Das akute Aortensyndrom



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Transkript:

Das akute Aortensyndrom Definition: Aortensyndrom Umfasst verschiedene Krankheitsbilder, die direkt oder indirekt über eine Aortendissektion zu einer Ruptur führen können. Höchste Letalität unter den Erkrankungen mit akutem Brustschmerz Zunehmende Inzidenz: ~ 3-5/100.000/Jahr Einteilung in 5 verschiedene Klassen Klasse 1: Klassische Aortendissektion - begrenzter Einriss der Intima mit Trennung in ein wahres und ein falsches Lumen durch eine Inima-Media-Membran Klasse 2: Intramurales Hämatom (IMH) - Ohne Kommunikation Klasse 3: umschriebener, begrenzter Einriss der Intima mit aneurysmatischer Auswölbung ohne Hämatombildung Klasse 4: Penetrierendes Aortenulkus (PAU) - Bis zur Tunica adventitia reichend, mit oder ohne umgebendes Hämatom Klasse 5: Iatrogene oder traumatische Aortendissektion Hochrisikofaktoren Arterielle Hypertonie, hypertensive Entgleisung (z.b. Phäochromozytom) Nikotinabusus Fortgeschrittene Atherosklerose (penetrierendes Aortenulkus) Bindegewebsstörungen (z.b. Marfan, Ehlers-Danlos) Familiäre Vorgeschichte mit Aortenerkrankungen Bekannte Aortenklappenerkrankungen, bikuspide Aortenklappen Bekanntes thorakales Aortenaneurysma Schweres Thoraxtrauma (z.b. Motorradunfall, Sturz aus großer Höhe) Iatrogene Verletzung Schwangerschaft Frühere Eingriffe an der Aorta Turner-Syndrom Aortenisthmusstenose Riesenzellarteriitis, Syphillis, Takayasu-Arteriitis Drogenabusus (typischerweise Kokain, Metamphitamine) => Letalität: 1-2% pro Stunde (!), wenn unbehandelt Symptome Leitsymptom: Brust- und Rückenschmerzen, ausstrahlender, von kranial nach kaudal wandernder reißender Schmerz oder auch Bauchschmerzen, die folgendermaßen beschrieben werden: - Akuter Beginn - Schwerts Intensität - Zerreißender Schmerz MERKE: Die Kombination von neurologischen Symptomen und thorakalen Schmerzen ist hochverdächtig auf eine Aortendissektion Eine arterielle Hypertonie findet sich bei 70-80% der Patienten 1

Pathophysiologie: - Dissektionslokalisation: - Klassische Aortendissektion Aufspaltung des aortalen Gefäßlumens durch proximale Einrissstelle (Entry). Wahres Lumen ( True lumen (TL)) Falsches Lumen ( False lumen (FL)) Dissektionsmembran traumatische Aortendissektion 80 90 % sterben sofort 10 20 % erreichen das Krankenhaus 25 %ige Sterblichkeit < 24 h danach Überleben 30% > 2 Wochen - Intramurales Hämatom Wandhämatom der Aorta durch Einblutung (zumeist excentrische Wandverdickung > 7(5)mm, echoarme Zonen) Ursache: Ruptur aortaler Vasa vasorum (RR ), Penetrierendes Plaqueulcus (Arrosion von Vasa vasorum), traumatisch (stumpfes Thoraxtrauma/ Dezeleration) DD: wandständiger Thrombus/thrombosiertes FL Potentieller Vorläufer der klassischen Dissektion Therapie: in der A. ascendens: OP, in der A. descendens: konservativ - Penetrierendes Aortenulkus Ältere, hypertensive Patienten Symptomatische vs. asymptomatische Patienten Lokalisation: mittlere/distale descendierende Aorta Starke Association mit abdominellen Aneurysm - weitere Befunde Synkope 10 % 2

Aorteninsuffizienz 40 % Typ A >> B Perikarderguß 48 % (Armstrong 96) LV Hypertrophie 21 % Akuter Herzinfarkt 2 % Typ A >> B Pulsdifferenz 38 % Aortenbogen Niereninsuffizienz 16 % Ao desc Abdominelle Sympt 10 % Ao desc Mediastinalverbreiterung 76 % Beinischämie 28 % Ao desc Typische Symptome einer Malpefusion im Rahmen einer Aortendissektion: - Akute Niereninsuffizienz - ST-Hebung - Pulsdefizit - Akutes Abdomen Differentialdiagnosen: -> es kommen alle Ursachen des akuten Thoraxschmerzes in Betracht! Akutes Koronarsyndrom mit oder ohne ST-Streckenhebung Aortenklappeninsuffizienz ohne Dissektion eines Aortenaneurysmas Muskuloskelettaler Schmerz Perikarditis Mediasinaler tumor Pleuritis Pneumothorax Lungenarterienembolie Cholezystitis Aterioarterielle Embolien bei Atherosklerose Ösophagusruptur Komplikationen: - Akute Ruptur (Pericardtamponade, Pleuraerguss, Mediastinales Hämatom) Typ A: Schlaganfall, Myokardinfarkt, Tamponade, Aortenklappeninsuffizienz, kardiogener Schock Typ B: Mesenterialinfarkt, ANV, Beinischämie Gesetz von La Place: K (Wandspannung)= P (Innendruck)* r (Radius) d (Wanddicke) Zusammenhang zwischen Durchmesser und Risiko für Komplikationen Risikofaktoren Aortenisthmusstenose, Hypertonie, 3

Dissektionen/Rupturen in der Familienanamnese, Größenzunahme > 3mm/Jahr - 2-zeitiges Ereignis mit Ruptur - Schock - Organmalperfusion (ANV, Darmischämie, Beinischämie) Erhöhtes OP-Risiko: 2 zu 4.9x Sterblichkeit Erhöhte postoperative Sterblichkeit: perioperativer Myokardinfarkt, postop. Koma, ANV, Dialyse, Sepsis Trend zur OP-Verzögerung mit initialer interventioneller Therapie (33% Sterblichkeit bis OP) Bei Beinischämie Gefahr der Ausbildung eines Kompartmentsyndroms - Motorische/sensorische Ausfälle - Aneurysma des falschen Lumens - Kompression benachbarter Organe Diagnostik: Ziele: - Rasche Sicherung der Diagnose (-> Letalität 1-3%/h)! - Klassifikation (-> Stanford A oder B)! - D.h. Aorta ascendens (-> TC) oder Aorta descendens (-> Kardiologie) betroffen? - Ausdehnung? - Intimale Einrisstellen? - Falsches Lumen (-> offen oder thrombosiert)? - Malperfusionssyndrom? - Drohende Ruptur? - Perikarderguss/Pleuraerguss? - Funktion der Aortenklappe/LV-Funktion? Hochrisikountersuchungsbefunde: - Nachweis eines Perfusionsdefizites: o Pulsdefizit o Systolische Pulsdifferenz o Fokale neurologische Ausfälle in Verbindung mit einer Schmerzsymptomatik - Neues oder Schmerz-begleitendes Aorteninsuffizienzgeräusch Labordiagnostik: - Blutbild - Blutgruppenbestimung - Retentionsparameter - Transaminasen - Gerinnungsstatus - Kardiale Biomarker (-> kardiales Troponin I oder T) - D-Dimere (d.h. bei normalen D-Dimeren kann eine akute Aortendissektion mit hoher Sicherheit ausgeschlossen werden) - Infektparameter Bildgebung: - Standardisiertes transthorakales Echokardiographie unverzüglich durchführen mit folgenden Fragestellungen: o Ektasie/Aneurysma der Aorta? 4

o Dissektionsmembran nachweisbar? (-> im TTE kann man eine Typ-A- Dissektion ggf. erkennen, aber nicht ausschließen!) o Beurteilung der Klappenfunktion, insbesondere: Aortenklappeninsuffizienz? Bikuspide Aortenklappe? o Perikarderguss? o Pleuraerguss? o Systolische Funktion? o Wandbewegungsstörungen? o Zeichen der Rechtsherzbelastung? - Angio-CT: o Goldstandard -> Methode der Wahl! o Direkter Nachweis einer Aortendissektion - MRT: o Pro: Hohe diagnostische Genauigkeit (> 95%) Untersuchung der gesamten Aorta, auch ohne KM Keine Ionisierende Strahlung Multiple Rekonstruktionen kein nephrotox. Kontrastmittel Ideal für Verlaufsuntersuchungen o Contra: Instabiler Patient nicht untersuchbar lange Untersuchungszeiten unbequem für den Patienten - Angiographie - Empfehlungen der European Society of Cardiology Akute AD, stabiler Patient CT, TEE (abhängig vom lokalen Setup) Akute AD, instabiler Patient: Transport in OP TEE, Angiographie auf dem Tisch Chronische AD (Follow-up): CT MRT (CT ~ 20 msv) Therapie: - Therapieziel: Aortenisthmusstenose: Aufhebung des Gradienten Aortenaneurysma: Ausschaltung des Aneurysmas (>5,5 cm) Notfallbehandlung der Ruptur Aortendissektion: Thrombosierung des falschen Lumens Akuttherapie der Malperfusion/Ruptur PAU / IMH: Ausschaltung der Läsion Traumat. Transektion: Minimal-invasive Stabilisierung - OP-Indikation für Patienten mit Aneurysma der Aorta ascendens und des Aortenbogens 55 mm: OP-Indikation 50 mm: abhängig von der Morphologie (Aorta/Aortenklappe) 45 mm: für Patienten mit genet. Erkrankungen (z.b. Marfan) 5

- Descendens Chirurgie maximal invasiv Laterale Thorakotomie Klemmen der Aorta, Resektion Mortalität: 0-27% elektiv > 50% Notfall Paraplegie: 0-18% - Aortenstentgraftimplantation Katheter-basiert 20-24 French Durchmesser perkutan oder mittels kleinem Hautschnitt - Medikamentöse Therapie 6