36. Mietrechtstage des ESWiD Bundesverband für Immobilienwesen in Wissenschaft und Praxis
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- Matthias Kranz
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1 36. Mietrechtstage des ESWiD Bundesverband für Immobilienwesen in Wissenschaft und Praxis Modernisierung und Erhaltung in der vermieteten Wohnungseigentumsanlage Prof. Dr. Florian Jacoby Berchtesgaden, 27. April 2017
2 Gliederung I. Einführung: Bauen im Spannungsverhältnis von Miete und Wohnungseigentumsrecht II. Die unterschiedlichen Sachlagen: Wer ergreift die Initiative? III. Arten der baulichen Maßnahmen IV. Einzelfragen aus Sicht des Mietrechts V. Einzelfragen aus Sicht des Wohnungseigentumsrechts VI. Zusammenfassung Folie 2
3 Einführung: Vermietete Eigentumswohnung E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 Vielzahl an Wohnungseigentümern E... WEG Gesetz Vermietender Wohnungseigentümer Mietrecht nach BGB Mieter Folie 3
4 Prinzipielle Unterschiede Mietrecht - Vertragsprinzip Einstimmigkeit Grundsätzlich keine Anpassung/Dynamik - Mieterschutz Zwingende Regelungen AGB-Kontrolle Wohnungseigentumsrecht - Beschlusskompetenzen begründen Mehrheitsprinzip - Dynamik durch zumindest jährliche Eigentümerversammlung Folie 4
5 II. Die unterschiedlichen Sachlagen: Wer ergreift die Initiative? Miete - Mängelanzeige des Mieters - Initiative des Vermieters Wohnungseigentum - Gemeinschaftsmaßnahme - Individualmaßnahme Folie 5
6 III. Arten der baulichen Maßnahmen 1. Miete - Erhaltung - Modernisierung 2. Qualifikation von Baumaßnahmen nach WEG Folie 6
7 22 Abs. 2 u. 3 WEG 22 Abs. 3 WEG (modernisierende Instandsetzung) Für Maßnahmen der modernisierenden Instandsetzung im Sinne des 21 Abs. 5 Nr. 2 verbleibt es bei den Vorschriften des 21 Abs. 3 und Abs. 2 WEG (Modernisierung) - Maßnahmen gemäß Absatz 1 Satz 1, die - der Modernisierung entsprechend 555b Nummer 1 bis 5 des Bürgerlichen Gesetzbuches oder - der Anpassung des gemeinschaftlichen Eigentums an den Stand der Technik dienen, die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen, - können abweichend von Absatz 1 durch eine Mehrheit von drei Viertel aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer im Sinne des 25 Abs. 2 und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile beschlossen werden. Folie 7
8 555b BGB: Modernisierung Modernisierungsmaßnahmen sind bauliche Veränderungen, 1. durch die in Bezug auf die Mietsache Endenergie nachhaltig eingespart wird (energetische Modernisierung), 2. durch die nicht erneuerbare Primärenergie nachhaltig eingespart oder das Klima nachhaltig geschützt wird, sofern nicht bereits eine energetische Modernisierung nach Nummer 1 vorliegt, 3. durch die der Wasserverbrauch nachhaltig reduziert wird, 4. durch die der Gebrauchswert der Mietsache nachhaltig erhöht wird, 5. durch die die allgemeinen Wohnverhältnisse auf Dauer verbessert werden, 6. die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach 555a sind, oder 7. durch die neuer Wohnraum geschaffen wird. Folie 8
9 Bauliche Veränderungen Maßnahmen ordnungsmäßiger Verwaltung - Instandhaltung und Instandsetzung, 21 V Nr. 2 WEG - modernisierender Instandhaltung, 22 III WEG - Modernisierung isv 555b Nr. 6 BGB ( bauliche Maßnahmen, die auf Grund von Umständen durchgeführt werden, die der Vermieter nicht zu vertreten hat, und die keine Erhaltungsmaßnahmen nach 555a sind ) Modernisierung nach 22 II WEG - Modernisierung isv 555b Nr. 1-5 BGB (streng statt BGH v V ZR 224/11 zum alten Recht), - [wenn sie die Eigenart der Wohnanlage nicht ändern und keinen Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigen]. Sonstige bauliche Maßnahme nach 22 I WEG - Auffangtatbestand - Insbesondere auch Modernisierung isv 555b Nr. 7 BGB Folie 9
10 Insbesondere Anforderungen des 22 Abs. 2 WEG Merkmale - Veränderung der Eigenart der Wohnanlage, - Keine unbillige Beeinträchtigung von Wohnungseigentümern. Bedeutung - Nicht Abgrenzung der Maßnahme zu 22 Abs. 1 WEG, - sondern Frage der Ordnungsmäßigkeit (wie Wirtschaftlichkeit). Auslegung der Eigenart - BGH recht weit: Schwimmbadvergrößerung zu Lasten Hausmeisterwohnung Umgestaltung Balkone ungeachtet baugleicher Umgebung - Stellungnahme: eng (Jugendstil) Folie 10
11 IV. Einzelfragen aus Sicht des Mietrechts Was droht dem Mieter: 1. Muss der Mieter eine von der Gemeinschaft beschlossene bauliche Maßnahmen ohne Weiteres dulden? 2. Muss der Mieter eine Mieterhöhung nach 559 BGB für Ausgaben der Gemeinschaft fürchten? Folie 11
12 1. Duldungspflichten E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 Vielzahl an Wohnungseigentümern E... Gemeinschaft 14 Nr. 4 WEG? Vermietender Wohnungseigentümer Mietrecht: 555a, 555d BGB Mieter Folie 12
13 Duldungspflicht des Mieters gegenüber Eigentümern/Gemeinschaft BGH v V ZR 194/14 Rn. 12: Die Regelungen des 14 Nr. 3 u. 4 WEG rechtfertigen kein Vorgehen gegen Fremdnutzer. Die für einen Analogieschluss erforderliche planwidrige Regelungslücke liegt nicht vor. Dass nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nur Wohnungseigentümer passivlegitimiert sind, beruht auf keinem Versehen des Gesetzgebers. BGH v V ZR 194/14 Rn. 12: Ob - wozu der Senat neigt - Ansprüche aus 1004 Abs. 1 BGB gegen den Fremdnutzer in Betracht kommen, braucht hier nicht abschließend geklärt zu werden. Stellungnahme: Angemessen und einschlägig sind allein Duldungspflichten aus 555a, 555d BGB. Folie 13
14 2. Mieterhöhung nach 559 BGB 559 Abs. 1 BGB: Hat der Vermieter Modernisierungsmaßnahmen im Sinne des 555b Nummer 1, 3, 4, 5 oder 6 durchgeführt, so kann er die jährliche Miete um 11 vom Hundert der für die Wohnung aufgewendeten Kosten erhöhen. a) Zulässigkeit: Bauherr Gemeinschaft verdrängt vermietenden Eigentümer nicht, sondern tritt nur für diesen nach außen auf, so dass dieser Bauherr isv 559 BGB bleibt. (vgl. Verbrauchereigenschaft der rechtsfähigen Gemeinschaft). b) Umfang: Kosten, die dem Vermieter notwendigerweise auferlegt werden, gleich wie die Finanzierung (Rücklage, Umlage, Kredit) erfolgt. Folie 14
15 V. Einzelfragen aus Sicht des Wohnungseigentumsrechts Was muss die Gemeinschaft bedenken: 1. Grundlagen a) Instandsetzung b) Modernisierung 2. Einwirkungen mietrechtlicher Vorgaben a) Minderungsausschluss des 536 Abs. 1a BGB b) Ankündigung durch Vermieter und/oder Gemeinschaft Folie 15
16 1a) Instandsetzung Anspruch auf Instandsetzung, BGH v V ZR 9/14: Entspricht nur die sofortige Vornahme einer zur Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums erforderlichen Sanierungsmaßnahme ordnungsmäßiger Verwaltung, besteht ein Anspruch jedes Eigentümers auf entsprechende Beschlussfassung und Durchführung der Maßnahme, ohne dass individuelle Besonderheiten einzelner Eigentümer wie finanzielle Schwierigkeiten oder Alter Berücksichtigung finden können. Keine Selbstvornahme, BGH v V ZR 246/14: Ein Bereicherungsanspruch für eine eigenmächtige Instandsetzung oder Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums kommt nur in Betracht, wenn die Maßnahme ohnehin hätte vorgenommen werden müssen. Folie 16
17 1b) Prüfprogramm bei Anfechtung eines Modernisierungsbeschlusses 1. Ist Beschluss als modernisierende Instandsetzung rechtmäßig? - Instandsetzungsbedarf von Gewicht, maßgeblich ist Gepräge der Maßnahme (LG Saarbrücken v S 182/12 (-), wenn zwei von zehn Glasbausteinen defekt, die allesamt durch Fenster ersetzt werden sollen.), - einfache Mehrheit, - Ordnungsmäßigkeit: Wirtschaftlichkeit ( Amortisation ). 2. Ist Beschluss als Modernisierung rechtmäßig? - Modernisierung nach 555b Nr. 1-5 BGB, - Doppel qualifizierte Mehrheit (3/4 Köpfe, 1/2 MEA), - Keine Veränderung der Eigenart der Wohnanlage und keine unbillige Beeinträchtigung von Wohnungseigentümern, - Sonstige Ordnungsmäßigkeit: Wirtschaftlichkeit ( Amortisation ) 3. Ist Beschluss als sonstige bauliche Maßnahme rechtmäßig? - Zustimmung aller Beeinträchtigten erforderlich - LG Hamburg v S 55/12: Die Genehmigung einer baulichen Veränderung kann nur in Gestalt einer förmlichen Beschlussfassung erfolgen. Folie 17
18 BGH v V ZR 224/11 Rn. 10 Wirtschaftlichkeit Weil ein Instandsetzungsbedarf für die aus Holz gefertigten Balkonbrüstungen besteht, kann sie unter Umständen als eine modernisierende Instandsetzung einzuordnen sein, die mit einfacher Mehrheit beschlossen werden kann ( 22 Abs. 3 i.v.m. 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Eine Maßnahme ordnungsgemäßer Instandhaltung und Instandsetzung darf über die bloße Reparatur oder Wiederherstellung des früheren Zustands hinausgehen, wenn die Neuerung eine technisch bessere oder wirtschaftlich sinnvollere Lösung darstellt. Der Maßstab eines vernünftigen, wirtschaftlich denkenden und erprobten Neuerungen gegenüber aufgeschlossenen Hauseigentümers darf dabei nicht zu eng an dem bestehenden Zustand ausgerichtet werden, wenn die im Wohnungseigentum stehenden Gebäude nicht zum Schaden aller Eigentümer vorzeitig veralten und an Wert verlieren sollen. Von besonderer Bedeutung ist insoweit eine Kosten-Nutzen-Analyse, die das Berufungsgericht unterlassen hat. Sofern sich die Mehraufwendungen innerhalb eines angemessenen Zeitraums - der bei Maßnahmen der hier in Rede stehenden Art in der Regel zehn Jahre beträgt - amortisieren, hielten sich die Maßnahmen noch im Rahmen der modernisierenden Instandsetzung. Folie 18
19 2a) Bauausführung unter Beachtung des Minderungsausschlusses, 536 Ia BGB Der Dreimonatszeitraum beginnt mit der ersten Beeinträchtigung, die aus dem umzusetzenden Modernisierungsvorhaben resultiert und die Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch mindert. Auswirkungen in Wohnungseigentumsanlage: - Entlastung des einzelnen vermietenden Eigentümers, wegen 14 Nr. 4 WEG auch der Gemeinschaft, - Anhaltspunkt für ordnungsmäßige Verwaltung, - Haftungsgefahren für Verwalter bei verschuldeten Verzögerungen. Folie 19
20 Duldungspflichten: Skizze E1 E2 E3 E4 E5 E6 E7 Vielzahl an Wohnungseigentümern E... Gemeinschaft 14 Nr. 4 WEG? Vermietender Wohnungseigentümer Mietrecht: 555a, 555d BGB Mieter Folie 20
21 2b) Geltendmachung der Duldungspflicht Durchsetzung im Dreieck - Der Weg Vermieter ist Gemeinschaft aufgrund Eigentümerbeschluss verpflichtet, Vermieter setzt Duldungsansprüche gegen Mieter um. - Probleme (Bauherr Gemeinschaft hat es nicht in der Hand!): Kündigt Vermieter zutreffend an? Setzt Eigentümer die Ansprüche rechtzeitig durch? Wer darf Duldungstitel durchsetzen? Kann die Gemeinschaft selbst den Duldungsanspruch durchsetzen? Folie 21
22 Möglichkeiten der Gemeinschaft Eigene Ansprüche (-) Gemeinschaftsbezogene Ansprüche (-) ( 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 1 WEG: Sie übt die gemeinschaftsbezogenen Rechte der Wohnungseigentümer aus) Durch Beschluss zu vergemeinschaftende Ansprüche ( Ansichziehen ) ( 10 Abs. 6 Satz 3 Fall 2 WEG: Sie übt aus ebenso sonstige Rechte und Pflichten der Wohnungseigentümer, soweit diese gemeinschaftlich geltend gemacht werden können oder zu erfüllen sind.) - BGH v V ZR 194/14 Rn. 12: Bejaht man 1004 BGB, dann (+), - Bejaht man 555a, 555d BGB, dann ebenfalls (+): Zwar individueller Anspruch, aber maßgeblich für Befugnisse, das gemeinschaftliche Eigentum zu nutzen. Folie 22
23 VI. Zusammenfassung 1. Um den wohnungseigentumsrechtlichen Begriff der Modernisierung nach 22 Abs. 2 WEG zu bestimmen, ist der Verweis auf 555b Nr. 1-5 BGB ernst zu nehmen. 2. Die weiteren Merkmale in 22 Abs. 2 WEG ( Eigenart der Wohnanlage, keine unbillige Beeinträchtigung ) stellen Ausprägungen ordentlicher Verwaltung dar und sollten eng ausgelegt werden, um den Spielraum der ¾ Mehrheit der Eigentümer nicht zu sehr einzuengen. 3. Der einzelne Mieter muss bauliche Maßnahmen der Gemeinschaft nur unter den Voraussetzungen von 555a, 555d BGB dulden. 4. Der vermietende Eigentümer kann auch bei Modernisierungen durch die Gemeinschaft die Miete nach 559 BGB erhöhen, wofür auf die den Vermieter treffenden Kosten abzustellen ist. 5. Der Minderungsausschluss des 536 Abs. 1a BGB entlastet über 14 Nr. 4 WEG die Gemeinschaft und wirkt als Beschleunigungsgebot in die Gemeinschaft hinein. 6. Die Wohnungseigentümer können den Duldungsanspruch aus 555a, 555d BGB nach 10 Abs.6 S. 3 Fall 2 WEG vergemeinschaften. Folie 23
24 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! Prof. Dr. Florian Jacoby Direktor der Forschungsstelle für Immobilienrecht, Universität Bielefeld Universitätsstr Bielefeld Folie 24
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