8.. Wie vorher sei ( s ξ(s = π s/ Γ ζ(s. ξ ist meromorph in ganz C, hat Pole (erster Ordnung nur bei s = und s = und genügt der Funktionalgleichung ξ(s = ξ( s. Daraus folgt: Für Re s < hat die Zeta-Funktion Nullstellen (erster Ordnung an den Stellen s = n, n und ist sonst in Re s < holomorph und von Null verschieden. Außerdem gilt ζ(s = für Re s = und Re s =. Weitere mögliche ( nicht-triviale Nullstellen der Zeta-Funktion liegen im Streifen < Re s <. In diesem Streifen stimmen die Nullstellen von ζ und ξ überein. Da ξ(s für reelle s reelle Werte hat (mit Ausnahme der beiden Pole, gilt ξ( s = ξ(s nach dem Schwarzschen Spiegelungsprinzip (und ebenso ζ( s = ζ(s. Die Funktionalgleichung lässt sich schreiben als ( ( ( ξ + s = ξ s, ( ( ξ + s = ξ s, bzw. mit s = σ + it als ( ( ξ + σ + it ( = ξ σ + it. Dabei ist + σ + it σ + it die Spiegelung an der Geraden Re s = σ =. Daraus folgt: Ist (σ + σ + it R, σ eine Nullstelle der Zeta-Funktion, so sind auch σ + it, + σ it, σ it Nullstellen. Mitschrift von Andreas Wadhwa. Letzte Änderung: 9-- 8.
(RV Riemannsche Vermutung: Alle nicht-trivialen Nullstellen der Zeta- Funktion liegen auf der Geraden Re s =. Definition. Sei T >. Dann bezeichne N(T die Anzahl der Nullstellen s der Zeta-Funktion mit < Re s < und Im s T (wobei darunter die Anzahl mit eventueller Vielfachheit zu verstehen ist. Man vermutet, dass es nur einfache Nullstellen gibt, aber dieses Problem ist noch ungelöst. Ziel: Beweis der asymptotischen Formel für N(T : N(T = T (log T π π + O(log T. Bemerkung. Dies vergleiche man mit π(x x. log x 8.. Satz. Sei T > so gewählt, dass es keine Nullstelle s der Zeta-Funktion mit Im s = T gibt. Dann gilt N(T = π Im ξ (s ds +. ξ(s L Der Integrationsweg L ist dabei der Streckenzug von über + it nach + it : it +it +it Beweis. Die Funktion ξ(s hat im Inneren des unten skizzierten Weges γ genau N(T Nullstellen und Polstellen (erster Ordnung. 8.
+ it + it γ + it it Deshalb ist N(T = πi γ ξ (s ξ(s ds. Dies lässt sich wegen der Symmetrie ( schreiben als N(T = ξ (s πi ξ(s ds, γ + wobei γ + der Teil des geschlossenen Weges γ ist, der in der oberen Halbebene Im s liegt. Mit der Symmetrie ( folgt hieraus weiter N(T = ξ (s i Im πi ξ(s ds. L 8.3. Argument-Funktion einer holomorphen Funktion. Sei U C ein Gebiet und f : U C eine holomorphe Funktion. Dann kann lokal in U eine harmonische Funktion arg f : V R definiert werden durch Es gilt also f(z = f(z e i arg f(z. arg f(z = Im ( log f(z. 8.3
Die Funktion arg f(z ist nur bis auf ein ganzzahliges Vielfaches von π eindeutig bestimmt. Das Differential d arg f(z ist global eindeutig bestimmt. Ist U einfach zusammenhängend, so lässt sich ein in ganz U harmonischer Zweig von arg f wählen. Durch die Vorgabe des Wertes von arg f(z für einen festen Punkt z U (mit f(z = f(z e i arg f(z ist dann arg f in U eindeutig bestimmt. 8.4. Anwendung auf die Funktion ξ in einer kleinen einfach zusammenhängenden offenen Umgebung U des Integrationsweges L: Es lässt sich ein eindeutig bestimmter Zweig arg ξ(x wählen mit arg ξ( =. Die Formel N(T = π Im ξ (s ξ(s ds L lässt sich damit schreiben als N(T = d arg ξ(s = (. π π arg ξ + it L Da ξ(s = π s/ Γ ( s ζ(s, gilt ( arg ξ(s = arg e s s log π + arg Γ + arg ζ(s. Dabei sind die einzelnen Argumentfunktionen so zu wählen, dass sie an der Stelle s = den Wert haben. Daraus folgt sofort: 8.5. Satz. N(T = π (arg e ( 4 i T log π + ( π arg Γ 4 + it + ( π arg ζ + it. Hier gilt: ( arg e ( 4 i T log π = T log π. ( Die Γ Funktion ist in der ganzen Halbebene Re s > holomorph und =, also lässt sich arg Γ in der ganzen rechten Halbebene eindeutig definieren. 8.4
8.6. Satz (Stirlingsche Formel für die Gamma-Funktion. In der Halbebene Re z > gilt ( log Γ(z = z log z z + log ( π + O. z Dabei ist log z der Hauptzweig des Logarithmus (der reell ist für positive relle z, und ebenso ist log Γ(z reell für reelle z >. Für den Beweis werden einige Aussagen benötigt, die wir deshalb dem Beweis voranstellen. 8.7. Erinnerung. Die klassische Stirlingsche Formel besagt n! ( n n, πn e woraus durch Logarithmieren ( log n! = n + log n n + log π + ε n mit lim n ε n = folgt. 8.8. Lemma (Trapez-Regel. Sei f : [, ] C eine zweimal stetig differenzierbare Funktion. Sei φ(x := x( x. Dann gilt f(x dx = ( f( + f( φ(xf (x dx. Beweis durch zweimaliges partielles Integrieren von φ(xf (x dx. 8.9. Corollar. Sei φ : R R definiert durch φ(x = x( x für x, φ(x := φ(x x für alle x R.... φ φ(x 8... Weiter sei f : [n, N] C zweimal stetig differenzierbar. Dann gilt N N f(x dx = f(k ( f(n + f(n N φ(xf (x dx. n k=n n 8.5
8.. Beweis der Stirlingschen Formel. Nach Gauß ist n! n z Γ(z = lim n z(z + (z + n, also [ log Γ(z = lim log(n! + z log n n n k= = lim [(n + log n n + z log n n ] log(z + k n ] log(z + k + ε n + log π mit der Notation aus (8.7.. Auf die auftretende Summe wenden wir das Corollar aus der Trapez-Regel an und erhalten n log(z + k = Hier ist k= n n k= log(z + t dt + ( n log z + log(z + n φ(t (z + t dt. log(z + t dt = (z + n ( log(z + n z(log z, und für Re z > und t ist z z + t sowie t z + t, so dass z + t A( z + t mit A = gilt, weshalb n φ(t (z + t dt n 8 A ( z + t dt A ( 8 z = O. z Es folgt log Γ(z = lim [(n + log n n + z log n n (z + n ( log(z + n + z(log z + log ( π + O z = log π + ( z log z [( + lim n + ] (log n + z n log(z + n + O ( log z + log(z + n ] (. z Nun ist log(z + n = log (n ( + z/n = log n + log ( + z/n, und für festes z und große n gilt log ( + z/n = z/n + O (/n. Wir erhalten log Γ(z = log ( π + z ( log z z + O. z 8.6
8.. Anwendung der Stirlingschen Formel zur Berechnung von arg Γ ( + i T 4 = Im log Γ ( + i T. Es ist 4 ( log Γ 4 + it = also Nun ist ( ( ( 4 + it log 4 + it 4 + it + log ( π + O, T ( arg Γ 4 + it = [( = Im ( 4 + it = T log 4 + it log 4 + it 4 arctan T T ( + O. T lim (arctan x x π arctan x π/ = lim x x /x ] + i arctan T T ( + O T = lim x /( + x /x = (mit Hilfe der l Hospitalschen Regel, weshalb arctan x = π/ + O (/x, also arctan T = π/ + O (/T. Ferner ist x( a + ix x = x a + x x a für a, x, also 4 + it = T ( + O = T ( ( + O T T und daher log /4 + it/ = log(t/ + O(/T. Es folgt ( arg Γ 4 + it = T log T T π ( 8 + O. T 8.. Als Zwischen-Ergebnis können wir festhalten N(T = + ( T π log T T 8 T π log π + π ( d arg ζ(s + O, T L bzw. N(T = T π log T π T π + 7 8 + S(T + O ( T, 8.7
wobei S(T = π L d arg ζ(s = π arg ζ( + it + π +it +it d arg ζ(s. Hier gilt: Behauptung. arg ζ( + it < π. Beweis. Für Re s gilt ζ(s = + n= ζ(s n= n = π 6 <, d.h. für Re s liegt ζ(s innerhalb eines Kreises vom Radius um den Punkt, der Winkel arg ζ(s ist für Re s daher dem Betrage nach kleiner als π. Abzuschätzen bleibt das Integral +it +it d arg ζ(s. n s Dafür werden noch einige Hilfsmittel benötigt. und 8.3. Hilfssatz. Sei k die Anzahl der Nullstellen von Re ζ(s (gezählt ohne Vielfachheiten auf der Geraden Dann gilt s = σ + it, +it +it σ. d arg ζ(s (k + π. Beweis. Seien σ < σ <... < σ k die Nullstellen von σ Re ζ(σ + it (T fest. Für σ j < σ < σ j+ liegt ζ(σ + it entweder ganz in der rechten Halbebene {Re z > } oder ganz in der linken Halbebene {Re z < }. 8.8
ζ(σ j+ + it ζ(σ + it ζ(σ j + it Der Winkel arg ζ(σ + it variiert deshalb um weniger als π für σ j < σ < σ j+, d.h. σ j+ +it d arg ζ(s π. σ j +it 8.4. Es gilt Re ζ(σ + it = ζ(σ + it + ζ(σ + it = ζ(σ + it + ζ(σ it. Wir setzen F (s := ζ(s + it + ζ(s it. Die Funktion F (s ist holomorph für s = ± it, und die Anzahl der Nullstellen von Re ζ(σ + it auf der Geraden σ ist kleiner gleich der Anzahl der Nullstellen von F (S im Kreis {s C : s 3}. 8.5. Hilfssatz. Sei a C mit a <. Dann gilt π log e iφ a dφ =. Beweis. Für z = gilt z a = z a z = az, also ist log z a = log az eine harmonische Funktion in z. Der Mittelwertsatz für harmonische Funktionen liefert π π log ae iφ dφ = log =. 8.9
8.6. Satz (Jensen. Es sei D R := {z C : z < R}. Sei F holomorph in einer Umgebung von D R. F habe keine Nullstellen auf D R und es gelte F ( =. Dann gilt log F ( = π log F (Re iφ dφ + π n ( aj log. R j= Dabei sind a, a,..., a n die Nullstellen von F in D R. Beweis. Wir setzen G(z := n ( z R a j R j= Nach dem Hilfssatz gilt π also ist π. log G(Re iφ dφ =, log F (Re iφ dφ = Die Funktion z log F (z G(z π log F (Re iφ G(Re iφ dφ. ist harmonisch in z R, und der Mittelwertsatz auf sie angewendet ergibt die Behauptung. 8.7. Corollar. Die Bezeichnungen und Voraussetzungen des Satzes von Jensen seien beibehalten. Zusätzlich sei < ρ < R und bezeichne N F (ρ die Anzahl der Nullstellen von F im Kreis z ρ. Dann gilt N F (ρ π log F (Re iφ dφ log F (. log(r/ρ π Beweis. N F (ρ log(r/ρ n j= log ( R a j. 8.
8.8. Anwendung zur Abschätzung der Anzahl der Nullstellen der Funktion F T (s := F (s = ζ(s + it + ζ(s it aus (8.4. im Kreis {s C : s 3 }. Für T ist F holomorph im Kreis { s < }. Wähle ein R mit 7 R 5 derart, dass F auf der Kreislinie 4 8 s = R keine Nullstellen hat. Setze F T (z := F ( + z = F T ( + z. Dann ist N FT (ρ die Anzahl der Nullstellen von F (s im Kreis s ρ. Das Corollar mit ρ = 3 ergibt ( 3 N FT log(7/6 π π log F ( + Re iφ dφ log F (. + it it 8.
Aus der für Re s > gültigen Formel ζ(s = s s s u u u +s du folgt ζ(s = O(t (t = Im s gleichmäßig in Re s δ >, s δ >. Also ist log F T ( + z = O(log T im Kreis z 5. Es folgt 8 ( 3 N FT = O(log T. Dies ergibt (unter Berücksichtigung von (8.., (8.3. und (8.4. schließlich: 8.9. Satz. N(T = T π log T π T π + O(log T. 8.