Vorlesung. Prof. Gero Vogl

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1 Vorlesung Prof. Gero Vogl INTERDISZIPLINÄRE WANDERUNGEN: Von der Diffusion in Physik und Chemie zur Ausbreitung von Pflanzen, Tieren, Menschen und Ideen SS 2006 β-version 01 Skriptum: c Rüdiger Reitinger 30. Juni 2006

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4 4 c Rüdiger Reitinger

5 Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung Große Namen der Diffusionsforschung Beispiele für Diffusion J. B. Joseph Fourier und die Wärmeausbreitung Lebenslauf von Joseph Fourier Die Wärmeausbreitung Eindringen der tages- und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen 14 3 Adolf Fick( ) und die Diffusion Diffusion Diffusion von NaCl in H 2 O Brownsche Bewegung 21 5 Wanderungen inklusive Geburt und Tod: Diffusion von Lebewesen Ausbreitung der Bisamratte Geschichte Mathematik Ausbreitung der Eiche nach der Eiszeit Einwanderung der Paläoindianer gemäß Malthusschem Wachstum Einleitung Theorie von Hazelwood und Steele Frage: Wie groß war das Bevölkerungswachstum? Frage: Die groß ist die Diffusionskonstante D Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Logistisches Wachstum Anwendung der Fisher-Gleichung Archäologische Betrachtung Genetische Betrachtung Wechselwirkende Akteure und Diffusion Ackerbauer/Viehzüchter - Jäger/Sammler Lotka-Volterra-Modell Die Ausbreitung (Diffusion) von Krankheiten - Die Pestwalze Ansteckungsrate β:

6 Inhaltsverzeichnis Diffusionskonstante D Bevölkerungsdichte ρ Diffusion in beschränkten Territorien Diffusion im Festkörper Experiment: Anwendung im menschlichen Körper Bewegung von Wölfen in beschränkten Territorien und ihre Wechselwirkung mit Hirschen Parallelität zwischen Wölfen und Indianerstämmen früherer Zeit Diffusion über Schnellwege Tiere: Rosskastanien-Miniermotte Schadenswirkung der Miniermotten Skellam Modell (1951) Stratified Dispersal Gilbert Modell Modellberechnung Pflanzen: Ambrosia Atome: Atome an Korngrenzen Diffusion und Ausbreitungsfront in Physik und Chemie Diffusion in festen Materialien (Festkörper-Diffusion) Technische Ausführung Theorie Kristalliner Festkörper Chemie Diffusion in der Soziologie Kommunikation - Diffusion von Meinungen Soziologische Interpretation Kooperation: Vorteil oder Nachteil Auswirkungen der Anzahl N der Agenten Kritik der Sozialwissenschaftler Literatur zur Sozialphysik Gastvortrag von Mag. Birgit Dalheimer: Neueste genetische Erkenntnisse über die heutigen Europäer Einleitung Genetik Methoden der Genanalyse mtdna GENE SNP c Rüdiger Reitinger

7 Inhaltsverzeichnis RFLP Mikrosatelliten DNA Studien zur Diffusion der Ackerbauern nach Europa c Rüdiger Reitinger 7

8 Inhaltsverzeichnis 8 c Rüdiger Reitinger

9 1 Einleitung Richard Feynmann: The character of a physical law There will be the interest of the connection of one level of phenomena to another - phenomena in biology and so on... (z.b. Physik der DNA) Der Blick über den Tellerrand ist wichtig. Die Physik versucht Naturphänomene zu vereinfachen. Die Reduktion ist die Ideologie des Physikers. Die Diffusion von Gold in Gold, Eisen in Eisen, NaCl in H 2 O ist relativ einfach zu beschreiben. Bei der Diffusion einer Ratte in einem Biotop wird die Beschreibung schon schwieriger. Für eine Analyse der Diffusion der asiatischen Grippe von Japan nach Wien reichen einfache Diffusionsgleichungen nicht mehr aus. 1.1 Große Namen der Diffusionsforschung Die Dienste vieler großer Wissenschaftler, wie zum Beispiel Albert Einstein, trugen zur Aufklärung der Funktionsweise von Diffusionsprozessen bei. J. B. Joseph Fourier untersuchte die Wärmeausbreitung und Adolf Fick die Teilchenausbreitung. Stellam und Fischer brachten den Begriff der Diffusion in die Ökologie (Ende 1930er bis 1950er). Cavalli-Sforza, der nach seiner Dissertation mit Fischer zusammenarbeitete, untersuchte anhand von Kirchenbüchern das Diffusionsverhalten der Menschen. Der heute emeritierte Professor der Universität in Princeton ist Begründer einer berühmten Schule. Seine Theorie besagt, dass die heute lebenden Menschen aus Mesopotamien nach Europa und Asien diffundierten. Diese demische Diffusion wird mittels der Diffusion des Ackerbaus begründet. Heute weiß man, dass diese Annahme nicht absolut richtig ist. Etwa 50 % der heutigen europäischen Bevölkerung, hat ihre Wurzeln im Paläolithikum (Altsteinzeit), wobei es sich jedoch dennoch um Homo sapiens sapiens und nicht um den Homo sapiens neanderthalensis handeln dürfte. (Die letzte Behauptung scheint dem Autor nicht als erwiesen. Er verweist hierbei auf das Verhalten so mancher Zeitgenossen.) 1.2 Beispiele für Diffusion Ein sehr gut dokumentierter Diffusionsprozess war die Ausbreitung der Pest im Europa des 13. Jahrhunderts. Damals gab es noch keine Flugzeuge, die die Pest auf schnellem Wege aus der Provence nach Litauen bringen hätten können. 9

10 1.2 Beispiele für Diffusion Die Ausbreitung der Miniermotte, ein auf Kastanien lebender Schwirrschmetterling der seit 3 Jahren auch in Großbritannien anzutreffen ist, kann mit Hilfe einer Diffusionsgleichung und eines Driftterms beschrieben werden. Der Driftterm ist notwendig, da die Verbreitung durch trockene Blätter, die von Autos und Zügen mitgenommen werden berücksichtigt werden muss. Auch bei der Ausbreitung der Rindertuberkulose in Großbritannien und bei der Bewegung eines Wolfsrudels in seinen Rewier handelt es sich um einen Diffusionsprozess. Die Kursschwankungen an der Börse vollziehen eine Brown sche Bewegung. Dies wurde zuerst von Bachelier im Zuge seiner Doktorarbeit, die Poincaré betreute, analysiert. Fünf Jahre später veröffentlichte Albert Einstein seine Arbeit zur Brown schen Bewegung. 10 c Rüdiger Reitinger

11 2 J. B. Joseph Fourier und die Wärmeausbreitung 2.1 Lebenslauf von Joseph Fourier J. B. Joseph Fourier wurde 1768 in Auxerre geboren. Während der französichen Revolution 1789 endet er fast am Galgen. Später vollzieht er den Wandel zu einer konservativen Persönlichkeit. Zuerst ist er Geistlicher wird er Professor an der von Napoleon gegründeten Ecóle Politechnique. Er folgt Napoleon nach Ägypten, wo er als Leiter einer wissenschaftlichen Expedition den Stein von Rosetta findet. Der Stein weckt das Interesse des französischen Sprachwissenschaftlers Champollion für die Hieroglyphen. Nach der Niederlage der Franzosen gegen die Engländer flieht Napoleon nach Frankreich. Er lässt seine Truppen zurück und Fourier gerät für kurze Zeit in englische Kriegsgefangenschaft. Nach seiner zweijährigen Ägypten-Expedition verfasst Fourier einen zirka zwanzigbändigen Bericht. 1802, am 23. Pluviose des Jahres XI nach der französischen Revolution, wird Fourier Prefect de l Isère (Grenoble). Er lässt die Sümpfe in Grenoble trocken legen. Weiters baut er eine Straße über die Alpen nach Turin. Entlang dieser entstehen viele Festungen um Frankreich gegen die österreichische Armee zu schützen wiederholt Fourier alle bis dahin bekannten Experimente zur Wärmeleitung um eine beschreibende Theorie entwickeln zu können. Er verfasst die Théorie analytique de la chaleur. Dieses Buch wird vorerst nicht gedruckt. Die Grundidee wird 1812 für einen Preis eingereicht, allerdings ohne Erfolg. Erst zehn Jahre später, 1822 wird das Werk veröffentlicht stirbt Fourier in Paris. 2.2 Die Wärmeausbreitung Ein Kupferstab der an einem Ende erwärmt wird, wird am anderen Ende heiß. Der Wärmefluss ist der Wärmestrom pro Flächeneinheit und Zeiteinheit: [ ] J Φ m 2 = K Thoch T tief (2.2.1) s x hoch x tief 11

12 2.2 Die Wärmeausbreitung Abbildung 2.1: Schematische Darstellung der Wärmemenge Q und des Wärmeflusses Φ. bzw. [ ] J Φ m 2 = K dt s dx. (2.2.2) Hierbei ist K die Wärmeleitfähigkeit bzw. der Wärmeleitkoeffizient, T die Temperatur, x die Position, dt dx der Temperaturgradient, J die Einheit der Energie Joule, m Meter und s Sekunden. Dieses von Fourier gefundene empirische Gesetz ist eine Näherung erster Ordnung, die die Realität erstaunlich gut beschreibt. Sie wird heute oft in folgender Form geschrieben werden: j = λ dt dx, (2.2.3) wobei j den Wärmestrom und λ die Wärmeleitfähigkeit bezeichnet. Ist ein Wärmereservoir vorhanden, so gilt folgende Kontinuitätsgleichung: dφ dx dφ dx = dq dt. (2.2.4) entspricht der Änderung des Wärmeflusses in Abhängigkeit von der Position und Q stellt ein Wärmereservoir bzw. eine Wärmemenge dar. Nimmt der Wärmefluss Φ zu, so sinkt die Wärmemenge Q. In Abbildung 2.1 ist dies schematisch dargestellt. Der Fluß Φ klein ist kleiner als Φ groß folglich nimmt die Wärmemenge Q ab. Mit der Wärmekapazität bzw. der spezifischen Wärme C V, die ein bestimmtes Volumen eines Körpers aufnimmt, wenn er um 1 C erwärmt wird, gilt für die Änderung der gespeicherten Wärmemenge dq: 12 c Rüdiger Reitinger

13 dq = C V dt, (2.2.5) wobei dt der Temperaturänderung entspricht. Durch Umwandlung der Formel ergibt sich für die Temperaturänderung: Die zeitliche Temperaturänderung ist dann: dt = dq C V. (2.2.6) dt dt = 1 C V Einsetzen in die Kontinuitätsgleichung (2.2.4) liefert: dq dt. (2.2.7) dt dt = 1 C V dφ dx. (2.2.8) Ersetzt man nun Φ durch die Gleichung für den Wärmefluss (2.2.2), so erhält man: Mit dt dt = K C V d2 T dx 2. (2.2.9) κ = K C V (2.2.10) ergibt sich schließlich für die Temperaturänderung mit der Zeit die Fouriersche Wärmeleitgleichung: dt dt = κ d2 T dx 2 (2.2.11) Diese gibt die Wärmeausbreitung in einem eindimensionalen System an, wobei κ als Temperaturleitfähigkeit bezeichnet wird. c Rüdiger Reitinger 13

14 2.2 Die Wärmeausbreitung Abbildung 2.2: Gaußkurve zu drei verschiedenen Zeitpunkten t. t 1 < t 2 < t 3 Die zeitliche Temperaturentwicklung ist also direkt proportional zur Änderung des räumlichen Temperaturgradienten mit der Position. Der Multiplikationsfaktor κ gibt hierbei die Temperaturleitfähigkeit an. Für κ = 1 erhält man als Lösung von Glg. (2.2.11): T (x,t) = t e x2 4t. (2.2.12) Diese Lösung entspricht einer Gaußkurve (engl. Gaussian). Dies war Fourier vermutlich nicht bewusst, da zu jener Zeit eine Eiszeit zwischen deutschen und französischen Wissenschaftlern herrschte und praktisch kein Austausch von Forschungsergebnissen statt fand. Fourier löste die Gleichung mittels einer Reihenentwicklung. So entstand die Fouriertransformation. Abbildung 2.2 zeigt die zeitliche Entwicklung einer Temperaturverteilung im eindimensionalen Fall Eindringen der tages- und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen in den Erdboden Fourier war immer kalt. Er trug ständig einen Pelzmantel und ließ sich gelegentlich von einem Diener einen zweiten Mantel nachtragen. Er litt unter dem rauen Klima von Grenoble und überlegte, wie man Räume besser isolieren kann. Sein eigentliches Ziel war 14 c Rüdiger Reitinger

15 2.2.1 Eindringen der tages- und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen Abbildung 2.3: Jahresgang der Temperatur in verschiedenen Bodentiefen. Je tiefer im Boden, um so stärker ausgeprägt ist die Phasenverschiebung des Temperaturgangs (z.b. wird in 12 m Tiefe das Temperaturmaximum erst im Februar erreicht.) Rechts sieht man den Tagestemperaturverlauf in verscheidenen Tiefen. zu berechnen, wie die Strahlen der Sonne in die Erde eindringen. Also welche Wärme die Sonne in die Erde transportiert. Abbildung 2.3 zeigt die Temperatur in verschiedenen Tiefen in Abhängigkeit von der Jahreszeit und von der Tageszeit. In einem Kartoffelkeller herrschen aufgrund der Phasenverschiebung im Sommer tiefere Temperaturen als im Winter. Hierbei dürfte es sich allerdings um einen besonders tief gelegenen Keller handeln (Anmerkung des Autors, vgl. Abbildung 2.3). Ausgehend von einer Durchschnittstemperatur (mittleren Temperatur) T 0 und einer von der Tageszeit oder Jahreszeit abhängigen oszillierenden Temperaturschwankung T cos(ωt) erhält man an der Erdoberfläche folgenden Temperaturverlauf: T (x=0,t) = T 0 + T cos(ωt). (2.2.13) Hierbei ist x die Tiefe im Boden, ω = 2πν die Winkelgeschwindigkeit und ν die Frequenz der Temperaturschwankungen. Für tageszeitliche Schwankungen ist ν = 1 24h und für jahreszeitliche Schwankungen 1 365d. Fourier ging von zwei Annahmen aus. Zum Einen, dass die Schwankungen in der Tiefe geringer sind und in 20m Tiefe keine Oszillationen mehr auftreten, und zum Anderen, dass in tieferen Bereichen des Bodens die Schwankungen verzögert auftreten. Daher sind ein Dämpfungsterm D (x) und ein Verzögerungterm V (x) notwendig. Die Winkelgeschwindigkeit der Temperaturschwankungen ω ist unabhängig von x. Folglich ist c Rüdiger Reitinger 15

16 2.2 Die Wärmeausbreitung Abbildung 2.4: Veranschaulichung des exponentiellen Abfalls der Dämpfung D (x) und der Verzögerung V (x) in Abhängigkeit von der Tiefe im Boden x. T (x,t) = T 0 + T D (x) cos(ωt V (x) ). (2.2.14) 1. Empirische Herleitung der Dämpfung D (x) Die Dämpfung D (x) fällt mit der Tiefe x exponentiell ab. Das heißt: D (x) = e A x. (2.2.15) Da x = x[m], muss A = A[ 1 m ] sein. Der Faktor A ist außerdem abhängig von der Wärmeleitfähigkeit κ[ m2 s ] und von der Winkelgeschwindigkeit ω[ 1 s ]. Daraus folgt: A = A (κ,ω) = 1 2 ω κ. (2.2.16) 2. Empirische Herleitung der Verzögerung V (x) Die Verzögerung V (x) muss dimensionslos sein, da sie im Argument der Cos-Funktion vorkommt. Sie ist abhängig von der Temperaturleitfähigkeit κ[ m2 s ] des Materials, der Winkelgeschwindigkeit des Temperaturverlaufs ω[ 1 s ] und der Tiefe im Boden x[m]: V (x) = x 1 2 ω κ. (2.2.17) Für den Temperaturverlauf T (x,t) erhält man schließlich folgendes Ergebnis: 16 c Rüdiger Reitinger

17 2.2.1 Eindringen der tages- und jahreszeitlichen Temperaturschwankungen x ω ω T (x,t) = T 0 + T e 2κ cos(ωt x ). (2.2.18) 2κ 1 Die Faktoren 2 in den Termen für D (x) und V (x) ergeben sich durch Einsetzen von T (x,t) in die fouriersche Wärmeleitgleichung (2.2.11). Ist die Wärmeleitfähigkeit κ eines Materials groß, so sind sowohl der Dämpfungsterm D (x) als auch der Verzögerungsterm V (x) klein. Ist hingegen die Winkelgeschwindigkeit der Temperaturschwankungen ω groß, so sind auch beide Terme groß. Fourier löste die Wärmeleitgleichung (2.2.11) mittels Fourierreihen (= Zerlegung in Sin-Funktionen). Diese Fourierreihen bzw. Fourierintegrale sind heute von fundamentaler Bedeutung für die Physik und vor allem auch für die Elektrotechnik. Sie sind aber auch ein wichtiger Bestandteil von Theorien anderer Wissenschaften. Fourier geht bewusst nicht darauf ein, ob Wärme durch Schwingungen (Phononen, Elektronen), Teilchen oder Strahlen transportiert wird, da zu seiner Zeit zu wenig über derartige Vorgänge bekannt ist. Er verwendet in seinem Buch auch keine Einheiten. Dies zeigt die Schlauheit Fouriers, der nicht zulässt, dass seine Theorie durch gefährliche Hypothesen gefährdet wird, die von späteren Generationen widerlegt werden könnten. c Rüdiger Reitinger 17

18 2.2 Die Wärmeausbreitung 18 c Rüdiger Reitinger

19 3 Adolf Fick( ) und die Diffusion Das Hauptinteresse des Physiologen Adolf Ficks galt der Osmose semipermeabler Membranen. Ab 1854 forschte der bescheidene Mediziner in Würzburg. Er war interdisziplinär aktiv veröffentlichte er seine Arbeit über Diffusion von Kochsalz in Wasser in den Annalen der Physik. 3.1 Diffusion Diffundere (lat.: ausgießen) Beispiele für Diffusion: Tränengas in Luft, Tinte in Wasser, Milch in Kaffee oder Diffusion in festen Körpern (vgl.: Abbildung 3.1). Fick entdeckte, dass man Fouriers Gleichungen für die Wärmeausbreitung auch auf Teilchen anwenden kann. Hierfür muss nur die Wärmequantität durch die Quantität des gelösten Körpers, die Temperatur T durch die Lösungsdichtigkeit (= Konzentration) c und die Wärmeleitfähikeit K durch die Diffusionskonstante D erstetzen. Analog zum Wärmefluss (Glg. (2.2.2)) ergibt sich für den Teilchenstrom bzw. den Diffusionsstrom j das 1. Ficksche Gesetz: j = D dc dx. (3.1.1) Aus der Fourierschen Wärmeleitgleichung (2.2.11) ergibt sich die Diffusionsgleichung bzw. das 2. Ficksche Gesetz: dc dt = D d2 c dx 2. (3.1.2) Abbildung 3.1: Veranschaulichung der Diffusion. Das Material B diffundiert in das Material A. 19

20 3.1 Diffusion Abbildung 3.2: Ficks Experiment zur Messung der Diffusion von NaCl in H 2 O. Die Osmose entspricht einer Diffusion in eine Richtung. Diese ist etwas komplizierter zu berechnen als die normale Diffusion. Vorerst führte Fick ein Experiment zur Bestimmung der Diffusion D von Kochsalz (NaCl) in Wasser (H 2 O) durch. Die Resultate veröffentlicht er in den Annalen der Physik Diffusion von NaCl in H 2 O Das von Fick durchgeführte Experiment ist in Abbildung 3.2 schematisch dargestellt. In einem mit Wasser gefüllten Behälter befindet sich ein zweites, kleineres Gefäß in das Kochsalz-Kristalle gegeben wurden, um eine gesättigte Kochsalz-Lösung zu erhalten. Beide Gefäße sind über ein senkrechtes Rohr miteinander verbunden, das einen Flüssigkeitsaustausch ermöglicht. In dem Rohr befindet sich ein Glaskügelchen, das über eine Schnur mit einer Balkenwaage verbunden ist. Auf diese Weise kann der Auftrieb, der auf das Kügelchen wirkt, in verschiedenen Höhen bestimmt werden. Umso größer die NaCl-Konzentration ist, desto größer ist auch der Auftrieb. In dem System bildet sich ein dynamisches Gleichgewicht aus. Fick beobachtete eine lineare Abnahme der Dichte und somit der Konzentration c in Abhängigkeit von der Höhe. Auf diese Weise konnte er durch einsetzen in das 1. Ficksche Gesetz die Diffusionskonstante D bestimmen. 20 c Rüdiger Reitinger

21 4 Brownsche Bewegung Zirka 30 Jahre nach James Cook reiste der Botaniker Robert Brown auf einem Forschungsschiff nach Australien. Dort sammelte er fast 4000 weitgehend unbekannte Pflanzen beobachtete er deren Befruchtungn. Seine Idee war, dass die Pollen als Spermien und die Fruchtknoten als Eier fungieren. Unter einem Mikroskop beobachtete er die Bewegung von Blütenständen in Flüssigkeiten und schloss daraus auf Vitalität. Es stellte sich allerdings heraus, dass auch tote Materie die selbe Bewegung vollzog ( even a piece of the sphinx ). Daraus schloss Brown, dass es sich bei der Bewegung doch nicht um Vitalität handeln konnte, sondern um einen physikalischen Prozess. Dieser wird heute allgemein als Brownsche Bewegung bezeichnet begann Ludwig Boltzmann mit der Entwicklung der kinetischen Gastheorie. Die experimentelle Verifizierung scheiterte allerdings. Es war keine quantifizierte Lösung des Problems möglich gelang Albert Einstein die Lösung, sozusagen auf Boltzmanns Schultern, auf 3 verschiedenen Arten. Im Zuge seiner Dissertation im Februar und März 1905 behandelte er den Unterschied der Zähigkeit von Zucker und Wasser. Diese Arbeit ist etwa 20 Seiten lang und weist einen Fehler auf, der dazu führt dass die theoretischen Ergebnisse von den experimentellen um einen Faktor von zirka 5 abweichen. Der polnische Physiker Smoluchowski, der in Wien aufwuchs und studierte, beschäftigte sich zur selben Zeit mit der Brownschen Bewegung. Da er jedoch gewissenhafter recherchierte wurde seine Arbeit erst ein halbes Jahr nach Albert Einsteins veröffentlicht. Einstein war ein Anhänger der Theorien von Ludwig Boltzmann und wollte die Existenz der Atome nachweisen. Aus der Dichte und Masse eines Gases, wollte er die Größe der Atome bestimmen. Im Zuge seiner Nachforschungen kam er aus statistischen Überlegungen auf die Formel für die Verteilung der Teilchenzahlen. Im Anschluss sind diese Überlegungen für den eindimensionalen Fall dargestellt. Zuerst ging Einstein davon aus, dass ein Markov Prozess vorliegt. Das heißt, dass sich jedes Teilchen unabhängig von den anderen und unabhängig von seiner eigenen Vorgeschichte bewegt. Er definierte ein Zeitintervall τ, das klein im Verhältnis zur Messzeit ist. ist die Änderung der Teilchenposition x während τ. Die Funktion ϕ( ) gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass sich die Position des Teilchens um ändert. Für ϕ( ) müssen folgende drei Bedingungen gelten: 21

22 3.1 Diffusion ϕ( )d = 1, (4.0.1) ϕ( ) = ϕ( ), (4.0.2) ϕ( ) 0 (wenn groß). (4.0.3) Die erste Bedingung (Glg. (4.0.1)) stellt die Normierung der Wahrscheinlichkeitsfunktion ϕ( ) dar. Die zweite Bedingung (Glg. (4.0.2)) bedeutet, dass die Wahscheinlichkeit eines Teilchens, sich nach rechts zu bewegen, genauso groß ist, wie die Wahrscheinlichkeit sich nach links zu bewegen. Die dritte Bedingung (Glg. (4.0.3)) folgt daraus, dass die Wahrscheinlichkeit für einen sehr großen Sprung eines Teilchens gegen null geht. Für die Teilchenkonzentration c an einer bestimmten Position x und zu einem Zeitpunkt t + τ ergibt sich: c(x, t + τ) = c(x +, t)ϕ( )d. (4.0.4) Führt mein links eine Taylorreihenentwicklung nach t und rechts einen Taylorreihenentwicklung nach x durch, so erhält man: c + c t τ = c ϕ( )d }{{} = 1 (Glg. (4.0.1)) + c x ϕ( )d + 2 c x 2 } {{ } = 0 2 ϕ( )d. (4.0.5) 2 Ersetzt man das Integral des dritten Terms in Glg. (4.0.5) durch τd, wobei D die Diffusionskonstante darstellt. Ist also 1 τ so ergibt sich wieder das 2. Ficksche Gesetz: 2 ϕ( )d D, (4.0.6) 2 Dieser Term ist 0, da das Integral einer ungeraden Funktion (hier: ) multipliziert mit einer geraden Funktion (vgl. Glg. (4.0.2)) immer 0 ist. 22 c Rüdiger Reitinger

23 4.0.1 Diffusion von NaCl in H 2 O Abbildung 4.1: Gaußkurve zu drei verschiedenen Zeitpunkten t. t 1 < t 2 < t 3 Als Lösung erhält man die Gauß sche Verteilungsfunktion: c t = D 2 c x 2. (4.0.7) c(x, t) = n 2 πdt e x 2 4Dt. (4.0.8) Hierbei ist n die ursprüngliche Stoffdichte. Abbildung 4.1 zeigt die Verteilung der Konzentration c im eindimensionalen Fall zu drei verschiedenen Zeitpunkten. In der Abbildung ist die Varianz σ eingezeichnet, diese ist gleich bedeutend mit der mittleren Entfernung eines Teilchens x zum Ursprung. Je später der Zeitpunkt, desto flacher die Kurve und desto größer ist x. Einstein interpretierte die Brownsche Bewegung als eine hin und her Bewegung infolge von Stößen, die kleine unsichtbare Teilchen auf die größeren sichtbaren Teilchen ausüben. Er verwendete das Modell des betrunkenen Wanderers, der ohne ein konkretes Ziel zu haben von Kneipe zu Kneipe torkelt. Um feststellen zu können, wie weit sich ein Teilchen im Mittel von seiner ursprünglichen Position weg bewegt, legt er jedem einzelnen Teilchen ein Koordinatensystem zugrunde, In der Fehlerrechnung gibt die Varianz jenes Intervall an, in dem sich 2/3 der Messpunkte befinden. σ befindet sich dort, wo der Wert der Gauß-Funktion of einen Anteil von e 1/2 des Maximums abgefallen ist. c Rüdiger Reitinger 23

24 3.1 Diffusion Abbildung 4.2: Links: Quadrat der Entfernung eines Teilchens von der ursprünglichen Position in Abhängigkeit von der Zeit. Rechts: Mittlere Entfernung eines Teilchens vom Ursprung in Abhängigkeit von der Zeit. in dessen Ursprung sich zum Zeitpunkt t = 0 das jeweilige Teilchen befindet. Den mittleren Abstand zum Ursprung x beschreibt dann die Einstein SmoluchowskiF ormel : x 2 =< x 2 >= 2Dt (4.0.9) Glg. (4.0.9) gibt den arithmetischen Mittelwert des Quadrats des Abstands zwischen aktueller Teilchenposition und der ursprünglichen im eindimensionalen Fall an. Es handelt sich hierbei um einen Erwartungswert, also um einen statistischen Mittelwert, der für eine Große Anzahl von Teilchen eintritt. Die Wechselwirkungen der beobachteten Teilchen untereinander fließen in die Berechnungen nicht ein. Für den zweidimensionalen Fall muss man Glg. (4.0.9) durch Glg. (4.0.10) ersetzen und im dreidimensionalen Fall gilt Glg. (4.0.11). < x 2 > = 4Dt (4.0.10) < x 2 > = 6Dt (4.0.11) Für das Quadrat der Entfernung eines Teilchens vom Ursprung erhält man daher einen linearen Zusammenhang mit der Zeit (vgl.: Abbildung 4.2 links). Der Zusammenhang zwischen dem tatsächlichen Abstand Teilchen-Ursprung und der Zeit zeigt den Verlauf einer Parabel (vgl.: Abbildung 4.2 links). Für den mittleren zurückgelegten Weg x ergibt sich somit (hier im eindimensionalen Fall): 24 c Rüdiger Reitinger

25 4.0.1 Diffusion von NaCl in H 2 O x = x 2 = < x 2 > = 2Dt t. (4.0.12) x ist also proportional zu t. Um den doppelten Weg zurückzulegen benötigt also ein betrunkener Wanderer die vierfache Zeit, während ein nüchterner Wanderer dies wohl in der doppelten Zeit schaffen sollte. c Rüdiger Reitinger 25

26 3.1 Diffusion 26 c Rüdiger Reitinger

27 5 Wanderungen inklusive Geburt und Tod: Diffusion von Lebewesen Bisher wurde bei der Betrachtung von Diffusionsprozessen immer von einer konstanten Anzahl von Teilchen ausgegangen. Daher blieb die Fläche unter der Gaußkurve, die die Konzentrationsverteilung darstellt (vgl. 2.2 bzw. 4.1), immer konstant. Bei Lebewesen kann man diese Annahme nicht mehr treffen, da sich hier durch Vermehrung beziehungsweise Tod die Anzahl der Individuen verändert. Mit diesem Problem beschäftigte sich J.G. Skellam, als er 1951 die Diffusion der Bisamratten in Europa analysierte. 5.1 Ausbreitung der Bisamratte Geschichte 1905 brachte Fürst Colloredo-Mansfeld von einer Jagdreise nach Kanada fünf Bisamratten (drei Weibchen und zwei Männchen) auf sein Gut nach Dobrisch, südwestlich von Prag. Von dort breiteten sich die Tiere mit großer Geschwindigkeit aus. Die Ausbreitung wurde von Jägern relativ gut dokumentiert wurden die ersten Bisamratten jenseits von Prag entdeckt, 1919 lebten sie bereits in ganz Böhmen, 1921 erreichten sie Wien, 1927 München, Breslau, usw. Da sie in Europa keine natürlichen Feinde haben, allerdings viele Dämme zerstörten, gab es bald viele Bisamrattenjäger malte Ulbrich eine Karte (Abbildung 5.1 Fig. 1), auf der er die Bisamrattenausbreitung durch Kreise annäherte. Danach fertigte er einen Graphen an, in dem er die Kreisradien in Abhängigkeit von den Jahren auftrug (Abbildung 5.1 Fig. 2). Dadurch konnte er die hemmungslose Vermehrung der Bisamratten in den 22 Jahren von 1905 bis 1927 aufzeigen, die er als Malthus sche Vermehrung bezeichnete. Dahinter steckten die Gedanken des Wirtschaftswissenschaftlers Malthus. Dieser Sohn eines Pfarrers warnte vor dem ungebremsten Wachstum der Menschen, welches zu Verarmung und Verbrechen führen würde Mathematik Um die Veränderung der Anzahl der Individuen zu berücksichtigen muss man zu der Diffusionsgleichung einen weiteren Term addieren. Somit ergibt sich: 27

28 5.1 Ausbreitung der Bisamratte Abbildung 5.1: Fig. 1: Geographische Karte der Ausbreitung der Bisamratte in Europa in den Jahren 1905 bis Fig. 2: Wurzel der Fläche des von Bisamratten besiedelten Gebiets in Abhängigkeit von der Zeit. 28 c Rüdiger Reitinger

29 5.1.2 Mathematik Abbildung 5.2: Konzentrationsverteilung unter Berücksichtigung der Individuenzunahme. bzw. dc dt = D d2 c dx 2 + α c (5.1.1) dn dt = D d2 n + α n, (5.1.2) dx2 mit der Teilchenkkonzentration c bzw. der Individuenanzahl n und der Geburts- oder Sterberate α. Überwiegen die Geburten, so ist α > 0. Anderenfalls ist α < 0. Abbildung 5.2 zeigt den zeitlichen Verlauf der Konzentration für α > 0. Für den zweidimensionalen Fall ergibt sich somit folgende Konzentrationsverteilung c (vgl.: Glg. (4.0.8)) beziehungsweise Verteilung der Individuenzahl n: c(x, t) = n(x, t) = Q 4πDt e r 2 4Dt +αt. (5.1.3) Hierbei ist Q die Anzahl der Anfangsindividuen (z.b. 5 Ratten), r der Abstand vom Ursprung, D die Diffusionskonstante, t die Zeit und α die Vermehrungsrate. Z.B. Zahl der Indianer. Bei der Radioaktivität würde α der Zerfallsrate entsprechen und wäre < 0. c Rüdiger Reitinger 29

30 5.2 Ausbreitung der Eiche nach der Eiszeit Um die Diffusionskonstante zu erhalten, bediente sich Skellam eines einfachen Tricks. Er ging davon aus, dass sich ausserhalb des Ausbreitungsgebietes mit dem Radius R eine kleine Anzahl von Individuen n ausserhalb befindet, die gerade der Anfangsanzahl Q entspricht. Mit dieser Annahme konnte er Q auf folgende Weise aus der Gleichung eliminieren: Q = n ausserhalb = = R R 2πr n(x, t) dr (5.1.4) Q 2πr 4πDt e r 2 4Dt +αt dr = Q e R2 4Dt +αt. (5.1.5) 1 = e R2 4Dt +αt (5.1.6) 0 = R2 + αt (5.1.7) 4Dt R = 4αDt 2 = 2t αd (5.1.8) R ist der Ausbreitungsradius, α die Vermehrungsgeschwindigkeit, D die Diffusionskonstante und t die Zeit. 5.2 Ausbreitung der Eiche nach der Eiszeit Die Ausbreitung von Pflanzen auf der Britischen Hauptinsel kann anhand der Eichenausbreitung nach der letzten Eiszeit vor ca Jahren beschrieben werden. Damals schmolzen die großen Gletscher innerhalb von 20 Jahren. Es wurde sozusagen schlagartig wärmer. Als Folge breiteten sich die Steppenpflanzen, die die Eiszeit in dem klimatisch geschützten Gebiet zwischen den Alpen und der Skandinavischen Eisplatte überlebten wieder aus. Auf den kanarischen Inseln besteht heute übrigens noch eine eigene Fauna, die noch aus der Zeit der letzten Eiszeit stammt. So findet man zum Beispiel nur dort die Drachenbäume. Der vorherrschenden Theorie folgend, war Großbritannien während der letzten Eiszeit zur Gänze von Eis bedeckt. Anhand von Skandinavischen Granitfindlingen kann man nachweisen, dass eine kontinuierliche Eisdecke bis Leipzig und Bonn reichte und ganz Polen im Eis lag. Nach der Eiszeit haben die Eichen innerhalb von ca Jahren ganz Großbritannien erobert. Sie mussten also ca. 800 km in dieser Zeit zurücklegen. Den Aussagen von Botanikern zu folge benötigen Eichen 60 Jahre zur Produktion von Nachkommen. Daher stellt sich die Frage ob eine so schnelle Ausbreitung durch Diffusion alleine möglich ist. Die neuesten Erkenntnisse der Glaziologen haben ergeben, dass während der letzten Eiszeit in den Britischen Küstengebieten durchaus einige Eichen überlebt haben könnten. 30 c Rüdiger Reitinger

31 Folglich muss man heute davon ausgehen, dass der letzte Großbritannien völlig bedeckende Eisschild während der letzten großen Eiszeit vor Jahren existiert hat. Dementsprechend hätten die Eichen also Jahre - etwa 300 Generationen - für die Überwindung einer Distanz von zirka km Zeit gehabt. Da eine Eiche bis zu 9 Millionen Eichen produziert, kann man folgende Abschätzung für die Vermehrungsrate α treffen: α = ln = ln 10 7 = 16. (5.2.1) Setzt man α in Glg. (5.1.8) ein, so erhält für die Diffusionskonstante D folgenden Wert: D = R2 4t 2 α = km2 /Generation 2. (5.2.2) In der Folge ergibt sich nach Einstein für die mittlere Ausbreitung x (vgl.: Glg. (4.0.10)) pro Generation: x = x 2 = 4Dt = km. (5.2.3) Das heißt mit anderen Worten, dass eine Eiche Eicheln im Umkreis von 0.8 km verteilt. Dies scheint durch reines herunterfallen der Eichelsamen vom Baum nicht möglich zu sein. Um eine derart schnelle Diffusion der Eichen über die Britische Halbinsel rechtfertigen zu können bedarf es daher Umständen, die bisher nicht berücksichtigt wurden. Folgende drei Gründe sind denkbar: 1. Eichelhäher und andere Tiere sorgen für eine raschere Ausbreitung. 2. Es gab während den Eiszeiten Nischen an der Küste in denen Eichen die Eiszeit überlebten. 3. Die Zeitskalar der Eiszeit ist falsch. 5.3 Einwanderung der Paläoindianer gemäß Malthusschem Wachstum Einleitung Heute herrscht die Meinung, dass sich vor Jahren der Homo Sapiens aus Afrika kommend in mehrere kleine Gruppen teilte, wobei die eine nach Europa, die andere c Rüdiger Reitinger 31

32 5.3 Einwanderung der Paläoindianer gemäß Malthusschem Wachstum. Abbildung 5.3: Ausbreitung der Indianer in Amerika. der Küste entlang nach China und wieder eine andere nach Australien auswanderte. Am Ende der Eiszeit dominiert auf der Erde der Homo Sapiens und der Neandertaler verschwindet. Genanalysen konnten keine Durchmischung des Neandertalers mit dem Homo Sapiens belegen. Der Homo Sapiens Sapiens erobert out of Africa ganz Sibierien und gelangt über Beringia (die ausgetrocknete Beringstrasse) nach Alaska. Dies gelingt ihm, da zu dieser Zeit der Meeresspiegel aufgrund der Eiszeit um etwa 100 Meter niedriger liegt als heute und sich das Eis zwar über ganz Sibirien ausgebreitet hat, die Küstengebiete allerdings eisfrei sind. Beringia war ein Steppenland mit vielen großen Jagdtieren wie Mammuts und Büffel. Die ersten wissenschaftlich akzeptierten Funde wurden auf das Jahr B.P. (before present) bzw B.C. (before christ) datiert. Während der letzten Eiszeit reicht der kanadische Eisschild bis zu den großen amerikanischen Seen (=Moränenseen) und sogar bis New York. Es herrscht ein äußerst raues Klima. Zwischen den Küstengebieten und dem kanadischen Eisschild existiert allerdings ein schmaler eisfreier Korridor, der eine Länge von etwa km und eine Breite von nur 20 km aufweist. Abbildung 5.3 zeigt die Ausbreitung der Indianer auf dem amerikanischen Kontinent. Die Frage die sich stellt ist, ob eine Diffusion entlang eines so schmalen Kontinents überhaupt möglich ist, oder ob sich die Indianer mittels Boten südwärts bewegten B.P. war die gesamte heutige USA mit Clovis -Speerspitzen übersät. Daraus ergibt sich, dass die Ausbreitung der Indianer innerhalb kurzer Zeit erfolgte. Rasch Clovis ist ein Ort in New Mexico. Hier wurden die ersten Clovis-Spitzen entdeckt. 32 c Rüdiger Reitinger

33 5.3.2 Theorie von Hazelwood und Steele war ein großer Anteil der Fauna ausgerottet. Möglicherweise führte allerdings auch der Klimawandel zum Aussterben der Tiere. Innerhalb von nicht einmal Jahren gelangten die Indianer bis Patagonien. Es stellt sich die Frage, wie sich die Vorfahren der heutigen Indianer innerhalb von so kurzer Zeit über eine Strecke von km ausbreiten konnten. Wobei erschwerend die Landenge von Panama als Diffusionshindernis hinzu kommt. Aus der geringen genetischen Vielfalt schließt man auf eine einzige Einwanderungswelle aus Asien von nur 100 bis 200 Personen. Eine Ausnahme bilden die Apachen, die keine Indianer sind, sondern im Zuge einer zweiten Einwanderungswelle aus Asien nach Amerika kamen. Heute vermutet eine kleine Gruppe von Archäologen, dass es bereits vor Jahren zu einer ersten Einwanderungswelle nach Amerika kam. Diese Theorie ist allerdings allgemein äußerst umstritten! Theorie von Hazelwood und Steele Die Archäologen Lee Hazelwood und James Steele beschreiben die Ausbreitung der Indianer in folgender Arbeit: L. Hazelwood and J. Steele, Spatial dynamics of human dispersals Constraints on modelling and archaeological validation, Journal of Archaeological Science 31, (2004), Frage: Wie groß war das Bevölkerungswachstum? Die Indianer waren Jäger und Sammler. Sie mussten ihre Kinder immer mit tragen und konnten nicht so viele Nachkommen aufziehen wie Ackerbauern. Eine gewisse Geburtenkontrolle war notwendig. Zwischen den Kindern musste ein Abstand von zirka vier Jahren liegen. Folglich brachte eine Frau im Laufe ihrer fruchtbaren Jahre ( 25) im Schnitt fünf Kinder zur Welt. Da nur etwa jedes zweite Kind überlebte kann man abschätzen, dass zwei Indianer (ein Mann und eine Frau) 2.5 Nachkommen produzierten. Dies entspricht einer Produktionsrate von 25%. Für die Vermehrungsrate α ergibt sich: α = 25% 25 a = 1% a = 0.01/a. (5.3.1) a bedeutet hierbei Jahre. Eine Wachstumsrate von 1 % erscheint auf den ersten Blick nicht groß, ist aber dennoch beachtlich, wenn man bedenkt, dass Staaten wie Algerien, wo ein explosionsartiges Bevölkerungswachstum stattfindet, eine Wachstumsrate von 3 % aufweisen. Die letzten Jäger und Sammler der Gegenwart sind die Pygmäen in Zentralafrika. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion kehren auch in Sibirien wieder Teile der Bevölkerung zu dieser Lebensweise zurück. c Rüdiger Reitinger 33

34 5.3 Einwanderung der Paläoindianer gemäß Malthusschem Wachstum. 2. Frage: Die groß ist die Diffusionskonstante D Aus Einsteins Gleichung für die mittlere quadratische Entfernung (zweidimensional, vgl.: ) < x 2 > = x 2 = 4Dt (5.3.2) erhält man für die Diffusionskonstante D folgenden Zusammenhang: D = x2 4t (x)2 4t. (5.3.3) Es stellt sich nun die Frage, wie weit so ein Jäger kommt, bevor er Kinder in die Welt setzt. Als erste Näherung verwendet man hierfür die Entfernung der Geburtsorte der beiden Elternteile. Diese Entfernung ist also x. Im Fall von Ackerbauern kann man die Distanz zwischen den Geburtsorten sehr gut aus Kirchenbüchern nachvollziehen. Bei Nomaden muss man diese erraten. Als guter Anhaltspunkt zur Abschätzung von x kann man heute die Mobilität der Pygmäen heranziehen. Für diese Bevölkerungsgruppe ergibt sich x 50km. Aus Glg. (5.3.3) folgt also für die Diffusionskonstante D P ygmaeen : D P ygmaeen = 50 2 km a = 25 km2 a. (5.3.4) Die Diffusionsgeschwindigkeit v erhält man aus der Zunahme des Ausbreitungsradius R (Glg. (5.1.8)) mit der Zeit t. Sie ist also: v = R t = 2t αd = 2 αd (5.3.5) t v = 2 25 km2 a 0.01 km a = a 2 = 1 km (5.3.6) a Die bisherige Abschätzung wurde von Prof. Vogl auf Basis der Theorien von Luigi Cavalli-Sforza getätigt. Die tatsächliche Ausbreitungsgeschwindigkeit v der Indianer war allerdings 5 km a, da sie innerhalb von Jahren die km von Alaska bis Feuerland zurücklegten. Der Grund für die wesentlich raschere Ausbreitung der Paläoindiander liegt laut Hazelwood und Steele in einer unusually high exploratory activity der Indianer. Sie gehen davon aus, dass x = 300km. Die Abschätzung von α bewerten die beiden Archäologen als richtig. Aufgrund des Lebenswandels der Indianer (Nomaden) gilt eine exceptionally rapid reproduction nicht als wahrscheinlich. 34 c Rüdiger Reitinger

35 5.3.2 Theorie von Hazelwood und Steele D HS > D V ogl (5.3.7) α HS α V ogl (5.3.8) In this unique pioneer dispersional episode erhält man folglich für die Diffusionsgeschwindigkeit v 6 10 km/a. Prof. Vogl glaubt allerdings nicht an eine derart große Beweglichkeit von Pionieren. Analog zu Cavalli-Sforza vertritt er die Meinung, dass die rasche Diffusion der Indianer mittels eines Driftterms erklärt werden kann. Im Gegensatz zum random walk eines Betrunkenen entspricht der Drift einer gerichteten Bewegung. In Amerika könnten zwei Bedingungen eine Driftbewegung hervorgerufen haben. Zum einen gibt es in der USA viele attraktive Flüsse, wie zum Beispiel den Colorado river, entlang derer sich die Menschen bevorzugt bewegen hätten können v DF. Zum anderen besteht eine große Wahrscheinlichkeit für eine Ausbreitung entlang der Küste v DK. Man erhält also folgende Diffusionsgleichung: dn dt = D d2 n dx 2 + α n + c v Drift {}}{ dx. (5.3.9) }{{ dt } Driftterm n ist die Anzahl der Indianer, t die Zeit, x die Entfernung vom Ursprung, D die Diffusionskonstante, α die Vermehrungsrate, c eine Konstante und v Drift die Driftgeschwindigkeit. Die unerwartet rasche Ausbreitung der Indiander ist umso verblüffender, wo doch der Isthmus in Panama eine Diffusionsbarriere darstellt. So fand zur Zeit der spanischen Eroberungen in Amerika keinerlei Informationsaustausch zwischen den Azteken und Inka statt. Als die Spanier in Südamerika eintrafen, wussten die Inka nichts von den Massakern, die die Eroberer an den Azteken 30 Jahre zuvor verübt hatten. Daher waren sie auch nicht auf eine kriegerische Auseinandersetzung vorbereitet. In Südamerika stellten sich der raschen Ausbreitung der Menschen wiederum nicht so viele Hindernisse in den Weg. Hier stellt sich allerdings die Frage, warum die Menschen aus derart schönen Ländern wie Peru nach Patagonien weiterzogen. Ein kleines Häufchen von Archäologen behauptet heute, dass es mehrere Einwanderungswellen nach Amerika gab. Hierfür spricht allerdings nur ein einziger Fund in Altaverde. Dieser ist auf ein Alter von Jahren (allerdings schlecht) datiert. Die Mehrheit der Archäologen schenkt dieser Theorie keinen Glauben. c Rüdiger Reitinger 35

36 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Abbildung 5.4: Verteilung der Individuenanzahl n. Links: Diffusionsgeschwindigkeit v übersteigt Wachstum. Rechts: Ausbreitungsfrontwelle, die Entsteht wenn n die Sättigungskapazität erreicht. t 1 < t 2 < t 3. Abbildung 5.4 links zeigt die Verteilung von Individuen für eine große Diffusionsgeschwindigkeit v. Rechts sieht man wie sich die Verteilung entwickelt, wenn die Sättigungskapazität (=Aufnahmefähigkeit) eines Systems erreicht ist. Es kommt zur Ausbildung einer Ausbreitungsfrontwelle. Die Differentialgleichungen der Verteilungen sind nicht so einfach zu lösen. Man kann sich allerdings helfen, indem man eine Gaußverteilung annimmt da hier die Lösungen bekannt sind. 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa = Die Neolithische Revolution Der Ackerbau und die Viehzucht wurden in Kurdistan erfunden. Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit der Einwanderung der jungsteinzeitlichen Ackerbauern nach Europa. Diese Bauern sind - zumindest unsere geistigen - Vorfahren Logistisches Wachstum Der Begriff Logistisches Wachstum wurde erstmals von dem Mathematiker Ronald Aylmer Fisher 1937 eingeführt. Dieser war Leiter eines Instituts für Genetik und beschäftigte sich mit Bakterien. Er stellte die Fisher-Gleichung der Genetik (5.4.1) auf. Diese gilt im Falle begrenzten Wachstums: dn dt = D d2 n dx 2 + α n(1 n ). (5.4.1) K 36 c Rüdiger Reitinger

37 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung Abbildung 5.5: Zunahme der Individuenanzahl n mit der Zeit bis schließlich die Sättigung erreicht ist. K ist die Carrying Capacity. Sie begrenzt das Wachstum einer Art. Sobald die Anzahl der Individuen n den Wert K erreicht hört das Wachstum auf. Die Gleichung stammt eigentlich von Pierre François Verhulst (1830) und wurde von Fischer für die Ausbreitung eines Gens lediglich neu erfunden. Fishers Annahme war darauf begründet, dass irgendwo an einer Küste ein Gen mutiert und so zu einem Enwicklungsvorteil einer Rasse führt. Solche advantageous genes treten in der Wirklichkeit sehr selten auf. Laut Fischer beträgt die Ausbreitungsgeschwindigkeit v eines solchen Gens: v = 2 αd. (5.4.2) Der Faktor 2 in dieser Gleichung stammt allerdings nicht von Fisher, sondern von Kolmogorow, dem es als ersten gelang die Fisher-Gleichung vollständig zu lösen. Abbildung 5.5 zeigt die Zunahme des neuen Gens, bis schließlich 100% des alten Gens ersetzt sind. Das logistische Wachstum führt zur Ausbildung einer Frontwelle. Diese ist in Abbildung 5.6 dargestellt Anwendung der Fisher-Gleichung auf die Einwanderung der jungsteinzeitlichen Ackerbauern Die Frage, wie sich die jungsteinzeitlichen Ackerbauern in Europa ausbreiteten, wurde von dem jungen italienischen Arzt Cavalli-Sforza behandelt. Dieser war bis 1950 ein Mitarbeiter Fishers. Ab 1970 publiziert er gemeinsam mit dem Archäologen Ammerman zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zu diesem noch heute brand aktuellen Thema. c Rüdiger Reitinger 37

38 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Abbildung 5.6: Fishers Modell einer Ausbreitungswelle. Die Grafik zeigt die Zunahme der erwarteten lokalen Bevölkerungsdichte mit zunehmenden Abstand vom Ursprung im Laufe der Zeit. Abbildung 5.7 zeigt das Verhältnis zwischen der lokalen Bevölkerungsdichte und der lokalen Nettowachstumsrate. In diesem Beispiel hat im Jahr 1500 die Wellenfront die 2000 km Marke erreicht. Änderungen in der Bevölkerungsdichte (Population Density) treten nur im Bereich der Ausbreitungsfront ( Frontier Zone ) auf. Hinter dieser Zone hat die Bevölkerungsdichte bereits die Sättigung erreicht und die lokale Wachstumsrate ist Null. Innerhalb des Frontbereichs ist die Nettowachstumsrate im vordersten Bereich am höchsten und fällt dann zum Ursprung hin ab. Archäologische Betrachtung Während die Menschen der Altsteinzeit Jäger und Sammler - wie zum Beispiel die Indianer - waren, setzte sich in der Jungsteinzeit (= Neusteinzeit/Neolithikum) der Ackerbau durch. Abbildung 5.8 und 5.9 zeigen die Ausbreitung des Neolithikums in Europa. Diese Ausbreitung kann mittels der Fisher-Gleichung beschrieben werden. dn NL dt = D d2 n NL dx 2 + α n NL (1 n NL ). (5.4.3) K n NL bezeichnet hier die Anzahl der Neolithiker, K ist die Trägerkapazität bzw. Aufnahmekapazität. Es entsteht eine wave of advance, d.h. eine Frontwelle der Diffusion bei logistischem Wachstum. Diese ist in Abhängigkeit von der Zeit in Abbildung 5.8 dargestellt. Die Fundstellen wurden 1965 mittels Radiocarbon-Methode datiert und von Grahame Clark in eine Karte eingezeichnet (Abbildung 5.9). Ammerman und Cavalli- Sforza trugen 1971 die zeitliche Verteilung des Ackerbaus in Abhängigkeit vom Abstand von Jericho auf und führten eine Regressionsanalyse durch (Abbildung 5.10). Auf diese 38 c Rüdiger Reitinger

39 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung Abbildung 5.7: Verhältnis zwischen der lokalen Bevölkerungsdichte (oben; Population density) und der lokalen Nettowachstumsrate im Jahr 1500 (unten; Local net growth rate at year 1500 ). Weise erhielten sie eine Regressgerade. Deren Anstieg entspricht der Ausbreitungsgeschwindigkeit v. Diese ist konstant. Es gilt: v = 2 αd. (5.4.4) Als Grundlage für die Radiocarbon-Analysen ( 14 C-Methode) diente der Urweizen. Diese Urform des Weizens heißt Triticum monicoccum. Hierbei handelt es sich um den ersten Brotweizen. Er ist die domestizierte Form des wilden Weizen Triticum boeoticum und existiert seit 6000 B.C.. Im Gegensatz zum Einkorn hat der wilde Weizen eine brüchige Ährchengabel, d.h. sein Korn zerfällt. Der wilde Wiezen ist noch heute in den südosttürkischen Teilen Kurdistans anzutreffen. Innerhalb von 4000 Jahren hat sich der Ackerbau bis Skandinavien und Großbritannien ausgebreitet. Die ersten Weizenfunde in Mitteleuropa stammen aus den Jahren 5500 vor Christus. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit betrug somit 1000 km/1000 Jahren. Die Ackerbauern hatten viele Kinder. Eine Sättigung war daher rasch erreicht. Folglich ist von einem logistischen Wachstum auszugehen. Laut Fisher kann von einer konstanten Ausbreitungsgeschwindigkeit v ausgegangen werden. Von den vielen Kindern, die die Ackerbauern hatten, überlebten zirka 8 bis 10. Allerdings war die Strecke x die die Bauern zurücklegten und somit die Diffusionskonstante D ziemlich klein. Cavalli-Sforza, der aus der Nähe der nordapenninischen Stadt Parma stammt, näherte die mittlere Entfernung die die Ackerbauern zurücklegten mit Hilfe von Kirchenbüchern an. Aus diesen ging hervor, dass der mittlere Abstand zwischen dem Geburtsort der Frau und dem Geburtsort des Mannes bei etwa 10 km liegt. c Rüdiger Reitinger 39

40 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Aus der Einstein-Smolochovski Formel für den zweidimensionalen Fall ergibt sich somit eine wesentlich kleinere Diffusionskonstante D als im Fall der Indianer. Allerdings ist die Reproduktionsrate α bei den Bauern viel größer, was zu einer viel steileren Ausbreitungsfront führt. Aus den von Cavalli-Sforza getroffenen Annahmen ergibt sich für die Ausbreitungsgeschwindigkeit v der Wellenfront: v = 500km/1000Jahre. (5.4.5) Wie schon bei den Indianern, ist diese Geschwindigkeit v wieder zu klein. Dieses Mal um einen Faktor zwei. Die Lösung ist, dass die Einwanderer aus dem Nahen Osten die ansässige Bevölkerung nicht auslöschten, sondern sich mit dieser durchmischten. Heute weiß man, dass die Hälfte unserer Gene noch von den Altsteinzeitlern stammt. Es kam also nicht nur zu der von Cavalli-Sforza propagierten demischen Diffusion, sondern auch zu einer kulturellen Diffusion. Die Jäger und Sammler übernahmen Ackerbau und Viehzucht. Heutige genetische Untersuchungen belegen, dass es sich bei der Diffusion des Ackerbaus zur Hälfte um eine kulturelle Diffusion handelte. Als Referenz für diese genetischen Untersuchungen dienten auf der einen Seite die Araber, die den Ackerbau erfanden, und auf der anderen Seite die Basken, die auch heute noch den Genstamm der Jäger und Sammler in sich tragen. Während die heutige europäische Bevölkerung zumindest teilweise immer noch die Gene der Altsteinzeitler in sich trägt, gilt dies sicher nicht für die Gene der Neandertaler. Diese starben Jahre vor Christus aus. Nach heutigem Wissensstand kann es im Laufe der Jahre, in denen der Neandertaler und der Homo sapiens sapiens parallel existierten, maximal 50 Mischehen gegeben haben. Neueste Theorien besagen, dass es möglicherweise Neandertalern gar nicht möglich war mit Homo sapiens sapiens Nachkommen zu zeugen, da es sich um zwei unterschiedliche Arten handelt. Genetische Betrachtung Ein gutes Buch hierzu: Luigi Luca Cavalli-Sforza: Gene, Völker, Sprachen, dtv, Cavalli-Sforza nutzte bereits vor zirka 30 Jahren bzw. in seiner ersten echten Arbeit 1984 die von Landsteiner 1901 entdeckten Blutgruppen zur genetischen Analyse der europäischen Bevölkerung. Während des zweiten Weltkriegs sammelte ein französisches Forscherehepaar große Mengen an Daten über das Auftreten der verschiedenen Blutgruppen bei Soldaten aus ganz Europa. Diese Aufzeichnungen waren eine hervorragende Basis für Cavalli-Sforzas Arbeiten. Das menschliche Genom besteht aus 23 Chromosomenpaaren. Diese wurden nummeriert, wobei das längste Paar die Nummer eins trägt und das kürzeste die Nummer 23. Jene Gene, die die Blutgruppe eines Menschen festlegen befinden sich im neunten Chromosomenpaares. Es gibt drei verschiedene Erscheinungsformen: A, B und 0. Daher sind folgende sechs Kombinationen von Genvarianten (Genotypen) möglich: AA, AB, 40 c Rüdiger Reitinger

41 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung Abbildung 5.8: Die neolithische Revolution: Die Ausbreitung des Neolithikums vom Vorderen Orient bis Nordeuropa. Die Zahlen geben die Jahre vor Geburt Christi an. Es handelt sich hier um eine stark vereinfachte Darstellung. c Rüdiger Reitinger 41

42 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Abbildung 5.9: Verlauf der Ausbreitung des Ackerbaus von Anatolien nach Europa, wie er von Grahame Clark 1965 vorgeschlagen wurde. Die Karte zeigt die Lage der ersten landwirtschaftlichen Siedlungen. Diese wurden 1965 mittels Radiocarbon-Methode (nicht kalibriert) datiert. Die Richtung und der Ursprung der Verbreitung des Ackerbaus sind eindeutig zu erkennen [Ref.: Renfrew, C., Archaeological Journal 10:1 (2000), 7 34]. 42 c Rüdiger Reitinger

43 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung Abbildung 5.10: Regressionsanalyse der Verteilung des frühen Ackerbaus in Europa. Jericho wurde als Ursprung der Diffusion angenommen. Die Punkte geben die geschätzte Zeit der Ankunft des Ackerbaus in Teilen Europas an. Auf der Ordinate ist die Entfernung von Jericho (Luftlinie) aufgetragen. Die Abszisse gibt die Zeitpunkte B.P. (before present), datiert mittels konventioneller Radiocarbon-Methode an [Ref.: Ammerman anad Cavalli- Sforza, 1971]. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit v entspricht dem Anstieg der Regressionsgerade und ist konstant. v = αd. c Rüdiger Reitinger 43

44 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa A0, BB, B0 und 00. Treten innerhalb einer Population mehrere Varianten eines bestimmten Gens auf, so nennt man diese Allele. Es handelt sich dann um genetischen Polymorphismus. Weitere Faktoren die eine bestimmte Blutgruppe festlegen sind: der Resusfaktor: Rh+, Rh- die HLA-Gene Cavalli-Sforza et al. ordneten die genetischen Variationen der Hauptkomponenten verschiedenen europäischen Regionen zu (Abbildung 5.11). Es ergibt sich ein eindeutiger Gradient vom Nahen Osten ausgehend. Heute ist das menschliche Genom (weitgehend?) bekannt. Abbildung 5.12 zeigt die Analyse der genetischen Variation der europäischen Bevölkerung im Detail. Als genetische Marker wurden unterschiedliche Mutationen des Y-Chromosoms, das nur bei Männern auftritt, untersucht. Diese Mutationen werden UEP (unique event polymorphismus) genannt. Es handelt sich hierbei um Veränderungen von Genen die im Laufe der Geschichte nur ein einziges Mal aufgetreten sind. Das Y-Chromosom ist relativ klein. Es besteht aus Basen. Seine Proteine werden von zirka 78 Genen kodiert. Mutationen treten selten auf. Derzeit sind von vielen tausend Markern etwa 300 bekannt. In Abbildung 5.12 wurden zehn ausgesuchte Genvariationen kartiert. Um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten wurden einige verwandte Mutationsformen in einer Farbe zusammengefasst. Hier ein Beispiel, wie die Graphik zu lesen ist : Das Y-Gen mutierte zu der Form YAP, danach zu 4064 und schließlich zu M35. Zur Vereinfachung wird das Endprodukt dann Eu4 (= Europa 4 Gruppe) genannt. Eu4 und noch betonter die Summe aus Eu9, Eu10 und Eu11 fallen vom Nahen Osten her in Richtung Nordwesten ab. Eu7+Eu8 hingegen charakterisieren die nordeuropäischen Völker. Diesbezüglich gilt Sardinien als Sonderfall. Die Bevölkerung dort hat sich zum Großteil abgeschottet vom Rest Europas entwickelt. Die roten und die blauen Mutationen sprechen für eine Diffusion aus dem Nahen Osten. Eu13+Eu14 sind Merkmale der Finno-ugrischen Volksgruppe, wobei die Ungarn genetisch nicht zu dieser Gruppe gehören. Eu19 könnte auf eine indogermanische Herkunft deuten. Eu18 ist das Baskengen. Die Basken haben vielleicht die letzte Einwanderungswelle aus dem Nahen Osten ohne Durchmischung überstanden. Ein Grund hierfür könnten Verständigungsschwierigkeiten gewesen sein, da sich die baskische Sprache stark von anderen europäischen Sprachen unterscheidet. Außerdem scheint in Europa - inklusive dem Baskenland - generell die Meinung zu herrschen, dass die Basken ein anders sind (Anmerkung des Autors: Bitte den letzten Kommentar nicht über Gebühr ernst nehmen.). Wir landen nun wieder bei der selben Fragestellung wie zuvor: Handelte es sich doch um eine demische Diffusion? Über Europa gemittelt stammen unsere Gene zu 22% aus dem Nahen Osten (= NL - Gene = neolithische Gene). Das heißt allerdings auch, dass wir zu 78% Alteuropäer sind. Die Genmutationen (=Marker) breiteten sich entlang der Mittelmeerküste rascher aus, 44 c Rüdiger Reitinger

45 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung Abbildung 5.11: Genetischen Variation der Bevölkerung in Europa. Es ist ein eindeutiger Gradient vom Nahen Osten ausgehend zu erkennen. [Ref.: LL Cavalli- Sforza, P Menozzi, and A Piazza, Science, Vol 259, Issue 5095, ] c Rüdiger Reitinger 45

46 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Abbildung 5.12: Geographische Zuordnung ausgesuchter Genvariationen innerhalb der europäischen Bevölkerung. [Ref.: LL Cavalli-Sforza, P Menozzi, and A Piazza, Science, Vol. 259, , (1993).] bzw. [Ref.: Ornella Semino, Giuseppe Passarino, Peter J. Oefner, Alice A. Lin, Svetlana Arbuzova, Lars E. Beckman, Giovanna De Benedictis, Paolo Francalacci, Anastasia Kouvatsi, Svetlana Limborska, Mladen Marcikiæ, Anna Mika, Barbara Mika, Dragan Primorac, A. Silvana Santachiara-Benerecetti, L. Luca Cavalli-Sforza, and Peter A. Underhill, Science, Vol. 290, , (2000), Genetic Legacy of Paleolithic homo sapiens sapiens in Europe: Y chromosome.] 46 c Rüdiger Reitinger

47 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung Abbildung 5.13: Häufigkeit der Genmutationen in Abhängigkeit von der Entfernung zum Nahen Osten [Ref.: Ornella Semino, Giuseppe Passarino, Peter J. Oefner, Alice A. Lin, Svetlana Arbuzova, Lars E. Beckman, Giovanna De Benedictis, Paolo Francalacci, Anastasia Kouvatsi, Svetlana Limborska, Mladen Marcikiæ, Anna Mika, Barbara Mika, Dragan Primorac, A. Silvana Santachiara-Benerecetti, L. Luca Cavalli-Sforza, and Peter A. Underhill, Science, Vol. 290, , (2000), Genetic Legacy of Paleolithic homo sapiens sapiens in Europe: Y chromosome.] c Rüdiger Reitinger 47

48 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa Abbildung 5.14: Die Kreisdiagramm in der Karte zeigen die Anteile der baskischen Mutationen (weiß) und der Mutationen des Nahen Ostens (schwarz) in 12 europäischen Gruppen. (A) Molekularrate und (B) Häufigkeit. [Ref.: Isabelle Dupanloup, Giorgio Bertorelle, Loune s Chikhi and Guido Barbujani, Impact of Prehistoric Admixture on the Genome of Europeans, Mol. Biol. and Evolution 21, 1361 (2004)] als durch Europa zum Beispiel entlang der Donau durch die Wachau usw. (vgl. Abbildung 5.13) Isabell Dupanloup et al. veröffentlichte 2004 eine Arbeit, in der auch die Erbsubstanz der Frauen mit einbezogen wurde. Dem zu folge ergibt sich wieder ein anderer Prozentsatz für unsere genetische Verwandtschaft zu den Ackerbauern des Nahen Ostens. Da man allerdings wieder einen starken Gradienten in Richtung Nordwesten erhält stellt sich die Frage, inwieweit eine Mittelung über ganz Europa überhaupt gerechtfertigt ist. Führt man dennoch eine Mittelung durch so erhält man als Resultat, dass 50% unserer Gene aus dem Nahen Osten stammen. Im Widerspruch zu den bisher angeführten Theorien steht eine Arbeit aus dem Jahr 2005 von Currat und Excoffier [Ref.: Proc. R. Soc. B (2005) 272, ]. Diese besagt, dass die Betrachtungsweisen der Archäologen zu naiv seien. Für den heute in Europa vorherrschenden Genpool genügen 0.375% Einwanderer aus dem Nahen Osten, weil es zu einer raschen Verdünnung der unterschiedlichen Gene kommt. Auf die Problematik der verschiedenen Sichtweisen soll hier allerdings nicht näher eingegangen werden. Dieser Absatz soll lediglich zum Nachdenken animieren. Es bleibt die folgende Frage offen: Wie baut man die Vermischung der Neolithiker mit den Einheimischen (Paläolithikern) in ein Diffusionsmodell ein? Der Archäogenetik wird zur Zeit langsam aber doch bewusst, dass der Wechsel zwi- 48 c Rüdiger Reitinger

49 5.4.2 Anwendung der Fisher-Gleichung schen den Akteuren berücksichtigt werden muss. Die Arbeit von Currat und Excoffier ist eine Warnung an die Archäologen. Die Diffusion des Ackerbaus ist nicht gleich zu setzen mit Personendiffusion. c Rüdiger Reitinger 49

50 5.4 Die Ausbreitung des Ackerbaus in Europa 50 c Rüdiger Reitinger

51 6 Wechselwirkende Akteure und Diffusion 6.1 Ackerbauer/Viehzüchter - Jäger/Sammler Lotka-Volterra-Modell Das Lotka-Volterra-Modell entstand zirka um Der Chemiker Lotka wuchs in der österreichischen Monarchie auf und emigrierte später in die USA. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit der Untersuchung von Substanzen, die sich gegenseitig kathalysieren, sodass sich einmal die eine und dann wieder die andere ausbreitet. Es handelt sich um eine Art Wechselspiel zwischen den beiden Substanzen. Der Biologe Volterra stammt aus einer italienischen Adelsfamilie. Während des ersten Weltkriegs wurde in den italienischen Gewässern kaum gefischt. Daher gab es zu dieser Zeit sehr viele Fische. Dies führte zu einem Nahrungsmangel, sodass es in der Folge - nach dem Krieg - nur wenige Fische gab. Volterra analysierte dieses Phänomen und prophezeite eine Zunahme der Fischpopulation hervorgerufen durch die Wiederaufnahme der Fischerei. Das Lotka- Volterra-Modell beruht auf zwei gekoppelten Differentialgleichungen (6.1.1) und (6.1.2). Nimmt zum Beispiel die Anzahl der Ackerbauern zu, so sinkt gleichzeitig die Anzahl der Jäger. dn P L dt dn NL dt ( = D d2 n P L dx 2 + α P L h P L 1 n ) P L β n P L n NL (6.1.1) K P L ( ) = D d2 n NL dx 2 + α NL h NL 1 n NL K NL }{{} W achstumsterm + β n NL n P L }{{} Akurationsterm (6.1.2) n P L ist die Anzahl der Jäger (Paläolithiker) und n NL die Anzahl der Ackerbauern (Neolithiker). Der Wachstumsterm ist abhängig von Geburt und Tod. Der Akulturationsterm gibt die Umwandlung der Jäger in Ackerbauern an. Diese Umwandlung kann einerseits friedlich (z.b. durch Heirat) andererseits aber auch durch Kriege erfolgen. Die Differentialgleichungen von Lotka und Volterra wurde von dem Japaner Aoka gelöst. Dessen eigentliches Ziel war zu zeigen, ob es den Indianern durch reine Diffusion möglich war, den eisfreien Korridor in der USA zu durchqueren (vgl.: Kapitel 5.3). Abbildung 6.1 zeigt die Ausbreitung der Ackerbauern im eindimensionalen Fall und die Abnahme der Jäger. Während am Anfang nur eine kleine Gruppe von Ackerbauern Aoka zufolge hätte ihnen das übrigens nicht gelingen sollen. 51

52 6.2 Die Ausbreitung (Diffusion) von Krankheiten - Die Pestwalze Abbildung 6.1: Mathematika Simulation der Ausbreitung der Ackerbauern (links) und der Jäger (rechts) nach Aoki. Auf der x-achse ist die räumliche Ausdehnung der jeweiligen Bevölkerungsgruppe, auf der y-achse die Zeit und auf der z-achse der Anteil an der Gesamtbevölkerung in % aufgetragen ( c Manfred G. Smolik). existiert nimmt mit der Zeit die Anzahl der Jäger kontinuierlich ab. Deutlich ist die sich fortpflanzende Frontwelle zu erkennen. In dem Modell werden die Auswirkungen von Nischen nicht berücksichtigt. Diese sind zum Beispiel Bergtäler oder Inseln wie Korsika und Sardinien, wo aufgrund der geographischen Bedingungen wenig Austausch mit Außen stattfindet. Ein weiteres Beispiel ist das Baskenland. 6.2 Die Ausbreitung (Diffusion) von Krankheiten - Die Pestwalze Die Gründe für die Ausbreitung der Pest sind wesentlich besser bekannt als die Ausbreitung des Ackerbaus. Von 1347 bis 1350 fand die erste große Pestwelle seit der Römerzeit statt. Im Herbst/Winter 1347 bringen Händler aus Indien über die Levante kommend die Pest nach Kalabrien. Die ersten Pesttoten gibt es in der Provence und in Sizilien. Von dort breitet sich die neue Krankheit innerhalb von drei Jahren über ganz Europa aus, wobei sie von den Alpen etwas gebremst wird (Abbildung 6.2). Die Pestwalze rollt mit einer Geschwindigkeit von 1000km/Jahr. Ein drittel aller Europäer stirbt. Heutige Krankheitsausbreitungen sind aufgrund der Globalisierung wesentlich schwerer zu verfolgen. Gemäß dem Lotka-Volterra-Modell erhält man aus den Gleichungen und folgende Diffusionsgleichungen: 52 c Rüdiger Reitinger

53 Abbildung 6.2: Ausbreitung der Pest in Europa [Ref.: Noble, J.V., Nature, Vol. 250, 5469, (1974)]. c Rüdiger Reitinger 53

54 6.2 Die Ausbreitung (Diffusion) von Krankheiten - Die Pestwalze W echselwirkungterm dg dt = D d2 g dx 2 {}}{ βgk (6.2.1) dk dt = D d2 k + βgk αk dx2 }{{} (6.2.2) T odesterm Der Wachstumsterm kann in Glg. (6.2.1) vernachlässigt werden. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit der Pestausbreitung spielen die Geburten und Todesfälle - aus anderen Gründen als der Pest - in diesem Zeitraum kaum eine Rolle. In Glg. (6.2.2) kann er vereinfacht werden. Da es im Falle der Pest nur Tod oder Leben gibt, muss man keine Carrying-Capacity K annehmen. Für den Wachstumsterm bzw. hier besser den Todesterm, der die Sterblichkeit der Angesteckten angibt, erhält man somit: T odesterm = αk. (6.2.3) Der Wechselwirkungsterm setzt sich aus der Ansteckungsrate β, der Anzahl der Kranken k und der Anzahl der Gesunden g zusammen. Er gibt die Anzahl der Gesunden, die sich infizieren, an. α ist die durch die Pest hervorgerufene Sterblichkeit. Zur Quantifizierung der einzelnen Parameter denkt sich Noble für seine Veröffentlichung (Nature, Vol. 250, 5469, (1974)) lustige Sachen aus. Er trifft folgende Annahmen: Ansteckungsrate β: Die Ansteckung der Pestkranken erfolgt mittels Pestflöhe. Diese erreichen eine mittlere Sprungweite von einem Meter. Durchschnittlich geht ein Mensch 10 Stunden pro Tag mit einer Geschwindigkeit von 3km/h. Für die in einem Jahr zurückgelegte Strecke L ergibt sich somit: L = 3km/h 10h/d 365d/a 10000km/a. (6.2.4) In einem Jahr erzeugt ein Mensch also eine 10000km lange Linie. Aufgrund der Flohsprungweite von einem Meter produziert ein Mensch mit Hilfe seiner Pestflöhe einen Schlauch mit einem Durchmesser von 2m (= 0.002km) und einer Länge von 10000km (vgl. Abbildung 6.3). Jeder Mensch beeinflusst somit eine Fläche von 20km 2 /a. Bei einer Ansteckungswahrscheinlichkeit durch einen Floh von 10% ergibt sich für die Ansteckungsrate β: β = km 2 /a = 2km 2 /a. (6.2.5) 54 c Rüdiger Reitinger

55 km km Abbildung 6.3: Pestschlauch nach Noble. Der Durchschnittsmensch legt in einem Jahr eine Strecke von 10000km zurück. Der Durchschnittsfloh springt 1m weit. Jeder Mensch erzeugt unter Mithilfe seiner Flöhe einen Schlauch von 10000km Länge und einem Durchmesser von 2m. Diffusionskonstante D Noble betrachtet Europa als homogene Fläche, d.h. er differenziert nicht zwischen Städten und dem ländlichen Räumen. Die Diffusionsgeschwindigkeit verhält sich analog zur Ausbreitung von Gerüchten (z.b.: Wie schnell kommt ein Fürst in Schwierigkeiten, wenn er eine Geliebte hat?). Diese breiten sich im Mittel über eine Strecke von 200km aus : x = x = x rms = x 2 = 200km. (6.2.6) Aus der Einstein-Smoluchowski Formel erhält man somit für die Diffusionskonstante D: D = x2 2t = km 2 2 a (6.2.7) D = km 2 /a. (6.2.8) Bevölkerungsdichte ρ Zu Beginn der Pest war die Dichte der gesunden Menschen ρ = 10/km 2. Somit ergibt sich für die Ausbreitung der Pest folgende Geschwindigkeit: v = βρd 2km 2 /a 10/km km 2 /a km/a = 800km/a. (6.2.9) In Abbildung 6.4 ist die Ausbreitung der Pest schematisch dargestellt. Die Ausbreitungswelle läuft mit einer konstanten Geschwindigkeit v. Gemäß Fischer ist diese: v = 2 αd αd, (6.2.10) wobei α der Sterblichkeit und D der Diffusionskonstanten von Gerüchten entspricht. Außerdem ist die Frontgeschwindigkeit v βkd. Mit der Ansteckungsrate β, der Die Ausbreitung der Pest anhand der Ausbreitung von Gerüchten zu erklären scheint noch fragwürdiger, als der Ansatz von Cavalli-Sforzas, der für seine Überlegungen Kirchenbücher und die Wanderungen der Pygmäen heranzog. c Rüdiger Reitinger 55

56 6.2 Die Ausbreitung (Diffusion) von Krankheiten - Die Pestwalze Abbildung 6.4: Schematische Darstellung der Pestwalze. k gibt die Anzahl der Kranken und x den Ort an. Die Welle bewegt sich mit der Frontgeschwindigkeit v αd bzw. v βkd vorwärts. α ist die Sterblichkeit, D die Diffusionskonstante, und β die Ansteckungsrate. Anzahl der Kranken k und der Diffusionskonstanten D. The educated guess of Noble ist so angepasst, dass sein Ergebnis mit der Geschichte übereinstimmt. Folglich waren seine Annahmen richtig. Um die Ausbreitung einer Epidemie zu gewährleisten, muss die Ansteckungsrate multipliziert mit der Dichte und der Anzahl der Kranken β ρ k größer als die Sterblichkeit multipliziert mit der Anzahl der Kranken α k sein. βρ > α. (6.2.11) Sterben die Leute zu schnell, so stirbt auch die Epidemie. Im Hochmittelalter wurde offenbar eine kritische Bevölkerungsdichte erreicht, dei der Pest die Ausbreitung ermöglichte. Die Pest ist ein Musterbeispiel mit fragwürdigen Annahmen. Weitaus besser untersucht ist heute beispielsweise die Fuchstollwut in England. Diese hat sich in mehreren Wellen ausgebreitet. Die Wellen wurden offenbar durch eine wiederkehrende Immunisierung der Füchse hervorgerufen. Andere Diffusionsvorgänge, die ebenfalls sehr gut analysiert werden können sind beispielsweise die Ausbreitung von Neobiotika aus Mittelamerika (z.b. der allergene Hahnenfuss) oder die Ausbreitung der Miniermotte (Marius Gilbert). 56 c Rüdiger Reitinger

57 7 Diffusion in beschränkten Territorien 7.1 Diffusion im Festkörper Die Diffusion von Atomen in Festkörpern kann beispielsweise mittels Mößbauer-Effekt beobachtete werden. Dieser wurde 1959 entdeckt. Die Strahlung bewegter Atome weißt aufgrund des Doppler-Effekts eine Energieverschiebung auf. Je schneller die Bewegung der lichtemittierenden Atome ist, desto größer ist die Energieaufspaltung der ausgesandten Strahlung (vgl.: Abbildung 7.1). Der Doppler-Effekt wurde von Christian Doppler bereits 1850 zur Erklärung des Lichts der Dopplersterne herangezogen. Der Effekt wird auch zur Geschwindikeitskontrolle mittels Radarmessung verwendet. Eine Mößbauer-Quelle sendet γ-strahlung aus. Im Falle von 57 Fe hat diese Röntgenstrahlung eine Energie von 14.4keV. Trifft diese Strahlung auf einen 57 Fe-Kern auf, so erfährt dieser einen Rückstoß. Zusätzlich kommt es aufgrund thermischer Schwingungen zu einer Dopplerverbreiterung. Im Festkörper kommt es zu einer rückstoßfreien Kernresonanzabsorption. Es wird eine Energieauflösung im µev -Bereich erreicht ( E E ). Damit kann im speziellen die Diffusion von Fe-Atomen untersucht werden. Experiment: Aluminium mit einem geringen Fe-Gehalt wird mit γ-strahlung einer Mößbauer-Quelle bestrahlt. Wird aus dem Kristallgitter ein Al-Atom herausgeschlagen, so bleibt dieses auf einem Zwischengitterplatz. Im Gitter entsteht ein Loch, das von einem Fe-Atom aufgefüllt wird. Danach tauschen das Fe-Atom und das Zwischengitteratom ihre Plätze. Der beschriebene Diffusionsprozess wird in Abbildung 7.2 veranschaulicht, er findet bereits bei niedrigen Temperaturen ( 10K) statt Anwendung im menschlichen Körper Der Myoglobin-Käfig dient zum Sauerstofftransport zu den Muskeln. Bei diesem Prozess spielen ebenfalls Fe-Atome eine Rolle. Sie binden O 2 bzw. CO 2, aber auch CO. Da eine CO-Bindung irreversibel ist kommt es im letzten Fall zu einer CO-Vergiftung. 57

58 7.1 Diffusion im Festkörper Abbildung 7.1: Dopplerverbreiterung einer Mößbauerlinie. Für eine ruhenden Mößbauerquelle entspricht Γ der natürlichen Linienbreite. Die rote Linie entspricht der Dopplerverbreiterung. Abbildung 7.2: Diffusion von Aluminium im Kristallgitter. Die Al-Atome sind pink dargestellt und das Fe-Atom violett. 58 c Rüdiger Reitinger

59 Abbildung 7.3: Dichte der RLUs (=raised leg urinations) von Wölfen in Abhängigkeit vom Ort. 7.2 Bewegung von Wölfen in beschränkten Territorien und ihre Wechselwirkung mit Hirschen Im Festkörper wirken 57 Fe-Isotope als Sonden, bei Tieren werden kleine Sender verwendet. Murray und Lewis erforschten das Verhalten der Weißwedelhirsche und der Timberwölfe in kanadischen Regionen. Durch Sonden wurden die Territorien beider Arten analysiert. Die Kennzeichnung der Jagdgebiete der Wölfe erfolgt durch Duftmarken (RLU = raised leg urination). Entlang der Grenzen der jeweiligen Territorien wurden doppelt so viele RLUs gefunden, als innerhalb. Abbildung 7.3 zeigt die Dichte der RLUs in Abhängigkeit vom Ort schematisch. Jedes Wolfsrudel bleibt in seinem Territorium. Man erhält folgende Differentialgleichung: dω dt = D d2 ω + R. (7.2.1) dx2 ω entspricht der Anzahl der Wölfe und R der Rückkehrbewegung zum Zentrum des Territoriums. Hier befinden sich auch die Nesthöhlen (vgl.: Abbildung 7.4). Die meisten Hirsche leben an den Grenzen der Wolfsreviere. Vor allem im Sommer ist es dort am ungefährlichsten für sie. Diffundieren die Hirsche in das Wolfsrevier hinein, so werden sie gefressen. 7.3 Parallelität zwischen Wölfen und Indianerstämmen früherer Zeit Hierzu gibt es eine Beschreibung von Hickerson die Sioux und Chippewas betreffend ( ). Die Ergebnisse wurden von L. D. Meck in Science veröffentlicht. Zwischen c Rüdiger Reitinger 59

60 7.3 Parallelität zwischen Wölfen und Indianerstämmen früherer Zeit Abbildung 7.4: Positionen der Nesthöhlen und Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Wölfe in Abhängigkeit vom Ort. den beiden Stämmen herrschte oft Krieg. Daher gab es Pufferzonen, die die Indianer mieden. In diesen Zonen vermehrten sich die Hirsche. In längeren Friedenszeiten wurden auch die Pufferzonen bejagt, wodurch das Wild verschwand. Es kam zu Hungersnöten, die wiederum Konflikte herauf beschworen. Kreislauf. 60 c Rüdiger Reitinger

61 8 Diffusion über Schnellwege Erste Anzeichen für Schnellwege: Einwanderung der Indianer nach Amerika. In diesem Fall handelt es sich wahrscheinlich um Korridordiffusion und nicht mehr um Diffusion im eigentlichen Sinn. 8.1 Tiere: Rosskastanien-Miniermotte (lat.: Cameraria ohridella, engl.: Horse-chestnut leaf miner) In Österreich können pro Jahr drei bis vier Generationen der Miniermotte beobachtet werden. Es handelt sich um eine Schwirrmotte, d.h. die Tiere schwirren nur herum. Auf diese Weise können sie sich nicht weit ausbreiten: x 2 = x rms 1km/Generation (8.1.1) x 2 = 4Dt (8.1.2) x rms = 4Dt D = klein. (8.1.3) Die Miniermotte stammt aus dem Balken (nördl. Griechenland) wurde sie erstmals in Mazedonien registriert und 2002 bereits jenseits des Ärmelkanals. Es handelt sich hier um einen anderen Mechanismus als bei der Diffusion. Die Verbreitung wird durch den Menschen hervorgerufen. Abbildung 8.1 zeigt die Verbreitung der Miniermotte anhand des Befalls der Kastanien erscheint ein Vorläuferpeak in Österreich. Vermutlich hat ein Biologe die Miniermotte aus Mazedonien eingeschleppt. Die Ausbreitung der Motte erfolgt allgemein entlang von Autobahnen und Eisenbahnlinien über die Parks der großen Städte. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit kann in direkten Zusammenhang mir der Bevölkerungsdichte gebracht werden. Dort wo mehr Menschen leben, sorgt das stärkere Verkehrsaufkommen für schnellere Ausbreitung. Schadenswirkung der Miniermotten Die Motten legen Taschen in das Laub, wodurch dieses abstirbt. Prinzipiell hat dies einen geringen Einfluss auf die Gesundheit des Wirts. Allerdings bedeuten die Machenschaften der Miniermotte einen zusätzlichen Stress für die Bäume, weiters verkürzt sich die Vegetationsperiode. Bisher ist keine natürliche Resistenz der Bäume gegen die Motte bekannt. Das Hauptproblem scheint jedoch die ästhetische Beeinträchtigung zu sein (vgl.: 61

62 8.1 Tiere: Rosskastanien-Miniermotte Abbildung 8.1: Befall der Kastanien durch die Miniermotte in Abhängigkeit von der Entfernung zum Ursprung in Mazedonien. Abbildung 8.2: Links: Gesunde Rosskastanie. Rechts: Von Miniermotten befallene Rosskastanie. 62 c Rüdiger Reitinger

63 8.1.1 Skellam Modell (1951) Abbildung 8.3: Aubreitung der Miniermotten in Deutschland zwischen 1996 und Abbildung 8.2). Abbildung 8.3 zeigt die Ausbreitung der Miniermotte in Teilen Deutschlands. Man erkennt deutlich, dass jene Gebiete stärker bzw. schneller befallen werden, in denen eine hohe Bevölkerungsdichte herrscht. In diesen Gebieten ist gleichzeitig die Anzahl der Rosskastanien höher, da es sich bei diesem Baum um eine Kulturpflanze handelt. Aufgrund der klassischen Diffusion könnte sich die Miniermotte bloß ein paar hundert Meter ausgebreitet haben. Es muss die langreichweitige Ausbreitung per Autos und Zügen - mittels Blätter - in jene Gebiete berücksichtigt werden, in denen eine große Bevölkerungsdichte herrscht. Intensiv erforscht wurde die Ausbreitung von Neobiota von Marius Gilbert (Frei Universität Brüssel). Die Ausbreitung der Miniermotte kann mit drei verschiedenen Modellen beschrieben werden: 1. Skellam Modell 2. Stratified dispersal 3. Gilbert Modell Skellam Modell (1951) Das Skellam Modell beruht auf einer Kombination von Brownscher Bewegung und exponentiellen Wachstum. Es beinhaltet folgende Differentialgleichung: Als Lösung erhält man: dc ( x,t) dt = D d2 c ( x,t) dx 2 + αc ( x,t). (8.1.4) exp.w achstum Q {}}{ c ( x,t) = e x2 4Dt 4πDt }{{} e αt. (8.1.5) Gaußsche Kurve c Rüdiger Reitinger 63

64 8.1 Tiere: Rosskastanien-Miniermotte Abbildung 8.4: Verteilung der Individuen zu verschiedenen Zeitpunkten t nach Skellam. N ist die Anzahl der Individuen und x der Ort. c ist die Individuenkonzentration, Q der Quellterm, D die Diffusionskonstante, α die Geburtenrate, x die Position und t die Zeit. Für die Ausbreitungsgeschwindigkeit v ergibt sich der selbe Term, wie für das logistische Wachstum: v = 4αD. (8.1.6) Der Vorfaktor ist 4, da es sich um eine zweidimensionale Ausbreitung handelt. v ist unabhängig von der Zeit und auch davon, ob es sich um logistisches oder unbeschränktes Wachstum handelt. Das Vorhandensein einer Wachstumsschranke hat keine Auswirkungen auf die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Abbildung 8.4 zeigt die Verteilung der Individuen zu verschiedenen Zeitpunkten Stratified Dispersal Dieses Modell wurde 1989 von Hengeveld eingeführt. Die Lösung stammt von den Mathematikern Shigesada und Kawasaki (1997). Es werden kurz- und langreichweitige Effekte berücksichtigt und eine beschleunigte Ausbreitungsgeschwindigkeit angenommen. Abbildung 8.5 zeigt einen Vergleich des Skellam Modells mit der Stratified Dispersal. Q = c(x, 0)dx, Q = Anzahl der Individuen/Einheitslänge 64 c Rüdiger Reitinger

65 8.1.3 Gilbert Modell Abbildung 8.5: Simulation eines Diffusionsprozesses. Oben: Skellam Modell. Unten: Stratified Dispersal Gilbert Modell Marius Gilbert berücksichtigt in seinem Modell den Einfluss der Bevölkerungsdichte auf die Ausbreitung der Miniermotte, indem er die Stratified Dispersal mit der entsprechenden Dichteverteilung moduliert. Abbildung 8.6 zeigt die Entwicklung vom Skellam Modell (a) über die Stratified Dispersal (c) zum Gilbert Modell (d). Die beobachtete Ausbreitung der Miniermotte in Deutschland und Frankreich wird in Abbildung 8.7 mit den verschiedenen Modellen verglichen. Das Gilbert Modell kommt der Realität sehr nahe. Die Diskrepanz, zwischen dem Modell und der tatsächlichen Ausbreitung in Frankreich, kann mit klimatischen und infrastrukturellen Einflüssen erklärt werden. So wirken sich zum Beispiel die zahlreichen Niederschläge in der Bretagne negativ auf die Mot- Abbildung 8.6: Wahrscheinlichkeitsverteilung im (a) Skellam Modell, (c) bei der Stratified Dispersal und (d) inklusive Modulation mit Bevölkerungsdichte. c Rüdiger Reitinger 65

66 8.1 Tiere: Rosskastanien-Miniermotte Abbildung 8.7: Vergleich der beobachteten Ausbreitung der Miniermotte mit den verschiedenen Modellen. Links: Deutschland. Rechts: Frankreich. tenpopulation aus. Im französischen Zentralmassiv ist die Dichte der Kastanienbäume gering und auch das Fehlen von Verkehrswegen bremst die ungezügelte Ausbreitung der Miniermotte Modellberechnung Abbildung 8.8 zeigt schematisch den Aufbau eines Diffusionsmodells unter der Zuhilfenahme von Monte Carlo Simulationen. Es ist eine große Anzahl an Messdaten notwendig. Als Beispiel für die Erklärungen dient wieder die Miniermotte. (A) zeigt den Status zum Zeitpunkt n. Die schwarzen, mit 1 markierten Felder, geben jene Bereiche wieder, die bereits von Miniermotten befallen sind. (B) zeigt die Anzahl der zur Verfügung stehenden Wirte in den einzelnen Feldern. Diese Anzahl wird in (E) normiert. (C) gibt für jedes Diffusionsmodell eine entsprechende Ausbreitungsverteilung an. (D) ist eine Maske für alle besiedelbaren Gebiete. Dort wo die Kastanienbäume nicht wachsen könne (z.b.: Meere, Seen, hohe Gebirgslagen, usw.) erhält man den Wert 0, anderenfalls 1. Kombiniert man nun (C), (D) und (E) so erhält man (F). (G) stellt eine Anordnung von Zufallszahlen dar. Nun wird (F) mit (G) verglichen. Ist der Wert an einer bestimmten Position in (F) kleiner als in (G) so erhält man an dieser Stelle 0, im umgekehrten Fall 1. Dies ist in (H) dargestellt. Man erhält somit die neue Verteilung zum Zeitpunkt n + 1. Eine notwendige Annahme ist, dass jedes besetzte Feld besetzt bleibt. In unserem konkreten Fall der Miniermotte kann diese Vereinfachung getroffen werden, da die Mot- 66 c Rüdiger Reitinger

67 8.1.4 Modellberechnung Abbildung 8.8: Schema der Modellfindung für die Diffusion von Neobiota. Zellulärer Automat. c Rüdiger Reitinger 67

68 8.3 Atome: Atome an Korngrenzen te kaum über natürliche Feinde verfügt. 90% der Tiere überleben. Als natürliche Feinde gelten Käfer, Vögel und Pilze. Der Zelluläre Automat aus Abbildung 8.8 könnte auch zu einer verbesserten Analyse der Immigration der Paleo-Indianer in Amerika heran gezogen werden. Hier könnte die Berücksichtigung der Habitatwahrscheinlichkeit neue Erkenntnisse liefern. Bisher offene Fragen, wie zum Beispiel die, nach den klimatischen Bedingungen vor Jahren, können heute beantwortet werden. In dem konkreten Fall durch Pollenanalysen. 8.2 Pflanzen: Ambrosia Die Ambrosia artemisii folia (Beifussblättriges Traubenkraut, engl.: Ragweed) ist eine stark allergen wirkende Pflanze, die dem Beifuss ähnelt. Seit Anfang der 1950er findet man sie auch in Österreich. Ihre Samen wurden mit Vogelfutter aus Ungarn importiert. Dort gibt es inzwischen ein Gesetz gegen die Ambrosia, das die Bevölkerung verpflichtet, sie aus zu reißen. Auch in der Schweiz werden die Leute dazu aufgefordert. Nach Ungarn kam die als Unkraut eingestufte Pflanze aus Nordamerika. Sie zeigt eine langsame Diffusion über die ungarische Grenze. Die Ambrosia benötigt trockenes und warmes Wetter. Sie wächst bevorzugt auf Ruderalflächen und Ackerbrachen. Vermutlich hat der derzeitige Klimawandel einen Einfluss auf ihre Ausbreitung. Da die Ambrosia im Jahresverlauf erst spät blüht, ruft sie Allergien erst nach der Hauptpollenzeit hervor. Abbildung 8.9 zeigt das Vorkommen der Ambrosia in Österreich im Jahre Um die Kolonisationswahrscheinlichkeit aufgrund der Diffusion berechnen zu können, benötigt man wieder die Diffusionsgleichung: dn dt = D d2 n dx 2, (8.2.1) und die mittlere quadratische Ausbreitung für den zweidimensionalen Fall: x 2 = 4Dt. (8.2.2) Diese multipliziert man mit der Habitatwahrscheinlichkeit (Ruderalflächen, Höhenschichtlinien, usw.) und wendet wieder das Monte Carlo Verfahren aus Kapitel an. Um mit der Simulation die Realität zu treffen, muss die Ausbreitungsstärke abgeschätzt werden, diese kann durch σ (Halbwertsbreite) einer Gaußkurve abgeschätzt werden. Die Ausbreitung der Ambrosia könnte einen Indikator für eine eventuell erfolgende Klimaerwärmung darstellen. 8.3 Atome: Atome an Korngrenzen Damit es zu Diffusion im Festkörper kommen kann, müssen Leerstellen vorhanden sein (vgl. Abbildung 8.10). 68 c Rüdiger Reitinger

69 Abbildung 8.9: Ausbreitung der Ambrosia in Österreich (2005). Die roten Punkte zeigen Vorkommen, die eindeutig überlebensfähig sind, die orangen entsprechen Ambrosia-Populationen deren Zukunft ungewiss ist und in den gelb markierten Gebieten wurden zwar Ambrosia-Pflanzen gefunden, deren Überlebenswahrscheinlichkeit liegt jedoch bei Null. c Rüdiger Reitinger 69

70 8.3 Atome: Atome an Korngrenzen Abbildung 8.10: Diffusion im Festkörper. Ein Atom aus dem Gitter des Festkörpers diffundiert in die Leerstelle. Neueste Technologien ermöglichen die Herstellungen nanokristalliner Materialien. Diese haben neue und interessante physikalische Eigenschaften. Erzeugt werden sie meist unter hohen Drücken. Beinhalten ein Festkörper eine große Anzahl an Körnern, so nimmt die Diffusion drastisch zu, da es dann an den Korngrenzen viele Fehlstellen gibt (Abbildung 8.11). Dieser Diffusionsprozess wurde von Fisher untersucht. Abbildung 8.12 veranschaulicht den Mechanismus der Korngrenzendiffusion. Am Konzentrationsprofil des 63 Ni erkennt man die beschleunigte Diffusion entlang der Korngrenze. Fisher ging bei seinen Überlegungen von einer unerschöpflichen Quelle an der Oberfläche aus. Bei einer erschöpfbare Quelle erhält man als Lösung: Im Falle einer unerschöpflichen Quelle ergibt sich: n = Q (0,0) 4πDt e x 2 4Dt. (8.3.1) n (y,z,t) = n 0 e K z erfc y 2 Dt. (8.3.2) n ist die Konzentration, Q der Quellterm, D die Diffusionskonstante, x 2 die Position im Festkörper, n 0 die Anfangskonzentration, erfc die komplementäre Fehlerfunktion und K eine Konstante. Die y-richtung verläuft entlang der Oberfläche des Festkörpers und die z-richtung zeigt in den Festkörper ( zur Oberfläche). Diffundiert zum Beispiel Sauerstoff in ein Metall, so wird dieses oxidiert, es rostet. erfc(z) = 1 erf(z) = 2 π z e τ 2 dτ 70 c Rüdiger Reitinger

71 Abbildung 8.11: Schema zweier Körner in einem Festkörper. Deutlich sind die Leerstellen entlang der Korngrenzen zu erkennen. c Rüdiger Reitinger 71

72 8.3 Atome: Atome an Korngrenzen Abbildung 8.12: Links: Konzentrationsprofil. Diffusion entlang Korngrenze. Rechts: Autoradiographen von 63 Ni Diffusion entlang verkippten Korngrenzen in Ni: (a) 1090 K, s, (b) 971 K, s und (c) 873 K, s [Ref.: Canon und Stark]. 72 c Rüdiger Reitinger

73 9 Diffusion und Ausbreitungsfront in Physik und Chemie 9.1 Diffusion in festen Materialien (Festkörper-Diffusion) Roberts-Austen, dessen Fachgebiet die Materialkunde war, arbeitete als Münzer führte er folgenden Versuch durch: Er legte eine Goldfolie um einen Bleistab und klemmte die beiden Materialien an einander. Abbildung?? zeigt den Versuchsaufbau schematisch. Nachdem er die Klemme löste, fielen die Stoffe wieder auseinander. Also wiederholte er den Versuch, wobei er dieses Mal drei Jahre (bei konstanten 17 C) wartete, bevor er die Klemme wieder abnahm. Das Ergebnis war, dass das Gold mit dem Blei verschweißt war. Roberts-Austen schnitt den Bleistab in Streifen und führte chemische Analysen durch. Die Bleischichten, in die das Gold diffundiert war, hatten eine Dicke von 1mm. George de Hevesy arbeitete bei Rutherford. Dieser verfügte über mehrere hundert Kilogramm Pechblende (UO 2 ), aus denen er Uran isolierte, welches allerdings mit Blei und Radium (τ 1/2 = 20a) verunreinigt war. Hevesy hatte den Auftrag, das Radium zu separieren. Er konnte es jedoch nicht vom Blei trennen. Daher ging er nach Wien, wo man zu dieser Zeit am meisten Pb und Ra zur Verfügung hatte. Nach dem ersten Weltkrieg wechselte er nach Freiburg in Deutschland. Er kam auf die Idee Rodium als Indikator ( Spion ) für Diffusionsversuche zu nutzen. Bei der Au-Pb-Diffusion sollte die Strahlung des am Blei haftenden Rodiums anzeigen, wie weit das eine Material in das Abbildung 9.1: Gold Diffusion in Blei. Die Atome der Au-Folie diffundieren in das Blei. Es kommt zu einem langsamen Verschmelzen der beiden Materialien. 73

74 9.1 Diffusion in festen Materialien (Festkörper-Diffusion) D e E D k B T E D kb Abbildung 9.2: Abhängigkeit der Diffusionskonstante D von der Zeit T. Für die Diffusionskonstante D gilt: D e E D k B T. Trägt man die Werte für D in einer logarithmischen Skala gegen 1/T auf, so erhält man eine Gerade mit dem Anstieg E D /k B. Hierbei ist E D die Diffusions-Energie und k B die Boltzmann-Konstante. andere diffundiert. Je höher die Temperatur T desto größer ist die Diffusionskonstante D. Abbildung 9.2 zeigt den Zusammenhang der beiden Größen. Die Indikator-Methode funktioniert sehr gut. Zirka 1930 wurde die künstliche Radioaktivität von Joliot-Curie entdeckt. Dies ermöglichte die Durchführung einer Vielzahl von Experimenten. Man ist nicht mehr nur auf Pb beschränkt. Heute wird die Indikator- Methode allgemein als Tracer -Methode bezeichnet. Abbildung 9.3 zeigt den Diffusionskoeffizienten D verschiedener Metalle in Blei. Für die Untersuchungen wurden die Proben in 1/20mm dicke Schichten geschnitten. Am schnellsten diffundiert Gold und am langsamsten Blei. W.C. Roberts-Austen untersuchte 1896 die Diffusion von Au in Pb. Danach gab es für 25 Jahre keine neuen Resultate. Erst 1920 veröffentlichten Hevesy und Groh erste 74 c Rüdiger Reitinger

75 Abbildung 9.3: Diffusionskoeffizient D in Abhängigkeit von der Temperatur T für verschiedene Metalle in Blei. Anwendungen der Tracer -Methode [Ref.: G. v. Hevesy and J. Groh, Self-diffusion in liquid lead, Ann. Phys. 63, 85 (1920)]. Etwas später folgte, ebenfalls von Hevesy, eine Arbeit zur Diffusion in Metallen [Ref.: G. v. Hevesy und W. Seith, Diffusion in Metallen, Zeitschrift Elektrochem. 37, 528 (1931)]. Technische Ausführung Zunächst produziert man eine radioaktive Schicht an der Oberfläche einer Probe. Diese erhält man durch Aufdampfen oder Aufsputtern mittels eines Ionenstrahls (He, Ar) aus einem Beschleuniger. Dann lässt man die Tracer -Atome in das Material diffundieren (vgl.: Abbildung 9.4). Schließlich zerschneidet man die Probe mit einem Mikrotom oder mit chemischen Methoden. Alternativ kann man die Materie auch wieder Absputtern und eine massenspektroskopische Analyse durchführen. Theorie Um die Diffusion von Atomen in einem Festkörper abzuleiten, geht man von einem Materiezylinder aus, in dem sich eine bestimmte Menge Q eines anderen Stoffes befindet (Abbildung 9.5(a)). Dieses Fremdmaterial kann sich entlang der x-achse ausbreiten. Man c Rüdiger Reitinger 75

76 9.1 Diffusion in festen Materialien (Festkörper-Diffusion) Abbildung 9.4: Diffusion von 64 Cu in natürlichem Cu. erhält folgende Gleichung: n(x, t) = Q 2 πdt e x 2 4Dt, (9.1.1) wobei n die Anzahl der Atome an einer bestimmten Stelle x zu einer bestimmten Zeit t ist. Q stellt den Quellterm und D die Diffusionskonstante dar. Aus Glg. (9.1.1) folgt: ln n x2 4Dt. (9.1.2) Trägt man ln n über x 2 auf, so ergibt sich eine Gerade deren Anstieg 1 9.5(b)). Für D gilt: 4Dt ist (Abbildung D e E D k B T (9.1.3) ln D E D k B T. (9.1.4) E D ist die Diffusions-Energie, k B der Boltzmannfaktor und T die Temperatur. Abbildung 9.5(c) veranschaulicht Glg. (9.1.4) graphisch. Der Anstieg der Geraden entspricht E D kb. Kristalliner Festkörper Im kristallinen Festkörper ist Diffusion durch die wenigen Löcher des Kristallgitters möglich. Abbildung 9.6 zeigt diesen Mechanismus schematisch. Diffundiert ein Atom von einem Gitterplatz in eine benachbarte Leerstelle, so muss es eine Energiebarriere (=Diffusionsbarriere bzw. Diffusionsenergie) überwinden. Dies ist in Abbildung 9.7 dargestellt. Für die Diffusionskonstante D ergibt sich folgende Gleichung: D = f(ν, d 2 ) e E D k B T, (9.1.5) 76 c Rüdiger Reitinger

77 Abbildung 9.5: (a)diffusion des Materials Q entlang eines Zylinders. (b) Abhängigkeit der Stoffmenge n(x, t) von x Dt entspricht dem Anstieg der Geraden. (c) Abhängigkeit der Diffusionskonstante D von der Temperatur T (Anstieg der Geraden = E D kb ). Abbildung 9.6: Diffusion im Festkörper. Ein Atom aus dem Gitter des Festkörpers diffundiert in die Leerstelle. c Rüdiger Reitinger 77

78 9.2 Chemie Abbildung 9.7: Schematische Darstellung der Energiebarriere, die ein Atom beim Sprung an einen Leerstellenplatz überwinden muss. mit E D = E B + E W. (9.1.6) Die Funktion f(ν, d 2 ) ist abhängig von der Sprunglänge d und der Frequenz ν der Gitterschwingungen (Phononen). E D ist die Diffusionsenergie, E B die Bildungsenergie, E W die Wanderungsenergie (bzw. Aktivierungsenergie), k B die Boltzmannkonstante und T die Temperatur. Schwingen die Atome im Gitter mit einer Frequenz ν = 10 13, so wird das Potential, um von einem Gitterplatz zur benachbarten Leerstelle zu gelangen, etwa alle Schwingungen überwunden. möglich. Abbildung 9.6 zeigt diesen Mechanismus schematisch. Abbildung 9.8 zeigt ein Experiment zur Tracer -Diffusion von Fe in FePt. 10 Atomlagen 57 F ep t und 10 Atomlagen 56 F ep t wurden abwechselnd auf ein MgO-Substrat aufgebracht und mittels NRS (Nuclear Resonant Scattering = Kernresonante Streuung) analysiert. Die ursprünglich scharfen Bragg-Peaks werden verschmiert, da das 57 Fe in der Legierung diffundiert. FePt ist ein wichtiges Grundmaterial für die Halbleitertechnik. Es wird zur Dotierung verwendet. Umso kleiner Computerchips werden, desto größer wird der störende Einfluss von Diffusionsprozessen. Legierungen spielen eine große Rolle in der Chip-Technik und in der Metallindustrie. Bedeutende Beispiele sind Stahl- und Titanlegierungen. Setzt man zu Aluminium 5% Kupfer bei, so entsteht Duraluminium. Das Cu bildet Platten, wodurch eine sehr widerstandsfähige Legierung entsteht. 9.2 Chemie Robert Luther präsentierte am in Leipzig seine Arbeit zur Räumlichen Fortpflanzung chemischer Reaktionen. Sein Vortrag beschäftigte sich mit der Reizleitung in Nerven. Er zeigte folgenden Versuch (Abbildung 9.9): In einem Glasrohr befindet sich eine wässrige Lösung mit Äthylsulfat [(C 2 H 5 ) 2 SO 4 ]. Bringt man auf der einen Seite H + -Ionen in Form einer Säure ein, so zersetzt sich das 78 c Rüdiger Reitinger

79 Abbildung 9.8: Schematischer Aufbau und Interferenzspektrum einer Tracer- Diffusionsmessung von Fe in FePt mittels kernresonanter Streuung (NRS). Abbildung 9.9: Diffusionsversuch von Robert Luther. Die H + -Ionen einer Säure diffundieren in das Äthylsulfat, das sich in einem Glasrohr befindet. c Rüdiger Reitinger 79

80 9.2 Chemie Äthylsulfat und es entstehen neue H + -Ionen. Dieser Prozess pflanzt sich langsam fort. Es kommt zur Diffusion. Als Indikator verwendete Luther Lackmus. Dieser verfärbt sich bei einem niedrigen ph-wert rot, sodass man das Fortschreiten der Reaktion sehr gut verfolgen kann. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit v war bei dem Versuch von Luther im Bereich von cm/s. Man erhält v aus folgender Gleichung: v = C αd. (9.2.1) C ist eine Konstante, α die Reaktionsrate und D die Diffusionskonstante. Die dazugehörige Diffusionsgleichung wurde erst 1938 von Fisher aufgestellt. dn dt = D d2 n + αn v = 2 αn dx 2 80 c Rüdiger Reitinger

81 10 Diffusion in der Soziologie - Ausbreitung von Meinungen, Moden und Gerüchten 1835 veröffentlichte der französische Mathematiker A. Quetelet ein Buch über die Soziophysik mit dem Titel: Sur l homme et le developpement de ses facultés, essai d une physique sociale. Der Franzose Gallam untersuchte die Ausbreitung des Gerüchtes, dass am ein Flugzeug in das World Trade Center flog, und dieses zerstörte. Man muss sich immer vor Augen halten, dass Modelle stets eine grobe Vereinfachung der Realität darstellen Kommunikation - Diffusion von Meinungen Zunächst trifft man zwei Annahmen: 1. nur 2 Meinungen (z.b. für George Bush oder gegen Bush): Kommunikationsfelder: Der Austausch von Meinungen erfolgt nicht nur über die nächsten Nachbarn. Die Konzentrationen der Meinung 1: c +1 ( r, t) und der Meinung 2: c 1 ( r, t) sind Funktionen des Orts r und der Zeit t. Zur Erinnerung ist hier noch einmal die Reaktionsfunktionsgleichung für den eindimensionalen Fall angeführt: dc dt = D d2 c dx 2 + αc(1 c ). (10.1.1) K c ist die Konzentration, t die Zeit, D die Diffusionskonstante, αc der Wachstumsterm und K die Carrying Capacity. Für die +1 Meinung erhält man: dc +1 dt = D +1 d 2 c +1 dx 2 + α +1 V ergessen, (10.1.2) 81

82 10.1 Kommunikation - Diffusion von Meinungen Abbildung 10.1: Abnahme der Meinungskonzentration c 1 für (a) D +1 = 1.1 D 1 und (b) D +1 = 1.5 D 1. wobei hier das α einem quantifizierten Wert für die Meinungsgenerierung durch die Beeinflussung anderer, sogenannter Agenten entspricht. Zweidimensional ergibt sich für die +1 Meinung und für die -1 Meinung: dc +1 dt dc 1 dt = D +1 ( d2 c +1 dx 2 + d2 c +1 dy 2 ) + i = D 1 ( d2 c 1 dx 2 + d2 c 1 dy 2 ) + i s i δ i,richtige Meinung δ( r r i ) }{{} richtiger Ort k +1 c( r, t) (10.1.3) {}}{ s i δ i,unrichtige Meinung δ( r r i ) k 1 c( r, t) (10.1.4) k ±1 c( r, t) ist der Vergessensterm, wobei k der Halbwertszeit der Erinnerung, also der Abnahme der Konzentration der Meinung mit der Zeit, entspricht. i ist die Anzahl der Agenten und s i deren Überzeugungskraft. δ i,richtige Meinung und δ i,unrichtige Meinung sind Kronecker-Delta. Zur Lösung des Diffusionsproblems kann man wieder den Zellulären Automaten (siehe Kapitel 8.1.4) verwenden. Falls D +1 D 1 wird früher oder später die Meinung mit der kleineren Diffusionskonstanten aussterben. Somit nimmt für D +1 > D 1 die Konzentration von -1 c 1 ab. Abbildung 10.1 zeigt die Abnahme von c 1 für verschieden große Unterschiede zwischen D +1 und D 1. Falls D +1 = 1.1 D 1, beträgt c 1 nach 10 4 Zeitschritten (= Iterationsschritten) immer noch 30%. Ist jedoch D +1 = 1.5 D 1, so wird Meinung -1 innerhalb von 100 Zeitschritten vollkommen eliminiert. 82 c Rüdiger Reitinger

83 Soziologische Interpretation In der Praxis folgt daraus, dass die Kommunikationseffizienz, also die verbale Fähigkeit des einzelnen Agenten und der Zugang zu den Medien, einen außerordentlich großen Einfluss auf die Bildung von Meinungen hat. Des weiteren kann Offenheit für alternative Meinungen nur erreicht werden, wenn D +1 D 1. Diffusion führt zur Vereinheitlichung der Welt. Globalisierung tritt vor allem dann ein, wenn die Überzeugungskraft s i groß ist. Das Modell zeigt, dass die Vielfalt an Meinungen schnell unterdrückt werden kann. Dies ist jedoch in der Realität nicht der Fall Kooperation: Vorteil oder Nachteil Ob Kooperationen Vorteile oder Nachteile für die Individuen bringen, beschäftigt zumindest in den letzten 100 Jahren alle Staatstheorien. Die Frage ist: Wie erreicht man, bei lauter Egoisten, das Wohl des Ganzen? Für den Nettonutzen u i gilt folgende Nutzensfunktion: u i = b f c. (10.2.1) b bezeichnet den Nutzen, f den Anteil der Kooperierenden und c die Kosten. Für N Agenten ist der Gesamtnutzen = N u i. Abbildung 10.2 zeigt eine graphische Darstellung der Nutzenfunktion und vergleicht diese mit der Funktion, die den Prozess der Keimbildung in einem Festkörper beschreibt. Auswirkungen der Anzahl N der Agenten 1. Jeder Agent hat einen Zeithorizont H, ab dem aus einer Kooperation ein Gewinn zu erwarten ist. e t/h. 2. Die Entscheidung eines Agenten zu einer Kooperation bewirkt einen Nachahmungseffekt ( ). D.h. in kleinen Gruppen wirkt sich der Nachahmungseffekt stark aus. Folglich stirbt der Egoismus für N < N kritisch1 rasch aus, der egoistische Anfangszustand ist instabil. In kleinen Gruppen kommt es bald zu Kooperationen. 3. Für N kritisch1 < N < N kritisch2 kommt es auf den Erwartungshorizont an. Ist der Zeithorizont zu weit entfernt, wird N kritisch2 schnell erreicht. Beispielsweise gaben Marx und Lenin weite Zeithorizonte, indem sie versprachen, dass es die Enkel einmal besser haben würden. Dieser lange Zeithorizont musste irgendwann zum Zusammenbruch des Kommunismus in Europa führen. 4. Ist N > N kritisch2 so wird Kooperation unmöglich. Große Populationen kooperieren nicht! N kritisch1 und N kritisch1 hängen stark vom Erwartungshorizont ab. Anmerkung des Autors: Das finde ich gut! c Rüdiger Reitinger 83

84 10.2 Kooperation: Vorteil oder Nachteil Abbildung 10.2: Vergleich der Nutzenfunktion mit der Keimbildung durch Kupferatome in Aluminium. Beide Systeme können auf die selben Grundlagen zurückgeführt werden. Es besteht eine Analogie zwischen der Nutzenfunktion und der Funktion zur Beschreibung von Keimbildungen. 84 c Rüdiger Reitinger

85 Kritik der Sozialwissenschaftler Dynamik ist kaum zu verfolgen, weil zu viele Vereinfachungen und Annahmen vorgenommen werden müssen. Die Sozialphysik liefert keine Informationen über den Einzelmenschen. Sie ist auf große Zahlen ausgerichtet. Literatur zur Sozialphysik Übersichtsheft der Deutschen Physikalischen Gesellschaft : Nr.5, Jahrgang 2 (2003), Sonderheft: Die Physik sozioökonomischer Systeme, Frank Schweitzer. c Rüdiger Reitinger 85

86 10.2 Kooperation: Vorteil oder Nachteil 86 c Rüdiger Reitinger

87 11 Gastvortrag von Mag. Birgit Dalheimer: Neueste genetische Erkenntnisse über die heutigen Europäer 11.1 Einleitung Abbildung 11.1 zeigt schematisch die Ausbreitung des Homosapiens auf der Erde. Dieser entstand B.P. in Afrika. Das heute gesamte, verfügbare Wissen über die Wanderungen des modernen Mensch beruht auf Fossilienfunde die insgesamt in vier kleinen Kühlschränken Platz finden würden. Die Datierung des Übergangs über die Beringstraße ist heute umstritten, dieser könnte schon früher erfolgt sein. Während die Archäologie versucht die Wanderungsbewegungen der Menschen mittels Werkzeugen und anderer Gebrauchsgegenstände zu rekonstruieren, bedient sich die Genetik der Spurensuche in den heute lebenden Menschen. Luigi Luca Cavalli-Sforza führte vergleichende Untersuchungen von Blutgruppen und Eintragungen in Kirchenbüchern durch. Die Merkmale im Blut jedes Mensch sind individuell verschieden. In Europa haben zwei wichtige Besiedelungswellen stattgefunden: 1. Die Einwanderung des Homosapiens bis England und eventuell auch bis Skandinavien (vgl.: Abbildung 11.1). Paläolithiker 2. Die Ausbreitung des Ackerbaus (Abbildung 11.2). Neolithiker Während des Paläolithikums (= Altsteinzeit) zwischen und B.P. erfolgte die Ausbreitung der Jäger und Sammler (engl.: Hunter-Gatherer, HG). Als Hilfsmittel, um die mittlere Ausbreitungsgeschwindigkeit zu berechnen, geht man von dem mittleren Weg, den ein Mensch von seiner Geburt bis zu seiner Vermehrung zurücklegt. Die HGs bewegten sich auf der Suche nach Beute in verschiedene Richtungen. Die Entfernung zwischen ihrem Geburtsort und dem Geburtsort ihrer Nachkommen betrug im Mittel 100 km. Zirka B.P. entstand der Ackerbau im Nahen Osten. Dies führte zur Entwicklung von festen Siedlungen. Der Ackerbau hat mehrere Ursprünge. Weizen wurde im Nahen Osten erstmals kultiviert, Reis in China und Mais und Kartoffeln in Südamerika. Während die HGs oft ihr zweites Kind zurück ließen, sobald das erste laufen konnte, war das bei den Ackerbauern (engl.: Farmer, F) nicht mehr notwendig. Die Ackerbauern legten pro Generation etwa 10 km zurück. Dies entspricht der Entfernung zum nächsten 87

88 11.1 Einleitung Abbildung 11.1: Ausbreitung des Homosapiens auf der Erde [Ref.: Luigi Luca und Francesco Cavalli-Sforza, Verschieden und doch gleich. Ein Genetiker entzieht dem Rassismus die Grundlage.] 88 c Rüdiger Reitinger

89 Abbildung 11.2: Ausbreitung des Ackerbaus in Europa, datiert mittels 14 C-Methode [Ref.: Luigi Luca und Francesco Cavalli-Sforza]. c Rüdiger Reitinger 89

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