Patient mit Kurzdarmsyndrom

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Transkript:

Patient mit syndrom Interdisziplinäre ernährungstherapeutische Maßnahmen Elisabeth Hütterer DDA & EMB AKH Wien

Dieses Fallbeispiel soll stellvertretend für viele syndrome die Bedeutung einer kompetenten, gezielten und umfassenden Ernährungstherapie aufzeigen

Sozialanamnese Patient geb. 1967 wohnhaft in Schrems verheiratet Sohn 3 Jahre

Anamnese Analatresie mit OP in der 1. Lebenswoche Während der nächsten 34 Jahren keine Probleme 3/2001 spontan auftretender Darmverschluss mit konservativer Behandlung 15.01.02 wieder Darmverschluss mit konservativer Behandlung und OP

Anamnese Nach 2 OP schließlich akute Transferierung ins AKH Wien Zuweisung: 4-Quadranten-Peritonitis nach Ileusoperation mit multiplen Dünndarmperforationen 03.02.02 begrenzte Dünndarmresektion mit neuerlicher Übernähung der bestehenden Dünndarmperforationen Anlage eines endständigen Jejunostomas und terminalen Ileostomas

Anamnese 17.02.2002 neuerliche OP wegen Nachblutung und Hämatomausräumung 19.02.02 Resektion der perforationstragenden Anteile des proximalen Dünndarms und Anlage einer endständigen Ileostomie 20 cm aboral der Flexura duodeni jejunalis Implantation eines Portkatheters

Anamnese Ende 2/02 Transferierung von Intensiv- auf Normalstation Parenterale Ernährung über Portkatheter und minimale enterale Ernährung mit Pumpe über Stoma des terminalen Ileums/ Colons

Physiologische Konsequenzen der Jejunumresektion Raschere Magenentleerung Mangelnde Resorption von Fe, Ca, Mg, fettlöslichen Vitaminen Fehlende jejunale Sekretion von Cholezystokinin Abnahme der Gallenblasenkontraktionen sowie der exokrinen Pankreassekretion Erhöhte Serumgastrinspiegel mit gesteigerter Magensäuresekretion Erniedrigter ph-wert im Dünndarm Zusätzliche Verschlechterung der Aktivität der Verdauungsenzyme und der Steatorrhoe Laktasemangel führt zur Laktosemalabsorption

Physiologische Konsequenzen der Ileumresektion Große Flüssigkeitsverluste Raschere Magenentleerung und Transitzeit, da Hormone fehlen Chologene Diarrhoe aufgrund der Unterbrechung des intrahepatischen Kreislaufs Vitamin B 12 Malabsorption Steatorrhoe und Malabsorption fettlöslicher Vitamine Reduktion des Gallensäurepools steigert die Gefahr der Cholelithiasis Hyperoxalaturie und Oxalatnephrolithiasis Gesteigerte Mucosapermeabilität im Kolon aufgrund von Gallensäuren und langkettigen Fettsäuren

Ernährungsregime Parenteral: GNL-MOF mit 100ml Elotrace, 1 Soluvit, 1 Vitalipid Ziel: 25kcal/kg KG (=2000kcal/80kg KG) Elektrolytausgleich laut Monitoring Flüssigkeitsausgleich laut Bilanz Enteral: 250 ml Survimed OPD mittels Pumpe über Sonde Oral: Nach Kostaufbau Wahlkost Flüssigkeit in kleinen Schlucken

Entlassung 22.03.02 Beginn HPE über Port und minimale enterale Ernährung über Stoma Ernährung: Individuelle GNL 1500ml Ringer Lösung 250 ml Survimed OPD über Sonde Oral ad libitum

Wiederaufnahme 14.04.2002 Portinfektion mit neuerlicher Portimplantation 06.06.2002 stationäre Aufnahme in KH Waidhofen, da Port nicht funktionierte 08.06.2002 neuerliche Transferierung ins AKH wegen Portinfektion. Da Antibiotikagabe nicht erfolgreich war, wurde Port entfernt

Weiterer Verlauf Aufgrund des guten Ernährungszustands wurde vorerst von einer geplanten Dünndarmtransplantation Abstand genommen und eine gastrointestinale Rekonstruktion durchgeführt

Situation April 2003 67 kg/ 1,78m (BMI 21,14 kg/m²) stabil bis langsam steigend 22.7.02 61kg (vor Krankheitsbeginn 91kg) 4-7 Stühle/Tag Durchschnittliche orale Nahrungsaufnahme ~ 4000kcal (60kcal/kg KG) Keine zusätzliche intravenöse Therapie erforderlich

Laborwerte Normalbereich: Blutbild, Albumin, Gesamteiweiß, CRP, Elektrolyte, Fe, Nierenparameter, Bili, GOT, GPT, LDH, Pankreasenzyme, Vitamin A + E, Folsäure, Zinkspiegel Erhöht: alkal. Phosphatase, gamma-gt Erniedrigt: Gesamtcholesterin, Selen, aktives Vit. D

Zusätzliche klinische Befunde Xylosetest 14% Leber- und Nierensonographie o.b. Knochendichte im unteren altersentsprechenden Normalbereich

Orale medikamentöse Therapie Cal-D-Vita 3Stk/Tag Ursofalk 1-0-1 Magnesium Verla Kps. 2Stk/Tag Supradyn 1/Tag Selen Trinkampullen 1/Tag Vitamin-B 12 alle 6 Wochen i.m.

Situation Jänner 2004 Gewicht 73kg/1,78m (BMI 23,04kg/m²) Stuhl unverändert Blutbefunde außer Selen und Zink im Normalbereich Xylosetest 39% -> orale Substitution von Selen und Zink -> Vitamin-B 12 alle 6 Wochen i.m.

Aktuelle Situation Gewicht 73kg (Pat. isst alles ) Stuhl unverändert Blähungen -> Glucose-H 2 -Atemtest Blutbefunde außer Fe, TFS und aktives Vit.D im Normalbereich Durchschnittliche orale Nahrungsaufnahme ~ 3000kcal (41kcal/kg KG) Knochendichte im altersentsprechenden Normalbereich aber Abnahme von 20,4% im Vergleich zu 12/02)

Ich weiß, dass ich es ohne dieser vorübergehender heimparenteralen Ernährung sowie der anschließenden oralen Substitution nicht geschafft hätte, bin aber sehr froh, dass ich mich wieder auf normalen Weg und ohne Dünndarmtransplantation ernähren kann. Ich möchte mich an dieser Stelle bei ALLEN bedanken, die mich in dieser schweren Zeit unterstützt haben!

Hinweis: Selbsthilfegruppe syndrom: Gemeinsam statt einsam Fr. Zeppezauer 0723/797666 -Linz Literatur: Edler J. u.a. Behandlung des syndroms in Journal für Gastroenterologische und Hepatologische Erkrankungen (2/2003, 1/2004 und 2/2004)