Lehrstuhl Entwerfen und Siedlungsentwicklung Technische Universität Darmstadt Fachbereich Architektur. Entwurf Darmstadt Kranichstein SS 2012 B15
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1 Lehrstuhl Entwerfen und Siedlungsentwicklung Technische Universität Darmstadt Fachbereich Architektur Entwurf Darmstadt Kranichstein SS 2012 B15
2 Großsiedlung Darmstadt-Kranichstein, 1970 Darmstädter Echo 3
3 Utopie vs. Realität Thema Darmstadt Neu-Kranichstein ist ein Musterbeispiel unterschiedlichster Stadt- und Wohnvorstellungen verschiedener Generationen von Planern. Mittlerweile ist der unvollendete Waldsatellit fast 50 Jahre alt. Wie viele andere der Großsiedlungen aus den 60er und 70er Jahren ist die Bebauung am Ende eines Lebenszyklus angekommen. Es stellt sich die Frage, aufgrund des hohen Sanierungsbedarfs, des hohen Energieverbrauchs und der in einigen Siedlungen vorhandenen sozialen Spannungen, ob es sich lohnt die Siedlungen oder einzelne Gebäude umzubauen oder es nicht sinnvoller wäre Sie abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen. Diese Frage nimmt an Relevanz zu, da einige dieser Großsiedlungen mittlerweile aus der Bindung der sozialen Förderung heraus fallen, sie zum Teil privatisiert werden und ein Anstieg der Mieten zu erwarten ist. Die Siedlungen sind damals von den besten Architekten und Stadtplanern ihrer Zeit als Projekte zur Verbesserung der Lebensverhältnisse gestartet worden. Als architektonische und städtebauliche Utopie für eine bessere Gesellschaft abseits der historischen Altstädte. Wir wollen uns mit dem Blick einer neuen Generation, die weder zu den Erbauern noch zu Kritikern der Großsiedlung gehört und genügend Distanz hat, wieder den Großsiedlungen als Untersuchungsobjekt für unsere Entwürfe nähern. Gern tabuisiert, sind die Siedlungen doch ein fester Bestandteil unserer Großstädte und gehören wie die beliebten Innenstädte zum historischen Erbe. Nun mit dem zeitlichen Abstand kann man präziser untersuchen, welche Rolle die Architektur beim Erfolg oder Scheitern der Siedlungen spielte. Schließlich sind einige der Siedlungen sehr erfolgreich, wie das olympische Dorf in München, während gleichzeitig andere bis heute die sozialen Brennpunkte der Stadt bilden. Parallel werden einzelne Projekte und Bauten aus den 60ern und 70ern aufgrund ihrer Authentizität zu Kultobjekten. Die Patina, der Vintagelook des Beton oder einfach die Retromode rücken die Gebäude erst für die Subkultur und anschließend für den Mainstream wieder in den Focus. Ein Teil der Untersuchungen soll aufzeigen, ob die architektonischen und städtebaulichen Qualitäten der Stadtutopien durch präzise Eingriffe wieder aktivierbar sind oder ob nicht die vorhandenen Qualitäten, wie zum Beispiel die Landschaftsarchitektur mit ihrem sehr wertvollen 50 Jahre alten Baumbestand, eine zu erhaltende Substanz darstellen. Auf der anderen Seite geht es natürlich auch um das Grundverständnis unserer Profession, der Situation des Entwerfers zwischen Utopie und Realität, zwischen gesetzter Idee und Einfügung in das Vorhandene. Interessant ist dabei wieder eine selbstbewusste eigene Position als Gestalter zu entfalten, die ein natürliches Verhältnis zum Scheitern als notwenigen Teil jedes Entwerfens und Experiments mit einschließt. Darmstadt Kranichstein 1963 haben Gerd Albers und Günther Grzimek zur Modernisierung der Stadtregion Darmstadt das Konzept der Waldsatelliten erarbeitet. In den 60ern wurden in der gesamten BRD Trabantenstädte zur Entlastung der Innenstädte geplant. Grzimeks Plan sah fünf Waldsatelliten mit bis zu Menschen vor, die Ihren besonderen Reiz in der Konfrontation städtischer Zivilisation mit der Natur entwickeln sollten erhielt Ernst May den Auftrag für die Planung von Neu Kranichstein. Seine Planung sah geknickte Hochhauswände vor, die gleichsam offenen Armen in die Landschaft greifen. Im Süden vorgelagert war ein Teppich aus verdichteten Hofhäusern geplant. Eine durchgehende Landschaftsarchitektur, durch deren Mitte der angestaute Ruthsenbach verläuft, bettet die Gebäude in die Gesamtlandschaft ein. Durch die erste Wirtschaftskrise 1966/67 konnte nur der 1. Bauabschnitt gebaut werden und auch das Zentrum mit den Infrastruktureinrichtungen am See wurde im Wesentlichen nicht realisiert. Darmstadt Kranichstein wurde in den 70er Jahren immer mehr zum sozialen Brennpunkt, die Kluft zwischen den Bewohnern des sozialen Wohnungsbaus in den Hochhäusern und den Besitzern der Einfamilienhäuser wuchs. In den folgenden 45 Jahren hat die Stadtplanung das Fragment der Großsiedlung nicht weiter gebaut, sondern bedingt auch durch den Paradigmenwechsel im Städtebau (Pillenknick, behutsame Stadterneuerung), durch weitere kleine Baugebiete mit anderen traditionellen Stadtbildern, Eigenheimsiedlung oder Wohnhöfen ergänzt. Insofern ist Neu-Kranichstein nicht nur als ein Spiegelbild der Planungsgeschichte des 20.Jahrhunderts, sondern auch als ein abwechslungsreiches und innovatives Experimentierfeld zu betrachten, in dem die Emanzipation der Bewohner gegenüber den großen Plänen einer inzwischen obsoleten Technokratie der Stadtplanung baulichen Ausdruck gefunden hat. Prof. Dr. Werner Durth: Darmstadt, Soziale Stadt, Planungswerkstatt Kranichstadt, 2.Werkstatttermin, September 2008, Impulsreferat Prof. Dr. Werner Durth, S.30 Erbaut Bauherr GEWOBAG Architekt Ernst May 1.BA realisiert 1480 WE, 4500 Bewohner Hartz IV-Empfänger: 22,8% Bewohner mit Migrationshintergrund: 31,3% Ausländeranteil: 22,2% Arbeitslosenquote: 8,7% Daten: Arch+ 203, Juni 2011, Planung und Realität Strategien im Umgang mit den Großsiedlungen Juliane Greb, Fallstudie 2, Das Programm Soziale Stadt Darmstadt Kranichstein, S.70 5
4 Aufgabe Aufgabe Das didaktische Ziel ist es, sich eine systematische Herangehensweise für den städtebaulichen Entwurf anzueignen. Von der Analyse zu der ersten Idee, vom ersten Konzept zum eigenen Entwurf, von der Präzisierung in der Ausführung bis zur klaren Argumentation in den verschiedenen Präsentationsmedien mit Bild, Zeichnung und Text. Neben dem handwerklichen Grundgerüst, geht es auch darum die räumlich zwingenden Zusammenhänge zwischen Wohnen, Gebäudetypologie und Stadt zu erlernen. Darmstadt-Kranichstein eignet sich hier für sehr gut, da man schon bei der Analyse der verschiedenen Stadtmodelle mit ihren Vor- und Nachteilen konfrontiert wird und sich eine eigene Meinung bilden muss. Anhand der historischen Beispiele vor Ort kann man sehr gut die Bedeutung vom Entwurf als gedachte Utopie und bewohnte Realität erlernen und muss dazu eine eigene Position beziehen. Gesucht wird dabei eine städtebauliche räumliche Antwort, die durch ihre Intervention das Bestehende neu definiert und damit eine mögliche Strategie aufzeigt, den sozialen und baukonstruktiven Mängeln der Siedlung zu begegnen. Auf diesem ersten Gesamtkonzept soll dann auf beiden Baufeldern ein Entwurf erstellt werden, der als Intervention die Gesamtsituation verbessert und die eigene Wohn- und Stadtvorstellung verdeutlicht. Beide Baufelder sind ca. 1 ha. groß und es können zwischen Wohneinheiten realisiert werden. Das erste Baufeld soll die momentanen Supermärkte mit einem neuen Block mit gemischter Nutzung als Zentrum ersetzen, während das zweite eine Ergänzung des Bestandes mit verdichteten Einfamilienhäusern oder Mietwohnungen nahe legt. Analyse - Lesart Setzen Sie sich nach einer eingehenden Ortbesichtigung analytisch mit den vorgefundenen städtebaulichen Strukturen auseinander. Erstellen Sie klassische Analysezeichnungen, Schwarzplan, Verkehrsplan, Grünplan, usw. in denen immer nur eine Funktion oder ein Thema für sich dargestellt wird. Achten Sie auf eine möglichst vereinfachte analytische Darstellung. Entwerfen Sie neben der objektivierbaren Beobachtung der Strukturanalyse eigene Darstellungsformen, Skizzen, Collagen, Texte, um Ihre eigene subjektive Haltung zum Erlebten zum Ausdruck zu bringen. Sammeln Sie mit den ersten persönlichen Eindrücken erste Ideen, räumliche Szenarios und initiieren Sie auf diese Weise den Entwurfsprozess. Bauen Sie ein Umgebungsmodell, in dem der Lageplan und die Baumassen klar ablesbar sind. Analysezeichnungen 1:2500, 1:1000 Schwarzplan, Parzellierungsplan, Nutzungsplan EG/1.OG, Grün und Freiflächenplan, Verkehrs und Erschließungsplan, Haustypologien DIN A1 Freie Darstellungen, Piktogramme, Erläuterungstext Massenmodell Styrodur 1:1000 Konzept Im zweiten Schritt sind Sie dazu aufgefordert erste Ideen, räumliche Vorstellungen oder Strategien als These aufzustellen. Anschließend geht es darum diese durch Priorisierung in Form einer Argumentationskette auf Ihre Schlüssigkeit als Konzept zu überprüfen und gleichzeitig in Arbeitsmodellen und Skizzen auf ihre räumliche Umsetzbarkeit zu untersuchen. Es werden strategische Aussagen zur Entwicklung des Gebietes als städtebauliche Vision erwartet. In dieser Phase steht die strategische Diskussion und die Erstellung von Varianten in Form von Arbeitsmodellen und Skizzen im Vordergrund. DIN A1 Freie Darstellungen, Piktogramme, Erläuterungstext Arbeitsmodelle 1:500 Entwurf Im dritten Arbeitsschritt setzen Sie die städtebauliche Konzeption zu einem konkreten, räumlichen Entwurf um. Innerhalb eines der beiden Testgebiete konstruieren Sie mit Gebäudetypologien, Freiraum und Erschließungssystem Ihre eigene Wohn- und Stadtvorstellung als städtebauliche Intervention. Dabei sollen Sie auch Vorstellungen zur Materialisierung, Architektur und Wohnformen sammeln und in vereinfachter Form darstellen. Zeigen Sie anhand von Arbeitsmodellen oder Modellfotos von Teilmodellen, die räumliche Verbindung zwischen Wohnraum und Stadtraum auf. Lageplan 1:1000 Grundriss, Ansichten, Schnitte 1:200 / 1:500 DIN A1 Freie Darstellungen, Piktogramme, Erläuterungstext Arbeitsmodell, Teilmodell Graupappe 1:200 / 1:500 Präsentation Im letzten Arbeitsschritt reduzieren Sie Ihre Ideen, Konzepte und Modelle auf die wesentlichen Kernaussagen Ihres Entwurfs. Setzen Sie sich anschließend mit dem Layout, der Graphik und Ihrem Konzepttext auseinander. Zeichnen Sie einfache klar lesbare Zeichnungen, die die Kernaussagen Ihres Entwurfs vermitteln. Erstellen Sie je eine räumliche Darstellung, Modellfoto, Collage, Rendering Ihres Entwurfs, die den Stadtraum aus Augenhöhe und den Ausblick aus einer Wohnung darstellen. Achten Sie darauf, die räumliche Idee und Atmosphäre Ihres Entwurfs zu treffen. Setzen Sie die wichtigsten strategischen Aussagen Ihres Entwurfsansatzes zu einer Argumentationskette für Ihre Präsentation zusammen. Innerhalb des vorgegebenen Layouts Räumliche Darstellung Stadtraum Räumliche Darstellung Wohnraum Lageplan 1:1000 Grundriss, Ansichten, Schnitte 1:200 / 1:500 Freie Darstellungen, Piktogramme, Erläuterungstext Strukturmodell 1:500, Teilmodell Graupappe 1:200 6
5 Struktur Lehrende B15 Städtebauentwurf Entwerfen und Siedlungsentwicklung Prof. Andreas Garkisch, Michiko Bach, Lena Pipkorn Entwerfen und Freiraumplanung Katinka Yoshida, Constanze Petrow Entwerfen und Regionalentwicklung Xiaoping Xie Raum- und Infrastrukturplanung Pascal Carl Lehrauftrag QSL Nicole Pfoser Anrechnung 10 CP Termine :30 Einführungsveranstaltung, kl.hs 15:00 Ortsbegehung :00 Korrektur :00 Korrektur :00 Zwischenkritik Analyse 1: :00 Korrektur :00 Korrektur :00 Testat Konzept 1: :00 Korrektur :00 Korrektur :00 Zwischenkritik Entwurf 1: :00 Korrektur :00 Korrektur :00 Zwischenkritik Präsentation Text :30 Abgabe :00 Schlusspräsentation 7
6 Großsiedlung Darmstadt-Kranichstein, Luftbild Google 8
7 Großsiedlung Darmstadt-Kranichstein, Katasterplan 1:5000 9
8 Literatur Literatur Prof. Dr. Werner Durth: Darmstadt, Soziale Stadt, Planungswerkstatt Kranichstadt, 2.Werkstatttermin, September 2008, Impulsreferat Prof. Dr. Werner Durth, S.30 Textausschnitt aus Urban Reset Hrsg. Prof. Angelus Eisinger, Dr. Jörg Seifert; Vom Tower of Terror zum Power Tower von Prof. Maren Harnack S S. 139 Maßnahmenplan Sozialstadt Darmstadt Kranichstein 1:2500 Arch+ 203, Juni 2011, Planung und Realität Strategien im Umgang mit den Großsiedlungen Fallstudie 2, Juliane Greb, Das Programm Soziale Stadt Darmstadt Kranichstein, S.70 11
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