Akzeptanz- und Commitment- Therapie Mode oder mehr?
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- Werner Becker
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1 Akzeptanz- und Commitment- Therapie Mode oder mehr? 8. Bad Arolser Psychosomatik-Symposium Schön Klinik Bad Arolsen 21. März 2015 Dr. med. Rainer F. Sonntag Olpe/Westfalen 1
2 Wie kommt man in die Kiste? 2
3 Wenn man zu denken anfängt, beginnt man ausgehöhlt zu werden. A. Camus 3
4 das Denken beschäftigt sich immer mit Abwesendem und entfernt sich vom Gegenwärtigen und Zuhandenen. H. Arendt 4
5 Die Intensität der Denkerfahrung zeigt sich in der Leichtigkeit, mit der der Gegensatz zwischen Denken und Wirklichkeit umgekehrt werden kann, derart, dass nur das Denken als wirklich erscheint H. Arendt 5
6 Kaum unterscheidbar: das Bild und worauf es sich bezieht. 6
7 Bezugnehmen Nicht beliebiges Bezugnehmen Beliebig anwendbares Bezugnehmen 7
8 Nicht beliebiges Bezugnehmen Geschieht einfach (ungelernt) Entspricht direktem, unvermitteltem Lernen Konditionierung Diskrimination & Generalisation Konditionierte Abstraktion 8
9 Beliebig anwendbares Bezugnehmen Kann erlernt werden Entspricht indirektem, vermitteltem Lernen Verbale Abstraktion mit Begriffen Ist die Grundlage von Sprache und Denken Kann Konditionierung überdecken und uns daran hindern, aus Erfahrungen zu lernen 9
10 Beliebig anwendbares Bezugnehmen Ist die Quelle jenes Raumes, der zwischen Reiz und Reaktion liegt, und damit von Freiheit und Antwortfähigkeit (Viktor Frankl) Ist die Quelle von Unfreiheit in einem evolutionsgeschichtlich nie gekannten Sinne 10
11 Lassen Sie uns sehen 11
12 Schmerz Schmerzen sind für Menschen (wie für Tiere) unausweichlich: Verletzungen (körperlich, seelisch) Gefahren & Bedrohungen Verlust (lieber Menschen, Haus & Hof, Geld) Mangel (an Essen, Sicherheit) Erniedrigung Ausgegrenzt werden 12
13 Sprache, Denken, Verstand Sprache & Denken sind immer dabei: Wir setzen umweltliche Ereignisse mit Worten in Beziehung ( Verletzung, Verlust ) Wir setzen subjektive Erlebnisse mit Worten in Beziehung ( Angst, Trauer, Schmerz ) Wir setzen beides mit uns selbst in Beziehung 13
14 Sprache, Denken, Verstand Angst = Gefahr ist gleich 14
15 Sprache, Denken, Verstand Angst in Bezug auf MICH, MEINE Angst 15
16 Sprache, Denken, Verstand Geistige Verschmelzung (kognitive Fusion) Hier-Jetzt Ich Angst Ich habe Angst. Die Angst beherrscht mich. Ich identifiziere mich mit meiner Angst. Ich-als-Angst Ich sitze in meiner Angst. 16
17 Sprache, Denken, Verstand Diese Beziehungen zwischen umweltlichen Ereignissen und subjektiven Erlebnissen können sehr eng werden; so dass wir beide sogar miteinander verwechseln 17
18 Sprache, Denken, Verstand Kindlicher Realismus (Piaget) Traumatische Erinnerungen Emotionale Beweisführung (Beck): Weil ich es so fühle, ist es wahr Ja, ich fühle, das ist stimmig 18
19 Sprache, Denken, Verstand So können meine Gefühle und meine Gedanken für mich wie zu einer Kiste werden. Dann erlebe ich die Angst, die doch nur ein Teil von mir ist, sogar größer als mich selbst. 19
20 Sprache, Denken, Verstand Weitere Arten beliebig anwendbaren Bezugnehmens ( Bezugsrahmen ): 20
21 Sprache, Denken, Verstand vergleichendes Bezugnehmen (größer/ kleiner, besser/schlechter) Bewertungen unterscheidendes Bezugnehmen (ist nicht, ist anders als) gegensätzliches Bezugnehmen (schwarz/ weiß, gesund/krank, Verstand/Gefühl) 21
22 Sprache, Denken, Verstand wenn-dann Bezugnehmen (ist Ursache von, Korrelationen: geht einher mit) hierarchisches Bezugnehmen (ist Teil von, ist enthalten in) perspektivisches Bezugnehmen (jetzt/dann, hier/dort, ich/du) 22
23 Sprache, Denken, Verstand wenn-dann Bezugnehmen (ist Ursache von, Korrelationen: geht einher mit) hierarchisches Bezugnehmen (ist Teil von, ist enthalten in) perspektivisches Bezugnehmen (jetzt/dann, hier/dort, ich/du) 23
24 Die nächsten Schritte 24
25 Vom Schmerz zum Leiden Leiden entsteht, wenn wir die Schmerzen, die das Leben unweigerlich mit sich bringt, nicht haben wollen Wie kommt das? 25
26 Sprache, Denken, Verstand So wie wir die direkt erlebbaren Ereignisse bewerten, bewerten wir auch unsere Worte, Gedanken, Bilder & Emotionen Das darf man nicht einmal denken! Ich habe gesündigt in Gedanken, Worten und Werken. Angst ist schlecht. Positive und negative Gedanken/Emotionen 26
27 Sprache, Denken, Verstand Schließlich verhalten wir uns gegenüber unseren inneren Erlebnissen genauso wie gegenüber den äußeren Ereignissen, mit denen sie unser Verstand in Beziehung gebracht hat 27
28 S R C Gefahr Gefahr Angst Weglaufen Über Angst reden Weglaufen Ȼ _ / C+ (Sicherheit) C+ (Koordination) Ȼ _ (Erleichterung) 28
29 Sprache, Denken, Verstand Die negativ bewerteten Gedanken, die negativ bewerteten Körperempfindungen, die negativ bewerteten Gefühle müssen weg!! 29
30 Sprache, Denken, Verstand Nachdem er sie durch Hauptwortbildung verdinglicht hat, behandelt unser Verstand sie wie Gegenstände: Problemlösen durch Beseitigung: 1. Erkenne das Problem 2. Identifiziere die Ursache 3. Beseitige die Ursache 30
31 Das wirkliche Problem Leider funktioniert das nicht Gedanken, Körperempfindungen und Gefühle sind keine Dinge Je weniger wir sie haben wollen, desto mehr haben wir sie 31
32 Vermeidung innerer Erlebnisse Kognitive Fusion Die Arbeit des Verstandes gebiert auch Ungeheuer 32
33 Denken in Vergangenheit/Zukunft Wenig Selbst-als-Prozess Vermeidung innerer Erlebnisse Kognitive Fusion 33
34 Denken in Vergangenheit/Zukunft Wenig Selbst-als-Prozess Vermeidung innerer Erlebnisse Mangel an Klarheit von Werten Mangel an wertebezogenem Handeln: Kognitive Fusion Impulsivität, Inaktivität Mangel an ganzheitlichem, stabilen Selbsterleben und Perspektivenwechsel; starres Selbstbild; Identifikation mit Überzeugungen 34
35 Denken in Vergangenheit/Zukunft Wenig Selbst-als-Prozess Vermeidung innerer Erlebnisse Mangel an Klarheit von Werten Kognitive Fusion Mangel an wertebezogenem Handeln Mangel an ganzheitlichem, stabilen Selbsterleben und Perspektivenwechsel 35
36 Denken in Vergangenheit/Zukunft Wenig Selbst-als-Prozess Vermeidung innerer Erlebnisse Mangel an Klarheit von Werten Kognitive Fusion Mangel an wertebezogenem Handeln: Impulsivität, Inaktivität Mangel an ganzheitlichem, stabilen Selbsterleben und Perspektivenwechsel 36
37 Dominanz konzeptualisierter Vergangenheit/Zukunft Mangel an Kontakt zur Gegenwart Vermeidung innerer Erlebnisse Kognitive Fusion Psychische Rigidität und Verlust an Vitalität Mangel an Klarheit von Werten Mangel an wertebezogenem Handeln Mangel an ganzheitlichem, stabilen Selbsterleben 37
38 Zentrale Ziele von ACT Psychische Flexibilität im Dienst werteorientierten Handelns 38
39 Selbst-als-Prozess (Achtsamkeit) Akzeptanz Subjektiver Erlebnisse Kognitive Defusion Flexibilität und Wertorientierung Werte wählen und formulieren Engagement Selbst-als-Kontext (Stabiles Selbsterleben) 39
40 Fusion, Kämpfen, unachtsam, unfrei 40
41 Auseinandersetzen Gedanken & Gefühle sind noch da, Freiheit zu handeln, Ich-Akteur 41
42 Werte: Bevorzugte Handlungsweisen 42
43 Noch etwas 43
44 ACT im Kontext Das Leben, wie wir es kennen Alltagserfahrung & Alltagspsychologie Wissenschaft Experiment, Offenheit Philosophie Standortbestimmung, Funktionaler Kontextualismus CBS Anthropologie Leiden, Verstand, Umgang mit Menschen Praxis Klinisch, Ausbildung, Organisationen Gesellschaft Beziehungen, Politik, Perspektivenwechsel 44
45 Kurz zur Geschichte 1971: Murray Sidman stimulus equivalence 1982: erster theoretischer Bezug zur CBT 1986: erste klinische Studie 1987: erste Beschreibung des Therapieansatzes Bis in die neunziger Jahre theoretische und philosophische Weiterentwicklung 1999: ACT-Manual in Buchform (2012, 2. Aufl.) : insges. 9 Reviews/Meta-Analysen 45
46 Kurz zur Geschichte 111 randomisierte Therapiestudien Klinische Forschung zu ACT (Stand Ende 2014) Hinzu kommen eine Vielzahl von experimentellen Untersuchungen zur Grundlagenforschung und zu einzelnen Therapiekomponenten 46
47 Kurz zur Geschichte 111 randomisierte Depression Therapiestudien Angst & Depression Soziale Phobie Sucht Rauchen Chron. Schmerz Zwangsstörungen Trichotillomanie Borderline PS Epilepsie Krebs Diabetes etc. 47
48 Fazit ACT ist mehr als eine Mode. ACT kommt aus der Tiefe des Raumes klinischer Erfahrung, experimenteller Laborforschung, anthropologischer Beobachtung, philosophischer Reflektion. 48
49 Vielen Dank für Ihr Zuhören! 49
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