Überraschende Effekte der Wechselwirkung zwischen Elektronen in Materie

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Festkörper = Kondensat von Atomen/Molekülen Gitter der Ionen Elektronen im Atom Orbitale: Klassisches Bild Orbitale: Quantenmechanische Aufenthaltswahrscheinlichkeit

Elektronen Masse m e = 9.11 10-31 kg Ladung e = 1.60 10-19 C Eigendrehimpuls ( Spin ) S = ± 1 h 2 2π 1 1 + - 2 2 Planck sches Wirkungsquantum h = 6.626 10-34 (J sec) Elektronen sind quantenmechanische Teilchen ( Fermionen ) Paulis Ausschließungsprinzip 2 Elektronen pro Orbital

Festkörper = Kondensat von Atomen/Molekülen Gitter der Ionen + Elektronen im Ionengitter NaCl Avogadro-Zahl: 6.02 x 10 23 Teilchen/Mol 10 23 23 wechselwirkende Elektronen + Ionen: Quantenmechanisches Vielteilchenproblem

Besonderheiten von Systemen mit vielen wechselwirkenden Teilchen

Vielteilchensysteme Coulomb-Wechselwirkung: Ion Ion Elektron Ion Elektron Elektron Vakuum e Q r Q r Coulomb-Potential

Vielteilchensysteme Coulomb-Wechselwirkung: Ion Ion Elektron Ion Elektron Elektron Elektronengas: gegenseitige Abschirmung Einfachste Näherung: e Q r Q e r r/ ξ Effektiv kurzreichweitiges Potential

Vielteilchensysteme Coulomb-Wechselwirkung: Ion Ion Elektron Ion Elektron Elektron Elektronengas: gegenseitige Abschirmung Bessere Näherung: e Q r Q cos(2 k ) 3 Fr r Oszillierendes Potential

Vielteilchensysteme Coulomb-Wechselwirkung: Ion Ion Elektron Ion Elektron Elektron Elektronen in realen Festkörpern Q r e Held (2004) Kompliziertes effektives Potential

Vielteilchensysteme Coulomb-Wechselwirkung: Ion Ion Elektron Ion Elektron Elektron Fundamentale Wechselwirkungen zwischen Teilchen # Teilchen N Neue, effektive Wechselwirkungen

Vielteilchensysteme # Teilchen N Neue Phänomene, z.b. Phasenübergänge Unvorhergesagtes emergentes Verhalten We We used to to think that that if if we we knew one, one, we we knew two, two, because one one and and one one are are two. two. We We are are finding out out that that we we must learn a great deal deal more about 'and'. Arthur Arthur Eddington Eddington (1882-1944) (1882-1944) More is different Anderson (1972)

Vielteilchensysteme # Teilchen N Neue Phänomene, z.b. Phasenübergänge Unvorhergesagtes emergentes Verhalten Beispiele: Magnetismus Galaxiebildung Verkehr Aktienmarkt menschlicher Körper Bewusstsein

Emergente Phänomene in Magnetit (Fe 3 O 4 ) z.b.: Magnetismus Metall-Isolator-Übergang Widerstand Metall- Isolator- Übergang Erklärung?

Emergente Phänomene in Magnetit (Fe 3 O 4 ) z.b.: Magnetismus Metall-Isolator-Übergang Ionen: Komplexe Gitterstruktur Elektronen: quantenmechanisch + starke lokale Abstoßung Elektronen sind korreliert

Korrelationen

Korrelation [lat.]: con + relatio Grammatik: entweder... oder Korrelationen in Mathematik & Naturwissenschaften: z.b. Dichten: AB A B ρ( r) ρ( r') ρ( r) ρ( r')

Zeitliche/räumliche Korrelationen im Alltag:

Periodensystem der Elemente Fe Enge Orbitale korrelierte Elektronen

Elektronische Korrelationen in Festkörpern

Periodensystem der Elemente Teilweise gefüllte d-orbitale Teilweise gefüllte f-orbitale Enge d,f-orbitale starke elektronische Korrelationen

Elektronisch korrelierte Materialien Faszinierendes Thema der Grundlagenforschung große Widerstandsänderungen riesige Volumenänderungen Hochtemperatur-Supraleiter kolossaler Magnetwiderstand Mit wichtigen technologischen Anwendungen Sensoren, Schalter supraleitende Kabel Materialien mit Funktionalitäten

Korrelierte Elektronen: Modelle

Materie Modellierung Realistisches Modell Maximale Reduktion: Hubbard Modell U (1963) Quantenmechanisches Vielteilchenproblem

Quantenmechanische Vielteilchenprobleme Rein analytische Zugänge (Dimension=2,3): nicht möglich Rein numerische Zugänge (Dimension=2,3): nicht möglich Beisp.: Rechenzeit für ein N 2 -Molekül ca. 1 Jahr auf 50.000 Rechenknoten Theoretische Herausforderung: Konstruktion zuverlässiger, nicht-störungstheoretischer Näherungsmethoden

Dynamische Mean-Field-Theorie korrelierter Elektronen mean field = mittleres Feld = Molekularfeld

Was ist eine Mean-Field-Theorie?....... mittleres Feld z.b.: durch Entkopplung magnetischer Momente S S S S i j i j Weiss sche Molekularfeldtheorie (1907)

Was ist eine Mean-Field-Theorie?....... mittleres Feld bzw. im mathematischen Grenzfall Koordinationszahl des Ionengitters Z oder räumliche Dimension d Weiss sche Molekularfeldtheorie (1907)

Wechselwirkende Teilchen auf einem Gitter Kette Dimension d=1... Z=2

Wechselwirkende Teilchen auf einem Gitter Quadratgitter Dimension d=2..................... Z=4

Wechselwirkende Teilchen auf einem Gitter Einfach kubisches Gitter Dimension d=3 Z=6

Wechselwirkende Teilchen auf einem Gitter Körperzentriertes, kubisches Gitter Dimension d=3 Z=8

Theorie korrelierter Elektronen Flächenzentriertes, kubisches Gitter Dimension d=3 Metzner, Vollhardt (1989) d, Z Starke Vereinfachungen dynamisches mittleres Feld Selbstkonsistenzproblem Dynamische Mean-Field-Theorie (DMFT) Z=12 Janiš (1991); Georges, Kotliar (1992)

Theorie korrelierter Elektronen Flächenzentriertes, kubisches Gitter Dimension d=3 Metzner, Vollhardt (1989) d, Z Starke Vereinfachungen dynamisches mittleres Feld Selbstkonsistenzproblem Z=12 Dynamische Mean-Field-Theorie (DMFT) Exakte zeitaufgelöste Behandlung der lokalen Wechselwirkung

Überraschende Effekte der Coulomb-Abstoßung der Elektronen Spektralfunktion Mott-Hubbard Metall-Isolator- Übergang Metall messbar? Energie Isolator Kotliar, Vollhardt (2004)

Korrelierte Elektronen: Reale Materialien

Dichtefunktionaltheorie Held (2004) Quantenmechanische Modelle materialspezifisch: ab initio versagt bei starken Korrelationen schnelle numerische Programme Eingabe-Parameter unbekannt Systematische Vielteilchen-Theorie numerisch sehr aufwendig Verknüpfung? zeitgemittelte Elektronendichte Gitterpotential Held (2004)

Theoretisch-numerische Methode zur Berechnung elektronisch korrelierter Materialien Materialspezifische, elektronische Struktur (Dichtefunktionaltheorie: LDA) + Lokale elektronische Korrelationen (Vielteilchentheorie: DMFT) LDA+DMFT Anisimov, Poteryaev, Korotin, Anokhin, Kotliar (1997) Lichtenstein, Katsnelson (1998) Nekrasov, Held, Blümer, Poteryaev, Anisimov, Vollhardt (2000)

Anwendung des LDA+DMFT Zugangs SrVO 3 und CaVO 3

Theory Elektronische Struktur Kristallstruktur V O V = 180 orthorhombische Verzerrung Spektralfunktion in LDA V O V 162 Energie (ev) Keine Korrelationseffekte

LDA+DMFT Ergebnis / CaVO 3 Spektralfunktion Berechnete Wechselwirkungsparameter: U=5.55 ev, J=1.0 ev Energie (ev) Osaka Augsburg Ekaterinburg Kollaboration (2004)

Vergleich mit dem Experiment Osaka Augsburg Ekaterinburg Kollaboration, (2004, 2005) Photoemissions- Spektroskopie Röntgenabsorptions- Spektroskopie Spektralfunktion Energie (ev) Energie (ev) 3-Maximums-Struktur gemessen

Perspektiven

Perspektive des LDA+DMFT Zugangs Erklärung und Vorhersage der Eigenschaften komplexer, korrelierter Materialien Phasendiagramm der Aktinide Temperatur ( 0 C) Element

Perspektive des LDA+DMFT Zugangs Erklärung und Vorhersage der Eigenschaften komplexer, korrelierter Materialien Cu Konzentration x Phasendiagramm von La 1-x Sr x MnO 3 Hemberger et al. (2002) 1, 2, Multielektronen-Transfer in Metallprotein-Komplexen Photosynthese

Ziel: Dynamischer Mean-Field-Zugang mit Vorhersagekraft für stark korrelierte Materie Forschergruppe FOR 1346 Seit Juli 2010

Faszinierende Korrelationsphänomene in Vielteilchensystemen Cu