CME. Differenziertes offen chirurgisches Vorgehen beim thorakoabdominellen Aortenaneurysma. Einleitung
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- Pia Jaeger
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1 CME c m e. m g o -f ac h v e rla g e.d e Differenziertes offen chirurgisches Vorgehen beim thorakoabdominellen Aortenaneurysma B. Kasprzak Klinik und Poliklinik für Vaskuläre und Endovaskuläre Chirurgie, Universitätsklinikum Münster Thorakoabdominelles Aortenaneurysma TAAA offene Aortenchirurgie Ballard-Technik chirurgische praxis 83, 1 14 (2018) Mediengruppe Oberfranken Fachverlage GmbH & Co. KG Einleitung In der Behandlung abdomineller und thorakoabdomineller Aortenaneurysmen hat es in den letzten 20 Jahren einen dramatischen Paradigmenwechsel gegeben: Die offene Aneurysmachirurgie ist durch die endovaskulären Eingriffe weitgehend verdrängt worden. Aktuell werden bis zu 80 % der Bauchaortenaneurysmen mit Stentgrafts versorgt [1 4]. Die zunehmende Verbreitung fenestrierter und gebranchter Prothesen ermöglicht inzwischen auch die minimal invasive Therapie komplexer thorakoabdomineller Aneurysmen [5 7]. Endovaskulär behandelte Patienten haben einen klaren perioperativen Überlebensvorteil gegenüber offen operierten (0,5 bis 1,2 % vs. 3,0 bis 4,8 % perioperative Letalität). Dieser frühe Vorteil verliert sich nach 2 bis 3 Jahren und wird mit einer höheren Reinterventions- und Rupturrate erkauft [8 13]. Rein endovaskuläre Alternativen zu den Seitenarmprothesen stellen die Chimney- und Sandwichtechnik dar, bei denen parallel zu den Aortenendoprothesen Stentgrafts in die zu erhaltenden Seitenäste eingebracht werden. Diese Technik wurde ursprünglich als Bail out-lösung zur Rettung versehentlich überstenteter Organarterien entwickelt. Sie wird von einigen Autoren jedoch auch als Routinemethode propagiert, insbesondere in dringlichen Situationen, wenn gebranchte oder fenestrierte Prothesen aus Zeitgründen nicht zur Verfügung stehen [14 16]. Hybridoperationen, bei denen die aortalen Seiten äste mit einem extraanatomischen Bypass versorgt werden, bevor die Ostien mit dem aortalen Stentgraft abgedeckt werden, stellen eine weitere Behandlungsalternative dar. Morbidität und Letalität dieser Eingriffe sind jedoch insbesondere im Bereich der Nieren- und Visceralarterien ähnlich hoch wie bei rein offener Aneurysmaausschaltung [17 20]. Bei ca. 20 % der Aneurysmapatienten ist eine endovaskuläre Prothesenimplantation aus morphologischen Gründen nicht möglich oder aus klinischen Gründen, wie geringes Patientenalter, Infektsituation, Vorliegen einer Bindegewebserkrankung, nicht sinnvoll. Die Expertise in der offenen Chirurgie muss daher erhalten bleiben. Diese Aufgabe stellt bei stark rückläufigen Operationsfrequenzen gerade für chirurgische praxis 2018 Band 83 / 4 1
2 Abb. 1 TAAA-Einteilung nach [34] die technisch anspruchsvollen thorakoabdominellen Aneurysmen eine besondere Herausforderung dar. Im vorliegenden Artikel soll daher ein Überblick über die etablierten Techniken der konventionellen TAAA-Operation und ihre differenzierte Anwendung bei den unterschiedlichen Aneurysmatypen gegeben werden. Grundlagen der offenen TAAA-Ausschaltung Erste erfolgreiche Resektionen thorakoabdomineller Aneurysmen wurden in den 1950er-Jahren von den Pionieren der Aortenchirurgie Etheredge, Rob, Cooley und DeBakey durchgeführt [21, 22]. Bis in die 1960er-Jahre hinein war es Standard, die Aneurysmen komplett zu resezieren, Prothesen termino-lateral zu anastomosieren und als temporären Shunt vor der definitiven Rekonstruktion mit Seitenarmen für die Visceral- und Nierenarterien zu verwenden. Die Letalität erreichte bei dieser Technik 50 %. Crawford hat später die heute noch gültigen Grundlagen der Aneurysmachirurgie entwickelt. Er propagierte, die Technik radikal zu vereinfa- chen. Die Aorta wurde ohne weitere Maßnahmen quer geklemmt, längs eröffnet, nicht reseziert, die Nieren- und Visceralarterien, ggf. auch Interkostalarterien, wurden mit einem Patch der Aortenwand in die Prothese replantiert [23]. Durch diese Graft-Inclusion-Technik konnte eine deutliche Reduktion der perioperativen Morbidität und Letalität auf ca. 10 % erreicht werden. Diese Clamp-and-Sew-Technik hat allerdings auch nachteilige Effekte ausgelöst. Infolge der hohen Aortenklemmung und der damit verbundenen Vor- und Nachlast steigerung kommt es zu einer erheblichen kardialen Belastung, zu einer gesteigerten Fibrinolyse und ausgeprägten Gerinnungsstörungen. Die induzierte Minderperfusion der Nieren-, Visceral- und Interkostalarterien gefährdet in Abhängigkeit von der Klemmzeit die Organfunktion und kann zu Niereninsuffizienz und Paraplegie führen. Ebenfalls problematisch sind die hämodynamischen Auswirkungen des Declampings und der Reperfusion. Zur weiteren Verbesserung der Behandlungsergebnisse erwiesen sich Maßnahmen zur Organprotektion als erforderlich. Hierzu gehören die distale Aortenperfusion mit HLM, Linksherzbypass oder axillo-femoralem Bypass, selektive Band 83 / 4 chirurgische praxis
3 Abb. 2 Rotationslagerung auf der Vakuum-Matratze. Schnittführung hier für ein Typ 3-Aneurysma angezeichnet Organperfusion, Kaltspülung der Nierenarterien, Liquordrainage, Replantation der Interkostalarterien, invasives Monitoring, Aufrechterhaltung eines hohen Mitteldruckes von 80 bis 90 mmhg, milde Hypothermie von 32 bis 34 C, antifibrinolytische Therapie und die Gabe von Steroiden [24 26]. Die Wirksamkeit der einzelnen Maßnahmen wird allerdings kontrovers diskutiert [27 33]. Verschiedene Autoren favorisieren zudem unterschiedliche OP-Techniken, auf die im Weiteren näher eingegangen wird. Einteilung der thorakoabdominellen Aortenaneurysmen Thorakoabdominelle Aneurysmen können unterschiedlich große Anteile der descendierenden und abdominellen Aorta betreffen. Die technischen Anforderungen bei der Ausschaltung und auch das perioperative Morbiditäts- und Letalitätsrisiko sind dementsprechend unterschiedlich. Crawford hat daher 4 verschiedene Aneurysmatypen definiert ( Abb. 1) [34]. Typ 1: Aneurysma von der proximalen Aorta descendens oberhalb der 6. Rippe bis oberhalb der Nierenarterien Typ 2: Aneurysma von der proximalen Aorta descendens oberhalb der 6. Rippe bis unterhalb der Nierenarterien Typ 3: Aneurysma von der distalen Aorta descendens unterhalb der 6. Rippe bis unterhalb der Nierenarterien Typ 4: Aneurysma vom truncus coeliacus bis unterhalb der Nierenarterien Diese Klassifikation wurde von Safi um einen Typ 5 erweitert, bei dem das Aneurysma unterhalb der 6. Rippe beginnt und oberhalb der Nierenarterien endet [35]. Operativer Zugang zur thorakoabdominellen Aorta Die übersichtliche Freilegung der aneurysmatischen Aorta ist Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Rekonstruktion. Als Standardzugang zur thorakoabdominellen Aorta hat sich eine Thorakolaparotomie bzw. ein thorakoretro- chirurgische praxis 2018 Band 83 / 4 3
4 peritonealer Zugang unterschiedlicher Höhe in Rotationslagerung etabliert. Der Patient wird idealerweise auf einer Vakuum-Matratze gelagert, wobei der Thorax 70 bis 90 und das Becken 30 nach rechts rotiert werden. Der linke Arm wird auf einer Schiene kranial des rechten Armes fixiert ( Abb. 2). Auf eine Doppellumenintubation verzichten wir bei Typ 3- und Typ 4-Aneurysmen. Die Anlage einer Liquordrainage erfolgt durch die Anästhesie in Abhängigkeit von der Aneurysma-Ausdehnung und eventueller Voroperationen nach interdisziplinärer Absprache. Bei Typ 4-Aneurysmen verzichten wir in der Regel darauf. Abb. 3 Zugang zur thorakoabdominellen Aorta [36] Die Thorakotomie erfolgt bei Typ 4-Aneurysmen im 9. Interkostalraum (ICR), bei Typ 3-Aneurysmen im 10. ICR, bei Typ 2-Aneurysmen im 6. ICR. Die Incision wird durch den Rippenbogen nach abdominell weitergeführt. Hierbei bevorzugen wir die retroperitoneale Freilegung. Für die Versorgung von Typ 1-Aneurysmen kann auf den abdominellen Zugangsweg verzichtet werden ( Abb. 3). Wir durchtrennen den Rippenbogen in der vorgesehenen Höhe nach Thorakotomie und Eröffnung des retroperitonealen Raumes. Vom Zwerchfell präparieren wir nur einen schmalen Saum und lassen den Peritonealsack adhärent. Das Zwerchfell kann so tangential unter Schonung des N. phrenicus durchtrennt werden ( Abb. 4). Um Rippenfrakturen zu vermeiden, durchtrennen wir die Interkostalmuskulatur unter Erhalt des darüberliegenden Weichteilmantels bis nah an die Wirbelsäule heran. Die linke Niere wird zusammen mit dem Peritonealsack und dem linken Ureter nach rechts verlagert. Dorsal der linken Nierenarterie kann dann die Aorta übersichtlich freigelegt werden. In Höhe der linken Nierenarterie mündet regelhaft eine kaliberstarke Lumbalvene, die aus der Wirbelsäule kommend die Aorta überkreuzt, in die linke Nierenvene. Sie bietet eine wertvolle Orientierungshilfe ( Abb. 5). Abb. 4 Tangentiale Durchtrennung des Zwerchfells [36] Band 83 / 4 chirurgische praxis
5 Clamp-and-Sew-Technik Die von Crawford propagierte Clamp-and-Sew- Technik besticht durch ihre Einfachheit. Die Aorta wird proximal und distal ohne weitere Maßnahmen quer geklemmt und eröffnet. Für die proximale Anastomose wird empfohlen, auch die Aortenhinterwand zu durchtrennen und zu präparieren, um ein versehentliches Mitfassen des Ösophagus bei der Anastomosennaht zu vermeiden. Die Prothese wird in typischer Weise termino-terminal anastomosiert, wobei zur Verstärkung des Nahtlagers ein Filzstreifen zum Einsatz kommt. Kontroversen existieren bezüglich der Versorgung rückblutender Interkostalarterien. Während Safi [35] und Coselli [37] regelmäßig 2 bis 3 Interkostalarterienpaare in der kritischen Region T7 bis L2 reinserieren, favorisieren Acher [38] und Griepp [28] eine rasche Umstechung, um die Rückblutung zu unterbinden und den Perfusionsdruck im Kollateralnetzwerk aufrechtzuerhalten.»paraplegia causation is anatomic but paraplegia prevention is physiologic (non-anatomic)«[29]. Truncus coeliacus, AMS und rechte Nierenarterie werden mit einer Insel Aortenwand gemeinsam in die Prothese replantiert ( Abb. 6). Danach Abb. 5 Freigelegte thorakoabdominelle Aorta. Hier: Versorgung eines Typ 3-Aneurysmas. Pinzette weist auf die linke Nierenarterie. Die hier kreuzende Lumbalvene ist durchtrennt. Die Saugerspitze weist auf die AMS, die weiter im Hintergrund entspringt. Im Bild rechts davon der Truncus coeliacus. Selbsthalter ermöglichen eine sichere Aneurysmaexposition mit nur einem chirurgischen Assistenten. folgt die Replantation der linken Nierenarterie mit einem Carrellpatch oder einem kurzen Dacroninterponat. Mit Fertigstellung der distalen termino-terminalen Aortenanastomose wird die Rekonstruktion komplettiert. Abb. 6 TAAA-Ausschaltung. Graft-Inclusion-Technik, Inselreplantation von Truncus coeliacus, AMS und rechter Nierenarterie [36] chirurgische praxis 2018 Band 83 / 4 5
6 a Abb. 7 Proximale Anastomose mit Einbeziehung von Truncus coeliacus, AMS und rechter Nierenarterie in die proximale Anastomose. Replantierte linke Nierenarterie (Pfeil) b Abb. 8 TAAA Typ 4; Truncus coeliacus, AMS und rechte Nierenarterie in die proximale Anastomose einbezogen. Dacronbypass auf die linke Nierenarterie Abb. 9 (a, b) Patchaneurysma nach offener Ausschaltung eines Falschlumenaneurysmas infolge B-Dissektion Die Clamp-and-Sew-Technik erfordert ein Operieren gegen die Zeit, um die Organischämie möglichst kurz zu halten. Bei Aneurysmen vom Typ 2 oder Typ 3 muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass Organischämiezeiten von 60 Minuten und länger auftreten können, insbesondere wenn zusätzlich die Interkostalarterien replantiert werden. Daher wurde die klassische Technik von verschiedenen Operateuren modifiziert. Eine einfache Maßnahme zur Erhöhung der Ischämietoleranz stellt die Kaltperfusion der Nierenarterien und eine milde Absenkung der Körperkerntemperatur auf 32 bis 34 C dar [37]. Cambria führt nach Fertigstellung der proximalen Anastomose eine temporäre selektive Perfusion der Mesenterialarterien über einen Seitenarm der Prothese durch [39, 40]. Als weitere supportive Maßnahme kann ein temporärer axillo-femoraler Bypass angelegt werden, entweder präoperativ rechts oder in derselben Sitzung extern links, oder auch ein temporärer axillo-visceraler Shunt [41, 42]. Damit wird eine retrograde Perfusion der distalen Aorta und der Nieren- und Visceralarterien bei proximaler Klemmung und Gegenklemmung ermöglicht. Der höhere Perfusionsdruck in der unteren Körperhälfte unterstützt die Kollateralzirkulation des Rückenmarkes über den Iliaca interna-kreislauf. Unstrittig ist die Band 83 / 4 chirurgische praxis
7 Abb. 10 Linksherzbypass [44] Notwendigkeit, einen hohen arteriellen Mitteldruck aufrechtzuerhalten. Auf die Bedeutung der Liquordrainage wurde bereits hingewiesen. Der mit der Clamp-and-Sew-Technik verbundene Zeitdruck fällt bei der Versorgung von Typ 4-Aneurysmen weniger ins Gewicht. Hier können in den meisten Fällen Truncus coeliacus, AMS und rechte Nierenarterie in die proximale Anastomose einbezogen werden ( Abb. 7, 8). Die Replantation von Interkostalarterien erübrigt sich. Da raus resultiert eine kurze Ischämiezeit, die weiter reduziert wird, wenn man die linke Nierenarterie vorab mit einem Bypass versorgt. Das hat den zusätzlichen Vorteil, dass technische Probleme bei der Replantation der linken Nierenarterie vermieden werden, die aufgrund der räumlichen Nähe zur proximalen Aortenanastomose generell zu erwarten sind. Nachteilig kann sich die Replantation einer größeren Insel erkrankten Aortengewebes in die Prothese bei Patienten mit Marfansyndrom, Loeys-Dietz-Syndrom oder anderen Bindegewebserkrankungen auswirken. Hier besteht das Risiko, dass sich ein Patchaneurysma entwickelt ( Abb. 9a, 9b). Distale Aortenperfusion und selektive Organperfusion mit HLM oder Linksherzbypass Weltweit die größte Erfahrung und die besten publizierten Ergebnisse in der offenen Chirurgie thorakoabdomineller Aneurysmen haben die Arbeitsgruppen um Safi und Coselli in Houston. Coselli konnte 2007 über offene Rekonstruktionen thorakoabdomineller Aneurysmen mit exzellenten Ergebnissen berichten. Die perioperative Letalität lag bei 5 %, eine postoperative Niereninsuffizienz trat bei 5,6 % auf und die Paraplegierate war 3,8 %. Bei knapp 40 % der Operationen wurde eine distale Aortenperfusion mittels Linksherzbypass durchgeführt, bei 61,3 % erfolgte eine segmentale Replantation von Interkostalarterien [43]. Die OP-Technik ist bei Safi und Coselli ähnlich [35, 44]. Die Freilegung der Aorta erfolgt thorako-retroperitoneal wie bereits beschrieben. Vor clamping der Aorta wird der linke Vorhof über die untere Lungenvene kanüliert und mit Hilfe einer Rollerpumpe ein Linksherzbypass zur linken Femoralarterie oder direkt zur Aorta angelegt ( Abb. 10). chirurgische praxis 2018 Band 83 / 4 7
8 Die Aorta wird proximal quer geklemmt, im Bereich des Aneurysmas gegengeklemmt, eröffnet und in Höhe der geplanten Anastomose komplett durchtrennt. Interkostalarterien werden hier umstochen. Die proximale Anastomose wird wie bereits beschrieben angelegt ( Abb. 11). Das Aneurysma wird dann weiter eröffnet, wobei bei Safi die distale Klemme sukzessive nach distal wandert, während Coselli im Weiteren auf eine distale Aortenklemme verzichtet. Nach Eröffnung des visceralen Aortensegmentes werden die Visceralarterien mit Blut perfundiert, die Nierenarterien mit kalter Elektrolytlösung ( Abb. 12). Letztere hat sich gegenüber einer nicht pulsatilen normothermen Perfusion mit Blut als überlegen erwiesen [45]. Die ausgewählten Interkostalarterien werden direkt in die Prothese replantiert. Truncus coeliacus, AMS und rechte Nierenarterie werden danach als Insel in die Prothese eingenäht, die linke Nierenarterie als gesonderter Patch oder über ein kurzes Dacroninterponat ( Abb. 13, 14). Zeitdruck liegt nicht vor. Daher können die Visceral- und Nierenarterien alternativ auch jeweils über gesonderte Seitenäste Abb. 11 proximale Anastomose [44] Abb. 12 Selektive Perfusion der Visceralarterien mit Blut. Kaltperfusion der Nierenarterien mit Elektrolytlösung. Replantation der Interkostalarterien [44] Band 83 / 4 chirurgische praxis
9 Abb. 13 Gemeinsame Replantation von Truncus coeliacus, AMS und rechter Nierenarterie mit einem Aortenpatch [44] Abb. 14 Rekonstruktion vor Fertigstellung [44] reinseriert werden, falls dies z. B. beim Marfansyndrom erforderlich sein sollte. Eine Variante der distalen Aorten- und selektiven Organperfusion ist mittels HLM möglich. Die A. und V. femoralis links werden freigelegt und kanüliert. Wir bevorzugen die arterielle Kanülierung über einen kurzen temporären Dacron-Conduit. Eine lange venöse Kanüle wird unter echokardiographischer Kontrolle bis zum Vorhof vorgeschoben. Diese Methode ist technisch einfacher als ein Linksherzbypass. Der zusätzliche Oxygenator hat Vor- und Nachteile: Das Risiko, eine SIRS-Reaktion durch die größere Kontaktfläche auszulösen, ist höher. Andererseits profitieren Patienten davon, die eingeschränkte respiratorische Reserven haben und eine Einlungenbeatmung nicht tolerieren würden. Die Perfusion mittels HLM oder Linksherzbypass hat nicht nur Vorteile. Der technische Aufwand ist erheblich höher, zusätzliche Komplikationsmöglichkeiten werden eröffnet und eine Vollheparinisierung ist erforderlich. Die Blutungsneigung ist gegenüber einer heparinfreien OP-Technik stark vermehrt. chirurgische praxis 2018 Band 83 / 4 9
10 Ballard-Technik Eine weitere technische Variante der thorakoabdominellen Aneurysmaausschaltung hat Ballard 1999 veröffentlicht und ermutigende Ergebnisse der ersten 32 Patienten 2002 berichtet [46, 47]. In diesem Verfahren werden ein Trifurkations-Bypass von einem gesunden proximalen Aortensegment auf Truncus coeliacus, AMS und linke Nierenarterie kombiniert mit einem Aorteninterponat, das distal der proximalen Bypassanastomose beginnt. In dieses Interponat wird das Ostium der rechten Nierenarterie implantiert ( Abb. 15). Abb. 16 Freigelegte thorakoabdominelle Aorta. Selbst angefertigte Trifurkationsprothese, hier aus einer Dacronprothese , deren Hauptkörper mit einem zusätzlichen Schenkel anastomosiert wurde. Abb. 15 OP nach Ballard: Bypass mittels Trifurkationsprothese von einem gesunden proximalen Aortensegment auf Truncus coeliacus, AMS und linke Nierenarterie. Danach Interponat des Aneurysmas bei laufendem Bypass. Replantation der rechten Nierenarterie in das Aorteninterponat [47] Das Verfahren nach Ballard eignet sich insbesondere für Typ 3- und Typ 4-Aneurysmen, weil bei ihnen ein gesundes Segment der Aorta proximal des Aneurysmas für die proximale Bypassanastomose zur Verfügung steht. Die Aorta kann für diese Anastomose tangential geklemmt werden. Eine Trifurkationsprothese lässt sich leicht aus handelsüblichen Bifurkationsprothesen intraoperativ herstellen. Jedes Zielgefäß wird gesondert am Aneurysma umstochen, durchtrennt und termino-terminal mit einem Schenkel dieses Bypasses anastomosiert. Die Klemmzeiten sind daher sehr kurz. Auf Heparin kann verzichtet Abb. 17 Fertiggestellter Bypass auf Truncus coeliacus, AMS, linke Nierenarterie. Die Aorta ist unterhalb der proximalen Bypassanastomose quer geklemmt und eröffnet. Perfusionskatheter in der rechten Nierenarterie. Klemmen auf beiden Iliacalarterien. Die proximale Anastomose des Aorteninterponates ist begonnen. bzw. in niedrigen Dosen gegeben werden. Die Operation verläuft ohne Zeitdruck. Nach querer Klemmung der Aorta unterhalb der proximalen Bypassanastomose werden Truncus coeliacus, AMS und linke Nierenarterie weiter perfundiert. Die rechte Nierenarterie kann jetzt mit kalter Elektrolytlösung gespült werden. Eine Reperfusion mit Blut lässt sich in der Regel nach 30 Minuten, die man für die proximale Aortenanastomose und die Replantation der Nierenarterie Band 83 / 4 chirurgische praxis
11 Abb. 18 Fertiggestelltes Aorteninterponat; die Anastomose zur rechten Nierenarterie befindet sich auf der Rückseite der Prothese Typ 3-Aneurysmen versorgen wir standardmäßig in der Ballard-Technik ohne Vollheparinisierung. Die Indikation zur Liquordrainage stellen wir bei Patienten mit erhöhtem Paraplegierisiko (Vor operation der Aorta, fehlende Kollateralgebenötigt, wiederherstellen. Ein weiterer Vorteil ist darin zu sehen, dass durch diese Anastomosentechnik das Risiko eines Patchaneurysmas vermieden wird. Da jederzeit mindestens eine, abgesehen von der kurzen Klemmung meistens beide Visceralarterien perfundiert werden, wird ein ausreichender Kollateralkreislauf zur unteren Körperhälfte aufrechterhalten und somit die negativen Effekte einer Ischämie vermieden. Ballard berichtet eine perioperative Letalität, ein vorübergehendes Nierenversagen und eine Paraplegierate von jeweils 6,3 % [47]. Die einzelnen Operationsschritte werden in den Abbildungen 16 bis 18 dargestellt. Eigene Operationsstrategie Wir bevorzugen ein differenziertes Vorgehen in Abhängigkeit vom Aneurysmatyp. Typ 1 und Typ 2-Aneurysmen operieren wir unter HLM-Einsatz, um die Organischämie möglichst kurz zu halten. Bei diesen Aneurysmen führen wir grundsätzlich eine Liquordrainage durch. Die invasive Blutdruckmessung erfolgt rechts femoral und rechts radial. Wir streben eine Hypother- mie von 34 C an. Für die HLM wird die linke V. femoralis communis bis zum rechten Vorhof kanüliert. Die Perfusion erfolgt über einen temporären Dacronconduit der linken A. femoralis communis. Ein Doppellumentubus ermöglicht die Einlungenbeatmung. Die HLM-Phase erfordert die Vollheparinisierung, die nach Abgehen von der Maschine mit Protamin aufgehoben wird. Zur Fibrinolysehemmung verabreichen wir Tranexamsäure. Nach querer Klemmung der Aorta stimmen sich Kardiotechniker und Anästhesist so ab, dass in der oberen Körperhälfte ein Mitteldruck von 90 mmhg aufrechterhalten werden kann. Falls möglich, werden Interkostalarterien im thorakolumbalen Übergang replantiert, meist über einen Seitenarm der Prothese, damit eine bessere Blutungskontrolle durchgeführt werden kann. Bei Vorliegen von Bindegewebserkrankungen (Marfan-, Loeys-Dietz-, Cogansyndrom) schließen wir jedes Zielgefäß über einen gesonderten Seitenast an. chirurgische praxis 2018 Band 83 / 4 11
12 fäße). Auf einen Doppellumentubus verzichten wir. Wenn möglich, werden kräftige Interkostalarterien in die proximale Anastomose des Aorteninterponates einbezogen. Bei Typ 4-Aneurysmen versorgen wir zunächst die linke Nierenarterie mit einem Bypass von der proximalen Aorta. Das weitere Vorgehen entspricht der Clamp-and-Sew-Technik mit Einbeziehung von Truncus coeliacus, AMS und rechter Nierenarterie in die proximale Anastomose (vgl. Abb. 8). Der Verzicht auf eine distale Aortenperfusion mit HLM oder Linksherzbypass bei Typ 3- und Typ 4-Aneurysmen ist sicher. Wir haben 48 Patienten elektiv und notfallmäßig wie bereits dargestellt operiert. Davon sind 4 verstorben, die alle wegen gedeckter Ruptur oder akut symptomatischem Aneurysma operiert werden mussten. Eine neu aufgetretene Niereninsuffizienz ist nicht aufgetreten. Ein Patient hat eine Paraplegie entwickelt. Als Benchmark liegen aktuelle Auswertungen der National Surgical Quality Improve ment Program Database vor [48]. Diese haben eine perioperative Letalität von insgesamt 14 % ergeben (elektiv 11,4 %, notfallmäßig 34,2 %). Dayama et al. fanden eine 30-Tage-Letalität nach 682 elektiven Operationen von 10 % [49]. Diese Vergleichszahlen rechtfertigen unser differenziertes operatives Vorgehen. Zusammenfassung Auch in der endovaskulären Ära besteht weiterhin die Indikation zur offenen Ausschaltung thorakoabdomineller Aneurysmen bei ungünstiger Morphologie, Infektsituationen, niedrigem Lebensalter und Bindegewebserkrankungen. Die klassische Clamp-and-Sew-Technik von Crawford ist bei Typ 1-, 2- und 3-Aneurysmen mit langen Klemmzeiten und hohen Raten an Organkomplikationen verbunden. Diese Nachteile können durch eine distale Aorten- und selektive Organperfusion mit Hilfe eines Linksherzbypasses oder einer HLM vermieden werden, wobei eine Erhöhung der Komplexität des Eingriffes und eine vermehrte Blutungsneigung aufgrund des Heparineinsatzes in Kauf genommen werden müssen. Eine Kombination aus einem Bypass auf linke Nierenarterie, Truncus coeliacus und AMS mit nachfolgendem Aorteninterponat (OP nach Ballard) ermöglicht ebenfalls kurze Organischämiezeiten unter Verzicht auf eine Vollheparinisierung. Wir operieren daher nur Typ 1- und 2-Aneurysmen unter HLM-Einsatz und operieren die Typ 3-Aneurysmen in der Technik nach Ballard, die Typ 4-Aneurysmen in Clamp-and- Sew-Technik. Kasprzak B: Differentiated open technique in thoracoabdominal aneurysm repair Summary: In the endovascular era open surgery for thoracoabdominal aneurysms is still indicated in case of unsuitable anatomy, local infections, young patient age and preexisting connective tissue disorders. Crawford s clamp and sew technique leads to long cross clamping times and a high rate of organ complications in type 1, 2 and 3 aneurysms. It is possible to avoid these disadvantages when using a left heart bypass or a cardiopulmonary bypass for distal aortic perfusion and selective organ perfusion. By this the operation becomes more complex and full heparinization increases the risk of bleeding complications. Ballard s two graft technique with a trifurcated graft for revascularization of the left renal artery, the celiac trunk and the SMA followed by an aortic interposition graft minimizes organ ischemia without the need of heparin. We prefer a cardiopulmonary bypass for repair of type 1 and 2 aneurysms, Ballard s technique in type 3 aneurysms and clamp and sew technique in type 4 aneurysms. Keywords: thoracoabdominal aortic aneurysm TAAA open aortic surgery Ballard-technique Band 83 / 4 chirurgische praxis
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