Übung zu Vorlesungen im Verwaltungsrecht Sommersemester 2009 Christina Schmidt-Holtmann, Wiss. Mitarbeiterin

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Transkript:

Lösungsskizze zu Fall 11: Der Gipfel der Unverschämtheit Lernziele: Einstweiliger Rechtsschutz nach 80 V VwGO mit und ohne gesonderte Interessenabwägung Erster Teil: Eilantrag des H Das Verwaltungsgericht wird dem Eilantrag des H stattgeben, wenn er zulässig und begründet ist. A) Zulässigkeit des Antrags I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, 40 I 1 VwGO (+) 1. Keine aufdrängende Spezialzuweisung (+) --> hier: insbesondere das Passgesetz ohne Spezialzuweisung; 56 BPolG nicht einschlägig 2. Generalklausel des 40 I 1 VwGO (+) a) öffentlich-rechtliche Streitigkeit (+) --> hier: Streitentscheidende Norm: 10 Passgesetz = eindeutig öffentlich-rechtlicher Natur b) nicht verfassungsrechtlicher Art (+) c) keine abdrängende Spezialzuweisung (+) II. Statthafte Antragsart 1. Antragsbegehren, 88 VwGO analog --> hier: Begehren: Aufhebung des Verbotes vom 31.03.2009 im Eilverfahren 2. Abgrenzung zu 123 VwGO gemäß 123 V VwGO (+) Frage: Eilrechtsschutz nach 123 VwGO oder nach 80 V VwGO? Vorrang: 80 V VwGO (vgl. 123 V VwGO) hier: Verbot könnte VA sein. Also kommt ein Eilantrag nach 80 V VwGO in Frage. Ein Antrag nach 80 V VwGO ist statthaft, wenn in der Hauptsache eine Anfechtungsklage ( 42 I Alt. 1 VwGO) oder ein Anfechtungswiderspruch ( 68 I 1 VwGO) statthaft wären. Voraussetzung: Vorliegen eines anfechtbaren (also nicht bestandskräftigen) VA isd. 35 BVwVfG (ggf. ivm. 1 I LVwVfG) hier: Wendung gegen Untersagungsverfügung der Bundespolizeidirektion vom 31.03.2009, die einen VA darstellt (+) 1

3. Rechtsbehelf ohne aufschiebende Wirkung, 80 II 1 Nr. 1-4 VwGO Der Antrag muss darauf gerichtet sein, die aufschiebende Wirkung des Anfechtungswiderspruchs bzw. Anfechtungsklage anzuordnen bzw. wiederherzustellen. Voraussetzung: Vorliegen eines Falls des 80 II 1 Nr. 1-4 VwGO hier: sofortiger Vollzug kraft Gesetzes isd. 80 II Nr. 3 VwGO nach 14 Paßgesetz => Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gem. 80 V 1 Alt. 1 VwGO III. Besondere Zulässigkeitssvoraussetzungen 1. Antragsbefugnis, 42 II Alt. 1 VwGO analog (+) = plausible Geltendmachung durch Antragsteller, dass eine Verletzung in eigenen Rechten durch die sofortige Vollziehbarkeit des VAs möglich ist hier: Durch Sofortvollzug keine Grenzüberschreitung möglich (Art. 2 Abs. 1 GG: Ausreisefreiheit) und keine Teilnahme an Protestkundgebung, also mögliche Verletzung in Art. 8 Abs. 1 GG 2. Erforderlichkeit eines Vorverfahrens nach 80 IV VwGO? (Streit) hier: H hat kein Vorverfahren nach 80 IV VwGO durchgeführt. Fehlen einer Zulässigkeitsvoraussetzung? e.a.: Stets vorherige Durchführung des Verfahrens nach 80 IV VwGO erforderlich pro: Sinn des Vorverfahrens: Entlastung der Verwaltungsgerichte h.m.: Erforderlichkeit nur in den Fällen des 80 VI 1 VwGO (Abgaben-/Kosten-VA) pro: Gegenschluss aus 80 VI 1 VwGO: Wenn ausdrücklich geregelt ist, dass für Geld- VAs ein behördliches Vorverfahren erforderlich ist, dann kann man umgekehrt daraus schließen, dass dies für die anderen VAs nicht der Fall ist. => nach h.m.: (+) 3. Antragsgegner, 78 VwGO analog Rechtsträger der Ausgangsbehörde (Rechtsträgerprinzip), 78 I Nr. 1 VwGO analog hier: 78 I Nr. 1 Alt. 1 VwGO: Untersagung durch Bundespolizeiinspektion, also Bund als Rechtsträger IV. Sonstige allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Beteiligtenfähigkeit, 61 VwGO (+) für Behörde: der Bund, 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO für H: H als natürliche Person, 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO 2

2. Prozessfähigkeit, 62 VwGO (+) H: nach 62 I Nr. 1 VwGO Bund als juristische Person und damit Vereinigung isd. 62 III VwGO vertreten durch gesetzl. Vertreter, also den zuständigen Minister, hier: der Innenminister ( 3 Abs. 1, 174 Abs. 1 BBG) 3. Zuständigkeit: Gericht der Hauptsache, 80 V 1 ; 45 ff. VwGO (+) hier: laut Sachverhalt das zuständige Verwaltungsgericht 4. Form, 81, 82 VwGO analog (+) hier: keine gegenteiligen Angaben 5. Frist (+) hier: keine Frist 6. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (+) a) Keine vorherige Erhebung der Anfechtungsklage, 80 V 2 VwGO (+) hier: nicht vorher Anfechtungsklage erhoben, aber nach 80 V 2 VwGO auch nicht erforderlich. b) Vorherige oder mindestens gleichzeitig mit Eilantrag Widerspruchseinlegung erforderlich? (Streit) (+) hier: Widerspruch eingelegt. Also kann der Streit dahinstehen. c) Keine Unzulässigkeit des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage (+) B) Begründetheit des Antrages Der Antrag des H nach 80 V S. 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung der Bundespolizeidirektion ist begründet, wenn nach summarischer Prüfung das (private) Interesse des H an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung vom 31.03.2009 das (öffentliche) Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Maßstab hierfür sind insbesondere die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren. 3

I. Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache 1. Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung a) Vorliegen einer (verfassungsmäßigen) Ermächtigungsgrundlage (+) hier: 10 I 2 PaßG ivm. 7 I Nr. 1 PaßG b) Formelle Rechtmäßigkeit (+) hier: laut SV war die Bundespolizeidirektion zuständig Anhörung, 28 VwVfG, erfolgt und ansonsten keine Anhaltspunkte für Verfahrensfehler 4

c) Materielle Rechtmäßigkeit (+) aa) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des 10 PaßG ivm. 7 I Nr. 1 PaßG (1) sonstige Belange der BRD isd. 7 I Nr. 1 PaßG (+) hier: BRD = Angehörige der NATO, Gipfel findet in der Grenzregion Straßburg-Kehl statt, erhebliche organisatorische Beteiligung der BRD an dem Gipfel => starkes Interesse der BRD an der Durchführung des Gipfels (2) Tatsachen rechtfertigen Annahme einer Gefährdung, 10 I 2 ivm. 7 I Nr. 1 PaßG (+) hier: Schwarze Kleidungsstücke des H im Kofferraum; schwarze Kleidung typisch für die tendenziell gewaltbereite autonome linke Szene. Gewaltbereitschaft der Linken zuletzt bei G8-Gipfel in Genua noch einmal deutlich geworden. Kletterausrüstung, die für Ankettaktionen benutzt werden kann H Eigentümer der Gegenstände H einschlägig bekannt bb) Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (1) legitimer Zweck (+) hier: Sicherung eines friedlichen Verlaufs der Protestkundgebung und damit des NATO- Gipfels (2) Geeignetheit (+) hier: durch Verhinderung der Anreise des offenbar gewaltbereiten H. zumindest Beitrag zur Erreichung einer friedlichen Demo bzw. eines friedlichen Gipfels (3) Erforderlichkeit (+) = bei Fehlen eines milderen, gleich geeigneten Mittels hier: milder: Beschlagnahmung der Kleidung sowie der Kletterausrüstung, aber nicht gleich geeignet, denn die Gegenstände verdeutlichen nur die Gewaltbereitschaft des H., die von ihm auch nicht komplett geleugnet wird. Im Übrigen sind die Gegenstände in Frankreich wieder beschaffbar (Anreise: 31.3., Demo: 4.4.), so dass keine dauerhafte Reduzierung der Gefährlichkeit erreicht wird. (4) Angemessenheit (+) pro: hoher Stellenwert des friedlichen Ablaufs des NATO-Gipfels Betroffenheit von Art. 8 Abs. 1 GG möglich, aber angesichts der Organisation der Demo durch den "schwarzen Block" fraglich, ob es sich überhaupt um eine friedliche und waffenlose Versammlung handelt Art. 2 Abs. 1 GG aber mit geringerem Gewicht; Schutz der auch nur durch Kleidung verdeutlichten Solidarität mit einer gewaltbereiten Gruppe fraglich. Verbotsgründe beruhen auf eigenem Handeln (Mitführen der Gegenstände) und eigener Aussage des H. über die beabsichtigte Nutzung derselben 5

d) Rechtsfolge: Fehlerfreie Ermessensausübung (+) aa) Ermessensausübung (+) hier: Indiz: entschließt sich bb) keine Ermessensüberschreitung (+) hier: Untersagung der Ausreise ist eine zulässige Rechtsfolge nach 10 I 2 PaßG cc) kein Ermessensmissbrauch (+) beachte: Fall einer Prognoseentscheidung, so dass Gericht nur die Lage und Fakten etc. beurteilen kann, die im Zeitpunkt der Entscheidung der Polizei für oder gegen die erstellte Prognose gesprochen haben (aber: kein regelmäßiger Beurteilungsspielraum der Behörde bei Prognoseentscheidungen) hier: (+) Alle Tatsachen ermittelt Keine sachfremden Erwägungen Richtige Gewichtung der Tatsachen: Die Beteuerung des H., es ruhiger angehen lassen zu wollen, ist angesichts der Kleidung und der Kletterausrüstung sowie seines voran gegangenen Verhaltens wenig glaubhaft. 2. Zwischenergebnis: Die Untersagungsverfügung gegenüber H ist rechtmäßig. II. Materielle Interessenabwägung Die Klage wird in der Hauptsache wegen der Rechtmäßigkeit der Untersagungsverfügung gegenüber H keinen Erfolg haben. Deshalb überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse gegenüber dem privaten Aussetzungsinteresse des H. Eine weitere materielle Interessenabwägung ist nicht erforderlich. C) Endergebnis Der Eilantrag des H. gem. 80 V 1 Alt. 1 VwGO ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Das Gericht wird ihn deshalb abweisen. 6

Zweiter Teil: Der Eilantrag des P. Das Verwaltungsgericht wird dem Eilantrag des P stattgeben, wenn er zulässig und begründet ist. A) Zulässigkeit des Antrags I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, ( 40 I 1 VwGO) (+) II. Statthafte Antragsart (+) (s.o.) 1. Antragsbegehren, 88 VwGO analog (s.o.) 2. Abgrenzung zu 123 VwGO, 123 V VwGO (+) (s.o.) hier: Wendung gegen Untersagungsverfügung vom 31.03.2009, die einen VA darstellt (+) 3. Rechtsbehelf ohne aufschiebende Wirkung, 80 II 1 Nr. 1-4 VwGO (+) (s.o.) hier: sofortiger Vollzug kraft Gesetzes isd. 80 II Nr. 3 VwGO nach 14 Paßgesetz => Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs III. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Antragsbefugnis, 42 II Alt. 1 VwGO analog (+) (s.o.) 2. Erforderlichkeit eines Vorverfahrens nach 80 IV VwGO? (Streit) (s.o.) 3. Antragsgegner, 78 VwGO analog (+) (s.o.) IV. Sonstige allgemeine Zulässigkeitsvoraussetzungen 1. Beteiligtenfähigkeit, 61 VwGO (+) 2. Prozessfähigkeit, 62 VwGO (+) 7

3. Zuständigkeit: Gericht der Hauptsache, 80 V 1; 45 ff. VwGO (+) 4. Form, 81, 82 VwGO analog (+) 5. Frist (+) (s.o.) 6. Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis (+) a) Keine vorherige Erhebung der Anfechtungsklage, 80 V 2 VwGO (s.o.) b) Vorherige oder mindestens gleichzeitig mit Eilantrag Widerspruchseinlegung erforderlich? (Streit) (+) c) Keine Unzulässigkeit des Widerspruchs bzw. der Anfechtungsklage (+) B) Begründetheit des Antrages Der Antrag des P nach 80 V S. 1 Alt. 1 VwGO auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die Untersagungsverfügung der Bundespolizeidirektion ist begründet, wenn nach summarischer Prüfung das (private) Interesse des P an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung vom 31.03.2009 das (öffentliche) Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes überwiegt. Maßstab hierfür sind insbesondere die Erfolgsaussichten im Hauptsacheverfahren. I. Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache 1. Rechtswidrigkeit der Untersagungsverfügung a) Vorliegen einer (verfassungsmäßigen) Ermächtigungsgrundlage (+) hier: 10 I 2 PaßG ivm. 7 I Nr. 1 PaßG b) Formelle Rechtmäßigkeit (+) aa) Zuständigkeit (+) s.o. bb) Verfahren (+) Problem: Äußerungen des P anscheinend nicht beachtet = Anhörungsmangel bzgl. 28 VwVfG? contra: P konnte seine Meinung sagen und wurde gehört. Keine Beachtung deutet auf Nichtberücksichtigung bei der Entscheidung hin im Übrigen: Heilung nach 45 I Nr. 3 VwVfG möglich 8

c) Materielle Rechtmäßigkeit (+) aa) Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des 10 I 2 PaßG ivm. 7 I Nr. 1 PaßG (1) sonstige Belange der BRD isd. 7 I Nr. 1 PaßG (+) (s.o.) (2) Tatsachen rechtfertigen Annahme einer Gefährdung (+) hier: Pro: Schwarze Kleidungsstücke im Kofferraum des Wagens, mit dem P nach Straßburg fahren wollte. Kletterausrüstung ebenfalls im Kofferraum, die für Ankettaktionen benutzt werden kann Contra: P nicht einschlägig bekannt Gegenstände alle Eigentum des H Aber: Möglichkeit einer "Ersttat" des P und fehlendes Eigentum an den Gegenständen hindert nicht deren Nutzung. Im Übrigen reichen "Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen" aus. bb) Verhältnismäßigkeit der Maßnahme (1) legitimer Zweck (+) hier: Sicherung eines friedlichen Verlaufs der Protestkundgebung und damit des NATO- Gipfels (2) Geeignetheit (+) hier: durch Verhinderung der Anreise des möglicherweise gewaltbereiten P zumindest Beitrag zur Erreichung einer friedlichen Demo bzw. eines friedlichen Gipfels (3) Erforderlichkeit (+) = bei Fehlen eines milderen, gleich geeigneten Mittels hier: milder: Beschlagnahmung der Kleidung sowie der Kletterausrüstung, aber nicht gleich geeignet, denn die Gegenstände verdeutlichen nur die mögliche Gewaltbereitschaft des P. Im Übrigen sind die Gegenstände in Frankreich wieder beschaffbare (Anreise: 31.3., Demo: 4.4.), so dass keine dauerhafte Reduzierung der Gefährlichkeit erreicht wird. (4) Angemessenheit (+) pro: hoher Stellenwert des friedlichen Ablaufs des NATO-Gipfels Betroffenheit von Art. 8 Abs. 1 GG möglich, aber angesichts der Organisation der Demo durch den "schwarzen Block" fraglich, ob es sich überhaupt um eine friedliche und waffenlose Versammlung handelt Art. 2 Abs. 1 GG aber mit geringerem Gewicht; Schutz der auch nur durch Kleidung verdeutlichten Solidarität mit einer gewaltbereiten Gruppe fraglich. 9

Verbotsgründe beruhen auf eigenem Handeln (Mitführen der Kleidung) und eigener Aussage des P. über die mögliche Nutzung derselben Reise mit gewaltbereitem H spricht dafür, dass P selbst auch gewaltbereit sein könnte d) Rechtsfolge: Fehlerfreie Ermessensausübung (-) aa) Ermessensausübung (+) hier: Indiz: entschließt sich bb) keine Ermessensüberschreitung (+) hier: Untersagung der Ausreise ist zulässige Rechtsfolge nach 10 I 2 PaßG cc) kein Ermessensmissbrauch (?) hier: liegt wohl eher ein Ermessensmissbrauch vor (-) Keine richtige Gewichtung der Tatsachen: Kleidungs- und Ausrüstungsfund werden höher bewertet als die Tatsache, dass P nicht einschlägig bekannt ist; Nicht alle Tatsachen scheinen berücksichtigt worden zu sein bei der Entscheidung: Die Äußerungen des P zu seinen Absichten etc. scheinen nicht in Entscheidung einbezogen worden zu sein. c) Zwischenergebnis: Es spricht manches dafür, dass die Untersagungsverfügung gegenüber P wegen Fehlern beim Ermessensgebrauch rechtswidrig war. Allerdings kann die Hauptverhandlung hier noch neue Aspekte ergeben, da bis zur letzten mündlichen Verhandlung die Behörde noch ihre Ermessenserwägungen erläutern bzw. neue Erwägungen nachschieben kann (vgl. 114 S. 2 VwGO). Deshalb ist der Ausgang des Verfahrens in der Hauptsache derzeit noch offen. II. Materielle Interessenabwägung Erforderlichkeit einer konkreten gerichtlichen Interessenabwägung durch das Gericht, da die Erfolgsaussichten in der Hauptsache unklar sind. Kriterium: Folgenabschätzung Würden mit einer Entscheidung über den Eilantrag, der von derjenigen im Hauptsacheverfahren abweicht, nicht wieder revidierbare Tatsachen geschaffen? Zu berücksichtigen: die Wertungen des Gesetzgebers in den Fällen des 80 II 1 Nr. 1-3 VwGO, dass in diesen Fällen das öffentliche Interesse am Sofortvollzug besonders hoch ist. hier: Contra Aussetzung: Gesetzliche Wertung des 14 PaßG spricht für einen besonders hohen Stellenwert des Interesses der Öffentlichkeit am Sofortvollzug von Verfügungen, die mit dem Grenzverkehr und damit mit der inneren und äußeren Sicherheit der BRD in enger Verbindung stehen. 10

Pro Aussetzung: Wenn Sofortvollzug aufrecht erhalten bleibt, kann P an der einmaligen Protestkundgebung am 04.04.2009 gegen den NATO-Gipfel unwiderruflich nicht teilnehmen. Gefährdung der Sicherheit und der Belange der BRD im konkreten Fall nicht sehr groß. Ergebnis: Das Aussetzungsinteresse überwiegt. C) Endergebnis Der Eilantrag des P gem. 80 V 1 Alt. 1 VwGO ist zulässig und begründet. Das Gericht wird ihm deshalb stattgeben. 11