014
2 Gliederung 1. Was ist Geschlecht was meint doing gender? 2. Welche Rolle spielt Geschlecht im Schulalltag? 3. Wie kann eine geschlechtergerechte Schule gestaltet werden? Bietet Monoedukation Geschlechtergerechtigkeit? 4. Herausforderungen für die Schulpolitik und Lehrer/innenbildung in puncto Chancengerechtigkeit für alle
3 1. Was ist Geschlecht - was meint doing gender?
4 Er oder Sie? Sie sehen im Folgenden sechs Bilder. Entscheiden Sie jedes Mal, ob es sich bei der Person um einen Jungen/Mann oder ein Mädchen/eine Frau handelt notieren Sie Ihre Entscheidung. Notieren Sie ebenfalls, woran Sie diese Entscheidung festmachen welche Merkmale gaben für Sie den Ausschlag, die Person für männlich oder für weiblich zu halten? Sollten Sie einige der Bilder kennen, so verraten Sie dies nicht. Notieren Sie aber ebenfalls, woran Sie erkennen, welches Geschlecht die abgebildete Person hat.
5 Quelle: Pablo Picasso: Junger Mann aus Gósol 1906
6 Aus: Leben: Identität Wer bin ich denn? In: ZEIT Nr. 38 vom , S. 53ff. Abgebildet ist das Model Judith
7 Hintere Person vordere Person Quelle: Egon Schiele: Zwei Freundinnen (1915) Ausschnitt
8 Quelle: Pierre-Auguste Renoir ( ): Jean Renoir nähend 1900 Wallraf Richarts Museum Köln
9 doing gender In Interaktionen müssen sich die Menschen immer wieder als Mädchen/ Frauen bzw. als Jungen/ Männer inszenieren und ihren Interaktionspartnerinnen und - partnern jeweils Gleich- oder Gegengeschlechtlichkeit zuschreiben.
10 Basisannahmen Annahme der Konstanz Annahme der Naturhaftigkeit von Geschlecht Annahme der Dichotomizität Moral certainty der Geschlechtszugehörigkeit Doing gender is to engage in behavior at the risk of gender assessment
11 Erlernen von Geschlechtsadäquatheit Vorschriften und Ansagen, was sich gehört Einschreibung in die Körper Alltagspraxen Symboliken Entwicklung von Geschlechtsidentität: Informationsverarbeitung und Erkennen von Verhaltensschemata (keine Geschlechtsunterschiede!) Gesellschaftlich akzeptierte gender schemes Übernahme von gender labels Geschlechtshomogene Gruppierungen
12 Calvin und Hobbes
13
14 Vergeschlechtlichter Habitus Empirisch: Geschlechterdifferenzen = Mittelwertsunterschiede Unterschiede innerhalb der Geschlechtsgruppen Gemeinsamkeiten zwischen den Geschlechtern Konstruktion von Geschlecht Praktiken zur Herstellung der Differenz Körperliche Hexis
15 Vergeschlechtlichter Habitus Habitus als strukturierte und zugleich strukturierende Form Genderism - zugleich Relationalität Doppelte Bestimmung der Zweigeschlechtlichkeit: Inhaltliche Bestimmung von Weiblichkeit/Männlichkeit Beliebige Entgegensetzung
16 Arrangement der Geschlechter Institutionelle Reflexivitäten Beispiel parallele Organisationen Wechselspiel von Strukturen und ihren Interpretationen Symbolische Repräsentationen Soziale Konstruktion von Geschlecht: gesellschaftliche und kulturelle Gemachtheit aktive Herstellung durch JedeN
17 2. Welche Rolle spielt Geschlecht im Schulalltag?
18 Historische Entwicklung Getrennte Schulen für Mädchen und Jungen Getrennte Lehrpläne Heimlicher Lehrplan Unterschiedliche Erwartungen an Mädchen und Jungen Größere Beachtung von Jungen Zuschreibungen an die Mädchen und die Jungen
19
20
21 Mädchen: einschränkende Formulierungen selten positive Aussagen Jungen ressourcenorientierte Fähigkeiten Ironie Persönliches Zwischentöne fallen nicht auf!
22 Plakate Expliziter Geschlechtervergleich Mädchenplakat Jungenplakat 1 Jungenplakat 2 Defizit- Beschreibung Ressourcen- Beschreibung
23 Erwartungen der Lehrkräfte Soziale Seite Fachunterricht MNT Sprachen Jungen Negative Erw. Positive Erw. Negative Erw. Mädchen Positive Erw. Negative Erw. Positive Erw.
24 3. Wie kann eine geschlechtergerechte Schule gestaltet werden?
25 Was meint Geschlechtergerechtigkeit? = Gerechtigkeit für die Geschlechter? Gerechtigkeit offen nach allen Richtungen Ausgleich Gleichberechtigung = den Geschlechtern gerecht werden? Geschlechtlichkeit Gleichwertigkeit die jeweiligen Besonderheiten akzeptieren
26 Paradoxien von Geschlechtertrennungen Inklusive Schule Produktiver Umgang mit Heterogenität Gemeinsames Lernen Heterogenität als Ressource Koedukationsdebatte Forderung nach Geschlechtertrennung Reflexive Koedukation Rückbezug auf Geschlechterverhältnisse Reflexion von Geschlechterverhältnissen = Widerspruch zwischen Forderung nach Inklusion und Festhalten an Geschlechtertrennung
27 Begründungen für Geschlechtertrennungen Praktische Ansätze: Koch-Priewe, Barbara (2002): Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Weinheim: Beltz Überwiegend geschlechtsgetrennte Angebote Fokus auf Förderung von Mädchen Protektionismus für Mädchen, Generalverdacht gegenüber Jungen Theoretische Begründungen: weitgehend fehlend Differenzkonzepte Ulrike Teubner: Reflexive Monoedukation Systemanforderung einer dichotom gefassten Zweigeschlechtlichkeit Gleichheitstabu Monoedukation, um Potentiale der Entwicklung zu nutzen Reflexionsfähigkeit nur in getrennten Kontexten?
28 Dramatisierungen von Geschlecht finden nicht nur in koedukativen Kontexten statt Geschlechtertrennung ist per se eine Dramatisierung Entdramatisierte Situation ist Illusion Koedukative Situationen lassen Gemeinsamkeiten der Geschlechter und Vielfalt erfahren
29 Paradoxien von Geschlechtertrennungen: Beispiel Werkunterricht Werkunterricht Technik und Textil Keine Wahlmöglichkeiten zwischen den beiden Teilen Je ein halbes Schuljahr Technik, ein halbes Schuljahr Textil Klassen wurden halbiert gewünscht waren monoedukative Gruppen Mädchengruppe, koedukative Gruppe
30 Unterstellungen 1. Die Geschlechter wollen unter sich bleiben es melden sich immer mehr Mädchen für die koedukative Gruppe 2. Koedukative Gruppen seien jungendominant Bubengruppe 3. Paradoxie von Dramatisierungen ohne Schmerz in die Mädchengruppe/ Trennung nicht so tragisch
31 Monoedukation??? Geschlechtshomogene Erfahrungsräume Doing gender-prozesse durchbrechen Erweiterung von Handlungskompetenzen Kein Allheilmittel Gefahr des Festschreibens von Geschlechterdifferenzen Ansetzen an Defiziten, Verstärkung von Stereotypen Hoher administrativer Aufwand Kein Selbstläufer Besser: Entdramatisierung von Geschlecht Individualisierung des Unterrichts Reflexion des eigenen doing gender
32 Geschlechtsidentität und Degendering Differenzkonzepte akzeptieren die Zuschreibungen Entdramatisierung, undoing gender, degendering Welche Rolle soll Zweigeschlechtlichkeit noch spielen?
33 Koedukation Balance von Dramatisierung und Entdramatisierung Genderkompetenz als Fähigkeit zur Dekonstruktion Symbolische Revolution keine Bezugnahme auf Geschlecht Professionalität
34 Akrobatik und Anerkennung Beispiel: Menze-Sonneck, Andrea (2009): Weibliche Kraft und männliche Anmut? - Bewegungsgestaltung als Beitrag zur reflexiven Koedukation. In: Sportunterricht, Jg. 58, H. 11, S Kriterien für den Umgang mit den Kindern: Was brauchen sie individuell? Wieweit kann man es ihnen innerhalb sozialer Situationen gewähren?
35 4. Herausforderungen für die Schulpolitik und LehrerInnenbildung in puncto Chancengerechtigkeit für alle
36 Schulpolitik und Lehrer/innenbildung Organisatorische Bedingungen für Zeit und Raum Wandel des Lehrer/innenbildes Guter Unterricht trägt viel zur Geschlechtergerechtigkeit bei. Orientierung an der Heterogenität der Kinder = Individuen und nicht allein Repräsentanten des Geschlechts Genderkompetenz als theoretisches Wissen und als Reflexion des eigenen Anteils am doing gender Gendersensibilität Ethnografisches Forschen als Teil der Entwicklung eines forschenden Habitus
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