Temperatur, Gase und das Konzept der Wärme

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Transkript:

Kapitel 7 Temperatur, Gase und das Konzept der Wärme 7.1 Die Temperatur und das Gasthermometer Wir bemerken: Die Temperatur ist uns vertraut als eine Mass dafür, wie warm oder wie kalt ein Körper ist. Eine genaue Definition der Temperatur ist keineswegs trivial. Im Fall eines Festkörpers oder einer Flüssigkeit ist die Temperatur mit der thermischen Bewegung der Atome korreliert. Im Fall eines Gases ist die Temperatur ein Mass für die mittlere kinetische Energie der Gasmoleküle. Ein Thermometer kann definiert werden, wenn sich eine physikalische Eigenschaft eines Körpers mit der Temperatur verändert. Eine quantitative Messung dieser Eigenschaft wird die Temperatur liefern. Physik 303 Eine solche Eigenschaft, die zur Temperaturmessung führt, wird eine thermometrische Eigenschaft genannt. Man kann z.b. die folgenden thermometrischen Eigenschaften benutzen 1. Die thermische Ausdehnung eines Körpers oder einer Substanz (wie z.b. Quecksilber); 2. Der elektrische Widerstand von Metallen, der mit der Temperatur zunimmt; 3. Das Volumen eines Gases bei konstantem Druck; 4. Der Druck eines Gases bei konstantem Volumen; 5. usw. Jede dieser thermometrischen Eigenschaften kann im Prinzip zur Messung der Temperatur eines Körpers benutzt werden. 7.1.1 Das Gasthermometer und die Definition des Druckes Wir betrachten das Gasthermometer. Bei einer Version wird das Volumen des Gases als thermometrische Eigenschaft benutzt. Siehe Abb. 1. Das Quecksilber übt eine nach unten gerichtete Kraft aus, deren Betrag gleich F = mg = ρ lag ist, wobei ρ die Dichte des Quecksilbers und A die Querschnittsfläche ist. Der Druck p wird definiert als die senkrecht auf eine Fläche ausgeübte Kraft pro Fläche, d.h. p F A 304 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

l Die Temperatur und das Gasthermometer wobei F die Kraft und A die Fläche ist. Einheit: Die SI-Einheit des Druckes ist Newton pro Quadratmeter (N/m 2 ), die als 1 Pascal bezeichnet wird N m 1 Pa = 1 2 Vakuum Quecksilber h Luft oder Gas Druck des Gases: p Volumen: V Temperatur: T Figur 1. Eine Version des Gasthermometers mit konstantem Druck. Oft benutzt man auch die Atmosphäre (atm). Eine Atmosphäre entspricht ungefähr dem Luftdruck auf Meereshöhe 1 atm = 1, 01325 10 5 Pa Eine andere Einheit ist das bar 1 bar = 1000 mbar = 100 kpa = 10 5 Pa Physik 305 7.1.2 Gesetz von Gay-Lussac In der Version des Gasthermometers, die wir betrachtet haben, wurde der Druck p des Gases konstant gehalten. Experimentell beobachtet man, dass das Volumen des Gases bei konstantem Druck proportional zur Temperatur ist: V CT = 1 bei konstantem Druck Dieses Ergebnis ist als Gesetz von Gay-Lussac 1 bekannt. Das Gesetz gilt für alle Gase bei niedrigen Dichten, unabhängig von ihrer chemischen Zusammensetzung. Demonstrationsexperiment: Mit Luft gefüllter Ballon In flüssigen Stickstoff gebracht schrumpft er zusammen. Siehe Abb. 2, Figur 2. Der Druck eines Gases ist zur Temperatur des Gases proportional. Der Ballon wird auf flüssigen Stickstoff gestellt. 1. J.L. Gay-Lussac (1778-1850). 306 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Die absolute Temperatur und die Kelvin-Skala 7.1.3 Gesetz von Boyle und Mariotte In einer anderen Version des Gasthermometers kann das Volumen konstant gehalten und der Druck als thermometrische Eigenschaft benutzt werden. Experimentell beobachtet man, dass der Druck des Gases bei konstantem Volumen proportional zur Temperatur ist: p C T = 2 bei konstantem Volumen Dieses Ergebnis ist als Gesetz von Boyle 2 und Mariotte 3 bekannt. 7.2 Die absolute Temperatur und die Kelvin-Skala Wir betrachten noch einmal das Gasthermometer mit dem konstanten Druck. Wir können die Höhe h des Quecksilbers bei verschiedenen Temperaturen messen. Das Gesetz von Gay-Lussac sagt voraus: V Ah CT = = 1 bei konstantem Druck Es folgt, dass die Temperatur proportional zur Höhe h des Quecksilbers ist, T Ah C = h bei konstantem Druck 1 2. R. Boyle (1627-1691) 3. E. Mariotte (1620-1684) Physik 307 Um das Thermometer zu benutzen, müssen wir noch die Konstante A/ C 1 bestimmen. Wir tauchen das Thermometer in ein Eis-Wasser- Gemisch ein und messen h 0. Dann messen wir die Höhe h 100 beim Siedepunkt des Wassers. Eine beliebige Temperatur wird gemessen als h h0 Th ( ) = 100 C bei konstantem Druck h h 100 0 Demonstrationsexperiment: Bestimmung des absoluten Nullpunktes Man misst den Druck des Gases bei konstantem Druck als Funktion der Temperatur. Bei einer Temperaturabnahme wird sich das Volumen (bei konstantem Druck) oder der Druck (bei konstantem Volumen) des Gases reduzieren. Im Demonstrationsexperiment (Siehe Abb. 3) wird der Druck eines Gases, das in einem Behälter eingeschlossen wird, bei verschiedenen Temperaturen gemessen. Der Behälter wird zuerst in ein Eis-Wasser- Gemisch eingetaucht, dann in kochendes Wasser und schliesslich in flüssigen Stickstoff (77K 196,2 C bei einem Druck von 1 atm). Die gemessenen Werte werden als Funktion der Temperatur aufgetragen (Siehe Abb. 4). Aus der Beobachtung des Verhaltens des Gasthermometers können wir folgendes schliessen: Es gibt eine minimale Temperatur in der Natur. Man spricht vom absoluten Nullpunkt (unterhalb dieser Temperatur wäre der Druck negativ: das ergibt keinen Sinn). 308 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Die absolute Temperatur und die Kelvin-Skala Durch eine Extrapolation kann man beweisen, dass der Nullpunkt bei einer Temperatur gleich 273.15 C liegt. Siehe Abb. 4. Figur 3. Anordnung für die Bestimmung des absoluten Nullpunkts. Figur 4. Der gemessene Druck als Funktion der Temperatur. Physik 309 7.2.1 Definition der Kelvin-Skala Um ein Thermometer zu kalibrieren und damit eine Temperatur- Skala zu definieren, muss man einen Fixpunkt festlegen, bei dem alle Thermometer denselben Wert für die Temperatur angeben. Ein solcher Fixpunkt kann der Tripelpunkt des Wassers sein: Beim Tripelpunkt des Wassers stehen Wasserdampf, flüssiges Wasser und Eis miteinander im Gleichgewicht. Dieser Zustand kann nur bei einem bestimmten Druck bestehen, und er ist daher eindeutig. Um den Tripelpunkt des Wassers zu erhalten, kann die folgende Anordnung verwendet werden: ein Behälter wird mit reinem Wasser und Eis gefüllt, evakuiert und dann zugeschmolzen. Der Tripelpunkt wird erreicht, wenn Eis, Wasser und Wasserdampf im Gleichgewicht vorliegen. Wie schon erwähnt, ist die Temperatur und der Druck dieser Anordnung eindeutig definiert: Der Dampfdruck beim Tripelpunkt beträgt 610,7 Pa. Die Kelvin-Skala wird daher so definiert: Die Temperaturskala wird so definiert, dass die Temperatur des Tripelpunkts T3 = 27316, K = 0, 01 C beträgt. Die Einheit der (absoluten) Temperatur ist das Kelvin 4 (K). Der Nullpunkt der Kelvin-Skala liegt beim absoluten Nullpunkt (ein Wert T<0K ist unmöglich). 4. Lord Kelvin (William Thomson) (1824-1907). 310 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmestrahlung Die Temperatur eines Körpers in der Kelvin-Skala kann mit Hilfe eines Gasthermometers bei konstantem Volumen gemessen werden: T = 27316, p 3 K p wobei p der gemessene Druck bei der Temperatur T ist, und p 3 ist der gemessene Druck, wenn das Gasthermometer in Wasser bei dessen Tripelpunkt getaucht wird. Für geringe Dichte ist der Messwert der Temperatur unabhängig von der Art des Gases. Die Kelvin-Skala beruht auf der Abhängigkeit des Druckes von der Temperatur. Diese Eigenschaft besitzen alle Gase, unabhängig von ihrer Art. 7.3 Wärmestrahlung Die meisten Körper sind für uns sichtbar, weil an ihnen das Licht reflektiert wird. Wir bemerken: Bei genügend hohen Temperaturen leuchten Körper von selbst: sie glühen. Man spricht von Wärmestrahlung. Bei kurzem Aufenthalt in der Nähe von glühenden Körpern bemerkt man, dass auch ein nicht geringer Anteil der Strahlung als infrarote Strahlung emittiert wird. Demonstrationsexperiment: Intensitätsverteilung im Spektrum Licht wird mit Hilfe eines Lichtbogens erzeugt. Das Licht wird mit einem Prisma zerlegt und nachher auf die Wand projiziert. Ein Photodetektor bewegt sich in der horizontalen Richtung und wird das vom Prisma zerlegte Licht scannen. Die Intensität wird geplottet. Man Physik 311 sieht, dass die grösste Intensität im Infrarot-Bereich (d.h. nicht sichtbar und rechts vom Rot (Siehe Abb. 5)) emittiert wird. Intensitätsverteilung Photodetektor Prisma Lichtquelle Figur 5. Intensitätsverteilung. Das vom Lichtbogen emittierte Licht wird mit einem Prisma zerlegt. Das zerlegte Licht wurde an die Wand projiziert. Man misst die Intensität als Funktion der Wellenlänge mit Hilfe eines Photodetektors, der sich in der horizontalen Richtung bewegen kann. Wir bemerken: Jeder Körper emittiert nicht nur Wärmestrahlung, sondern er absorbiert sie auch aus seiner Umgebung. Wenn der Körper wärmer als seine Umgebung ist, so emittiert er mehr Strahlung als er absorbiert. Er wird sich daher abkühlen. 312 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmestrahlung Wenn der Körper kälter als seine Umgebung ist, so absorbiert er mehr Strahlung als er emittiert. Er wird sich daher erwärmern. Die Temperatur des Körpers ändert sich bis er mit seiner Umgebung ein thermisches Gleichgewicht erreicht. Darunter versteht man den Zustand, bei dem die Absorption und die Emission der Wärmestrahlung gleich gross sind. 7.3.1 Eigenschaften der Wärmestrahlung Man beobachtet experimentell: Das Spektrum der Wärmestrahlung eines Festkörpers ist kontinuierlich und hängt stark von der Temperatur des Körpers ab. Die Menge von Strahlung (gemessen in Energie pro Zeiteinheit) hängt auch vom Material, von der Form und im Allgemeinen von den Eigenschaften seiner Oberfläche ab. Demonstrationsexperiment: Wärmestrahlung Wir betrachten drei Gläser: das erste ist schwarz, das zweite durchsichtig und das dritte metallisch (Siehe Abb. 6). Wir zeigen, dass die Wärmestrahlung von der Oberfläche der Gläser (d.h. schwarz, durchsichtig oder metallisch) abhängt. Dasselbe kochende Wasser wird in die Gläser gefüllt. Die Wärmestrahlung von den warmen Gläsern wird von einem Parabol-Spiegel reflektiert und auf einen Photodetektor konzentiert (Siehe Abb. 7). Der Photodetektor misst die Stärke der Strahlung. Wir beobachten experimentell, dass, obwohl die drei Gläser dieselbe Temperatur besitzen, ihre Wärmestrahlung verschieden ist. Das schwarze Glas hat die grösste Strahlung, das metallische die kleinste (die metallische Oberfläche wirkt als ein Schirm). Physik 313 Figur 6. Die Wärmestrahlung hängt vom Material und von der Oberfläche des Körpers ab. Parabolspiegel Photodetektor warmes Glas Figur 7. Die vom warmen Glas emittierte Wärmestrahlung wird mit einem Parabolspiegel und einem Photodetektor gemessen. 314 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmestrahlung 7.3.2 Gesetze der Wärmestrahlung Um die Wärmestrahlung quantitativ zu diskutieren, werden wir einen idealen Strahler definieren, d.h. einen Körper, bei dem das Spektrum der emittierten Wärmestrahlung nur von der Temperatur des Strahlers abhängt: dieser ideale Strahler wird oft als ein Hohlraum mit einem kleinen Loch betrachtet. Die Wände des Hohlraums werden auf gleicher Temperatur gehalten: Hohlraum Wärmestrahlung Temperatur T Für den idealisierten Hohlraumstrahler (man spricht von der Strahlung schwarzer Körper) gelten drei miteinander zusammenhängende Gesetze: 1. Das Stefan-Boltzmannsche Gesetz: Die pro Flächeneinheit der Hohlraumöffnung nach vorn ausgesandte, über alle Wellenlängen summierte Ausstrahlung S(T) ist proportional zur vierten Potenz der Temperatur ST T ( )= σ 4 wobei σ eine universelle Konstante ist, die als Stefan-Boltzmann- Konstante bezeichnet wird. Es gilt: σ = ( ) 5, 670 10 8 W / m 2 / K 4 Physik 315 Damit besitzt S(T) die Einheit W/m 2, d.h. die einer Energie pro Zeiteinheit und pro Flächeneinheit: W J S = [ ] = [ ] m s m [ ] [][ ] 2 2 Die Wärmestrahlung realer Körper ist kleiner als die des Hohlraumstrahlers (d.h. des schwarzen Körpers) und wird empirisch so ausgedrückt: ST T ( )= εσ 4 wobei ε eine dimensionslose Konstante ist, die als der Emissionsgrad des Körpers bezeichnet wird. Für den idealisierten Fall ist ε=1 (Strahlung schwarzer Körper) und für die realen Körper ist er immer kleiner als eins und oft temperaturabhängig. Der Emissionsgrad kann nicht berechnet werden, sondern wird für bestimmte Körper gemessen. Die Nettowärmestrahlung eines Körpers mit der Temperatur T ist bei der Umgebungstemperatur T 0 gleich 4 S = S S = εσ T εσ T netto emittiert absorbiert ( 4 0 ) 4 = εσ T T 4 0 2. Die Spektralverteilungsfunktion der Hohlraumstrahlung S(λ,T): diese Funktion beschreibt die Wellenlängenabhängigkeit der Hohlraumstrahlung bei bestimmter Temperatur. Die Wärmestrahlung pro Zeiteinheit und pro Flächeneinheit des Hohlraums im Wellenlängenband zwischen λ und λ+dλ ist damit gleich: S( λ, T) dλ Die Einheit der Spektralverteilungsfunktion ist [ J ] J S( λ, T) = [ s][ m] [ m] = [ ] 2 [][ s m] 3 316 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmestrahlung Die gesamte Abstrahlung wird durch Integration über den gesamten Wellenlängenbereich gewonnen: ST ( ) = S( λ, Td ) λ 3. Das Wiensche Verschiebungsgesetz: man beobachtet experimentell, dass die Wellenlänge λ max, für die die Spektralverteilungsfunktion ein Maximum hat, mit steigender Temperatur abnimmt. Wien 5 zeigte, dass das Produkt λ max T eine Konstante ist. Man misst: λ max T = 2898 µ m K Diese Beziehung wird als Wiensches Verschiebungsgesetz bezeichnet. Es sagt voraus, dass die Wellenlänge des Maximums zum Inversen der Temperatur proportional ist: λ max = µ 2898 m TK [ ] Beispiel: Wir berechnen die emittierte Wärmestrahlung eines nackten Menschen in einem Raum mit 20 C. Die Haut wird als ein (idealer) schwarzer Strahler betrachtet, hat eine Fläche von 1,4 m 2 und eine Temperatur von 33 C (sie ist etwas niedriger als die Körpertemperatur): T = 306 K und T 0 = 293 K Damit ( 4 ) 0 8 ()(, ( W/m )/K ) 2 4 S = 4 netto εσ T T 1 5 7 10 ( 30 ) / 4 4 2 ( 6 K) ( 293 K) 80 W m 5. Wilhelm Wien (1864-1928). Physik 317 und für die ganze Fläche erhalten wir 2 2 S 1, 4 m 80 W / m 110 W netto = ( )( ) Diese Leistung entspricht einer abgestrahlten Energie pro Tag von: ( 110 / )( 86400 ) 9, 6 E J s Sekunden MJ pro Tag oder 2300 kcal pro Tag. Das ist eine recht grosse Energieabgabe. In der Praxis vermindern wir diesen grossen Energieverlust mit unserer Kleidung! Bemerkung: Der Emissionsgrad hängt vom Material ab Reale Materialen emittieren und absorbieren weniger als der idealisierte Hohlraum. Diese Eigenschaft wird mit Hilfe des Emissionsgrads parametrisiert. Man kann z.b. den Schnee erwähnen. Der Schnee besitzt einen kleinen Emissionsgrad. Damit schmilzt der Schnee in den Bergen langsam, obwohl die Sonne sehr hell sein kann. Er reflektiert die Strahlung sehr gut. Dies erklärt, warum man in den Bergen leicht bräunt: der Schnee wirkt als ein Spiegel und reflektiert die Sonne in alle Richtungen. 7.3.3 Das Spektrum der Wärmestrahlung Historisch war das Spektrum der Wärmestrahlung ein Rätsel der Physik. Ende des 19. Jahrhunderts suchte man eine Herleitung aus Grundprinzipien, die die experimentelle Spektralverteilung der Wärmestrahlung erklärt. 318 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

/ Wärmestrahlung Eine klassische Herleitung, die ursprüngllich auf Lord Rayleigh 6 zurückging und später durch Jeans 7 modifiziert wurde, lieferte das sogenannte Strahlungsgesetz von Rayleigh-Jeans 2 π c S ( λ, T ) = 4 kt Rayleigh Jeans λ wobei k eine neue Konstante, die Boltzmann-Konstante ist. T ist die Temperatur. Wir bemerken, dass die Einheit der Boltzmann-Konstante gleich 4 [ J ] [ m ] 4 3 λ S( λ, T) [][ s m] J k = = = [ ] 2 π ct m K K s [ ] [ ] 2 π ist. D.h., die Einheit der Konstante ist eine Energie geteilt durch eine Temperatur. Mit Hilfe dieser Konstante kann daher eine Temperatur T in eine Grösse mit der Einheit Energie umgewandelt werden. Die Rayleigh-Jeans-Formel enthielt ein grosses Problem, das als Ultraviolett-Katastrophe bezeichnet wird. Tatsächlich hängt die vorausgesagte spektrale Ausstrahlung vom Inversen der vierten Potenz der Wellenlänge ab. Obwohl die Formel in guter Übereinstimmung ist mit den experimentellen Resultaten bei Wellenlängen, die grösser als ungefähr 3000 nm sind, geht die vorausgesagte Austrahlung nach Unendlich für abnehmende Wellenlängen, d.h. für die hohen Frequenzen. Deshalb wird das Problem als Ultraviolett-Katastrophe bezeichnet. 6. John William Strutt Lord Rayleigh (1842-1919). 7. Sir James Hopwood Jeans (1877-1946). Physik 319 Siehe Abb. 8. Figur 8. Vergleich zwischen Rayleigh-Jeans-Verteilung und Planckscher- Verteilung (http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu). Es gelang Planck 8 1900, seine Formel aus einfachen Annahmen herzuleiten. Sie lautet: 2 2π ch 1 S( λ, T) = 5 hc λ kt λ e 1 Planck wobei h eine neue Konstante ist. Heute wird h als Planck-Konstante bezeichnet. Wir haben sie schon im Kap. 6.7.4 erwähnt, als wir von der Bohrschen Theorie des Wasserstoffatoms gesprochen haben. Wir erinnern uns, dass die Plancksche Konstante eine Frequenz in eine 8. Karl Ernst Ludwig Max Planck (1858-1947). 320 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

- Wärmestrahlung Energie umwandelt (die Einheit der Konstante ist ein Produkt von Energie und Zeit, d.h. J.s): E h ν = E = hν Als Planck seine Gleichung an die experimentellen Daten anpasste, konnte er für die zwei Konstanten h und k Werte angeben. Die heute gültigen Werte sind: Boltzmann Konstante : k 1, 381 10 23 J / K und Plancksche Konstante : h 6, 626 10 34 Js Die Spektralverteilungsfunktion für verschiedene Temperaturen sind in Abb. 9, 10 und 11 geplottet. Figur 9. Die Spektralverteilungsfunktion für die Temperaturen T=373 K und 310 K (http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu). Physik 321 Figur 10. Die Spektralverteilungsfunktion für die Temperaturen T=3000 K, 2500K, 2000K und 1500 K (http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu). Beispiel: Welche Temperatur besitzen die Oberflächen von Sternen? Der grösste Teil der Strahlung, die ein Stern emittiert, ist in einem ungefähren thermischen Gleichgewicht mit den heissen Gasen aus den äusseren Schichten des Sterns. Daher kann die Wärmestrahlung (d.h. das Sternenlicht) als Hohlraumstrahlung betrachtet werden. Man misst experimentell die Wellenlängen, für die die Spektralverteilungsfunktion ein Maximum annimmt. Z.B: Sonne : λ = 500 nm ( Gelb ) max Sirius : λ = 240 nm ( Blauweiss ) max Beteigeuze : λ = 850 nm ( Rot ) max Die Sterne erscheinen nicht so farbig, weil die Farbempfindlichkeit unserer Augen in der Dämmerung nur gering ist ( Während der Nacht sind alle Katzen grau ). 322 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmestrahlung Mit dem Wienschen Verschiebungsgesetz erhalten wir für die Temperaturen: 2898 µ m K Sonne : T 3 5800 K 500 10 µ m Sirius : T 12000 K = ( ) Beteigeuze : T 3400 K Mit 5800 K besitzt die Sonnenoberfläche ungefähr die Temperatur, für die der grösste Teil der Wärmestrahlung im sichtbaren Bereich liegt. Dies lässt vermuten, dass sich unsere Augen während der Evolution mit ihrer Empfindlichkeit den Wellenlängen angepasst hat, die in der Sonnenstrahlung mit der höchsten Intensität emittiert werden (Siehe Abb. 11). Figur 11. Die Spektralverteilungsfunktion für die Temperaturen T=3000K, 4000K, 5000K und 6000K (http://hyperphysics.phy-astr.gsu.edu) Physik 323 7.3.4 Bedeutung der Planckschen Konstanten Wir haben die Plancksche-Konstante zuerst im Kap. 6.7.4 angetroffen, als wir die Bohrsche Theorie des Wasserstoffatoms diskutiert haben. Wir haben gesehen, dass Bohr postulierte, dass die Frequenz der vom Atom emittierten oder absorbierten Strahlung zur Energiedifferenz zwischen stationären Zuständen des Atoms proportional ist: 1 ν = ( ) = ν h E E E E h n m n m Was ist die Beziehung zwischen dieser Konstante und der Wärmestrahlung? Um seine Gleichung herzuleiten, analysierte Planck die Welchselwirkung zwischen der Strahlung in einem Hohlraum mit den Atomen, die die Wände des Hohlraums bilden. Diese Atome bewegen sich wegen der Temperatur: sie schwingen um ihre Gleichgewichtslage. Planck nahm an, dass diese Atome sich wie Oszillatoren verhalten, die Energie in den Hohlraum emittieren und wieder absorbieren. Jeder dieser Oszillatoren besitzt seine charakteristische Schwingungsfrequenz. Im Bereich der klassischen Mechanik kann die Energie dieser Oszillatoren einen beliebigen Wert annehmen. Planck behauptete, dass zur Herleitung des korrekten Strahlungsgesetzes eine radikal andere Annahme notwendig ist: Für einen atomaren Oszillator mit der Frequenz ν kann die Energie E nicht beliebige Werte annehmen, sondern nur solche aus einer diskreten Serie: E = nhν n = 12,, 3,... wobei h die Plancksche Konstante und n eine ganze (Quanten-)Zahl ist. 324 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmestrahlung Als Planck diese Annahme erstmals vorschlug, hatte niemand die wirkliche Bedeutung dieser Annahme verstanden. Man wusste nur, dass diese Annahme das richtige Strahlungsgesetz lieferte. Heute wird diese Annahme als die Quantisierung der Energie interpretiert. Wir bemerken: Wie im Fall der Elektronen um den Kern eines Atoms, ist die Schwingungsenergie der Atome in Festkörpern quantisiert. In beiden Fällen kann die Energie keine beliebigen Werte annehmen, sondern nur eine diskrete Anzahl von erlaubten Werten. Wir werden die Quantisierung später im Kap. 11 in mehr Einzelheiten diskutieren. 7.3.5 Anwendung: die Thermographie Die Thermographie ist die Aufnahme von Wärmebildern für angewandte Wissenschaften, wie z.b. Maschinenbau oder Medizin. Im Maschinenbau kann z.b. die korrekte Montage einer Anordnung kontrolliert werden. In Abb. 12 ist die Thermographie einer Pumpe dargestellt. Das Bild lässt vermuten, dass das untere Lager zu warm ist. In der medizinischen Diagnostik ist die Thermographie auch sehr nützlich, z.b. in der Krebsdiagnostik: ein krebsbefallenes Gewebe ist oft etwas wärmer als gesundes. Siehe z.b. http://www.meditherm.com/. Heutzutage wird die Thermographie auch für die Kontrolle elektrischer Anlagen verwendet. Siehe z.b. Abb. 13. Physik 325 Figur 12. Ein praktisches Beispiel: die korrekte Installation einer Pumpe kann mit Hilfe einer Thermographie kontrolliert werden. Das Bild hier lässt vermuten, dass das untere Lager zu warm ist (http:// www.infraredmechanical.com). Figur 13. Thermische Anomalie bei Hochspannungs-Anschlüssen. 326 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Ideale Gase 7.4 Ideale Gase 7.4.1 Die Zustandsgleichung für ideale Gase Wir haben in Kap. 7.1.1 die Gesetze von Boyle-Mariotte und von Gay-Lussac gesehen V = CT 1 p= C T 2 bei konstantem Druck bei konstantem Volumen Experimentell beobachtet man, dass der Druck steigt, wenn ein Gas bei konstanter Temperatur komprimiert wird. Wenn das Gas expandiert, so sinkt der Druck während der Volumenzunahme. In guter Näherung ist das Produkt aus dem Druck und dem Volumen bei konstanter Temperatur konstant. Diese Beziehung gilt für alle Gase bei geringer Dichte. Demonstrationsexperiment: pv = Konst. Der Druck eines Gases in einem Volumen wird gemessen (Siehe Abb. 14). Im Experiment wird das Volumen geändert und die Änderung des Druckes als Funktion des Volumens gemessen. Die Temperatur wird mit fliessendem Wasser konstant gehalten. Wenn wir das Volumen halbieren, wird der Druck verdoppelt. Wir bemerken, dass das Produkt konstant bleibt, solange das Volumen nicht zu klein ist. Bei kleinem Volumen nimmt das Produkt pv zu (d.h. der Druck ist höher als bei einem idealen Gas erwartet). Wenn wir zwei identische Behälter betrachten, die mit gleichen Mengen desselben Gases bei der gleichen Temperatur gefüllt sind, ist es uns vertraut, dass man das doppelte Gasvolumen bei gleichem Druck p und gleicher Temperatur erhält, wenn beide Behälter zusammenge- Physik 327 fügt werden. Es folgt, dass das Produkt pv proportional zur Gasmenge sein muss. Druck Volumen Figur 14. pv=konst bei konstanter Temperatur. Diese Ergebnisse werden in der Zustandsgleichung des idealen Gases zusammengefasst pv = NkT wobei k die Boltzmann-Konstante, N die Anzahl der Gasmoleküle und T die absolute Temperatur (die Kelvin-Skala) ist. 328 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

- Ideale Gase Wir haben die Boltzmann-Konstante schon im Kap. 7.3.3 angetroffen, als wir die Wärmestrahlung diskutiert haben. Wir wiederholen, dass die Einheit der Boltzmann-Konstante gleich p V [ [ k ]= ][ ] NT N / m m 2 3 Nm K ( )( ) [ ] = = ( ) = K J K ist. D.h., die Einheit der Konstante ist eine Energie geteilt durch eine Temperatur. Das Produkt kt entspricht daher einer Energie. Es folgt daraus, dass auch das Produkt pv einer Energie entspricht. Aus Experimenten weiss man, dass die Boltzmann-Konstante für alle Gase denselben Wert hat. Sie ist gleich: k =, 1 381 10 23 J / K Mit Hilfe dieser Konstante kann eine Temperatur T in eine Grösse mit der Einheit Energie umgewandelt werden (Siehe Abb. 15), z.b. [ ]= ( ) = = = kt J / K K J T 300 K kt 4, 1 10 21 J Joule Kelvin Celsuis Fahrenheit Siedepunkt 5.15 x 10 21 373 K 100 C 212 F Gefrierpunkt 3.77 x 10 21 273 K 0 C 32 F Absoluter Nullpunkt 0 0 K 273 C 459 F Figur 15. Vergleich von verschiedenen Temperaturskalen. Der Siedepunkt und der Gefrierpunkt von Wasser bei 1 atm sind angegeben. Das erste Thermometer zeigt die zu der Temperatur korrespondierende Energie. Physik 329 Wenn wir n Mol eines Gases betrachten, dann enthält es die folgende Anzahl von Molekülen N = nn A und die Zustandsgleichung des Gases lautet damit pv = NkT = nn A kt = nrt wobei die Gaskonstante R für alle Gase den Wert R N A k = 8,314 J / mol / K hat. Beispiel: Die Temperatur T=273,15 K = 0 C und der Druck p=1 atm werden als sogenannte Standardbedingungen definiert. T = 0 C = 273, 15 K p = 1 atm = 1, 01325 bar = 1, 01325 10 5 N / m 2 Das Volumen von 1 Mol eines Gases bei Standardbedingungen ist gleich nrt V = = p 1 mol 8, 314 J / mol / K 273 K = 5 2 1, 01325 10 N / m 3 3 22, 4 10 m = 22, 4 l 330 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmeenergie und Wärmekapazität 7.5 Wärmeenergie und Wärmekapazität Wenn zwei Körper mit verschiedenen Temperaturen miteinander in Berührung gebracht werden, werden sich die Temperaturen nach einer gewissen Zeit angleichen. Bis Anfang des 19. Jahrhunderts wurde diese Beobachtung durch die Existenz eines Wärmestoffs, der caloricum, erklärt. Der Wärmestoff wurde vom Körper mit höherer Temperatur zum Körper mit niedriger Temperatur abgegeben. Heute können wir sagen: Die Wärme Q ist das, was allein aufgrund eines Temperaturunterschiedes zwischen zwei Körpern ausgetauscht wird. Eine Einheit für die Wärmemenge wurde eingeführt, als die Natur der Wärme noch unbekannt war. Die Kalorie (cal) wird definiert als die Wärmemenge Q, durch die 1g Wasser unter Normdruck (p=1 atm) von 287.65K auf 288.65K erwärmt wird. Aus unserer Diskussion über Temperatur und mikroskopische Vorgänge folgt ganz klar, dass man einem Körper Energie zuführen muss, um seine Temperatur zu erhöhen. Benjamin Thompson 9 schlug erst am Ende des 18. Jahrhunderts vor, dass die Wärme eine Form von Energie ist. Man muss deshalb für die Wärmeenergie dieselbe Einheit der Energie benutzen, die für die mechanische Energie benutzt wird. 9. Benjamin Thompson (1753-1814) Physik 331 Heute wird die MKS-Einheit Joule für die Wärmemenge verwendet, und es gilt 1 Kalorie ( cal ) = 4, 1868 Joule ( J ) 7.5.1 Definition der Wärmekapazität Verschiedene Körper underscheiden sich durch die Menge von Energie, die benötigt wird, um ihre Temperatur um einen bestimmten Betrag zu erhöhen. Wenn wir einem Körper eine Wärmeenergie Q zuführen, wird seine Temperatur um T erhöht. Die Wärmekapazität C des Körpers wird definiert als C Q T Q= C T wobei Q die benötigte Energie ist, um die Temperatur des Körpers um T zu erhöhen. Die Wärmekapazität einer Substanz pro Masseneinheit wird als spezifische Wärmekapazität bezeichnet. : Die spezifische Kapazität ist Q c Q= cm T m T wobei m die Masse der Substanz ist. Die Einheit ist J/g/K. Die Wärmekapazität einer Substanz pro Mol wird als molare Wärmekapazität bezeichnet: 332 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

e a Wärmeenergie und Wärmekapazität Die molare Wärmekapazität einer Substanz ist Q c Q= cn T n T wobei n die Anzahl der Mole ist. Die Einheit ist J/mol/K. Man spricht z.b. von der Wärmekapazität C eines Gegenstands, aber von der spezifischen Wärmekapazität c von Kupfer. Die Wärmekapazitäten pro Masse oder pro Mol werden mit Hilfe ihrer Einheiten unterschieden. Die Wärmemenge, die man zuführen muss, um einen Körper von T a auf T e zu erwärmen ist gleich = = ( ) Q dq C T dt T T Wenn die Temperaturänderung nicht zu gross ist, wird die Wärmekapazität C(T) als eine Konstante betrachtet, und es gilt Q = C( Te Ta)= C T 7.5.2 Wärmekapazität eines (einatomigen, idealen) Gases Wir betrachten nun ein Gas. Im Allgemeinen hängt seine Wärmekapazität vom intermolekularen Abstand, d.h. vom Volumen oder der Dichte des Gases ab. Für ein ideales Gas ist die Volumen- oder Dichte-Abhängigkeit vernachlässigbar. In diesem Fall gilt: Physik 333 Die Wärmekapazität C des idealen einatomigen Gases (bei konstantem Volumen) ist gleich C = 3 Nk 2 Wenn wir ein Mol des Gases betrachten, dann finden wir die molare Wärmekapazität 3 2 c= NA k = R 3 2 3 2 ( 831, J / mol / K ) 125. J / mol / K Wir brauchen 12.5 J pro Mol, um die Temperatur eines idealen Gases um 1 K zu erhöhen. 7.5.3 Wärmekapazität eines Festkörpers Die spezifischen Wärmekapazitäten (pro g) von Festkörpern haben sehr unterschiedliche Werte. Siehe Tabelle 1. Experimentell (d.h. aus der Tabelle) folgt: Wenn wir uns auf die molare Wärmekapazitäten (pro Mol) beziehen, d.h. auf die Anzahl der Atome und nicht auf die Masse, werden die Werte nicht mehr so unterschiedlich. Es gibt wenige Ausnahmen, wie z.b. Beryllium, Bor und Diamant. Diese Fälle werden als anomal bezeichnet und werden später betrachtet. Man sieht auch, dass Wasser im Vergleich zu den meisten Festkörpern eine hohe Wärmekapazität besitzt. 334 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmeenergie und Wärmekapazität Dass die molaren Wärmekapazitäten von Festkörpern sehr ähnliche Werte aufweisen, wird als Dulong-Petitsche Regel 10 bezeichnet: c 25 J / mol / K Dieses Verhalten wird natürlich mit der Atomtheorie des Materieaufbaus erklärt. Wir beobachten, dass der Wärmebetrag, der benötigt wird, um die Temperatur pro Atom um 1 K zu erhöhen, vom Stoff unabhängig ist. Tabelle 1. Wärmekapazitäten verschiedener Stoffe bei Zimmertemperatur und einem Druck von 1 atm. Stoff Spezifische Wärmekapazität in J/g/K molare Masse in g/mol Aluminium 0,9 27 24,4 Kupfer 0,386 63.5 24,5 Blei 0,128 207 26,5 Silber 0,236 108 25,5 Beryllium 11 Bor 13 Wenn man die molare Wärmkapazität betrachtet, hat man es beim Vergleich verschiedener Stoffe immer mit derselben Anzahl von Ato- Kohlenstoff(Diamant) Wasser 4,182 18 75,4 molare Wärmekapazität in J/mol/K 6 In Festkörpern schwingen die Atome oder Moleküle um ihre Gleichgewichtslage. Wenn das Volumen des Körpers konstant gehalten wird, so dass die Abstände der Atome ungeändert bleiben, tritt die zugeführte Wärmeenergie nur als Schwingungsenergie auf. 10.Dulong und Petit (1819). Physik 335 men zu tun. Es folgt, dass die molare Wärmekapazitäten von Festkörpern sehr ähnliche Werte aufweisen müssen. Demonstrationsexperiment: Spezifische Wärme von Al und Pb Wir benutzen 14 Mol von Al und Pb. Obwohl wir dieselbe Anzahl Mole verwenden, sind die molaren Massen von Blei und Aluminium sehr unterschiedlich. Die zwei Massen sind daher sehr verschieden: die Masse von Blei ist 2,9 kg und die von Aluminium ist 380 g. Trotzdem wird im Experiment gezeigt, dass die molaren Wärmekapazitäten von Blei und Aluminium ähnlich sind. Dies wird so demonstriert: die zwei Massen wurden in kochendes Wasser eingetaucht bis ihre Temperatur ungefähr 100 C ist. Nachher werden die Massen in zwei Behälter eingetaucht (Siehe Abb. 16), die mit gleichviel kaltem Wasser gleicher Temperatur gefüllt sind. Wir messen die Endtemperaturen des Wassers in den Behältern. Wir beobachten, dass die Endtemperaturen gleich sind. Berechnung: Molare Masse: m Pb = 207 g/mol m Al = 27 g/mol Masse: M Pb = 14mol 207g/mol 2900 g m Al = 14mol 27g/mol 380 g nc(pb) nc(al) 25 14 = 350 J/K Wasser: C W =4,182 J/g/K M W =500 g M W C W =2090 J/K Wärme wird auf das Wasser übertragen: W W C M ( Te T W a )= nc T T ( ) a e wobei T a und T e die Anfangs- und Endtemperatur sind. Mit T a 373K und T a W 293K finden wir 336 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)

Wärmeenergie und Wärmekapazität T e W W ( nct a + C M T W a ) = W W C M + nc ( ) ( ( )( )) ( 350 J / K)( 373 K)+ 2 090 J / K 293 K 2090 J / K + 350 J / K 30 C ( ) 300 K Figur 16. Bestimmung der Wärmekapazitäten von Blei und Aluminium. Physik 337 7.6 Latente Wärme Wird einem Körper Wärme zugeführt, steigt im Allgemeinen seine Temperatur. Wir wissen, dass bei einer bestimmten Temperatur und einem bestimmten Druck eine Wärmezufuhr keine Temperaturerhöhung verursacht, nämlich wenn ein Phasenübergang stattfindet. Die benötigte Wärme Q, um einen Phasenübergang (ohne Temperaturänderung) zu machen, ist zur spezifischen latenten Wärme L proportional Q= LM wobei M die Masse des Körpers ist. Einige Schmelz- und Siedepunkte und die spezifischen latenten Wärmen sind in Tabelle 2 aufgelistet. Tabelle 2. Schmelzpunkte und Siedepunkte und spezifische latente Wärme (bei p=1 atm) Substanz Schmelzpunkt (K) L Schmelz (J/g) Siedepunkt (K) Wasser 273,15 333 373,15 2260 Blei 600 25 2020 860 Helium 4,2 20 Sauerstoff 54,4 14 90,2 210 Stickstoff 63 26 77,35 200 Kupfer 1356 205 2839 4730 L Verdampfung (J/g) 338 Physik, SS2005, Prof. A. Rubbia (ETH/Zürich)