Messtechnik. H.-R. Tränkler G. Fischerauer. 1 Grundlagen der Messtechnik. 1.1 Übersicht
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1 1 Messtechnik H.-R. Tränkler G. Fischerauer 1 Grundlagen der Messtechnik 1.1 Übersicht Messsysteme und Messketten Die Messtechnik hat die Aufgabe, eindimensionale Messgrößen und mehrdimensionale Messvektoren technischer Prozesse aufzunehmen, die erhaltenen Messsignale umzuformen und umzusetzen (Messwerterfassung) sowie die erhaltenen Messwerte so zu verarbeiten (Messwertverarbeitung), dass das gewünschte Messergebnis (die Zielgröße) gewonnen wird. In Messeinrichtungen oder in Messsystemen (Bild 1-1) formen zunächst Aufnehmer (Sensoren) die im Allgemeinen nichtelektrische Messgröße in ein elektrisches Messsignal um. Dieses wird in der Regel mit geeigneten Messschaltungen, Messverstärkern und analogen Rechengliedern so umgeformt, dass ein normiertes analoges Messsignal gewonnen wird (Messumformer zur Signalanpassung). Es schließt sich ein Analog- Digital-Umsetzer an, der das normierte analoge in ein digitales Messsignal umsetzt. Nach einer Messwertverarbeitung liegen die gesuchten Informationen vor. Sie können analog oder digital ausgegeben werden. In Messeinrichtungen und Messsystemen spielen lineare Umformungen und Umsetzungen von Messsignalen eine wesentliche Rolle. Wegen nichtidealer Messglieder (besonders unter den Sensoren) sind die Messsignale häufig verfälscht. In solchen Fällen ist eine korrigierende Signalverarbeitung erforderlich; ebenso wie Messsignalverarbeitung bei einer Reihe von Messaufgaben erst zu den interessierenden Zielgrößen führt (Intelligente Sensoren und Messsysteme) Anwendungsgebiete und Aufgabenstellungen der Messtechnik Die verschiedenen Anwendungsgebiete der Messtechnik können zum Teil im Rahmen von Automatisierungssystemen gesehen werden. Bei einer Vielzahl von Anwendungen ist jedoch der Mensch der Empfänger der Information. Die Anwendungsgebiete der Messtechnik lassen sich in drei Gruppen unterteilen, nämlich in Mess- und Prüfprozesse in Forschung und Entwicklungslabors, im Prüffeld und bei Anlagenerprobungen Industrielle Großprozesse zur Herstellung und Verteilung von Fließ- und Stückgut und von Energie Messtechnik Bild 1-1. Messglieder einer Messkette in einem Messsystem Hans-Rolf Tränkler, G. Fischerauer, Das Ingenieurwissen: Messtechnik, DOI / _1, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014
2 2 Messtechnik Dezentrale Einzelprozesse, z. B. der Gebäudetechnik, Fahrzeugtechnik oder der privaten Haushalte. Typische Aufgabenstellungen sind: Sicherstellung der Genauigkeit (Kalibrierung) Verrechnung (Energie, Masse, Stückzahl) Prüfung (z. B. Lehrung) Qualitätssicherung (z. B. Materialprüfung) Steuerung und/oder Regelung Optimierung Überwachung (z. B. Schadensfrüherkennung) Meldung und/oder Abschaltung (Schutzsystem) Mustererkennung (Gestalt, Oberfläche, Geräusch, z. B. für Handhabungs- und Montagezwecke). 1.2 Übertragungseigenschaften von Messgliedern Für die Beurteilung einer aus mehreren Messgliedern aufgebauten Messeinrichtung sind verschiedene Eigenschaften von Bedeutung. Dazu zählen die statischen Übertragungseigenschaften (z. B. die Genauigkeit), die dynamischen Übertragungseigenschaften (z. B. die Einstellzeit), die Zuverlässigkeit (z. B. die Ausfallrate) und nicht zuletzt die Wirtschaftlichkeit und Wartbarkeit einer Messeinrichtung Statische Kennlinien von Messgliedern Der Zusammenhang zwischen der stationären Ausgangsgröße y und der Eingangsgröße x eines Messgliedes bzw. seine graphische Darstellung wird als statische Kennlinie bezeichnet (Bild 1-2). Der Messbereich geht hier von x 0 bis x 0 +Δx.DieDifferenz zwischen Messbereichsende x 0 +Δx und Messbereichsanfang x 0 ist die Eingangsspanne Δx.Diezu- Bild 1-2. Kennlinie eines Messgliedes geordneten Ausgangsgrößen y 0 und y 0 +Δy begrenzen den Ausgangsbereich mit der Ausgangsspanne Δy. Dem linearen Anteil der Kennlinie (gestrichelt) ist i. Allg. ein unerwünschter nichtlinearer Anteil y N (x) überlagert.die Kennlinienfunktion y(x) lässt sich darstellen durch y(x) = y 0 + Δy Δx (x x 0) +y N (x). } {{ } linearer Anteil Die Empfindlichkeit E(x) von nichtlinearen Messgliedern ist nicht konstant. Sie ist identisch mit der Steigung der Kennlinie im betrachteten Arbeitspunkt (x, y(x)): E(x) = dy(x) dx = Δy Δx + dy N(x). dx Bei linearen Messgliedern, deren Kennlinie durch den Ursprung des Koordinatensystems geht (x 0 = 0, y 0 = 0), berechnen sich Kennlinienfunktion und Empfindlichkeit zu y(x) = Δy Δx x, E(x) = dy(x) dx = Δy Δx = const. Eine näherungsweise konstante Empfindlichkeit haben z. B. anzeigende Drehspulinstrumente Dynamische Übertragungseigenschaften von Messgliedern Die Ausgangssignale von Messgliedern folgen Änderungen des Eingangssignals i. Allg. nur mit Verzögerungen. Gewöhnlich lassen sich dann zur Beschreibung der dynamischen Übertragungseigenschaften bestimmte Systemstrukturen und bestimmte Kenngrößen angeben. Besonders häufig treten lineare verzögernde Messglieder 1. und 2. Ordnung auf, die durch eine bzw. durch zwei Kenngrößen (Parameter) im Zeit- und/oder Frequenzbereich charakterisiert werden. Zuweilen besteht die Notwendigkeit, auch Messglieder höherer Ordnung durch geeignete Kenngrößen zu beschreiben. Schließlich tritt nichtlineares Verhalten bei Messgliedern auf, wenn Signale Sättigungs- oder Begrenzungserscheinungen aufweisen.
3 1 Grundlagen der Messtechnik 3 Zeitverhalten linearer Übertragungsglieder Bei einem verzögerungsfreien Messglied folgt das Ausgangssignal direkt dem Eingangssignal x(t) und ist diesem im einfachsten Fall gemäß k x(t) proportional. Die Ausgangssignale y(t) verzögerungsbehafteter Messglieder können veränderlichen Eingangssignalen x(t) nicht direkt folgen. Es ergibt sich ein dynamischer Fehler F dyn (t) = y(t) kx(t) als Differenz des realen Ausgangssignals y(t) und des unverzögerten Sollsignals kx(t), das sich bei gleicher Eingangsgröße im Beharrungszustand ergeben hätte (Bild 1-3, vgl ). Am Beispiel eines fundamentalen passiven Messgliedes soll gezeigt werden, wie man das Zeitverhalten beschreiben kann und welche Verallgemeinerungen sinnvoll und möglich sind. In der Messschaltung in Bild 1-4 liegt die Eingangsspannung u e (t) an der Serienschaltung eines Ohm schen Widerstandes R und einer Kapazität C,an der die Ausgangsspannung u a (t) abgegriffen werden kann. Die Spannung u a (t) an der Kapazität ist proportional der Ladung t 0 i(τ) dτ, der Strom beträgt also i(t) = C(du a (t)/) und die Spannung am Widerstand R ist u R (t) = Ri(t) = RC du a(t). Aus u R (t) + u a (t) = u e (t) erhält man für das Zeitverhalten dieses Übertragungsgliedes RC du a(t) + u a (t) = u e (t). Bild 1-3. Dynamischer Fehler eines verzögerungsbehafteten Messgliedes Bild 1-4. Passives Messglied 1. Ordnung (Tiefpassfilter) Das Zeitverhalten wird also durch eine Differenzialgleichung (Dgl.) der Form τ dy(t) + y(t) = kx(t) beschrieben, in der x(t) die Eingangsgröße, y(t) die Ausgangsgrößeund τ eine Zeitkonstante ist. Die Dgl. ist gewöhnlich, linear mit konstanten Koeffizienten und von 1. Ordnung (die höchste vorkommende Ableitung ist die erste; siehe A 24.1ff. Daher handelt es sich hier um ein lineares Übertragungsglied 1. Ordnung. Wird bei einem linearen Messglied das Eingangssignal mit einem Faktor c multipliziert, so nimmt auch das Ausgangssignal den c-fachen Wert an. Unter der Annahme x 1 (t) y 1 (t) und x 2 (t) y 2 (t) gilt also: x 2 (t) = c x 1 (t) y 2 (t) = c y 1 (t). Außerdem gilt bei linearen Messgliedern das Superpositionsgesetz: x(t) = x 1 (t) + x 2 (t) y(t) = y 1 (t) + y 2 (t). In ähnlicher Weise liefern differenzierte oder integrierte Eingangssignale bei linearen Messgliedern am Ausgang differenzierte oder integrierte Ausgangssignale: x 2 (t) = dx 1(t) y 2 (t) = dy 1(t), x 2 (t) = t 0 x 1 (τ)dτ y 2 (t) = t 0 y 1 (τ)dτ. Das Zeitverhalten linearer Verzögerungsglieder n-ter Ordnung wird allgemein durch die Dgl. a n d n y(t) n a 1 dy(t) + a 0 y(t) = kx(t) beschrieben, wobei die Konstante k meist so gewählt wird, dass a 0 = 1wird.
4 4 Messtechnik Testfunktionen und Übergangsfunktionen für Übertragungsglieder Um das Zeitverhalten von Übertragungsgliedern überprüfen zu können, legt man an den Eingang bestimmte typische Testfunktionen, die sich vergleichsweise einfach realisieren lassen, und beobachtet das sich ergebende Ausgangssignal (vgl. I3.2). Besonders häufig dient als Testfunktion die Einheitssprungfunktion ε(t), die zur Zeit t = 0 vom Wert 0 auf einen konstanten Wert x 0 springt. Zuweilen verwendet man als Testfunktion auch die zeitliche Ableitung oder das zeitliche Integral der Sprungfunktion und es ergeben sich auf diese Weise als Testfunktionen die Impulsfunktion δ(t) (eine Distribution, siehe A8.3) und die Rampenfunktion r(t) = tε(t) (Bild 1-5). Wird ein Übertragungsglied 1. Ordnung mit einer Sprungfunktion x 0 ε(t) erregt, so lautet die Dgl. τ dy(t) + y(t) = y 0 (= kx 0 ). DiehomogeneDgl. τ(dy(t)/) + y(t) = 0 ist separierbar, und man erhält die vollständige Lösung y(t) = c 0 + c 1 e t/τ. Wegen y(t) = 0fürt = 0 und y(t) = y 0 für t ergibt sich als Sprungantwort y(t) = y 0 (1 e t/τ ). Durch Normierung auf die Höhe x 0 der Sprungfunktion am Eingang erhält man die Übergangsfunktion oder Sprungantwort h(t) = y(t) x 0 = k(1 e t/τ ). Die Steigung der Übergangsfunktion im Ursprung beträgt ( ) dh(t) = k τ e t/τ t=0 = k τ. t=0 Die Tangente schneidet also die Asymptote zur Zeit t = τ (Bild 1-6). Ebenfalls dort hat die Übergangsfunktion den Wert (1 1/e)k, also63,2% ihres Endwertes erreicht. Der dynamische Fehler ist F dyn (t) = h(t) k = ke t/τ. Der relative dynamische Fehler ist F dyn = e t/r. k Er ist im logarithmischen Maßstab ebenfalls in Bild 1-6 dargestellt. Man kann dort ablesen, dass der Betrag des relativen dynamischen Fehlers erst nach fast 5 Zeitkonstanten unter 1% gesunken ist. Da sich die Impulsfunktion δ(t) durch Differenziation der Einheitssprungfunktion ε(t) ergibt, berechnet sich die Impulsantwort oder Gewichtsfunktion g(t) durch Differenziation der Übergangsfunktion zu g(t) = dh(t) = k τ e t/τ. Wird die durch Integration aus der Sprungfunktion ε(t) erhaltene Rampenfunktion r(t) = tε(t) alstestfunktion an ein Übertragungsglied 1. Ordnung gelegt, Bild 1-5. Typische Testfunktionen Bild 1-6. Übergangsfunktion h(t) und relativer dynamischer Fehler F dyn /k eines Messgliedes 1. Ordnung
5 1 Grundlagen der Messtechnik 5 Bild 1-8. Frequenzverhalten des Amplitudenverhältnisses bei einem Messglied 1. Ordnung U a U e = (ω/ω g ) 2 Bild 1-7. Gewichtsfunktion g(t), Übergangsfunktion h(t) und Rampenantwort h(ϑ)dϑ eines Messgliedes 1. Ordnung so liefert dieses die Rampenantwort t 0 t 0 [( t ) ] h(ϑ)dϑ = kτ τ 1 + e t/τ. Die Verläufe von Gewichtsfunktion (Impulsantwort), Übergangsfunktion (Sprungantwort) und Rampenantwort sind in Bild 1-7 dargestellt, wobei die jeweiligen Testfunktionen gestrichelt eingetragen sind Das Frequenzverhalten des Übertragungsgliedes 1. Ordnung Als Testfunktionen eignen sich auch Sinusfunktionen veränderlicher Frequenz (bei konstanter Amplitude). Nach dem jeweiligen Einschwingen des Ausgangssignals beobachtet man bei linearen Messgliedern wieder ein sinusförmiges Signal derselben Frequenz wie die Anregungsfunktion, dessen Amplitude und Phase jedoch von der Frequenz abhängig sind. Das Frequenzverhalten des elektrischen Übertragungsgliedes 1. Ordnung (passives Tiefpassfilter) in Bild 1-4 lässt sich mithilfe der (in der Elektrotechnik üblichen) komplexen Rechnung zu G(jω) = U a = 1/(jωC) U e R + 1/(jωC) = jωrc bestimmen (vgl. G 2.1). Hier beträgt die Zeitkonstante τ = RC = 1/ω g. Das Amplitudenverhältnis ergibt sich zu (Bild 1-8) Legt man z. B. die Grenzfrequenz auf f g = 1/(2πτ) = 1/(2πRC) = 1 Hz fest, so beträgt von 0 bis 0,2Hzder Amplitudenabfall höchstens etwa 2%, während Störsignale von 50 Hz ebenfalls nur mit etwa 2% durchgelassen werden Das Frequenzverhalten des Übertragungsgliedes 2. Ordnung Übertragungsglieder 2. Ordnung enthalten in ihrer Dgl. die erste und die zweite zeitliche Ableitung der Ausgangsgröße. Typische Beispiele mechanischer Messglieder 2. Ordnung sind translatorische Feder-Masse-Systeme, wie Federwaagen oder Beschleunigungsmesser, oder rotatorische Systeme mit Drehfeder und Trägheitsmoment, wie anzeigende Drehspulmesswerke. Für dynamische Betrachtungen muss die statische Drehmomentengleichung Dα = M el für den Skalenverlauf eines linearen Drehspulmesswerks um das Dämpfungsmoment p α und das Beschleunigungsmoment J α erweitert werden. Die Dgl. lautet also J d2 α(t) 2 + p dα(t) + Dα(t) = M el (t). Sie beschreibt den zeitlichen Verlauf α(t) derwinkelanzeige als Funktion des elektrisch erzeugten Moments M el (t) und des Trägheitsmoments J,derDämpfungskonstanten p und der Drehfederkonstanten D des rotatorischen Systems.
6 6 Messtechnik Das Zeitverhalten eines allgemeinen Übertragungsglieds 2. Ordnung wird durch die folgende Dgl. beschrieben, deren Glieder in Einheiten der Ausgangsgröße y(t) angegeben werden: 1 ω 2 0 d2 y(t) 2 + 2ϑ dy(t) + y(t) = kx(t). ω 0 (x(t) Eingangsgröße, ω 0 Kreisfrequenz der ungedämpften Eigenschwingung, ϑ Dämpfungsgrad und k statische Empfindlichkeit. Durch einen Vergleich der obigen speziellen Dgl. des Drehspulmesswerks mit der allgemeinen Dgl. erhält man: ω 0 = D J bzw. ϑ = p 2 DJ. Bild 1-9. Sprungantwort eines Messgliedes 2. Ordnung bei verschiedenen Dämpfungsgraden ϑ Sprungantwort eines Übertragungsgliedes 2. Ordnung Nach sprungförmiger Änderung der Eingangsgröße x(t) eines Messgliedes 2. Ordnung auf den Wert x = x 0 lautet die Dgl. 1 ω 2 0 ÿ + 2ϑ ω 0 ẏ + y = kx 0 (= y 0 ). Abhängig vom Dämpfungsgrad ϑ ergibt sich für die normierte Sprungantwort y/y 0 bei ungedämpfter Einstellung (ϑ = 0): y/y 0 = 1 cos ω 0 t, bei periodischer (schwingender) Einstellung (ϑ <1): y/y 0 = 1 ω 0 ω e ϑω0t cos(ωt ϕ) mit ω = ω 0 1 ϑ 2 und tan ϕ = beim aperiodischen Grenzfall (ϑ = 1): y/y 0 = 1 e ω0t (1 + ω 0 t), ϑ 1 ϑ 2, bei aperiodischer (kriechender) Einstellung (ϑ >1): [ ] y T 1 T = 1 e t/t1 2 e t/t2 y 0 T 1 T 2 T 1 T 2 1 mit T 1 = ω 0 (ϑ ϑ 2 1) 1 und T 2 = ω 0 (ϑ + ϑ 2 1). Sprungantworten eines Messgliedes 2. Ordnung sind für verschiedene Dämpfungsgrade ϑ in Bild 1-9 dargestellt. Kenngrößen bei schwingender Einstellung (ϑ <1) Die Kreisfrequenz ω bei gedämpft schwingender Einstellung (ϑ <1) ist gegenüber der Kreisfrequenz ω 0 bei ungedämpfter Einstellung (ϑ = 0) um den Faktor 1 ϑ 2 verringert. Bei schwingender Einstellung (Bild 1-10) sind die Hüllkurven der Sprungantwort ( y/y 0 ) hüll = 1 ω 0 ω e ϑω0t. Berührungspunkte mit den Hüllkurven ergeben sich zu den Zeiten t B gemäß cos(ωt B ϕ) = 1,ωt B ϕ = iπ, t B = ϕ ω + i π (i = 0, 1,...). ω Der Nullphasenwinkel ϕ wird dabei wie angegeben über den Dämpfungsgrad ϑ berechnet. Schnittpunkte mit der Asymptoten y/y 0 = 1ergeben sich zu den Zeiten t S gemäß
7 1 Grundlagen der Messtechnik 7 Bild Relative Überschwingweite q 1 als Funktion des Dämpfungsgrades ϑ Bild Kenngrößen bei schwingender (Messglied 2. Ordnung) Einstellung Die relative Überschwingweite q 1 ist in Bild 1-11 als Funktion des Dämpfungsgrades ϑ aufgetragen und ergibt den Dämpfungsgrad gemäß cos(ωt S ϕ) = 0,ωt S ϕ = π 2 + iπ, t S = ϕ ω + π 2ω + i π (i = 0, 1,...). ω Die Berührungspunkte mit den Hüllkurven und die Schnittpunkte mit der Asymptoten liegen jeweils um T/4 = π/2ω voneinander entfernt. Damit lässt sich die Kreisfrequenz ω einfach bestimmen. Extrema erhält man durch Nullsetzen der Ableitung der Sprungantwort zu den Zeiten t E gemäß d( y/y 0 ) = 0, t E = i π (i = 0, 1,...). ω Im Ursprung weist die Sprungantwort also ein Minimum auf. Die Extrema liegen jeweils um T/2 = π/ω voneinander entfernt. Für die Bestimmung des Dämpfungsgrades ϑ aus der Sprungantwort benötigt man die Abweichungen der Funktionswerte y E an den Extremstellen vom asymptotischen Wert y 0. Die Beträge dieser Abweichungen sind y E /y 0 1 = ω 0 ω e ϑω0te cos ϕ. Das Verhältnis q 1 zweier aufeinander folgender maximaler Abweichungen beträgt π q 1 (ϑ) = e ϑω0 ω (i+1) e ϑω0 π ω i = e ϑω0 π ω = e πϑ/ 1 ϑ 2. ϑ = ln q 1 π2 + (ln q 1 ) 2. Aperiodischer Grenzfall (ϑ = 1) Bei kriechender Einstellung (ϑ >1) findet kein Überschwingen der Sprungantwort statt. Von Interesse ist der aperiodische Grenzfall (ϑ = 1). Die Sprungantwort und die zweite Ableitung lauten y/y 0 = 1 (1 + ω 0 t)e ω0t, d 2 ( y/y 0 ) = ω (1 ω 0t) e ω0t. Der Wendepunkt der Sprungantwort wird zur Zeit t w = 1/ω 0 erreicht. Der normierte Funktionswert am Wendepunkt beträgt y W /y 0 = 1 2/e = 26,4% Frequenzgang eines Übertragungsgliedes 2. Ordnung Beim Übertragungsglied 2. Ordnung erhält man den Frequenzgang G(jω), indem man in die Dgl. sinusförmige Ansätze für die Eingangs- und die Ausgangsgröße einführt. Es ergibt sich mit der normierten Frequenz η = ω/ω 0 (= f / f 0 ) G(jη) = k 1 + j 2ϑη η 2.
8 8 Messtechnik Die Kenngrößen ω 0 und ϑ eines Messgliedes können sowohl aus der Sprungantwort oder der Gewichtsfunktion als auch aus dem komplexen Frequenzgang ermittelt werden. Welche Methode im Einzelfall am vorteilhaftesten ist, hängt von den verfügbaren Messeinrichtungen und von möglichen Einschränkungen der Betriebsparameter ab Kenngrößen für Messglieder höherer Ordnung Bild Amplitudengang G(jη) und Phasengang ϕ(η) eines Messgliedes 2. Ordnung als Funktion der normierten Frequenz η = ω/ω 0 (Parameter ist der Dämpfungsgrad ϑ) Bei Messgliedern höherer als 2. Ordnung ist die exakte Bestimmung der mindestens 3 dynamischen Kenngrößen oft nur schwer möglich und teilweise auch nicht notwendig. Man behilft sich in diesen Fällen mit Ersatzkenngrößen und unterscheidet, ähnlich wie bei Messgliedern 2. Ordnung, zwischen schwingender und kriechender Einstellung. Bei schwingender Einstellung nach Bild 1-13a verwendet man als Kenngröße gerne die Einstellzeit T e, die notwendig ist, bis die Sprungantwort eines Messgliedes innerhalb vorgegebener Toleranzgrenzen bleibt. Als weitere Kenngröße ist die Größe yü des ersten Überschwingers üblich. Sie gibt einen Anhaltspunkt über die Größe der Dämpfung des Messgliedes. Bei kriechender Einstellung nachbild 1-13bverwendet man als Kenngrößen neben der Einstellzeit T e (wie bei schwingender Einstellung) gerne die Ersatztotzeit T t und die Ersatzzeitkonstante T s. Die Wende- Amplitudengang G(jω) und Phasengang ϕ(ω) sind in Bild 1-12 dargestellt. Der Amplitudengang ist G(jη) = k (1 η2 ) 2 + (2ϑη) 2. Für Dämpfungsgrade ϑ von 0 bis 1/ 2 treten im Amplitudengang bei den Kreisfrequenzen ω/ω 0 = 1 2ϑ 2 Resonanzüberhöhungen um den Faktor 1 2 ϑ 1 ϑ 2 auf. Der Phasengang ist ( ) 2ϑη ϕ(η) = arctan ( π für η>1). 1 η 2 Unabhängig vom Dämpfungsgrad ϑ ist bei η = 1die Phase gleich 90. Bild Kenngrößen eines Messgliedes höherer Ordnung. a Bei schwingender Einstellung, b bei kriechender Einstellung
9 1 Grundlagen der Messtechnik 9 tangente der Sprungantwort trifft die Zeitachse nach Ablauf der Ersatztotzeit T t. Die Ersatzzeitkonstante T s ist als die Differenz zwischen den Zeitpunkten definiert, die durch den Schnitt der Wendetangente mit der Zeitachse einerseits und mit der Asymptote andererseits gegeben sind. 1.3 Messfehler Zufällige und systematische Fehler Die in technischen Prozessen vorkommenden Messgrößen und die über Messeinrichtungen gewonnenen Messwerte sind i. Allg. fehlerbehaftet und weichen vom Soll- bzw. Nennwert ab. Die beobachteten Fehler setzen sich dabei aus systematischen (deterministischen) und zufälligen (stochastischen) Anteilen zusammen. Die Ursachen für systematische Fehler können z. B. fehlerhafte Einstellungen oder deterministische Einflusseffekte, aber auch bleibende Veränderungen oder definierte Zeitabhängigkeiten der Messgrößen sein. Die Größe eines systematischen Fehlers ist prinzipiell feststellbar. Systematische Fehler lassen sich deshalb korrigieren. Im Gegensatz dazu sind die Ursachen der die Einzelmessung beeinflussenden zufälligen Fehler nicht erkennbar. So ist z. B. die örtliche Verteilung der Dichte bei inhomogenen Gemischen nicht reproduzierbar; ebenso wenig wie die zeitliche Folge der Kernzerfälle, die bei bestimmten Strahlungsmessgeräten aufgenommen wird. Es handelt sich also um zufällige Fehler, wenn deren Ursachen bei den gegenwärtigen Kenntnissen und technischen Möglichkeiten nicht gemessen und reproduziert werden können. Zufällige Fehler lassen sich in ihrer Gesamtheit durch Verteilungsfunktionen und durch statistische Kennwerte erfassen, und zwar umso genauer, je größer die Zahl der zur Verfügung stehenden Einzelwerte ist Dešnition von Fehlern, Fehlerkurven und Fehleranteilen Der Fehler eines Messgliedes zeigt sich als unerwünschte Abweichung des Istwertes y ist vom Sollwert y soll der Ausgangsgröße bei derselben Eingangsgröße x (Bild 1-14). Bild Istkurve, Sollkurve und Fehlerkurve eines Messgliedes Der (absolute) Fehler F ist definiert als die Differenz von Istwert y ist und Sollwert y soll.derrelative Fehler F rel ist der auf einen Bezugswert B bezogene (absolute) Fehler, wobei für B häufig die Ausgangsspanne Δy oder (bei Messverkörperungen, z. B. Widerständen) der Sollwert y soll eingesetzt wird. Er hat die Dimension eins (ist dimensionslos ): F = y ist y soll, F rel = y ist y soll Δy Absolute Fehler werden häufig in Einheiten der Eingangsgröße angegeben. Bei linearen Messgliedern ist dies in einfacher Weise durch Umrechnung mit der Empfindlichkeit E möglich: F x = (y ist y soll )/E. Der in der Fehlerkurve dargestellte Gesamtfehler F lässt sich aufspalten (Bild 1-15)inden Nullpunktfehler F 0, Steigungsfehler F S (x), Linearitätsfehler F L (x), Hysteresefehler F H (x, h). Istkennlinie y ist, Sollkennlinie y soll und Fehler F = y ist y soll sind gegeben durch y ist = y 0ist + Δy ist Δx (x x 0) + F L (x) + F H (x, h), y soll = y 0soll + Δy soll Δx (x x 0), x x 0 F = (y 0ist y 0soll ) + (Δy } {{ } ist Δy soll ) } {{ Δx } F 0 +F L (x) + F H (x, h). F S(x).
10 10 Messtechnik Bild Verschiedene Ausgleichsgeraden zur Festlegung des Linearitätsfehlers.a Festpunktmethode, b Gerade durch Messbereichsanfang, c Toleranzbandmethode, d wie b, jedoch mit Steigung wie im Messbereichsanfang Bild Aufspaltung des Gesamtfehlers. a Nullpunktfehler,b Steigungsfehler, c Linearitätsfehler,d Hysteresefehler Alle Fehleranteile sind absolute Fehler (in Einheiten) der Ausgangsgröße. Häufig gibt man relative Fehler an, die auf den Sollwert Δy soll der Ausgangsspanne bezogen werden. Schwierigkeiten bereiten die Hysteresefehler F H (x, h), die naturgemäß außer von der Eingangsgröße x auch von der Vorgeschichte h (history) abhängen Linearitätsfehler und zulässige Fehlergrenzen Bei der Zerlegung des Gesamtfehlers in Fehleranteile haben wir den Linearitätsfehler etwas willkürlich nach der Festpunktmethode bestimmt. Die Sollkennlinie geht dabei durch die zwei Punkte der Istkennlinie am Anfang und am Ende des Messbereichs (Bild 1-16a). Andere Möglichkeiten zur Festlegung dieser Ausgleichsgeraden sind: Gerade durch den Messbereichsanfang, aber mit einer Steigung, die ein bestimmtes Minimalprinzip erfüllt (Bild 1-16b). Gerade, deren Lage so gewählt wird (Toleranzbandmethode), dass ausschließlich ein bestimmtes Minimalprinzip erfüllt wird (Bild 1-16c). Gerade durch den Messbereichsanfang mit einer Steigung gleich der der Istkennlinie im Messbereichsanfang (Bild 1-16d). Diese Festlegung ist besonders bei kleinen Aussteuerungen sinnvoll. Bei der Klassenangabe für elektrische Messgeräte ist über den ganzen Messbereich ein konstanter Fehler zugelassen. Im Gegensatz dazu ist es bei Messgliedern i. Allg. sinnvoll, die zulässigen Fehler in der Umgebung des Messbereichsanfangs kleiner festzulegen als am Messbereichsende. Linearitätsfehlerfestlegungen mit Sollgeraden durch den Messbereichsanfang der Istkennlinie nehmen darauf Rücksicht, dass der Messbereichsanfang, auch aufgrund von Fertigungsmaßnahmen (Abgleich des Nullpunktes), in der Regel geringere Fehler aufweist als das Messbereichsende (Bild 1-17). Zum konstanten maximalen Nullpunktfehler F 0 max addiert sich der zur Eingangsgröße (x x 0 ) proportionale maximale Steigungsfehler F S (x) max : F 0 max = y 0ist y 0soll max, F S (x) max = x x 0 Δx Δy ist Δy soll max.
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