C h r i s t i a n - Al b r e c h t s - U n i v e r s i t ä t z u K i e l R e c h t s w i s s e n s c h a f t l i c h e F a k u l t ä t Wiederholungs- und Vertiefungskurs SS 2011 Block 3: Besonderes Verwaltungsrecht und Verwaltungsprozessrecht Prof. Dr. Christoph Brüning Au f b a u h i nw e i s e II Vorbemerkung: Nachstehend sind Aufbauhinweise zu den zentralen Verfahrensarten des Verwaltungsprozessrechts wiedergegeben. Sie sind nicht als dogmatisch einzuhaltende Schemata zu verstehen, sondern sollen noch einmal übersichtlich zusammenstellen, wie die Verfasser ihre Lösungen strukturieren können. Der Aufbau folgt, soweit vorhanden, den gesetzlichen Vorgaben, im Übrigen Gesichtspunkten der Sachlogik bzw. der Zweckmäßigkeit. Antrag auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. 80 V, 80 a VwGO Der Antrag auf Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg (siehe 80 V 1 VwGO: Gericht der Hauptsache ) 1. Eingreifen einer aufdrängenden Sonderzuweisung 2. Generalklausel des 40 I 1 VwGO a) öffentlich-rechtliche Streitigkeit b) nichtverfassungsrechtlicher Art c) Nichteingreifen einer abdrängenden Sonderzuweisung
I IV. Statthafte Rechtsschutzform Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens (siehe 122 1 i.v.m. 88 VwGO): Ist dieses auf Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtet? D.h. für die gem. 123 V VwGO gebotene Abgrenzung von 80 V, 80 a zu 123 VwGO i.d.r: Wäre in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft? Antragsbefugnis, 42 II VwGO analog Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis 1. Einlegung eines jedenfalls nicht offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs in der Hauptsache 2. Keine aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs wegen 80 II VwGO 3. Nur bei 80 II 1 Nr. 1 VwGO: grds. ganz oder teilweise erfolgloser Antrag an die Behörde erforderlich V. (Grds.) 2 Keine Antragsfrist VI. Richtiger Antragsgegner, 78 VwGO analog V Beteiligten- und Prozessfähigkeit, 61, 62 VwGO VI Zwischenergebnis 1 2 Über den Antrag wird, wie sich aus 80 VII 1 VwGO ergibt, durch Beschluss entschieden. Soweit nicht im Einzelnen gesetzlich vorgesehen. 2
B. Begründetheit B. 1. Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gem. 80 V 1, 2. Alt. i.v.m. 80 II Nr. 4 VwGO: Der Antrag ist begründet, wenn die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. 80 II 1 Nr. 4 VwGO aus formellen Gründen aufzuheben ist und/oder wenn materiell das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Vollzugsinteresse unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertung des 80 II 1 Nr. 4 VwGO überwiegt. I. Formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung gem. 80 II 1 Nr. 4 VwGO Interessenabwägung Aussetzungs-/Vollzugsinteresse 1. Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts: Antrag begründet bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit: str., ob es wegen der gesetzlichen Interessenbewertung des 80 II 1 Nr. 4 VwGO auch im Falle offensichtlicher Rechtmäßigkeit noch eines zusätzlichen besonderen Vollzugsinteresses bedarf 3 ; nach a.a. bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit Antrag ohne weiteres unbegründet 2. ggf. 4 : umfassende Interessenabwägung 3 4 Dafür spricht nicht nur das Regel-/Ausnahmeverhältnis von aufschiebender Wirkung und behördlicher Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach 80 II 1 Nr. 4 VwGO, sondern auch das formelle Begründungserfordernis nach 80 III VwGO, das nach der Gegenauffassung seinen Bezugspunkt verlöre. Unterbleibt, wenn sich bereits nach der Prüfung zu 1. ein eindeutiges Ergebnis zur Begründetheit des Antrags ergeben hat. 3
B. 2. Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gem. 80 V 1, 1. Alt. i.v.m. 80 II 1 Nr. 1-3, S. 2 VwGO Der Antrag ist begründet, wenn das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des Verwaltungsakts vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei ist von der gesetzlichen Interessenbewertung des 80 II 1 Nr. 1-3, S. 2 VwGO auszugehen, nach der einerseits die sofortige Vollziehbarkeit die Regel und die Aussetzung die Ausnahme darstellt, andererseits eine Aussetzung, wie sich aus 80 IV 3 VwGO erschließt, aber erfolgen soll, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen. I. Berücksichtigung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei offensichtlicher Rechtswidrigkeit des zu vollziehenden Verwaltungsakts: Antrag begründet, weil an der Vollziehung eines derartigen Verwaltungsakts kein besonderes Vollzugsinteresse bestehen kann bei offensichtlicher Rechtmäßigkeit: Antrag unbegründet bei offenem Ausgang: weiter zu ggf. 5 : umfassende Interessenabwägung aber: Antrag i.d.r. unbegründet, weil die Aussetzung der Vollziehung in den Fällen des 80 II 1 Nr. 1-3, S. 2 VwGO vom Gesetzgeber als Regelfall vorgesehen ist 5 Unterbleibt, wenn sich bereits nach der Prüfung zu 1. ein eindeutiges Ergebnis zur Begründetheit des Antrags ergeben hat 4
Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. 123 VwGO Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg (siehe 123 II 1 VwGO: Gericht der Hauptsache ) I IV. 1. Eingreifen einer aufdrängenden Sonderzuweisung 2. Generalklausel des 40 I 1 VwGO a) öffentlich-rechtliche Streitigkeit b) nichtverfassungsrechtlicher Art c) Nichteingreifen einer abdrängenden Sonderzuweisung Statthafte Rechtsschutzform Ermittlung des Rechtsschutzbegehrens (siehe 122 6 i.v.m. 88 VwGO): Ist dieses auf Erlass einer einstweiligen 7 Anordnung gerichtet? D.h. wegen des in 123 V VwGO normierten Vorrangs des Verfahrens nach 80, 80 a VwGO i.d.r: Wäre in der Hauptsache eine andere Klage als die Anfechtungsklage statthaft 8? Antragsbefugnis, 42 II VwGO analog Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis insbes.: 1. Erforderlichkeit eines erfolglosen Antrags an die zuständige Behörde 2. Hauptsacheverfahren: Anhängigkeit nicht erforderlich ( 123 I 1 VwGO), Klage darf aber nicht offensichtlich unzulässig sein. 6 7 8 Über den Antrag wird gem. 123 IV VwGO durch Beschluss entschieden. Soweit nach dem Sachverhalt dazu Anlass besteht, ist zunächst auszulegen, ob Rechtsschutz in der Hauptsache oder einstweiliger Rechtsschutz gesucht wird. Die Problematik der Vorwegnahme der Hauptsache ist indessen eine Frage der Begründetheit. Zum Teil wird darüber hinaus auch bereits in der Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt der Statthaftigkeit eine Abgrenzung zwischen Sicherungs- und Regelungsordnung gem. 123 I 1 bzw. 2 VwGO vorgenommen. Allerdings unterscheiden sich die weiteren Sachentscheidungsvoraussetzungen der beiden Anordnungsformen nicht, so dass die Abgrenzung hier der Begründetheit zugeordnet wird; siehe unten unter B. I. 5
V. (Grds.) 9 Keine Antragsfrist VI. Richtiger Antragsgegner Bei Statthaftigkeit einer Verpflichtungsklage in der Hauptsache: 78 VwGO analog, also z.b.: 78 I Nr. 2 VwGO analog i.v.m. 6 S. 2 AG VwGO SH analog; sonst: allgemeines Rechtsträgerprinzip V Beteiligten- und Prozessfähigkeit, 61, 62 VwGO VI Zwischenergebnis 9 Soweit nicht im Einzelnen gesetzlich vorgesehen. 6
B. Begründetheit Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist begründet, wenn die Voraussetzungen einer Sicherungsanordnung nach 123 I 1 VwGO oder einer Regelungsanordnung nach 123 I 2 VwGO vorliegen und das Gericht unter Berücksichtigung der inhaltlichen Grenzen der richterlichen Gestaltungsbefugnis verpflichtet ist, die begehrte Anordnung zu erlassen. I. Abgrenzung Sicherungs-/Regelungsanordnung I IV. Anordnungsanspruch 123 I 1 VwGO: 123 I 2 VwGO: Recht des Antragstellers streitiges Rechtsverhältnis Sowohl bei der Sicherungs- als auch der Regelungsanordnung ist beim Anordnungsanspruch zu prüfen, ob auf der Grundlage des vom Antragsteller glaubhaft gemachten Sachvortrags ein das Begehren tragendes subjektivöffentliches Recht besteht. Anordnungsgrund 123 I 1: Gefahr, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. 123 I 2 VwGO: Regelung nötig, insbes. um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern Insoweit: Interessenabwägung, in die u.a. die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als Belang einzustellen sind. Inhalt der gerichtlichen Entscheidung 1. Kein Ermessen bzgl. Erlass der einstweiligen Anordnung 2. Schranken bzgl. der gerichtlichen Gestaltungsbefugnis gem. 123 III VwGO i.v.m. 938 ZPO a) Grundsätzliches Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache b) Kein Mehr als in der Hauptsache 7
Normenkontrollantrag gem. 47 VwGO Der Normenkontrollantrag hat Erfolg, wenn er zulässig und begründet ist. A. Zulässigkeit I. Verwaltungsrechtsweg (siehe 47 I VwGO: im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit ) I IV. Aus der Anwendung der angegriffenen Norm müssen sich Streitigkeiten ergeben können, die unter 40 I 1 VwGO fallen. Sachliche Zuständigkeit des OVG, 47 I VwGO Statthaftigkeit des Antrags 1. Satzungen und Rechtsverordnungen i.s.d. 47 I Nr. 1 VwGO oder andere im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften i.s.d. 47 I Nr. 2 VwGO 2. Erlassene Rechtsnorm 10 : Bekanntgabe der Norm reicht aus, sie muss noch nicht in Kraft getreten sein Antragsbefugnis, 47 II 1 VwGO Möglichkeit, dass der Antragsteller in einer ihm zuzuordnenden Rechtsposition durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung verletzt ist oder in absehbarer Zeit verletzt wird V. Richtiger Antragsgegner 11, 47 II 2 VwGO VI. Rechtsträger, dem der Erlass der angegriffenen Rechtsnorm zuzurechnen ist Beteiligten- und Prozessfähigkeit, 47 VwGO, subisidiär 61, 62 VwGO 10 11 Bei 47 I Nr. 1 VwGO ergibt das der Wortlaut; für 47 I Nr. 2 VwGO wird dies im Wege der Auslegung hergeleitet. Da die Normenkontrolle ein objektives Verfahren ist, bei dem die Rechtmäßigkeit einer Norm geprüft wird und nicht der Aufhebungsanspruch des Antragstellers, ist umstritten, ob bei 47 VwGO die Passivlegitimation überhaupt zu prüfen ist. 8
V Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis - Nicht gegeben bei fehlender Realisierungsmöglichkeit des Ziels des Antragstellers - Str. bei eigener Verfügungskompetenz der Behörde über die Norm - Die Möglichkeit der Erhebung einer Anfechtungsklage steht dem Rechtsschutzbedürfnis nicht entgegen VI Antragsfrist, 47 II 1 VwGO IX. Innerhalb eines Jahres nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift Zwischenergebnis B. Begründetheit Der Antrag ist begründet, wenn die überprüfte Rechtsnorm rechtswidrig ist. Dies ist gegeben, wenn die Rechtsnorm formell rechtswidrig erlassen worden ist, wenn sie materiell nicht mit ihrer Rechtsgrundlage vereinbar ist oder wenn sie trotz Übereinstimmung mit ihrer Rechtsgrundlage gegen höherrangiges Recht verstößt. I. Rechtsgrundlage 12 für die Rechtsnorm Formelle Rechtmäßigkeit der Rechtsnorm 1. Zuständigkeit 2. Verfahren 3. Form I Materielle Rechtmäßigkeit der Rechtsnorm 1. Vereinbarkeit mit der Rechtsgrundlage 2. Vereinbarkeit mit höherrangigem Recht 3. Ermessensfehlerfreier Normerlass 12 Eventuell ist hier auch die Rechtswirksamkeit der Rechtsgrundlage zu prüfen. 9