Organisation als Führungsaufgabe 9

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Transkript:

Organisation als Führungsaufgabe 9 M. Spisak 9.1 Führung als Gestaltung von Aufgabe, Kultur und Struktur einer Organisation................. 3 9.2 Organisieren als Führungsaufgabe............... 6 inhaltsübersicht Basierend auf dem soziotechnischen Organisationsverständnis (Kap. 2) bedeutet Führung die Gestaltung der Aufgaben, der Strukturen, der kulturellen Elemente sowie der dazwischen bestehenden Abhängigkeiten in einer Unternehmung bzw. in einer Abteilung. Unter Organisation bzw. Organisieren als Führungsaufgabe soll hier im Sinne von Hill et al. die Gesamtheit der Maßnahmen verstanden werden, in deren Fokus der strukturelle Aspekt einer Unternehmung oder einer Abteilung steht, d. h. Analyse, Planung, Einsatz, Gestaltung und Veränderung von Strukturen (vgl. Hill et al. 1989, S. 17 30). Die Einsatzbereiche des Organisierens sind Organisationsformen, Führungsstrukturen und Prozesse oder Arbeitsabläufe innerhalb eines Unternehmens. Bei der Gestaltung dieser Einsatzbereiche spielen die zugrundeliegenden Prinzipien eine Rolle, es werden verschiedene Instrumente (Hilfsmittel und Verfahren) herangezogen. auf einen blick 9.1 Führung als Gestaltung von Aufgabe, Kultur und Struktur einer Organisation Ausgangspunkt und Objekt des Organisierens ist das Unternehmen, das gemäß unserem Verständnis als ein soziotechnisches System definiert wird. Eine so definierte Organisation ist ausgerichtet auf die Erfüllung der Primary Task (PT), verfolgt dabei bestimmte Ziele und will diese wirtschaftlich (d. h. effizient) erreichen (vgl. Nauer 1993, S. 16 und Kap. 2). Organisation als Objekt des Organisierens

4 Kapitel 9 Organisation als Führungsaufgabe Organisation Aufgabe Struktur Kultur Umwelt Primary Task Existenzgrund Abb. 9.1. Organisationsverständnis Aufgabe, Struktur, Kultur Externe Einflüsse Interne Einflüsse Zielsetzung des Kapitels Chancen und Grenzen des Organisierens Die Organisation, in die wir als Mitarbeiter oder als Führungskräfte eingebunden sind, hat einen Ordnungsrahmen, der durch Aufgabe, Struktur und Kultur definiert wird (s. Abb. 9.1). Der Ordnungsrahmen stellt die Basis des gemeinsamen Handelns dar und ist zur Wahrung der Kontinuität und Stabilität einer Unternehmung notwendig. Führung bezieht sich auf die Gestaltung der Aufgaben, der Strukturen und der kulturellen Aspekte einer Organisation. Organisieren als Führungsaufgabe fokussiert die Gestaltung des strukturellen Aspektes, ohne jedoch die Vernetzung mit den anderen Aspekten (Aufgabe, Kultur) auszublenden. Die organisatorischen Strukturen haben die Funktion, die Aufgabenerfüllung des Unternehmens zu unterstützen, und zwar unter Berücksichtigung der darin arbeitenden Menschen. Die Strukturen bestimmen zwar das Handeln der Organisationsmitglieder, werden jedoch von diesen ebenfalls mitbestimmt. So wurden oft Beamtenstrukturen von der Beamtenmentalität der Mitarbeiter am Leben erhalten. Die entstandene Ordnung ist einerseits das Ergebnis der dynamischen Anpassung einer Unternehmung an die sich ständig verändernde Umwelt (externe Einflüsse), andererseits das Ergebnis zahlreicher Wechselbeziehungen zwischen den Organisationsmitgliedern, von denen jedes versucht, an der Gestaltung der Gesamtstruktur mitzuwirken (interne Einflüsse) (s. Abb. 9.1). Führungskräfte haben dabei eine besondere Funktion. Es ist ihre Aufgabe, die strukturellen Rahmenbedingungen und Grundregelungen zu schaffen, die sich im Hinblick auf Erfolg, Anpassungsfähigkeit und Entwicklung der Organisation als besonders geeignet erweisen. Der vorliegende Beitrag hat zum Ziel, wichtige Aspekte dieser Führungsaufgabe aufzuzeigen und einen Überblick über die organisatorischen Instrumente zu bieten. Die systematische Betrachtungsweise der strukturellen Rahmenbedingungen und Regelungen ermöglicht ein besseres Verständnis der organisatorischen Zusammenhänge. Die Kenntnis der Handlungsmöglichkeiten auf struktureller Ebene trägt zur besseren Bewältigung der Anforderungen im Führungsalltag

9.1 Führung als Gestaltung von Aufgabe, Kultur und Struktur 5 Aufgabe Struktur Kultur Organisationsformen Führungsstrukturen Organisationsprozesse Organisationsprinzipien Organisationsinstrumente Reorganisationsprozesse Abb. 9.2. Führung als Gestaltung von Aufgabe, Kultur und Struktur einer Organisation bei und bietet eine Stütze im Rahmen von Reorganisationsprozessen. Es darf jedoch nicht ausgeblendet werden, daß das Organisationsgeschehen, das Organisieren als Führungsaufgabe nur zum Teil einen statischen, rationalen Charakter hat. Organisationen, organisationelle Strukturen werden von Menschen gestaltet und beeinflußt. Daher spielen dynamische, irrationale, unkontrollierbare Aspekte wie Ängste, Machtstreben, Identifikation der einzelnen mit den Aufgaben und Strukturen, oder kognitive Grenzen der einzelnen etc. ebenfalls eine Rolle und setzen der Bestimmbarkeit und Kontrollierbarkeit der strukturellen Gestaltung ihre Grenzen.

6 Kapitel 9 Organisation als Führungsaufgabe 9.2 Organisieren als Führungsaufgabe 9.2.1 Arbeitsdefinition des Begriffs Organisieren als Führungsaufgabe Definition In Anlehnung an Nauer (1993, S. 18) und Hill et al. (1989, S. 17, 20 30) bedeutet Organisieren folgendes: Analyse, Gestaltung und Implementierung von l Organisationsformen, l Führungsstrukturen, l Organisationsprozessen unter Verwendung geeigneter Organisationsprinzipien und Organisationsinstrumente zur Erfüllung der Unternehmensaufgaben und zur Erreichung der angestrebten Unternehmensziele. Bestandteile des Begriffs Organisieren Die Bestandteile des Begriffs Organisieren als Führungsaufgabe können in Form eines Organisationswürfels dargestellt werden. In den folgenden Abschnitten werden die einzelnen Dimensionen des Organisierens (s. Abb. 9.3) erörtert. Zunächst werden die Einsatzbereiche des Organisierens (Organisationsformen, Führungsstrukturen, Organisationsprozesse/Abläufe) vorgestellt. Dann werden einige relevante Organisationsprinzipien und Instrumente erörtert. Zuletzt werden die Phasen des Organisierens, d. h. das Vorgehen bei der Strukturgestaltung beschrieben.

9.2 Organisieren als Führungsaufgabe 7 Grundlagen und Hilfsmittel des Organisierens (Womit organisiert man?) Prinzipien Organisationsformen Führungsstrukturen Instrumente Analyse Gestaltung Implementierung Der Reorganisationsprozeß (Wie organisiert man?) Organisationsprozesse Einsatzbereiche des Organisierens (Worauf wendet man Organisieren an?) Abb. 9.3. Dimensionen des Organisierens als Führungsaufgabe 9.2.2 Einsatzbereiche des Organisierens Zu den Einsatzbereichen des Organisierens gehören in Anlehnung an Nauer (vgl. Abb. 9.3): l Organisationsformen, l Führungsstrukturen, l Organisationsprozesse. Organisationsformen Zur Sicherstellung geordneter Informations- und Arbeitsprozesse bedarf es einer organisatorischen Grundstruktur. Wir sprechen dabei von Organisationsform. Als Organisationsform wird die von der Unternehmensleitung festgelegte Arbeitsteilung auf der zweiten Führungsstufe bezeichnet (vgl. Nauer 1993, S. 222). Die Organisationsform determiniert die strukturellen Leitungsbeziehungen sowie formelle Kommunikationsund Informationswege zwischen den Stellen. Sie legt das Verhältnis der leitenden Instanzen zu den Stellen der untergeordneten Hierarchieebene fest (vgl. Hill et al. 1989, S. 191). In Anlehnung an Nauer, Hill et al. und Probst werden folgende Grundmodelle der Organisationsformen unterschieden:

8 Kapitel 9 Organisation als Führungsaufgabe Abb. 9.4. Linienorganisation Grundtypen von Organisationsformen l Linienorganisation, l funktionale Organisation, l Stab-Linien-Organisation, l Projektorganisation, l Matrixorganisation. Solche Modelle haben den Charakter von Idealtypen. In der Realität sind fast ausnahmslos Mischformen anzutreffen (vgl. Nauer 1993, S. 219 288; Hill et al. 1989, S. 191 210; Probst 1992, S. 49 67). Einliniensystem Mehrliniensystem Linienorganisation. Bei der Linienorganisation (Abb. 9.4) (Einliniensystem) ist jede Stelle nur durch eine einzige Linie mit all ihren vorgesetzten Instanzen verbunden. Der Grundgedanke dieses Systems besteht darin, daß eine Stelle nur von einer einzigen Instanz alle Anordnungen in bezug auf die zu erfüllenden Aufgaben und Kompetenzen sowie alle notwendigen Informationen erhält. Die Linie stellt sowohl den offiziellen Entscheidungs- als auch Mitteilungsweg dar. Durch die straffe vertikale Regelung sämtlicher Kommunikationsbeziehungen wird die Einheitlichkeit der Führung (der Entscheidungsbildung und -durchsetzung) gewährleistet. Auf der anderen Seite werden damit lange, schwerfällige Dienstwege geschaffen, die in der Praxis oft durch Schaffung informeller, flexiblerer Wege unterlaufen werden (vgl. Hill et al. 1989, S. 191 193). Funktionale Organisation. Im Unterschied zum Einliniensystem (Linienorganisation) stellt die funktionale Organisation (Abb. 9.5) ein Mehrliniensystem dar. Dabei ist eine Stelle einer Mehrzahl von übergeordneten Stellen unterstellt. So untersteht z. B. in Warenhäusern die Abteilungsleitung einmal der Ressortleitung für den Einkauf, zum anderen der Ressortleitung für den Verkauf. Diese Organisationsform ermöglicht Qualität durch Spezialisierung. Ein Mitarbeiter hat mehrere Vorgesetzte, die in unterschiedlichen Bereichen spezialisiert sind. Bei Entscheidungen haben diejenigen Mitspracherechte, die sich durch die entsprechende Fachkompetenz auszeichnen. Gleichzeitig bedeutet ein System der Mehrfachunterstellung zwangsläufig eine

9.2 Organisieren als Führungsaufgabe 9 Geschäftsführung Warenhaus X Einkauf Verkauf Logistik Abteilung 2 Abb. 9.5. Funktionale Organisation Zunahme an Komplexität und kann zu Konflikten zwischen zwei (oder mehreren) Vorgesetzten derselben Person führen. Eine sorgfältige Kompetenzabgrenzung ist in diesem Fall unerläßlich (vgl. Hill et al. 1989, S. 193 196; Probst 1992, S. 53 54). Stab-Linien-Organisation. Stab-Linien-Organisation (s. Abb. 9.6) entsteht, wenn die hierarchische, linienmäßige Organisationsform durch Stäbe, die man den verschiedenen Leitungsinstanzen angliedert, erweitert wird. Es handelt sich dabei um Einheiten mit beratender, unterstützender Funktion, ohne Weisungsrecht auf die übrigen Abteilungen. Typische Stabsabteilungen sind z. B. das Personal oder die EDV-Abteilung. Ob eine Funktion als Stab gestaltet wird, ist allerdings eine Frage der Strukturwahl, geht also nicht unmittelbar aus der Funktion hervor. So kann z. B. ein Marketingleiter in einem Unternehmen eine Linienfunktion wahrnehmen und in einem anderen Unternehmen als Mitglied eines Stabs fungieren. Die Stab-Linien-Organisation soll die Vorteile der klaren Kompetenz- und Verantwortlichkeitsabgrenzung des Einliniensystems mit den Vorteilen der Spezialisierung des Mehrliniensystems verbinden. Allerdings muß gesehen werden, daß der Übergang zwischen Stab-Linien-Organisation und funktionaler Organisation in der Praxis fließend ist. Viele Stabstellen werden zu zentralen Dienststellen (Service Centers) ausgeweitet, indem sie mit Entscheidungskompetenzen ausgestattet werden, die ihnen erlauben, bestimmte Aufgaben selbstständig lösen zu können. Typische Beispiele für zentrale Dienststellen sind Organisationsabteilungen, Planungsabteilungen, Abteilungen Finanzen und Controlling Rechtsabteilungen, PR-Abteilungen etc. Hier wird die Abgrenzungsproblematik einer funktionalen Organisationsform wieder aktuell (vgl. Probst 1992, S. 54 57; Hill et al. 1989, S. 197 201). Service Centers/ Zentrale Dienststellen

10 Kapitel 9 Organisation als Führungsaufgabe Geschäftsführung Linieninstanzen Stäbe Unterstellungsbeziehungen (Linie) Unterstützend beratende Beziehungen (Stäbe) Abb. 9.6. Stab-Linien-Organisation Matrix-Organisation Prinzip der dualen Führung Matrix- und Projektorganisation. Die Matrix-Organisation (s. Abb. 9.7) weist eine Verwandtschaft mit der funktionalen Organisation auf. Sie wird als Weiterentwicklung der funktionalen Organisation betrachtet. Auch bei der Matrix-Organisation werden nach dem Prinzip der dualen Führung zwei (oder auch mehrere) unternehmerische Dimensionen in Verbindung gebracht und auf der gleichen Führungsstufe integriert. An die Primärstruktur (A, B, C die hier z. B. verschiedene Regionen symbolisiert) wird eine andere Struktur (1, 2, 3 die hier z.b. verschiedene Produkte symbolisiert) angegliedert. Die Kompetenzkreuzung kann auch mit weiteren Strukturen gemacht werden. Damit werden bewußt mehrfache, jedoch sich ergänzende hierarchische Beziehungen geschaffen. Soll z. B. ein Produkt (1) im Ausland (A) abgesetzt werden, wird der Markt-Regionalleiter über das Was und Wann und der Produktleiter über das Wer und Wie entscheiden. Hier muß ein Konsens herbeigeführt werden. Die Spezialkenntnisse der beiden Leitungsstellen werden dabei optimal genutzt. An dem Beispiel wird einerseits die Chance der großen Anpassungsfähigkeit an die Umwelterfordernisse deutlich, andererseits wird die Problematik dieser Strukturform sichtbar: Welche der beiden Dimensionen (Region- oder Produktdimension bzw. Regions- oder Produktchef) hat die größere Entscheidungsmacht? Können sich die beiden Dimensionen sinnvoll ergänzen? Ist eine Kommunikation möglich (z. B. bei stark unterschiedlichen Kulturen)? Sind die beiden Dimensionsleiter überhaupt in der Lage, ein Führungsteam zu bilden? Bei der Matrixorganisation besteht die Gefahr der Überforderung einzelner, die Gefahr von schlechten Kompromissen oder schlechten Entscheidungen.

9.2 Organisieren als Führungsaufgabe 11 Geschäftsführung A B C 1 2 3 Abb. 9.7. Matrix-Organisation Die Matrixstruktur wurde im Zuge der wachsenden Bedeutung von Projektarbeit relevant. Projekte werden verstanden als einmalige, innovative, zeitlich beschränkte Aufgabenkomplexe. Beispiele für Projekte sind Neubauten, Einführung neuer Methoden und Systeme, Durchführung von Großaktionen wie Informationskampagnen, Personalwerbung oder speziellen Personalausbildungen etc. Wegen der begrenzten Dauer und Einmaligkeit stehen die Projektaufgaben in gewissem Gegensatz zu den auf Dauer angelegten Normalaufgaben eines Unternehmens. Der Entwicklungstrend läuft dahin, daß der Innovationsprozeß in Organisationen als variables System von Projektabläufen verstanden wird. Diesem Umstand trägt das Modell einer mehrdimensionalen Matrix-Organisation Rechnung (vgl. Probst 1992, S. 58 59; Hill et al. 1989, S. 201 209; Nauer 1993, S. 241 258). In Anlehnung an Hill et al. (1989, S. 203 207) unterscheiden wir drei Typen von Projektorganisationen: l Projektkoordination durch Stabstelle l Task Force (Parallelorganisation mit voller Linienautorität) l Projekt-Matrix-Organisation (mit geteilter Verantwortung) Projektorganisation Formen der Projektorganisation Projektkoordination durch Stabstelle Der Einsatz von Projektleitern wurde zunächst in Form von reiner Stabskoordination gemacht. Der Projektleiter ist dabei direkt der obersten Leitung unterstellt und hat gegenüber den Projektkoordination durch Stabstelle

12 Kapitel 9 Organisation als Führungsaufgabe Linienvorgesetzten nur Informations-, Beratungs- und Planungsbefugnisse. Er kann Anträge an die Leitung stellen, die Entscheidung liegt jedoch bei den Linieninstanzen. Damit ist der/die Projektleiter/in natürlich nicht in der Lage, die Projektverantwortung zu übernehmen. Task Force Projekt-Matrix- Organisation Structure follows Strategy Task Force (Parallelorganisation mit voller Linienautorität) Bei der Task Force -Projektorganisation wird für die Dauer des Projektes aus der normalen Organisation eine neue Parallel-Linien-Organisation mit Projektleiter an der Spitze herausgelöst. Die bisherigen Linienvorgesetzten der Projektmitarbeiter haben keine Anordnungsbefugnis mehr. Diese Art der Projektorganisation ist für große Projekte geeignet, in denen die Beteiligten während längerer Zeit vollamtlich am Projekt arbeiten. Die Problematik liegt im Freimachen und in der Wiedereingliederung der Projektmitarbeiter sowie in der Koordination des Projektes mit der Normalorganisation und weiteren Projekten. Projekt-Matrix-Organisation (mit geteilter Verantwortung) Die Projekt-Matrix-Organisation ist ein Strukturmodell für die Gesamtorganisation (vgl. Matrixorganisation). Sie ermöglicht eine Projektabwicklung ohne Ausgliederung einer Parallel-Organisation und ist daher wesentlich flexibler. Dabei besteht eine der (mindestens) zwei Dimensionen aus Projekten. Die Projektleitung und die Leitung der anderen Dimension teilen die Verantwortung. Die Problematik der Kompetenzabgrenzung wird hier wieder aktuell (vgl. Hill et al. 1989, S. 201 210). Gemäß dem Organisationsverständnis richtet sich eine Organisation immer nach der Primary Task, aus der die Aufgaben und Strategien der Unternehmung abgeleitet werden. In diesem Sinn muß die Gestaltung der Organisationsform aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden und sie bestmöglich unterstützen. Der Leitsatz lautet: Structure follows strategy. In diesem Sinn wären z. B. Leistungssteigerung und Rationalisierung als strategische Zielsetzungen mit einer straffen, auf Leistung ausgerichteten Stab-Linien-Organisation zu verwirklichen. Für Kunden- und Marktorientierung, für schnelle Anpassung an die sich verändernde Umwelt würde sich die Matrix-Organisation eignen. Die Ausrichtung der Organisationsstrukturen und somit auch der Organisationsform nach den unternehmerischen Aufgaben und Strategien schmälert keineswegs die Bedeutung des Organisierens als Führungsaufgabe. Nach Nauer ist es sogar leichter, eine neue Geschäftsstrategie festzulegen, als diese auf der strukturellen Ebene optimal umzusetzen (vgl. Nauer 1993, S. 222 224).