Möglichkeiten und Grenzen der stationären Behandlung bei Demenzerkrankten

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Transkript:

Möglichkeiten und Grenzen der stationären Behandlung Dr. med. Hans-Dietrich Ehrenthal Seite 1

Von der Alterspyramide zum Alterspilz Seite 2

Multimorbidität im Alter Alter / Anzahl körperl. Störungen 0 1-2 3-4 5-6 7 und mehr 65-69 10,9 % 27,3 % 34,5 % 18,2 % 9,1 % 70-74 4,5 % 25,0 % 36,4 % 13,6 % 20,5 % 75-79 5,4 % 18,9 % 27,0 % 21,6 % 27,0 % 80 und älter 0 % 15,4 % 25,6 % 28,2 % 30,8 % Seite 3

Anteil der Demenzerkrankten Seite 4

Demenz Kognitive Dysfunktion Situation der > 65 jährigen Krankenhauspatienten Demenz 8 % Milde kognitive Dysfunktion 16,8 % kognitiv gesund 75,2 % Seite 5

Delir Seite 6

Symptomatik nach ICD-10: A. Bewusstseinsstörung B. Störung der Kognition und Wahrnehmung C. Psychomotorische Störungen D. Schlafstörungen oder gestörter Schlaf-Wachrhythmus E. Fluktuierende Symptomatik Seite 7

Ursachen für ein Delir Kleinkinder und Kinder - Fieber, Infekte - Intoxikationen Jugendliche und (junge) Erwachsene - Intoxikationen - Alkohol- oder Benzodiazepinentzug - Stoffwechselstörungen Seite 8

Ursachen für ein Delir Ältere Patienten: - Exsikkose - Stoffwechselstörungen - Hypoxie - Infektionen (Harnwegsinfekte!) - postoperativ - Medikamentennebenwirkungen - Demenz Hohe Mortalität, Sturzgefahr, Verlängerung eines Klinikaufenthaltes! Seite 9

Kognitive Dysfunktion Demenz Situation der > 65 jährigen Krankenhauspatienten Milde kognitive Dysfunktion 16,8 % Demenz 8 % kognitiv gesund 75,2 % Seite 10

25 % der über 65 jährigen Krankenhauspatienten stehen im Risiko, ein Delir zu entwickeln! Seite 11

Behandlung eines Delirs Zunächst Ursache klären! - Medikamentenanalyse - (aggressive) Behandlung von - Infektionen (auch Fiebersenkung!) - Flüssigkeitsdefizit - Hypoxie Seite 12

Behandlung eines Delirs Medikamentöse Behandlung Seite 13

Medikamentöse Behandlung des Delirs Zielsymptome: - Unruhe - Aggressivität - Wahrnehmungsstörungen - Verwirrtheit Substanzen: - Neuroleptika - Benzodiazepine Seite 14

Neuroleptika Wirkung: - (teilweise) sedierende Wirkung - gegen Wahnvorstellungen und Wahrnehmungsstörungen Nebenwirkungen: - z.t. Herzrhythmusstörungen - extrapyramidalmotorische Symptome Sturzgefahr! Seite 15

Atypische Neuroleptika - zunehmende Verbreitung aufgrund besserer Verträglichkeit - seit 2003 Berichte über Häufung cerebrovaskulärer Ereignisse - Mortalität unter atypischen Neuroleptika 1,6 bis 1,7-fach erhöht - offenbar gilt dasselbe auch für klassische Neuroleptika Nur Risperdal hat als einziges atypisches Neuroleptikum eine Zulassung zur Behandlung schwerer chronischer Aggressivität bei Demenz und nur in niedriger Dosierung (bis 1 mg)! Seite 16

Fazit: 1. Zuerst Suche nach (körperlichen oder medikamentösen) Ursachen! 2. Einsatz nichtmedikamentöser Interventionen! 3. Erst danach Einsatz von Psychopharmaka. Falls Neuroleptika verwendet werden gilt: 4. Alle Neuroleptika sind mit Risiken verbunden! 5. Indikationen sind nur gravierende Symptome wie psychotische Symptome oder schwere Verhaltensstörungen, nicht Schlafstörungen oder Angst! 6. Die geringstmögliche effektive Dosis verwenden! 7. Sorgfältige Therapieüberwachung und Dokumentation im Hinblick auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen! 8. Immer wieder Absetzversuche unternehmen! (Spätestens nach Ablauf einiger Monate) 9. Substanzen mit anticholinergen Wirkungen möglichst vermeiden! 10. Polypharmazie vermeiden! Seite 17

Behandlung der Demenz Seite 18

Differentialdiagnose der Demenz (modifiziert nach Maurer et al. 1993) Demenzen 10% sekundär (z.t. heilbar) 15% vaskulär 10% gemischt 65% degenerativ mechanisch toxisch metabolisch infektiös Mangelzustände mikro- und / oder makroangiopathisch degenerativ und vaskulär Alzheimer Demenz M. Pick Lewy-Körperchen-Demenz Chorea Huntiginton Pseudodemenz Depression Seite 19

Pathophysiologie der Alzheimer Demenz Fortschreitender degenerativer Prozess bestimmter Hirnrindengebiete: - Bildung seniler Plaques - Neurofibrilläre Bündel - Verlust der cholinergen Rezeptordichte und Veränderung des Neurotransmitterstoffwechsels Genetische Komponente (nur 10 15 % der Alzheimererkrankungen zeigen eine familiäre Häufung). Seite 20

Cholinesterase-Hemmer Präparate: - Donezepil (Aricept) - Galantamin (Reminyl) - Rivastigmin (Exelon) Wirkmechanismus: Verlangsamung des Abbaus von Acetylcholin und Förderung der cholinergen Neurotransmission. Zulassung zur Behandlung der leichten und mittelschweren Demenz. Keine Befundverbesserung, sondern Verzögerung des Forschreitens der Erkrankung! Seite 21

Memantine Präparate: Axura, Ebixa Wirkmechanismus: NMDA-Rezeptorantagonist, damit Blockade einer bei Demenzen erhöhten Konzentration von Glutamat, die neuronale Funktionsstörungen verursachen kann. Zulassung zur Behandlung mittelschwerer und schwerer Alzheimer-Demenzen. (Leichte) Besserung der Kognition, Alltagskompetenz und des klinischen Gesamteindrucks. Möglicherweise Besserung von Verhaltensauffälligkeiten. Seite 22

Weitere Präparate Uneinheitliche Studienlage für verschiedene Nootropika: - Dihydroergotoxin (Ergodesit, Hydergin, DCCK, Hydro-Cebral, Orphol) - Gingkopräparate (Tebonin, Kaveri, etc.) - Nicergolin (Ergobel, Nicerium, etc.) - Nimodipin (Nimotop) - Piracetam (Cerepar N, Nootrop, etc.) - Pyritinol (Encephabol) Seite 23

Möglichkeiten und Grenzen der stationären Behandlung? Fazit: - Zu stationären Aufnahmen Demenzerkrankter kommt es meist aufgrund von Verhaltensauffälligkeiten oder es treten solche im Zuge von stationären Behandlungen auf. - Das Erkennen und die konsequente Behandlung eines Delirs ist von zentraler Wichtigkeit in allen medizinischen Disziplinen, die mit älteren Patienten arbeiten. - Es gibt Differentialdiagnosen der Demenz, die therapierbar oder heilbar sind - Der größte Anteil der Demenzen ist jedoch nicht heilbar, lässt sich in seinem Verlauf aber beeinflussen. Seite 24