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Transkript:

Prof. Dr. Reinhard Singer Wintersemester 2009/2010 (7.1.2010, 8/T2) Grundkurs im Bürgerlichen Recht c) Unternehmensbezogene Rechtsgeschäfte Verkaufspersonal tritt zwar in fremdem Namen auf, macht aber nicht deutlich, wer Vertragspartner ist. Offenkundigkeitsprinzip eingeschränkt, da Identität des Vertragspartners i.d.r. gleichgültig ist. Beispiele: Restaurantbesuch, Kfz-Reparatur -------------------------------------------------------------------------- Lösung Fall 57: F muss bezahlen, wenn M - in ihrem Namen die Bestellung aufgegeben hat und - Vertretungsmacht hatte ( 164 I). 1. Bestellung in fremdem Namen? erkennbar unternehmensbezogenes Rechtsgeschäft (Bäckerei in der Mohrenstraße) 2. Vertretungsmacht des M: sog. Duldungsvollmacht, wenn F wie im Fall OLG Bremen NJW 1970, 1277 f. - in der Vergangenheit Eigenmächtigkeiten des M geduldet hatte (dazu näher unten III 5 b aa OLG Bremen NJW 1970, 1277 f. mit der Begründung, M sei möglicherweise Vertragspartner des V gewesen; abl. Anm. E. Lorenz). ------------------------------------------------------------------------- 3. Vertretungsmacht a) Rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht: Vollmacht (Legaldefinition 166 II BGB). b) Gesetzliche Vertretungsmacht: - Eltern: 1626 I, 1629 I 1 BGB - Vormund: 1793 I 1 - Betreuer: 1902 BGB 1

4. Rechtswirkungen a) Das Geschäft wirkt für und gegen den Vertretenen ( 164 I 1). b) Fehlerhafte Willenserklärungen: maßgeblich Person des Vertreters, da dieser eigene Willenserklärung abgibt ( 166 I; Ausnahme: 166 II). III. Die Vollmacht ( 166 II) 1. Arten: a) Innenvollmacht: Rechtsgeschäft zwischen Geschäftsherrn und Bevollmächtigtem ( 167 I, 1. Alt.) b) Außenvollmacht: Rechtsgeschäft zwischen Geschäftsherrn und Geschäftspartner ( 167 I, 2. Alt.) c) Einzel- und Gesamtvollmacht: - Einzelvollmacht: Bevollmächtigung einer einzelnen Person - Gesamtvollmacht: wenn nur zwei oder mehrere Personen gemeinsam zur Vertretung befugt sein sollen (z.b. Geschäftsführer zusammen mit Prokurist) d) Haupt- und Untervollmacht: 2 Arten aa) Vertreter räumt im Namen des Geschäftsherrn dem Unterbevollmächtigten Vertretungsmacht unmittelbar für den Geschäftsherrn ein. Voraussetzungen für Verpflichtung des Geschäftsherrn: zwei gültige Vollmachten; Hauptvollmacht muss die Erteilung der Untervollmacht decken ( 133, 157 BGB). bb) Vertreter bevollmächtigt im eigenen Namen den Unterbevollmächtigten, ihn (den Hauptvertreter) zu vertreten (Auftreten als Vertreter des Vertreters). Voraussetzung: auch hier müssen beide Vollmachten bestehen Zweck der Unterscheidung: Untervertreter soll im Fall bb) nicht für den Bestand der Hauptvollmacht haften 2

BGHZ 32, 250: U 167 F Uhr 433 167 (-) 929 179? 935 A K F bevollmächtigt U, Uhr einer Amerikanerin (A) zu verkaufen; U erzählt dies K; in Wahrheit war Uhr von der Hausgehilfin der A gestohlen worden; K musste sie an A herausgeben und verlangt Schadensersatz von U BGHZ 32, 250, 254: U haftet nicht gem. 179 II BGB, weil bei offengelegter Untervertretung Unterbevollmächtigter nicht für den Bestand der Hauptvollmacht haften soll Bedenken: Haftung gem. 179 II BGB auch ohne Verschulden gerechtfertigt, weil Untervertreter auch hier Vertrauen auf Bestand der Hauptvollmacht in Anspruch nimmt Wirkungen des Geschäfts sollen erkennbar Hintermann Amerikanerin A - treffen (Brox/Walker Rn. 548) 2. Die Abstraktheit der Vollmacht: Lösung Fall 58: 1. Bei der Stellvertretung ist zwischen Innen- und Außenverhältnis zu unterscheiden. a) Vollmacht betrifft Außenverhältnis Geschäftsherr/ Geschäftspartner, also zwischen K und D bzw. E. = rechtliches Können. aa) Prokura: Umfang der Vollmacht gesetzlich festgelegt ( 49 I HGB) = alle Rechtsgeschäfte, die der Betrieb mit sich bringt bb) Fallbezogen: - Kauf eines Lieferwagens (+) - Verkauf des Geschäftsgrundstücks: gem. 49 II HGB nur wirksam, wenn P besondere Befugnis dazu erteilt worden ist (-). 3

b) Innenverhältnis: = betrifft das rechtliche Dürfen. ausschließlich Rechtsverhältnis zwischen Vollmachtgeber (K) und Bevollmächtigten (P). aa) Grundlage dieses Rechtsverhältnisses ( 168 Satz 1 und 2 BGB) sind z.b. Auftrag ( 662), Geschäftsbesorgung ( 675, 662) oder Arbeitsverhältnis ( 611 BGB). Grundverhältnis beinhaltet Pflichten des Bevollmächtigten, z.b. Weisungen des Geschäftsherrn zu beachten ( 611, 280 BGB) und keine Geschäfte über 50.000.- Euro abzuschließen. bb) Fallbezogen: Begrenzung betrifft nicht rechtsgeschäftliche Vertretungsmacht (Vollmacht), weil Vertretungsmacht des Prokuristen unbeschränkt ist ( 49 I HGB) Aber P haftet wegen Pflichtverletzung gem. 280 I BGB auf Schadensersatz; z.b. wenn K sich für 1000.- Euro aus Vertrag loskauft Abstraktheit der Vollmacht bedeutet, dass diese unabhängig ist vom Grundverhältnis (Innenverhältnis). 2. Gegenbeispiel: Bevollmächtigung eines Freundes, ein gutes Auto für höchstens 10.000.- Euro zu kaufen. - F kauft ein gutes Auto für 11.000.- Euro: keine Vertretungsmacht, weil Vollmacht nur Kauf für maximal 10.000.- Euro deckt. - F kauft ein schlechtes Auto (mit Motorschaden) für 10.000.- ; Kauf gültig; Vertretungsmacht besteht, weil Begrenzungen (gutes Auto) für den Verkehr nicht handhabbar; aber u.u. 280 I BGB des Vertreters 3. Weiteres Beispiel: Auftrag an einen Minderjährigen, ein Grundstück zu verkaufen. - Auftrag ( 662 BGB) schwebend unwirksam, weil rechtlicher Nachteil ( 2, 106, 107 BGB); Nachteile: Verpflichtungen zur Geschäftsbesorgung und Herausgabe des Erlangten. - Bevollmächtigung ( 167 Abs. 1 BGB) wirksam, weil ein Minderjähriger gem. 165 BGB wirksam vertreten kann. - M darf also Grundstück im Außenverhältnis wirksam verkaufen, obwohl im Innenverhältnis ein wirksamer Auftrag fehlt (Abstraktionsprinzip - im Interesse des Verkehrs). - kritisch Medicus, AT, Rn. 949 wegen Relativierung der Abstraktheit durch 168 S. 1 BGB: Unwirksamkeit des Grundgeschäfts wie Erlöschen. 4

c) Missbrauch der Vertretungsmacht Abstraktheit der Vollmacht ermöglicht Missbrauch. Beispiel: P verkauft alle Waren des Geschäftsinhabers K für 10 % des vorgesehenen Verkaufspreises und setzt sich mit dem Erlös von 1 Mio. Euro ins Ausland ab. 1. Rechtsgeschäfte des P namens und in Vollmacht des K an sich gültig, da Vertretungsmacht unbeschränkt ( 48, 49 HGB). Schadensersatzansprüche K - P ( 280 I BGB) wertlos (Ausland). 2. Korrektur geboten, um Missbrauch zu verhindern: - wenn P und D gemeinsame Sache machen (sog. Kollusion, 138 I BGB) oder - D weiß, dass P seine Befugnisse im Innenverhältnis überschreitet oder - die Überschreitung der Befugnis im Innenverhältnis evident ist (so z.b. bei Verkauf zu Schleuderpreisen) Bei evidenten Missbrauch ist es dem D verwehrt, sich auf Vertretungsmacht des P zu berufen. Konsequenz: Vertrag schwebend unwirksam, nach Verweigerung der Genehmigung durch Vertretenen endgültig unwirksam. 3. Das Verhältnis zwischen Vollmacht und Vertretergeschäft (insb. 167 II BGB) --------------------------------------------------------------------------- Lösung Fall 59: F 167 (Vollmacht) M Grundstück 164 433, 311b 433 I 1? K Vertrag M/K bindet F, wenn sie durch M wirksam vertreten worden ist. 5

1. Zulässigkeit der Vertretung (+) 2. Auftreten des M in fremdem Namen ( 164 I) (+) 3. Vertretungsmacht: Vollmacht ( 167 I) a) Form: Vollmacht grundsätzlich formlos ( 167 II), auch wenn Vertretergeschäft formbedürftig sein sollte. b) Teleologische Restriktion: 167 II nicht anzuwenden, wenn Zweck der Formvorschrift dies verlangt. Zweck des 311 b I BGB: Schutz vor übereiltem Grundstücksverkauf oder erwerb; Sicherung einer beweiskräftigen Urkunde. Übereilungsschutz für Vollmacht wegen Möglichkeit zum Widerruf ( 168 Satz 2 BGB) unnötig. Einschränkung des 167 II aber geboten, wenn F unwiderrufliche Vollmacht erteilt hat (teleologische Reduktion: Vollmacht in diesem Fall formbedürftig). Erg.: hier kein Anhaltspunkt für Unwiderruflichkeit; Vollmacht formfrei. --------------------------------------------------------------------------- 4. Erlöschen der Vollmacht a) Bei Beendigung des Grundverhältnisses ( 168 Satz 1 BGB). Beispiel: Kündigung des Arbeitsvertrages; Erlöschen der Prokura. b) Widerruf der Vollmacht ( 168 Satz 2 BGB). trotz fortbestehenden Grundverhältnisses möglich. Bsp.: wenn sich Prokurist nicht bewährt, kann wegen 1 KSchG zwar das Arbeitsverhältnis nicht ohne weiteres gekündigt, wohl aber die Vollmacht (Prokura) widerrufen werden. c) Begrenzung der Widerruflichkeit: aa) Privatautonomie: Vollmacht kann als unwiderrufliche ausgestaltet werden, allerdings nur in bestimmtem Umfang. Bsp.: Vollmacht für den Verkauf oder Kauf eines Grundstücks. bb) Unzulässig ist aber Erteilung einer unwiderruflichen Generalvollmacht. Grund: vollkommener Verlust der Selbstbestimmung und Selbstverantwortung steht in Widerspruch zur geltenden Privatrechtsordnung ( 138 I BGB). 6

5. Die Regelungen der 170 173 BGB und die Lehre von der Scheinvollmacht a) Regelung der 170 173 BGB Das Erlöschen der Vollmacht hat in folgenden Fällen keine Wirkung gegenüber dem Geschäftspartner: - Erteilung einer Außenvollmacht - Öffentliche Bekanntmachung der Vollmacht - Aushändigung einer Vollmachtsurkunde. Grund: Vertrauen des Geschäftspartners auf bewusst erzeugten Rechtsschein schutzwürdig; daher keine Haftung, wenn Geschäftspartner bösgläubig ist ( 173 BGB). Fall 60 = Fall 42 (abhanden gekommene Vollmachtsurkunde): zunächst war TB des 172 I erfüllt, aber durch Rückgabe der Vollmachtsurkunde Rechtsschein beseitigt ( 172 II). M 433, 311b K 164 (Vollmachts-Urkunde) 167, 168 S. 2 170, 172 I, II (Rechtsschein) F Grundstück Lösung Fall 42: Wirksamkeit des Kaufvertrages: 1. F ist nur verpflichtet, wenn M sie wirksam vertreten konnte: a) Auftreten in fremdem Namen ( 164 I 2) b) Vertretungsmacht? aa) Ursprünglich hatte M Vollmacht gemäß 167 Abs. 1 BGB; diese ist aber durch Widerruf erloschen ( 168 Satz 2). 7

bb) Rechtsscheinhaftung gem. 172 BGB: M wurde Vollmachtsurkunde ausgehändigt und dem Dritten (I) vorgelegt. Aber: Urkunde wurde an Vollmachtgeberin F zurückgegeben ( 172 Abs. 2: Rechtsschein beseitigt). 2) Vertrauenshaftung der F? a) Fahrlässige Verursachung eines Rechtsscheintatbestandes: Verwahrung der Urkunde im Wäscheschrank fahrlässig. b) Ähnlichkeit mit dem Fehlen des Erklärungsbewusstseins? aa) BGH: 170-172 BGB sind Fälle, in denen bewusst ein Rechtsscheintatbestand geschaffen worden ist. Fahrlässige Herbeiführung des Rechtsscheins genüge nicht. bb) Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen (culpa in contrahendo) gem. 280 I, 311 II, 241 II BGB; Umfang: Vertrauensschaden, keine Erfüllungshaftung. cc) Parallele zum fahrlässig verursachten Rechtsscheins bei fehlendem Erklärungsbewusstsein: - spricht aber für Gleichbehandlung der Fälle; also entweder 119, 122 BGB analog oder einheitlich culpa in contrahendo (vgl. Staudinger/Singer, Vorbem. vor 116 144 Rn. 49). - wegen des erhöhten Missbrauchsrisikos (Vollmachtsurkunde) sogar verschuldensunabhängige Haftung analog 122 BGB sachgerecht. ----------------------------------------------------------------------- b) Anscheins- und Duldungsvollmacht --------------------------------------------------------------------------- Lösung Fall 61: 1. Anspruch D gegen H auf Erfüllung des Werkvertrages: 631 BGB a) Einigung H D (-) b) Einigung A D wirkt für und gegen H, wenn A Vertretungsmacht hatte ( 164 I BGB). aa) Vollmacht ( 167 I BGB): (-) bb) Folge: Vertretung ohne Vertretungsmacht; Vertrag zunächst schwebend und nach Verweigerung der Genehmigung durch H endgültig unwirksam ( 177 I BGB). 2. Duldung der selbständigen Arbeitsweise des A durch H: Rechtsschein wie bei den 170 172 BGB 8

Folge: analoge Anwendung; Voraussetzungen: a) Rechtsschein einer Bevollmächtigung: Umstände, die auf Bevollmächtigung des Vertreters schließen lassen, insbesondere: - Wiederholtes Auftreten für Geschäftsherren über längere Zeit oder - Verwendung von Briefköpfen oder Geschäftsbögen des Firmeninhabers oder - Erfüllung von Rechtsgeschäften, die der vollmachtlose Vertreter abgeschlossen hat. b) Gutgläubigkeit des Dritten ( 173) c) Fallbezogen: H hatte in der Vergangenheit wiederholt Aufträge abgewickelt (= erfüllt), die A abgeschlossen hat. Ergebnis: H muss Werkvertrag erfüllen --------------------------------------------------------------------------- 3. Unterschied Anscheins- und Duldungsvollmacht a) Duldungsvollmacht: Geschäftsherr kennt Verhalten des Vertreters und duldet es. b) Anscheinsvollmacht: Geschäftsherr kennt das Verhalten des Vertreters nicht, er hätte es aber bei pflichtgemäßer Sorgfalt erkennen können. aa) Rechtsprechung: ausreichend, wenn Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht vorliegen. bb) Teil des Schrifttums: Analogie zu 170 172 BGB setzt bewusst geschaffenen Rechtsscheintatbestand voraussetzen; daher nur Haftung gem. 280 I (wie Fall 42). 9