Was haben ArbeitsmedizinerInnen beim Impfen aus rechtlicher Sicht zu beachten? Mag. Bettina Woschitz Wien, 18.1.2010 1 Rechtsgrundlagen 82 Z 6 ASchG: Durchführung von Schutzimpfungen, die mit der Tätigkeit der Arbeitnehmer im Zusammenhang stehen Gesetzliche Impfpflichten VO über empfohlene Impfungen 2006 ImpfschadenG ÄrzteG 1998 2 1
Empfehlungen Impfplan 2010 Österreich: Evidenz-basierte Empfehlungen des Obersten Sanitätsrates Stand der medizinischen Wissenschaft Erhältlich unter: http://www.bmg.gv.at 3 Einwilligung 1 Impfung ist grundsätzlich ein rechtswidriger Eingriff in die körperliche Integrität Rechtswidrigkeit wird durch Einwilligung des Patienten beseitigt Voraussetzungen für eine wirksame Einwilligung: Einwilligungsfähigkeitilli it Ausreichende Aufklärung 4 2
Einwilligung 2 Mündliche Einwilligung ist ausreichend Schlüssige Erklärung ist in der Regel rechtswirksam Aus Beweisgründen ist eine schriftliche Zustimmung zu empfehlen Einwilligung ist zu dokumentieren Folgen einer einwilligungslosen Behandlung: Zivilrechtliche Haftung (Schadenersatz) Strafrechtliche Haftung 5 Einwilligung 3 Einwilligungsfähigkeit: Einsichts-i und Urteilsfähigkeit it Einwilligungsfähigkeit bei Minderjährigen Fehlen der Einwilligungsfähigkeit bei Erwachsenen wegen einer geistigen Behinderung oder einer psychischen Ek Erkrankungk Gefahr im Verzug: Einwilligung nicht erforderlich 6 3
Aufklärung 1 Aufklärung ist Voraussetzung für rechtswirksame Einwilligung in Impfung Zustimmung nur wirksam, bei ausreichender Aufklärung über: Bedeutung des ärztlichen Eingriffs Mögliche Folgen des ärztlichen Eingriffs Behandlungsvertrag bildet die Grundlage für Aufklärungspflicht des Arztes 7 Aufklärung 2 Aufzuklären ist über Risiken, die häufig auftreten und typischerweise mit Impfung verbunden sind Aufklärungspflicht ist umso umfassender, je weniger dringlich der Eingriff ist Aufklärungspflicht ist umso weniger umfassend, je notwendiger der Eingriff ist Pflicht zur Aufklärung über die Folgen der Unterlassung des Eingriffs (Verhältnis Nutzen - Schaden) 8 4
Aufklärung 3 Aufklärung hat in einem persönlichen Gespräch Arzt - Patient zu erfolgen Aufklärungsgespräch ist zu dokumentieren Unterstützende Funktion von schriftlichen Aufklärungshilfen (Aufklärungsbögen, Merkblätter) Patient t kann auf Aufklärung ausdrücklich oder schlüssig verzichten Aufklärungsverzicht ist zu dokumentieren 9 Aufklärung 4 Ohne entsprechende Aufklärung ist die Einwilligung illig ng des Patienten in die medizinische Maßnahme unwirksam Folgen einer fehlenden oder mangelhaften Aufklärung: Zivilrechtliche Haftung (Schadenersatz) Strafrechtliche Haftung 10 5
Haftungstatbestände Ein Sachverhalt erfüllt in der Regel gleich mehrere Tatbestände Mögliche Rechtsfolgen: Zivilrechtliche Haftung (Schadenersatz) Gewährleistung Strafrechtliche Haftung Haftung nach Verwaltungsstrafrecht Disziplinarrechtliche Maßnahmen 11 Schadenersatz 1 Haftungsszenarien: Behandlungsfehler Mangelnde Einwilligung Mangelnde Aufklärung Haftungstatbestand: Schaden Kausalität Rechtswidrigkeit Verschulden 12 6
Schadenersatz 2 Voraussetzung ist der Eintritt eines Schadens Körperverletzung: l t Zu ersetzen sind Heilungskosten, Verdienstentgang, Schmerzen und Verunstaltungen Tötung: Zu ersetzen sind Kosten der versuchten Heilung, Bestattungskosten, Unterhaltsschaden der Hinterbliebenen, Schockschaden und Trauerschaden 13 Schadenersatz 3 Verursachung (Kausalität): Conditio sine qua non-formel Rechtswidrigkeit: Verletzung vertraglicher Pflichten (Behandlungsvertrag) Verletzung von Schutzgesetzen Verletzung von absoluten Rechten Rechtswidrigkeit kann durch Rechtfertigungsgründe ausgeschlossen werden 14 7
Schadenersatz 4 Verschulden: Arzt = Sachverständiger Rechtswidrigkeit bewirkt in der Regel Verschulden Verschuldensgrad: Leichte Fahrlässigkeit Grobe Fahrlässigkeit Vorsatz 15 Rechtsprechung Beispiele aus der Rechtsprechung: OGH, 10.7.1997, 2 Ob 197/97b OGH, 16.12.2008, 1 Ob 84/08x 16 8
ImpfschadenG Bund haftet für Schäden durch Schutzimpfungen nach gesetzlichen Impfpflichten Schäden durch vom BMG empfohlene Impfungen Haftung ohne Verschulden Darüber hinausgehende Ansprüche aufgrund anderer Rechtsvorschriften bleiben unberührt 17 Strafrechtliche Haftung 1 Tatbestand: Objektiv sorgfaltswidrige Handlung Objektive Zurechnung des Erfolges Rechtswidrigkeit Schuld: Vorwerfbarkeit des objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens Zumutbarkeit rechtmäßigen Verhaltens 18 9
Strafrechtliche Haftung 2 Relevante Tatbestände: Behandlungsfehler: Fahrlässige Tötung ( 80 StGB) Fahrlässige Körperverletzung ( 88 StGB) Fehlen einer wirksamen Einwilligung: Eigenmächtige Heilbehandlung ng ( 110 StGB) 19 Strafrechtliche Haftung 3 Ärzteprivileg ( 88 Abs 2 Z 2 StGB): Straffreiheitsklausel Hat ein ärztlicher Behandlungsfehler zu einer nicht länger als 14 Tage dauernden Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit geführt und ist dem Arzt kein schweres Verschulden vorzuwerfen, ist er generell straffrei 20 10
Strafrechtliche Haftung 4 Eigenmächtige Heilbehandlung ( 110 StGB): Missachtung der Willensfreiheit ih it des Patienten: t Mangelnde Einwilligung Mangelnde Aufklärung Vorsatz des Arztes Ernstliche Gefahr für Leben und Gesundheit des Patienten rechtfertigt eigenmächtige Heilbehandlung Privatanklagedelikt 21 Disziplinarrechtliche Maßnahmen Disziplinarverstöße: Beeinträchtigung des Standesansehens Verletzung von Berufspflichten (zb 49 ÄrzteG) Disziplinarrechtliche Maßnahmen: Schriftlicher Verweis Geldstrafe Befristete Untersagung der Berufsausübung Streichung aus der Ärzteliste Überdies: Veröffentlichung des Disziplinarerkenntnisses Verfolgung durch die Standesbehörden 22 11