DIE SITUATION DER ARBEITNEHMER_INNEN IM HANDEL

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Transkript:

PRESSE- KONFERENZ 26.2.2014 DIE SITUATION DER ARBEITNEHMER_INNEN IM HANDEL Eine Studie von Wifo und IFES im Auftrag der AK Wien RUDI KASKE Präsident der AK Wien DWORA STEIN GPA-djp SILVIA ANGELO AK Wien, Leiterin Wirtschaftspolitik

Handel: Stabiler Arbeitgeber! Fairer Arbeitgeber? Eine neue Studie von WIFO und IFES im Auftrag der AK Wien analysiert die Situation der ArbeitnehmerInnen im Handel in Österreich. Klar ist: der Handel ist eine Frauenbranche. Von insgesamt 525.000 ArbeitnehmerInnen sind 56 Prozent Frauen, im Einzelhandel 75 Prozent. Dank stabiler Konsumnachfrage hat der Handel die Krisenjahre bisher gut überstanden und bleibt auch weiter ein wichtiger Faktor am Arbeitsmarkt. Die ArbeitnehmerInnen profitieren aber nicht ausreichend von der positiven Entwicklung des Handels. Besonders schwierig ist die Situation für Teilzeitarbeitskräfte. Und das trotz des hohen Teilzeitanteils im Handel. Ein Fünftel gibt an, dass ihr Einkommen allein nicht zum Leben ausreicht. Frauen sind hier besonders betroffen, denn sie stellen 90 Prozent aller Teilzeitkräfte. Benachteiligt sind außerdem MigrantInnen und ältere Arbeitskräfte. Es sind die Großbetriebe, die die Standards bei den Arbeitsbedingungen setzen. Zwar ist der Handel eine mehrheitlich kleinstrukturierte Branche. Im Einzelhandel allerdings arbeitet ein ganzes Drittel aller Arbeitskräfte in Unternehmen mit mehr als 500 MitarbeiterInnen. Um die Arbeitsbedingungen der KollegInnen im Handel zu verbessern bedarf es aus Sicht von AK und GPA-djp mehr Gerechtigkeit für Teilzeitkräfte, einer raschen Umsetzung eines Bonus- Malus-Systems und alternsgerechte Arbeitsplätze, sowie einer besseren Anerkennung der Qualifikationen von MigrantInnen: AK Präsident Rudi Kaske: Ein Auskommen mit dem Einkommen muss möglich sein, auch im Handel, der so sehr auf Frauen und Teilzeitkräfte setzt. Es kann z. B. nicht sein, dass Vollzeitstellen nur extern ausgeschrieben werden und MitarbeiterInnen, die dem Betrieb jahrelang die Treue gehalten haben, hier leer ausgehen. Ich fordere hier mehr Respekt vor den Leistungen der ArbeitnehmerInnen! Und ich erwarte mir vom Handel, dass er uns bei der Forderung nach einer Lohn- und Einkommenssteuersenkung unterstützt. Schließlich muss es auch hier ein Interesse daran geben, den Inlandskonsum anzukurbeln. AK Vizepräsidentin Dwora Stein, Bundesgeschäftsführerin der GPA-djp: Die vorliegende Studie beschreibt deutlich die Anforderungen für das geplante neue Entgeltsystem im Handel. Gerechte Bewertung von Qualifikation und Arbeit im Handel, Berücksichtigung der Berufsunterbrechungen bei der Entgeltfindung sind logische Konsequenzen aus dem Bericht. Ein zeitgemäßes Entgeltschema im Handel muss innovative Lösungen zur Beseitigung der Einkommensnachteile von Frauen beinhalten. Die Studie Beschäftigung im Handel des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO und des Instituts für Empirische Sozialforschung IFES analysiert die Situation der ArbeitnehmerInnen in der Branche seit Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise. Neben Daten der Statistik Austria und des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger von 2008 bis 2012 wurde der von IFES im Auftrag der AK vierteljährlich erhobene Arbeitsklimaindex der Jahre 2009 bis 2013 mit Interviews von 2.869 Einzelhandelsbeschäftigten herangezogen. Seite 2 von 8

Arbeitsbedingungen im Handel mit Fokus auf den Einzelhandel Mehr Arbeitsplätze trotz Finanz- und Wirtschaftskrise Der Handel ist eine Stütze des Arbeitsmarktes in Österreich. Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise verzeichnete der Handel 2012 gegenüber 2008 eine Ausweitung der Beschäftigungsverhältnisse um 14.000 Stellen oder plus 2,7 Prozent auf 525.000 ArbeitnehmerInnen. Eine genauere Betrachtung zeigt, dass das Beschäftigungswachstum fast ausschließlich auf das Konto des Einzelhandels geht, während Groß- und Kfz-Handel kein oder nur ein sehr geringes Beschäftigungswachstum aufweisen. Die Ursache für die gute Krisenbewältigung des Handels, insbesondere des Einzelhandels, war vor allem die stabile Konsumnachfrage der heimischen Haushalte in den Krisenjahren 2009/2010, dank Maßnahmen wie Kurzarbeit und Steuerreform, die sich auch für die Gesamtwirtschaft positiv auswirkten. Seit 2011 sind ein Nachlassen der Konsumnachfrage und eine stagnierende Entwicklung feststellbar. Die Großbetriebe setzen die Standards Die Hälfte aller Arbeitsplätze im Handel findet sich in Betrieben mit bis zu 50 ArbeitnehmerInnen. Ein ganzes Drittel der Arbeitskräfte arbeitet allerdings in Großunternehmen mit mehr als 500 ArbeitnehmerInnen. Somit arbeitet ein Drittel der Arbeitskräfte im Handel bei nur 0,3 Prozent aller Handelsunternehmen. Die Bedeutung der Großunternehmen ist in der Untergruppe Handel mit Waren verschiedener Art, der im Wesentlichen den Lebensmitteleinzelhandel beinhaltet, noch größer: Hier sind zwei von drei ArbeitnehmerInnen in Großbetrieben tätig. Dies ist nicht nur Ausdruck der Marktkonzentration im Einzelhandel, sondern diese Großbetriebe bestimmen auch die Arbeitsbedingungen für die gesamte Branche. Es findet sozusagen auch eine Konzentration hinsichtlich der Setzung der Maßstäbe bei den Arbeitsbedingungen statt, weil diese Großunternehmen als positive oder negative Beispiele für alle Unternehmen des Handels dienen. Teilzeit steigt, kein Auskommen mit dem Einkommen Der überwiegende Teil der seit 2008 entstandenen Arbeitsplätze sind Teilzeitstellen, konkret 12.000 von 14.000 neuen Stellen. Der Anteil der Stellen ab 35 Stunden nimmt im Handel weiter ab. Von den Teilzeitkräften sagt ein Fünftel, dass ihr Einkommen zum Leben nicht ausreicht (bei Vollzeit sind es 6 Prozent). Weitere 50 Prozent der Teilzeitkräfte sagen, dass es nur gerade ausreicht. Besonders betroffen sind die Arbeitskräfte im Einzelhandel. Gegenüber 2008 stieg der Anteil der Teilzeitbeschäftigten im Einzelhandel von 42 auf 47 Prozent. Bei den Frauen ist der Anteil, die maximal bis 34 Stunden arbeiten, mit 56 Prozent noch wesentlich höher als im Durchschnitt aller Handelsarbeitskräfte. 90 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten im Handel sind Frauen. Demgegenüber zeigt sich, dass 85 Prozent der Männer 35 oder mehr Stunden arbeiten. 32 Prozent sogar mehr als 45 Stunden. Diese Aufteilung der Arbeitszeit ist auch ein klarer Hinweis darauf, dass Führungspositionen mehrheitlich mit Männern besetzt werden. Seite 3 von 8

Grafik: Wöchentliche Arbeitszeit im Einzelhandel von Frauen und Männern im Jahr 2012 Der hohe Anteil an Teilzeitarbeit im Einzelhandel (8 Prozentpunkte über der Gesamtwirtschaft) ist aber bei weitem nicht selbst gewählt: Die geringe Einkommenszufriedenheit der Teilzeitkräfte ist ein Hinweis dafür, dass ArbeitnehmerInnen ihre Arbeitszeit bei passenden Rahmenbedingungen aufstocken würden. 12,5 Prozent der teilzeitbeschäftigten Frauen sagen ganz direkt, sie seien unfreiwillig in Teilzeit und würden gerne Vollzeit arbeiten. Besonders betroffen davon sind im Ausland geborene Frauen: jede Fünfte möchte länger arbeiten, findet aber keine Vollzeitstelle. Teilzeitbeschäftigte sind im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten auch deutlich weniger zufrieden mit ihren Aufstiegsmöglichkeiten. Während 22 Prozent der Teilzeitkräfte mit den Aufstiegsmöglichkeiten wenig bis gar nicht zufrieden sind, liegt dieser Wert bei den Vollzeitkräften bei 15 Prozent. Wichtige Ausbildungsbranche, aber Handlungsbedarf bei der Weiterbildung Der Handel ist nach wie vor eine wichtige Ausbildungsbranche. Im Jahr 2012 waren rund 125.000 Lehrlinge gemeldet. Im Gegensatz zu anderen Branchen (vor allem Gewerbe und Handwerk) ist der Anteil an Handelslehrlingen zwischen 2009 und 2012 nur geringfügig zurückgegangen. Rund 15 Prozent aller Lehrlinge werden im Handel ausgebildet, bei Frauen ist der Handel mit einem Anteil von 30 Prozent überhaupt die wichtigste Ausbildungssparte. Wenn es um Weiterbildungsmöglichkeiten geht, ist die Situation weniger zufriedenstellend. Besonders Teilzeitkräfte sehen sich in ihren Weiterbildungsmöglichkeiten benachteiligt. Jede fünfte Teilzeitkraft beurteilt ihre Weiterbildungsmöglichkeiten als wenig bis gar nicht zufriedenstellend. Situation für die ArbeitnehmerInnen Situation der Frauen: Teilzeit und Lohndiskriminierung Insgesamt sind 288.000 oder 56 Prozent der ArbeitnehmerInnen im Handel Frauen. Im Einzelhandel beträgt der Frauenanteil fast 75 Prozent. Doch obwohl die Mehrheit der Arbeitskräfte im Handel Frauen sind, sind sie in mehrfacher Hinsicht gegenüber ihren männlichen Kollegen benachteiligt. Seite 4 von 8

Durch die hohe Teilzeitquote bei den Frauen - 90 Prozent der Teilzeitbeschäftigten sind Frauen - verlieren sie rasch an Boden und hinken in fast allen Bereichen den Männern hinterher (Gehalt, Weiterbildungs- und Aufstiegsmöglichkeiten). Ergebnisse des bildungsbezogenen Erwerbskarrierenmonitoring zeigen, dass von jenen, die im Schuljahr 2008/2009 eine Lehre im Handel abgeschlossen haben, 13,2 Prozent der Männer in ihrer ersten unselbständigen Erwerbstätigkeit ab 1.800 Euro brutto verdienen. Bei den Frauen erzielen allerdings nur 4 Prozent ein solches Einkommen. Das heißt, dass Frauen selbst mit gleicher Qualifikation im Handel deutlich geringere Einkommenschancen haben. Frauen erzielen außerdem auch im weiteren Erwerbsverlauf wesentlich geringere Einkommenssteigerungen. Befragt man Arbeitskräfte im Handel im Alter von 29 Jahren und mit 45 Jahren nach ihren durchschnittlichen Nettoeinkommen von 2009 bis 2013, zeigt sich folgendes Bild: Während Männer von ihrem 29. Lebensjahr an bis zum 45. ihr Einkommen um 48 Prozent steigern können (1.110 Euro auf 1.640 Euro), kommen Frauen hier nur auf plus 17 Prozent (von 930 auf plus 1.090 Euro). Dass die Einkommensschere nur zum Teil mit dem geringeren Verdienst aufgrund der dominierenden Teilzeitbeschäftigung zusammenhängt, zeigen Vergleiche bei den Vollzeitbeschäftigten: so liegt der durchschnittliche Nettoverdienst der Frauen in einer Vollzeitbeschäftigung bei 1.170 Euro und damit mehr als 300 Euro unter dem der Männer. Situation der Älteren: Bis zur Pension schaffen es nur wenige Personen im Alter zwischen 55 bis 64 Jahren sind im Einzelhandel deutlich unterrepräsentiert. So stellen über 55-Jährige von 2008 bis 2012 durchschnittlich nur 6,6 Prozent aller Arbeitskräfte im Einzelhandel. Dieser Wert liegt deutlich unter jenem der Gesamtwirtschaft von 8,5 Prozent. Aber auch bei den ArbeitnehmerInnen ab 50 Jahren ist der Handel kein Vorbild. Das zeigt eine aktuelle AK Abfrage der Arbeitsmarkt-Datenbank des Sozialministeriums: Nur 18 Prozent der im Einzelhandel Beschäftigten sind älter als 50 Jahre, in der Gesamtwirtschaft sind es 22 Prozent. Zum Vergleich: Es gibt auch Branchen, wo 40 Prozent der Arbeitskräfte über 50 Jahre sind. Auffallend ist auch der hohe Anteil von Teilzeitbeschäftigten im Einzelhandel bei den über 55- Jährigen: Dieser liegt 2012 bei 60 Prozent. Das ist mehr als doppelt so hoch, wie der Anteil in der Gesamtwirtschaft (26,9 Prozent) und um 2,3 Prozentpunkte über dem Wert von 2008. Bezeichnend ist der geringe Anteil der Älteren unter den Neuzugängen. Betrachtet man jene Beschäftigungsverhältnisse, die seit weniger als einem Jahr aufrecht sind, nach der Altersverteilung, so entfallen lediglich 3 Prozent der neu begründeten Beschäftigungsverhältnisse auf Personen die 55 Jahre oder älter sind. Situation der MigrantInnen mehr Anerkennung notwendig Die Studienergebnisse zeigen, dass MigrantInnen zu Recht mehr Anerkennung einfordern. Etwa 15 Prozent aller unselbständig Beschäftigten im Handel sind im Ausland geboren. Migrantinnen und Migranten erwarten durch eine Beschäftigung im Handel die Möglichkeit des beruflichen Aufstieges, damit einer besseren gesellschaftlichen Stellung und leichterer Integrationsmöglichkeit. Diese Erwartungen bleiben oft unerfüllt. Die Analyse der beruflichen Stellung der MigrantInnen im Einzelhandel nach ihrem Qualifikationsniveau zeigt: Nahezu die Hälfte der Matura- und HochschulabsolventInnen mit Seite 5 von 8

migrantischem Hintergrund sind als einfache Angestellte tätig. Sie verfügen auch oftmals über zusätzliche Sprachkompetenzen, die allerdings nicht abgegolten werden. Die unfreiwillige Teilzeit ist bei MigrantInnen besonders hoch (21 Prozent). Es besteht also die Tendenz mehr Wochenstunden leisten zu wollen, als vom Arbeitgeber zugestanden. 17 Prozent der MigrantInnen sagen, dass ihr Einkommen nicht zum Leben ausreicht. Die Beschäftigungsverhältnisse von MigrantInnen sind auch deutlich instabiler es gibt häufigere Dienstgeberwechsel als bei Personen ohne Migrationshintergrund. Jede/r vierte MigrantIn (25 Prozent) sagt, dass sie wenig oder gar nicht mit den Weiterbildungsmöglichkeiten zufrieden ist (Gesamtwert: 16 Prozent), und ebenfalls 24 Prozent sind in Bezug auf ihre Aufstiegsmöglichkeiten stark unzufrieden. Fazit: Verbesserungsbedarf bei Arbeitsbedingungen AK Präsident Rudi Kaske: Damit der Handel seine stabilisierende Funktion für den Arbeitsmarkt beibehalten kann, muss der Inlandskonsum angekurbelt werden. Die Studie zeigt aber auch, dass es bei den Arbeitsbedingungen Verbesserungsbedarf gibt, auch auf gesetzlicher Ebene. Das trifft besonders auf Frauen zu. Es geht nicht, dass eine Branche, bei der mehr als die Hälfte der Arbeitskräfte Frauen sind, diese benachteiligt. Da braucht es moderne Konzepte, v. a. bei der Teilzeitarbeit und mehr Vollzeitarbeitsplätze. Handlungsbedarf gibt es auch bei älteren Beschäftigten und MigrantInnen. AK Vizepräsidentin Dwora Stein, Bundesgeschäftsführerin der GPA-djp: Der Handel hat begonnen, sich durch die letzten Gehaltsabschlüsse der GPA-djp endgültig von einer Niedriglohnbranche weg zu entwickeln, es wurde beispielsweise mit dem aktuellen Doppelabschluss die langjährige Forderung nach einem Mindestgehalt von 1.500 Euro ab dem kommenden Jahr durchgesetzt. Trotzdem bleibt noch viel zu tun: der gesetzlich verankerte Mehrstundenzuschlag muss in der Anwendung wirksamer und erhöht werden. Der Handel hat in seiner Rolle als größter Arbeitgeber eine besondere soziale und gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. Dies betrifft Ausbildung gleichermaßen wie gerechte Entlohnung von Frauen oder die Beschäftigung älterer ArbeitnehmerInnen. Letzteres ist angesichts der aktuellen Entwicklungen im Pensionsrecht für uns alle von besonderer Bedeutung. Wenn der Handel bestimmte Personengruppen benachteiligt oder von positiven Entwicklungen ausschließt, hat das starke Auswirkungen auf das gesamte soziale und gesellschaftliche Gefüge in Österreich. Daher fordern AK und GPA-djp Einkommensgerechtigkeit Die angespannte finanzielle Situation vieler ArbeitnehmerInnen im Einzelhandel hat auch Auswirkungen auf die Altersversorgung. Durch Teilzeitphasen und Auszeiten ist im Alter aufgrund der Berücksichtigung des gesamten Erwerbslebens bei der Berechnung der Pension auch mit noch niedrigeren Frauenpensionen zu rechnen! Einkommenssteuerreform Eine Entlastung der ArbeitnehmerInnen und ein höherer Beitrag der Vermögenden ist grundsätzlich eine Frage der Gerechtigkeit. Den ArbeitnehmerInnen im Handel hilft eine Einkommenssteuerreform mit niedrigeren Eingangssteuersätzen doppelt: Einmal indem die Inlandsnachfrage insgesamt angekurbelt wird, weil den KonsumentInnen mehr von ihrem Lohn bleibt. Das stärkt letztlich die Seite 6 von 8

gesamte Volkswirtschaft. Außerdem wird sich bei vielen Handelsangestellten auch ganz direkt die eigene Steuerlast verringern. Neues Gehaltsschema im Kollektivvertrag: Gerechte Bewertung von Tätigkeiten und Qualifikationen bei der Entgeltfindung durch ein zeitgemäßes Beschäftigungsgruppenschema. Berücksichtigung häufiger Berufsunterbrechungen bei dienstzeitabhängigen Ansprüchen (z. B. Vordienstzeiten, Urlaub, Vorrückungen etc..). Gerechte Beteiligung der Angestellten im Handel bei den Kollektivvertragsabschlüsen am wirtschaftlichen Erfolg der Branche Einkommenstransparenz nachschärfen: Bei der Entwicklung der Einkommen zeigt die Studie eine große Ungleichheit zwischen Männern und Frauen. Die Einkommen steigen bei Männern viel stärker, als bei Frauen. Gerade in der Frauenbranche Handel wäre es wichtig zu wissen, auf welche Faktoren dies zurückzuführen ist. Daher fordert die AK die Erfassung der Anzahl der Voll- und Teilzeitkräften nach Entlohnungsstufen in den Einkommensberichten, um etwaige Diskriminierungen von Teilzeitkräften aufzuzeigen. Allgemein gilt: Den Einkommensberichten müssen auch Taten folgen. Werden Schieflagen festgestellt soll es Gleichstellungspläne zur Beseitigung geben. Die Nutzung von Sprachkompetenzen und anderen Qualifikationen von MigrantInnen im Handel soll sich auch einkommensmäßig rechnen. Teilzeit anerkennen, Vollzeit ermöglichen In der AK Beratungspraxis zeigt sich, dass Vollzeitstellen fast nur mehr für Filial- und Rayonsleiterpositionen angeboten werden. Es braucht hier einerseits Verbesserungen für Teilzeitarbeitskräfte, andererseits sollen jene, die Vollzeit arbeiten wollen, auch die Möglichkeit dazu bekommen. Einkommen mit dem Auskommen muss das Ziel im Handel sein. Das ist auch ein Beitrag zur Verkleinerung der Einkommensschere, nachdem der Handel eine Frauenbranche ist. Mehr Vollzeitstellen: Dass die ArbeitnehmerInnen nur Teilzeitstellen nachfragen würden, ist durch die Studie klar widerlegt. Vorzug für Teilzeitkräfte bei Besetzung von Vollzeitstellen sowie Stellen mit höherer Arbeitszeit. Eine reine Informationspflicht reicht hier nicht aus. Gleicher Zuschlag für Mehrarbeit bei Teilzeit wie bei Vollzeit. Führungspositionen auch für Teilzeitkräfte: Obwohl der Handel so stark auf Teilzeitarbeitsplätze setzt, gibt es keine Strategie, wie Führungspositionen von Teilzeitkräften ausgefüllt werden können. Das benachteiligt insbesondere Frauen. Der Handel nutzt hier vorhandenes Potential und Möglichkeiten innovativer Lösungen nicht. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ermöglichen Kinderbetreuungspflichten sind die häufigste Ursache für Teilzeit bei Frauen, eine Vollzeitarbeit ist oft nicht möglich. Der hohe Teilzeitanteil im Handel heißt aber keineswegs, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Familie automatisch besser ist. Im Gegenteil: Arbeit an den Randzeiten und an Samstagen, wenn institutionelle Kinderbetreuungsplätze nicht geöffnet sind, sind häufig ein Problem. Zudem kommen immer häufiger ArbeitnehmerInnen in die AK Beratungspraxis, deren Arbeitgeber versuchen, durch unzumutbare Versetzungen nach einer Karenz, z. B. in eine weit entfernte Filiale Druck zu machen. Häufig passiert dies dann, wenn ArbeitnehmerInnen eine Elternteilzeit oder Festlegung der Arbeitszeit anmelden. Weiterer Ausbau der Kinderbetreuung: Die Regierung ist daher gefordert, beim Ausbau für bessere Öffnungszeiten mit weniger Ferienschließzeiten mehr Plätze für Unter-Dreijährige und mehr Qualität in der Kleinkindpädagogik zu sorgen. Keine verschlechternden Versetzungen nach der Karenz: Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Konkret fordert die AK: Versetzungen, die für ArbeitnehmerInnen zum Nachteil sind, sollen erst nach Zustimmung des Arbeits- und Sozialgerichts gültig werden. Die Situation heute ist: die Seite 7 von 8

ArbeitnehmerInnen müssen die schlechteren Arbeitsbedingungen bis zur Gerichtsentscheidung in Kauf nehmen, um keine Entlassung zu riskieren. Mehr Weiterbildung Die Möglichkeit zur Weiterbildung steht in engem Zusammenhang zu beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten. Gerade Teilzeitkräfte sehen sich hier laut Studie im Nachteil. Eine bezahlte Arbeitswoche für alle ArbeitnehmerInnen für betriebliche Weiterbildung fordert die AK für alle ArbeitnehmerInnen. Bildungsteilzeit: Äquivalent für Teilzeitkräfte, ohne die Notwendigkeit, die Arbeitszeit zu verringern. Erleichterung der Anerkennung von formalen und informell erworbenen Kompetenzen von Personen mit Migrationshintergrund sowie Unterstützung im Anerkennungsverfahren. Mehr Chancen für ältere ArbeitnehmerInnen Nicht nur diese, sondern auch weitere Studien und Berechnungen der Arbeiterkammer zeigen, dass Ältere im Handel deutlich unterrepräsentiert sind: Der Handel ist eine der Branchen, die den größten Anteil an den Unternehmen haben, die keine oder nur kurzfristig ArbeitnehmerInnen ab 55 Jahren beschäftigen. (Gilt für Unternehmen ab 20 ArbeitnehmerInnen). Die Gehaltsverläufe im Handelskollektivvertrag sind nicht dergestalt, dass Arbeitskräfte ab 50 Jahren plötzlich unleistbar werden. Nach 18 Jahren im Beruf gibt es bei den kollektivvertraglichen Gehältern keine Steigerung mehr aufgrund von Vordienstzeiten, eine Arbeitskraft mit 55 Jahren verdient also dasselbe, wie eine Mittdreißigerin. Auch die Unterschiede zwischen Einstiegsgehalt und höchstmöglicher Entlohnung nach 18 Berufsjahren sind mit 430 bzw. 700 Euro in den beiden Hauptbeschäftigungsgruppen deutlich niedriger als in anderen Branchen und Berufszweigen. Das kann also nicht als Argument dafür herhalten, warum der Handel so auffallend wenige ältere Arbeitskräfte anstellt. Der Handel muss hier seine gesellschaftliche Verantwortung stärker wahrnehmen. Arbeitsplätze müssen alternsgerecht werden: Anpassung der Arbeitsorganisation, Verminderung der körperlichen und psychischen Belastung. Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung, insbesondere auch Maßnahmen zur Erhaltung der psychischen Gesundheit mit Schwerpunkt Früherkennung. Rasche Einführung eines Bonus-Malus-Systems: Es gibt hier nur eine Schlussfolgerung: Wer zu wenig Ältere beschäftigt, soll empfindliche Geldbußen zahlen. Die Regierung soll hier ein Bonus- Malus-System rascher einführen, als angekündigt. Seite 8 von 8