Arbeitsgemeinschaft Verbrauch- und Verkehrssteuerrecht SS 2011
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- Adrian Vogt
- vor 5 Jahren
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1 Fall 1: Allphasen Netto- Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug Verbraucher V bestellt ein Fahrrad bei dem Einzelhändler E. E wird von dem Produzenten P beliefert. Ein Fahrrad kostet den E 1.190,-. Er verkauft es für 1.785,- weiter an den V. Lösung Fall 1: Produzent P Einzelhändler E Verbraucher V 190 USt Finanzamt ? USt Vorsteuer Rechenweg: x + (0,19 x) = ,19 x = 1785 X = 1500 Produzent P Einzelhändler E Verbraucher V Vorsteuer 190 USt Finanzamt Finanzamt Besteuerungsziel: Belastung der Einkommensverwendung beim Endverbraucher, denn auch in der Einkommensverwendung, also dem Konsum im weitesten Sinne, wird ein sinnvoller Maßstab für die Messung steuerlicher Leistungsfähigkeit gesehen; Endverbraucher hat die Steuer zu tragen. Mehrwertsteuer: aufgrund des Vorsteuerabzugs muss der Unternehmer im Ergebnis nur den jeweils auf seiner Stufe in der Leistungskette erzielten Mehrwert versteuern. Einnahmequelle des Fiskus ist die fraktionierte Zahllast Netto-USt: USt bemisst sich stets nur nach dem jeweiligen Nettoumsatz ohne USt ( 10 I 2 UStG) Kostenneutralität durch Vorsteuerabzug beim Unternehmer. Durchlaufender Posten. 1
2 Fall 2: Unternehmerbegriff S ist Hobbymünzensammler. Jahrelang sammelt und erwirbt er Münzen. Zur Umstrukturierung seiner inzwischen sehr umfangreichen Sammlung verkauft S einen Teil seiner Sammlung und erzielt einen Erlös in Höhe von Ist S mit seiner Tätigkeit als Münzensammler Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts? Lösung Fall 2: Gem. 2 I UStG: Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Unternehmerfähigkeit o Unternehmensform ist nicht maßgeblich o Unternehmer können natürliche Personen, Personengesellschaften und juristische Personen (Beachte die Einschränkung für juristische Personen des öffentlichen Rechts gem. 2 III UStG) sein. o Alle Gebilde, die nach außen als Einheit tätig werden, mit einer gewissen Organisation und dem Willen zur wirtschaftlichen Betätigung Nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen (= entgeltlich). o Die Tätigkeit muss auf die Erbringung von Leistungen im Leistungsaustausch gerichtet sein. o Nachhaltig ist sie, wenn gleichartige Handlungen unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben dauernden Verhältnisses vorgenommen werden oder ein Dauerverhältnis geschaffen wird (Wiederholungsmoment). o Aber auch einmalige Leistung: typisch gewerbliche Handlungen, die sich nicht als typisch private Verwertungshandlungen darstellen, sind als nachhaltig anzusehen; dagegen begründen typisch private Verwertungshandlungen keine Unternehmereigenschaft, auch wenn sie mehrfach vorgenommen werden o Maßgebend ist auch das Auftreten des Händlers am Markt Keine Gewinnerzielungsabsicht erforderlich (Unterschied zum Ertragssteuerrecht), es genügt die Einnahmeerzielungsabsicht Maßstab ist das Gesamtbild 2
3 Gem. 2 II UStG: Negativdefinition ( nicht selbständig ) Bei natürlichen Personen ist für die Selbständigkeit nicht das Auftreten nach Außen, sondern das Innenverhältnis maßgebend. Sog. Typusbegriff S als Unternehmer? S sammelt als Privatsammler selbständig und nachhaltig Münzen; er tut dies als Endverbraucher und nicht als Unternehmer Sofern er einen Teil der Münzsammlung verkauft, so kann nicht die ursprünglich der Privatsphäre zugeordnete Tätigkeit in eine unternehmerische umschlagen (bei Erwerb der Münzen hatte S auch keinen Vorsteuerabzugs) Nähmen die Verkäufe bei S ein Maß an, sodass ein Bild des Münzhändlers entstünde, würde jedoch der Rahmen privater Verwertungshandlungen überschritten. Fall 3: Kurzfälle Unternehmerbegriff a) Arbeitsgemeinschaft im Baugewerbe (ARGE) Zusammenschluss für ein Bauprojekt Problem der Nachhaltigkeit, aber typische unternehmerische Betätigung Zivilrechtlich GbR: Unternehmerfähigkeit b) Juristische Personen des öffentlichen Rechts Nur im Rahmen von Betrieben gewerblicher Art und von lang- und forstwirtschaftlichen Betrieben Vertiefend: s. Seer/Klemke, BB 2010, 2015 ff., Abgrenzung des Betriebes gewerblicher Art vom Hoheitsbetrieb c) Holdinggesellschaften Beim bloßem Halten und Verwalten von Unternehmensanteilen fehlt es am Leistungsaustausch, daher keine Unternehmereigenschaft Die Übernahme der Buchführung begründet hingegen eine unternehmerische Tätigkeit d) Vereine Unternehmer (-), wenn lediglich Mitgliedsbeiträge vereinnahmt werden (echter Mitgliedsbeiträge), da keine Leistung gegen Entgelt vorliegt, wenn 3
4 der Verein in Erfüllung des satzungsmäßigen Zwecks die Gesamtbelange der Mitglieder wahrnimmt Unternehmer (+), wenn der Verein Leistungen erbringt, die den Sonderbelangen der einzelnen Mitglieder dienen (unechter Mitgliedsbeitrag) Kritik an der Rspr. des BFH s. Rau/Dürrwächter, 2 Rn. 186 ff. und Stadie, Umsatzsteuerrecht, Rn und entgegenstehendes EuGH-Urteil (Rechtssache C-174/00 (Kennemer Golf & Country Club)). Fall 4: steuerbarer Umsatz Der in Deutschland ansässige Modehändler M bezieht schon seit langem Ware von dem ungarischen Großhändler U. Ende 2010 erscheint bei M der Vertreter des Interessenverbandes europäischer Textilfabrikanten V und verspricht M die Zahlung einer Entschädigung von für den Fall, dass M in 2011 keine Ware mehr bei U bestellt. Der Interessenverband ist in Luxemburg ansässig. Daraufhin schickt M in 2011 dem U seine Kollektion, die dieser M zur Ansicht geschickt hatte, ohne eine Bestellung zurück. Im April 2011 erhält M die Zahlung von von V. Ist die Zahlung von umsatzsteuerlich relevant? Lösung Fall 4: 1. Subjektive Steuerpflicht des M M ist Unternehmer i.s.d. 2 UStG (+) 2. Steuerbarer Umsatz? 1 UStG Abs. 1 Nr. 1: Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (keine Lieferung, sondern sonstige Leistung, 3 IX UStG) Leistung gegen Entgelt; Leistungsaustausch: Leistung um der Gegenleistung willen (Finalität, 10 I 2 UStG) Leistung= Jedes willentliche Tun: Tun, Dulden oder Unterlassen. Die Leistung muss einem Rechtssubjekt einen Nutzen bringen. Hier: M erhält die Zahlung für seinen Boykott des U. Der Boykott hat für die Interessengemeinschaft einen wirtschaftlichen Wert. Leistung (+) im Inland Ortsbestimmung der Leistung 4
5 3a UStG: Ort der sonstigen Leistung Abs. 1 (Grundregel): der Ort der sonstigen Leistung ist dort, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Beachte den Vorrang der besondere Regelungen in 3a II-VIII und 3b, e, f hier nicht einschlägig mithin gilt die Grundregel, gem. 3a I UStG: an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt Deutschland Ergebnis: Die Leistung des M gegenüber dem Interessenverband ist umsatzsteuerpflichtig. M schuldet dem Fiskus Die Steuerschuld entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistung (= Zurücksenden der Ware ohne Bestellung bei U) des M ausgeführt worden ist. Fall 5: A möchte gerne ein neues Auto im Wert von haben. Da er nicht über die finanziellen Ressourcen verfügt, sich ein Auto zu kaufen, will er es leasen. Der Autohändler B macht ihm folgendes Angebot: die Leasinglaufzeit beträgt 36 Monate; die monatlichen Raten sollen 300 betragen. Nach Ablauf der Laufzeit hat A dann die Option, den Wagen für zu erwerben. Liegt umsatzsteuerlich eine Lieferung vor, wenn A das Auto nach 36 Monaten übernimmt? Lösung Fall 5: Legaldefinition des Lieferbegriffs gem. 3 I UStG: Lieferungen eines Unternehmers sind Leistungen, durch die er oder in seinem Auftrag ein Dritter den Abnehmer oder in dessen Auftrag einen Dritten befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der Verfügungsmacht). 1. Gegenstand: körperliche Sachen Rechte (Patente, Urheberrechte ); elektrischer Strom wird auch als Gegenstand angesehen (vgl. 3g UStG). Besteht der wirtschaftliche Gehalt eines Geschäfts in der Übermittlung geistiger Leistung und verkörpert sich diese in einem Gegenstand (z.b. Plan eines Architekten), liegt eine sonstige Leistung vor. Wird aber im Verkehr die Verkörperung der geistigen Leistung als eigenständiges Produkt behandelt (z.b. ein Roman), stellt das Produkt einen Liefergegenstand dar. Hier: Auto = Gegenstand (+) 2. Verfügungsmacht: Der Inhaber der Verfügungsmacht ist faktisch in der Lage, mit dem Gegenstand nach Belieben zu verfahren; Nutzung wie ein Eigentümer; auch der Dieb oder unberechtigte 5
6 Eigenbesitzer hat Verfügungsmacht. Dazu muss der Inhaber der Verfügungsmacht einen entsprechenden Herrschaftswillen haben (der Mieter, der das Eigentumsrecht des Vermieters wahrt, ist deswegen nicht Inhaber der Verfügungsmacht). 3. Verschaffung der Verfügungsmacht: Zuwendungen des Liefergegenstandes ( Beachte: an einen Dieb wird nicht geliefert). Hier: Verschaffung der Verfügungsmacht? Wem ist das Auto wirtschaftlich zuzurechnen? Sölch/Ringleb, 3 Rn. 97 ff.: Die umsatzsteuerrechtliche Frage, ob und wann dem Leasingnehmer die Verfügungsmacht verschafft wird, hängt von den konkreten Gesamtumständen des einzelnen Sachverhaltes ab (BFH v V R 22/03, BStBl. II 06, 727) - wenn der Schwerpunkt in der Finanzierungsfunktion liegt: regelmäßig Lieferung (+) - Bestimmend ist grundsätzlich der normale Verlauf des Leasingvertrages (BFH v , IV R 144/66, BStBl. II 70, 264); danach ist Wirtschaftsgut dem Leasingnehmer zuzurechnen, wenn es speziell auf die Verhältnisse des Leasingnehmers zugeschnitten ist und nach Ablauf der Grundmietzeit nur für diesen sinnvoll verwendbar ist (vgl. BFH v , II B 87/90, BFH/NV 91, 432; v , III R 130/95, BFH/NV 2001, 1041) die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauern und die Grundmietzeit sich annähernd decken die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zwar erheblich länger ist, als die Grundmietzeit, dem Leasingnehmer aber ein Recht zur Verlängerung und/oder eine Kaufoption zusteht, bei deren Ausübung er nur einen geringen Mietzins oder Kaufpreis zu bezahlen hat, wenn mit der Ausübung der Option zu rechnen ist ( vgl. BFH v , IV R 67/94, BFH/NV 96, 101; v , III R 74/97, BStBl. II 01, 311). - sonstige Leistung (+), wenn der Leasingnehmer kein Recht zur Verlängerung oder zum Kauf des Leasinggegenstandes hat und der Gegenstand nach Ende des Vertrages auch für Verkauf oder Miete an Dritte geeignet ist (es überwiegen die Nutzungselemente, vgl. BFH v , IV R 144/66, BStBl. II 70, 264; EuGH v Rs. C-155/01) 6
7 Weitere Beispiele des Auseinanderfallens der Verschaffung der Verfügungsmacht und des Eigentumserwerbs: - Eigentumsvorbehalt: die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts hat nur Sicherungsfunktion, während der wesentliche Gehalt der Vereinbarung in der endgültigen Zuwendung von Substanz, Wert und Ertrag besteht Lieferung bereits mit Übergabe(+), auch wenn das rechtliche Eigentum erst bei vollständiger Kaufpreiszahlung übergeht - Pfandrecht: dient nicht der endgültigen Übertragung der wirtschaftlichen Substanz, sondern zur Sicherung der Forderung sonstige Leistung (+) Vertiefungshinweise: Tipke/Lang, 14 Rn. 1-5 zur Umsatzsteuer als Mehrwertsteuer mit Vorsteuerabzug Tipke/Lang, 14 Rn Steuersubjekte und Steuerschuldner Tipke/Lang, 14 Rn. 44 zu den Mitgliedsbeiträgen Seer/Klemke, BB 2010, 2015; Abgrenzung des Betriebes gewerblicher Art vom Hoheitsbetrieb Tipke/Lang, 14 Rz. 13 ff zu Lieferungen und sonstigen Leistungen Fragen: 1) Welche Funktion hat der Unternehmer im Bereich der USt? 2) Wer ist Steuerschuldner und Steuersubjekt der USt? Können diese auseinanderfallen? 3) Nenne die Kriterien zur Abgrenzung des Betriebes gewerblicher Art zum Hoheitsbetrieb 4) Was versteht man unter dem Begriff Typusbegriff? 5) Was sind echte/ unechte Mitgliedsbeiträge? 6) Wofür ist die Unterscheidung zwischen Lieferung und sonstigen Leistungen bedeutsam? 7
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