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Transkript:

3 Differentialgleichungen 282 3. Einführung Unter einer Differentialgleichung (=: DGL) versteht man eine Bestimmungsgleichung für eine unbekannte Funktion, in der die Funktion selbst und ihre Ableitungen vorkommen können. Sucht man eine Funktion mehrerer Veränderlicher und kommen Ableitungen nach verschiedenen unabhängigen Veränderlichen vor, so spricht man von einer partiellen Differentialgleichung, hat man nur eine (skalare) unabhängige Veränderliche, so spricht man von einer gewöhnlichen Differentialgleichung. Eine gewöhnliche Differentialgleichung n ter Ordnung hat die allgemeine Form: Gesucht ist eine Funktion y(x), die die Bedingung F(x, y(x), y (x), y (x),..., y (n) (x))! = 0, wobei F eine auf einer Teilmenge von R n+2 definierte, stetige Funktion ist. Beispiel: x + xy(x) + x 2 y (x)y (x) = 0. Wie man schon am einfachsten Beispiel y (n) (x)! = 0 einer Differentialgleichung n ter Ordnung sieht, gibt es i.a. keine eindeutig bestimmte Lösung einer Differentialgleichung. Denn c + c 2 x + c 3 x 2 + + c n x n (3.) ist für beliebige Werte der Konstanten c k, k {, 2,..., n} Lösung der Differentialgleichung y (n)! = 0. Eindeutig bestimmte Lösungen erhält man oft (aber nicht immer), wenn man Zusatzbedingungen fordert, etwa Anfangsbedingungen wie z.b. y (j) (x 0 )! = y j, j {0,, 2,..., n } oder Randbedingungen wie z.b. y(0)! = 2 und y()! = im Falle n = 2. In dieser Vorlesung beschränken wir uns auf wenige spezielle Typen von gewöhnlichen Differentialgleichungen und auf die Vorgabe von Anfangsbedingungen. Fordert man neben der Erfüllung der Differentialgleichung auch die die Erfüllung von Anfangsbedingungen, so nennt man das ein Anfangswertproblem(=:AWP).

283 3.2 Die separierbare Differentialgleichung y = f(x) g(y) Wir betrachten Anfangswertprobleme der Form y (x) y(x 0 )! = f(x) g(y(x)),! = y 0, (3.2) d.h. die rechte Seite der Differentialgleichung kann aufgespalten werden in ein Produkt von zwei Funktionen, von denen eine nur von x abhängt, die andere nur von y. Man sagt, die Variablen können getrennt (separiert) werden. Die Funktionen f und g seien dabei in einem geeigneten Bereich stetig. Beispiele: y (x) = xy(x) : f(x) = x, g(y) = y y (x) = (sin x) e y(x) : f(x) = sin x, g(y) = e y y (x) = 5y(x) : f(x) = 5, g(y) = y y (x) = x + y(x) : Fall : Sei g(y 0 ) 0: geht nicht Dann können wir das Anfangswertproblem umschreiben in f(u)! = y (u) g(y(u)), y(x 0)! = y 0 und integrieren auf beiden Seiten von x 0 bis x. Wir haben die unabhängige Variable mit u statt mit x bezeichnet, da x die obere Intergationsgrenze ist und damit nicht Integrationsvariable sein kann: f(u) du =! y (u) y(x) x 0 x 0 g(y(u)) du = y 0 g(v) dv. Dabei wurde die Substitution y(u) =: v verwendet, aus der sich sofort y (u) du = dv ergibt. Bei der Integration müssen wir abgesehen von der Stetigkeit von f und g darauf achten, dass g(v) 0 bleibt. Höchstens am Rand des Integrationsintervalls darf g(v) = 0 werden; wir haben dann ein uneigentliches Integral zu untersuchen. In jedem Fall aber soll g(v) > 0 im ganzen betrachteten Bereich bis auf vielleicht eine oder beide Randstelle(n) oder g(v) < 0 im ganzen betrachteten Bereich bis auf vielleicht eine oder beide Randstelle(n) sein. Folglich ist H(y) := y y 0 g(v) dv

284 streng monoton und damit umkehrbar. Setzt man dann noch so erhält man die Forderung F(x) := x 0 f(u) du, H(y(x))! = F(x). Bezeichnet man die Umkehrfunktion wie üblich mit H, so erhält man also eine eindeutig bestimmte Lösung des Anfangswertproblems y(x) = H (F(x)), (3.3) deren Definitionsbereich dadurch begrenzt ist, dass einmal f und damit F definiert ist und dass F(x) im Wertebereich von H liegt. Beispiel 3. Zu lösen ist das Anfangswertproblem y (x)! = x (y(x)) 2, y(0)! =, das von der Form (3.2) ist, wobei also f(x) = x, g(y) = y 2, x 0 = 0 und y 0 = ist. Wir formen die Differentialgleichung um in y (u) (y(u)) 2! = u und integrieren auf beiden Seiten von x 0 = 0 bis x. Mit der Substitution y(u) =: v ( dv = y (u) du) erhalten wir:! = x 0 y (u) x g(y(u)) du = 0 x 0 f(u) du = y (u) y(x) (y(u)) du = 2 y(0) Dies lässt sich leicht nach y(x) auflösen: 0 [ u 2 u du = 2 v 2 dv = y(x) y(x) = (y(x))! = x2 2 = 2 x2 2 ] x 0 = x2 2 [ v v 2 dv = y(x) = 2 2 x 2 ] y(x) v= = (y(x)) + Dies ist schließlich die Lösung des Anfangswertproblems, die offensichtlich auf dem Intervall ( 2, 2) definiert ist.

Fall 2: Sei g(y 0 ) = 0: 285 Dann ist offensichtlich y(x) y 0 eine Lösung des Anfangswertproblems; denn es gilt y(x 0 ) = y 0 und y (x) = 0 = f(x) g(y 0 ) = f(x) g(y(x)). Die Frage ist nur, ob dies auch die einzige Lösung ist. Diese Frage ist nicht allgemein zu beantworten. Z.B. ist y(x) 0 die einzige Lösung des Anfangswertproblems y! = y und y(0)! = 0, aber nicht die einzige Lösung des Anfangswertproblems y! = y und y(0)! = 0. Manchmal ist es zweckmäßig, die Lösungsmenge der Differentialgleichung y (x)! = f(x) g(y(x)) (3.4) allein, also ohne Anfangsbedingung zu ermitteln: Ist F(x) eine beliebige Stammfunktion von f(x) und H(y) eine beliebige Stammfunktion von /g(y), so ist jede differenzierbare Funktion y(x) mit g(y(x)) 0, die H(y(x)) =! F(x) (3.5) erfüllt, auch Lösung der Differentialgleichung (3.4); denn aus (3.5) folgt: f(x) = F (x) = d dx H(y(x)) = H (y(x))y (x) = g(y(x)) y (x) und damit (3.4). Beispiel 3.2 Zu lösen ist die Differentialgleichung y (x) = (sin x) e y(x). Hier ist also f(x) = sin x und g(y) = e y. Die benötigten Stammfunktionen sind F(x) = c cos x und H(y) = c 2 e y, wobei c und c 2 reelle Konstanten sind; denn es gilt: F (x) = sin x und H (y) = e y = /g(y). Setzt man (c c 2 ) =: c so erhält man aus F(x) = c cosx =! H(y(x)) = c 2 e y(x), also aus c cos x = e y(x) Lösungen y(x) = ln (cosx c) (3.6)

286 der Differentialgleichung, wobei offenbar (cos x c) > 0 sein muss. Damit diese Bedingung für irgendein x R überhaupt erfüllt sein kann, muss wegen cos x die Konstante c, die man auch als Integrationskonstante bezeichnet, ( c) > 0, also c < gelten; denn sonst wäre cosx c ( c) 0. 3.3 Die lineare Differentialgleichung erster Ordnung Eine solche Differentialgleichung hat die Form y + a(x)y =! b(x), (3.7) wobei wir voraussetzen, dass a und b auf einem Intervall I( R) stetige Funktionen sind. Ist b(x) 0 so bezeichnet man die Differentialgleichung als homogen, anderenfalls als inhomogen. b(x) bezeichnet man als Störfunktion. Wir betrachten zunächst die homogene Differentialgleichung die sich auf die Form y + a(x)y! = 0, (3.8) y (x)! = f(x) g(y(x)) mit f(x) := a(x), g(y) := y (vergl. (3.4)) bringen lässt. Es stellt sich heraus, dass wir nur eine Lösung benötigen, um die ganze Lösungsmenge zu beschreiben. Wir arbeiten deshalb mit den speziellen Stammfunktionen F(x) = α a(u) du, wobei wir α so wählen, wie es uns zweckmäßig erscheint (meist α := 0, manchmal aber auch anders), und ( H(y) = ln y H (y) = y = ). g(y) Nach (3.3) erhalten wir also eine spezielle Lösung ( ) H (F(x)) = exp a(u) du =: y (x) (> 0 für alle x I) (3.9) α

287 der homogen Differentialgleichung (3.8). Zur Untersuchung der inhomogenen Differentialgleichung (3.7) stellen wir deren Lösung dar durch y(x) = v(x) y (x), (3.0) was wegen y (x) > 0 für alle x I immer möglich ist. Das Einsetzen von (3.0) in die Differentialgleichung (3.7) ergibt, da y (x) eine Lösung der homogenen Differentialgleichung ist, y = v y + v y = v y v a y! = b a y = b a v y. Der Vergleich der Terme, die jeweils am Ende der Zeile stehen, ergibt v (x) y (x) = b(x) und damit v (x) = b(x) y (x) Wenn wir mit ṽ(x) eine spezielle Stammfunktion von b(x)/y (x) bezeichnen, erhalten wir v(x) = ṽ(x) + c und damit die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung y(x) = y (x)ṽ(x) + c y (x), c R( oder C). (3.) Dies lässt sich auch auf die homogene Differentialgleichung anwenden. Wir brauchen nur die Störfunktion b(x) 0 zu setzen und dann ṽ(x) 0 zu wählen und erhalten so die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung y h (x) = c y (x), c R( oder C). (3.2) Da man mit Hilfe von y alle Lösungen der homogenen Differentialgleichung erfasst, bezeichnet man y (x) auch als Fundamentallösung der homogenen Differentialgleichung. Da andererseits y (x)ṽ(x) =: ỹ(x) eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ist (setze c = 0), erhält man analog zu den LGS y(x) = ỹ(x) + y h (x), (3.3)

in Worten: 288 allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung = eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung + allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung Beispiel 3.3 a) Zu lösen ist die lineare homogene Differentialgleichung y + 3x 2 y! = 0 In (3.8) ist damit a(x) := 3x 2 zu setzen. Nach (3.9) erhalten wir also, wenn wir α := 0 setzen, die Fundamentallösung: ( ) y (x) := exp a(u) du 0 ( ) = exp 3u 2 du 0 = exp ( [ u 3] x) ( ) 0 = exp x 3 Damit erhalten wir nach (3.2) als allgemeine Lösung der Differentialgleichung: y(x) = c exp ( x 3), c R( oder C). b) Zu lösen ist die lineare inhomogene Differentialgleichung y + 3x 2 y! = 6x 2. In Teil a) hatten wir bereits eine Fundamentallösung der zugehörigen homogene Differentialgleichung y + 3x 2 y = 0 bestimmt: y (x) = exp ( x 3 ) Eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung gewinnen wir über v (x) = b(x) y (x) = 6x 2 exp ( x 3 ) = 6x2 exp ( x 3) Eine Stammfunktion dazu ist 2 exp ( x 3), da die Ableitung dieser Funktion nach der Kettenregel offensichtlich v (x) ist. Mit ṽ(x) := 2 exp (x 3 ) erhalten wir dann schließlich nach (3.) die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung y(x) = y (x)ṽ(x) + c y (x) = exp ( x 3 ) 2 exp (x 3 ) + c exp ( x 3 ) = 2 + c exp ( x 3 ), c R( oder C).

289 Bemerkung: Man kann eine spezielle Stammfunktion ṽ(x) auch wie wir dies z.t. bei anderen Beispielen machen über ṽ(x) := 0 v (u) du = 0 6u 2 exp ( u 3) du = 3 0 2 exp t dt = [2 exp t] x3 t=0 = 2 exp ( x 3) 2 bestimmen. Die Darstellung der allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ist dann etwas anders, aber die Lösungsmenge ist wie es sein muss unverändert. 3.4 Die lineare Differentialgleichung zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten Eine solche Differentialgleichung hat die Form y + a y + a 0 y! = b(x), (3.4) wobei die Koeffizienten a 0 und a also nicht von x abhängen. Ist b(x) 0 so bezeichnet man die Differentialgleichung als homogen, anderenfalls als inhomogen. b(x) bezeichnet man als Störfunktion. Wie wir schon an dem Beispiel y (n)! = 0 (vergl. Abschnitt 3.) im Fall n = 2 sehen, kommen wir nicht mit einer Fundamentallösung aus, um alle Lösungen der homogenen Differentialgleichung zu erfassen. Wie bekommen wir dann ausreichend viele Fundamentallösungen? Dazu beschränken wir uns zunächst auf homogene lineare Differentialgleichungen und behandeln die inhomogenen später. Da ( d/ dx)e λx = λe λx nach der Kettenregel für reelle, aber nach (2.2) auch für komplexe λ gilt, probieren wir den Ansatz y(x) = e λx (3.5) für die homogene Differentialgleichung: y (x) + a y (x) + a 0 y(x) = λ 2 e λx + a λe λx + a 0 e λx = (λ 2 + a λ + a 0 )e λx =: P(λ)e λx! = 0 P(λ)! = 0.

290 Die letzte Äquivalenz gilt deshalb, weil e λx auch im Komplexen immer 0 ist. Es geht also darum, Wurzeln (=Nullstellen) des charakteristischen Polynoms P(λ) := λ 2 + a λ + a 0 zu suchen. Eine solches Polynom kann auch bei reellen Koeffizienten a 0 und a komplexe Wurzeln haben. Im Fall, dass das charakteristischen Polynom zwei verschiedene Wurzeln λ und λ 2 hat, hat man bereits zwei Fundamentallösungen gefunden, nämlich y (x) := e λx, y 2 (x) := e λ2x. Die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung ist gegeben durch: y h (x) := c y (x) + c 2 y 2 (x), c, c 2 C, (3.6) wobei es deshalb sinnvoll ist, auch komplexe Werte für die Konstanten c und c 2 zuzulassen, da auch die Fundamentallösungen y (x) und y 2 (x) komplexwertig sein können. Dass mit (3.6) wirklich auch alle Lösungen der homogenen Differentialgleichung erfasst sind, merken ohne Beweis an. Beispiel 3.4 a) Zu lösen sei die homogene Differentialgleichung y y = 0. Das charakteristische Polynom P(λ) = λ 2 hat die Wurzeln (=Nullstellen) λ = + und λ 2 =. Damit sind y (x) := e x und y 2 (x) := e x zwei Fundamentallösungen der Differentialgleichung, und wir erhalten y(x) = c y (x) + c 2 y 2 (x) = c e x + c 2 e x, c, c 2 C, als allgemeine Lösung der Differentialgleichung. b) Zu lösen sei die homogene Differentialgleichung y y = 0.

29 Das charakteristische Polynom P(λ) = λ 2 λ hat die Wurzeln λ = 0 und λ 2 =. Damit sind y (x) := e 0 x = und y 2 (x) := e x zwei Fundamentallösungen der Differentialgleichung, und wir erhalten y(x) = c + c 2 e x, c, c 2 C, als allgemeine Lösung der Differentialgleichung. c) Zu lösen sei die homogene Differentialgleichung y + 2y + 2y = 0. Das charakteristische Polynom P(λ) = λ 2 + 2λ + 2 = (λ + ) 2 + hat die Wurzeln λ = + i und λ 2 = i. Damit sind y (x) := e ( +i) x = e x e i x und y 2 (x) := e ( i) x = e x e i x zwei Fundamentallösungen der Differentialgleichung, und wir erhalten y(x) = c e ( +i) x + c 2 e ( i) x = e ( x c e i x + c 2 e i x), c, c 2 C, als allgemeine Lösung der Differentialgleichung. Hat das charakteristische Polynom dagegen eine doppelte Wurzel λ (= λ 2 ), gilt also P(λ) = (λ λ ) 2, so erhalten wir zunächst nur eine Fundamentallösung y (x) := e λ x. Eine zweite gewinnen wir durch eine Rechenoperation, die wir auch bei anderen Problemen erfolgreich anwenden werden: Für α C und für eine beliebige auf R differenzierbare Funktion z(x) gilt ( ) d d dx z(x)eαx = z (x)e αx + z(x)αe αx = e αx dx + α z(x). (3.7)

292 Man kann also den Ausdruck e αx über den Differentialoperator hinwegschieben, muss aber auf die angegebene Veränderung achten. Stellen wir die Lösung der homogenen Differentialgleichung durch y h (x) = z(x) y (x) = z(x) e λ x dar, so erhalten wir durch Einsetzen in die homogene Differentialgleichung und Durchschieben von e λ x : = y h (x) + a y h (x) + a 0y h (x) = ( ( ) ) 2 ( ) d d d + a dx dx + a 0 y h (x) = P y h (x) dx ) 2 z(x) =! 0. (3.8) ( ) 2 ( ) 2 ( d d dx λ y h (x) = dx λ z(x)e λx = e λ x d dx + λ λ Wegen e λ x 0 für alle x R ist dies äquivalent zu ( ) 2 d dx + λ λ z(x) = z (x) =! 0. z(x) muss also ein Polynom erster Ordnung sein. Insbesondere ist z(x) = x eine Lösung der obigen Gleichung und wir erhalten als zweite Fundamentallösung y 2 (x) := x y (x) = x e λ x. Die allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung ist, wenn λ eine doppelte Wurzel des charakteristischen Polynoms ist, gegeben durch: y h (x) := c y (x) + c 2 y 2 (x) = (c + c 2 x) y (x) = (c + c 2 x) e λ x, c, c 2 C. (3.9) Dass mit (3.9) wirklich auch alle Lösungen der homogenen Differentialgleichung erfasst sind, merken ohne Beweis an. Beispiel 3.5 Zu lösen sei die homogene Differentialgleichung y 2y + y = 0. Das charakteristische Polynom P(λ) = λ 2 2λ + = (λ ) 2 hat die doppelte Wurzel λ = λ 2 =. Damit sind y (x) := e x und y 2 (x) := x e x

293 zwei Fundamentallösungen der Differentialgleichung, und wir erhalten y(x) = c y (x) + c 2 y 2 (x) = c e x + c 2 x e x = e x (c + c 2 x), c, c 2 C, als allgemeine Lösung der Differentialgleichung. Für inhomogene Differentialgleichungen zweiter Ordnung gilt dann wie bei linearen Differentialgleichungen erster Ordnung (vergl. (3.3)) y(x) = ỹ(x) + y h (x), (3.20) in Worten: allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung = eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung + allgemeine Lösung der homogenen Differentialgleichung. Wie bei der linearen Differentialgleichung erster Ordnung haben wir mit den Fundamentallösungen auch das Werkzeug, um die inhomogene Differentialgleichung zu lösen: Eine spezielle Lösung ỹ(x) der inhomogenen Differentialgleichung finden wir mit der als Methode der Variation der Konstanten bekannten Darstellung wobei v (x) und v 2 (x) die folgenden Bedingungen erfüllen: ỹ(x) = v (x) y (x) + v 2 (x) y 2 (x), (3.2) v (x) y (x) + v 2 (x) y 2 (x)! = b(x), v (x) y (x) + v 2(x) y 2 (x)! = 0; (3.22) denn das Einsetzen des Ansatzes (3.2) in die inhomogene Differentialgleichung (3.4) unter Beachtung der Bedingungen (3.22) ergibt ỹ + a ỹ + a 0 ỹ = d2 d dx 2(v y + v 2 y 2 ) + a dx (v y + v 2 y 2 ) + a 0 (v y + v 2 y 2 ) = v y + 2v y + v y + v 2y 2 + 2v 2y 2 + v 2 y 2 + a (v y + v y + v 2y 2 + v 2 y 2) + a 0 (v y + v 2 y 2 )

= 294 ( ) d dx (v y + v 2y 2 ) +v y +v 2y 2+v (y +a y +a 0 y )+v 2 (y 2+a y 2+a 0 y 2 ) = 0+b+v 0+v 2 0 = b, wobei wir, um eine übersichtlichere Darstellung zu erhalten, die unabängige Variable x wegelassen haben (z.b. v statt v (x)). (3.22) ist als lineares Gleichungssystem für die unbekannten Funktionen v (x) und v (x) aufzufassen und mit der Cramerschen Regel (vergl. Satz 0.9) zu lösen: v (x) = v 2 (x) = ( ) b(x) y det 2 (x) 0 y 2 (x) y 2 (x)b(x) ( ) = y det (x) y 2(x) y (x)y 2(x) y (x)y 2 (x), y (x) y 2 (x) ( ) y det (x) b(x) y (x) 0 y (x)b(x) ( ) = y det (x) y 2(x) y (x)y (3.23) 2(x) y (x)y 2 (x). y (x) y 2 (x) Dass die Nennerdeterminate 0 für alle x ist, merken wir ohne Beweis an. Da nur eine spezielle Lösung gesucht wird, kann bei den unbestimmten Integrationen zur Bestimmung von v (x) und v 2 (x) die Integrationskonstante weggelassen werden. Hat man also spezielle Lösungsfunktionen v und v 2 gefunden, so erhält man damit nach (3.2) eine spezielle Lösung und nach (3.20) auch die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung. Beispiel 3.6 Zu lösen sei die inhomogene Differentialgleichung y 2y + y = e x ln x, x > 0. In Beispiel 3.5 haben wir bereits mit y (x) := e x und y 2 (x) := x e x zwei Fundamentallösungen der zugehörigen homogenen Differentialgleichung y 2y + y = 0 ermittelt. Die Methode der Variation der Konstanten führt nun auf und v (x) = v 2 (x) = y 2 (x)b(x) y (x)y 2 (x) y (x)y 2(x) = y (x)b(x) y (x)y 2 (x) y (x)y 2(x) = x e x e x ln x e x xe x e x (e x + xe x ) = x ln x e x e x ln x e x xe x e x (e x + xe x ) = ln x

295 v und v 2 gewinnen wir durch unbestimmte Integration oder durch bestimmte Integration, wobei wir meist 0, hier aber (wegen x > 0 ) als untere Grenze wählen. Nach der Regel der partiellen Integration gilt mit f(t) := lnt und g(t) := t (mit Stammfuktion t 2 /2 =: G(t)): v (x) = v (t) dt = = ( x 2 /2) lnx + (/2) ln + (ln t) ( t) dt = = [ ( t 2 /2) ln(t) ] x f(t)g(t) dt = [ f(t)g(t) ] x f (t)g(t) dt t ( t2 /2) dt (t/2) dt = ( x 2 /2) lnx + [ t 2 /4 ] x = 2x2 ln x + x 2 4 und mit f(t) := ln t und g(t) := (mit Stammfuktion t =: G(t)): v 2 (x) = Damit ist v 2(t) dt = = [ t ln(t) ] x eine spezielle und (ln t) dt = t dt = x lnx ln t f(t)g(t) dt = [ f(t)g(t) ] x f (t)g(t) dt dt = x ln x [ t ] x = x ln x x + ỹ(x) = v (x)y (x) + v 2 (x)y 2 (x) = 2x2 ln x + x 2 e x + (x ln x x + )xe x 4 = 2x2 ln x + x 2 + 4x 2 ln x 4x 2 + 4x 4 y(x) = e x = 2x2 ln x 3x 2 + 4x e x 4 ( ) (c + c 2 x) + 2x2 ln x 3x 2 + 4x e x, c, c 2 C, 4 die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung. Hat aber die Störfunktion b(x) eine spezielle Form, so sind oft andere Verfahren günstiger. Wir behandeln dazu einige Spezialfälle: Fall : b(x) sei ein Polynom n ter Ordnung (=n ten Grades): b(x) := n β k x k k=0

296 Fall.: a 0 0. Dann gibt es ein Polynom n ter Ordnung n ỹ(x) = γ k x k (3.24) als Lösung der inhomogenen Differentialgleichung: n ỹ (x) + a ỹ (x) + a 0 ỹ(x) =! b(x) := β k x k. k=0 Das Einsetzen des Ansatzes (3.24) in die inhomogene Differentialgleichung und ein Vergleich der Koeffizienten auf beiden Seiten liefert ein LGS, das sukzessive nach den unbekannten Koeffizienten γ n, γ n,...,γ 0 auflösbar ist, und zwar in der angegebenen Reihenfolge, d.h. beginnend mit γ n. Beispiel 3.7 Wir suchen eine spezielle Lösung der Differentialgleichung y y =! x 3 2x (3.25) k=0 Wir setzen den Ansatz ỹ(x) = γ 0 + γ x + γ 2 x 2 + γ 3 x 3 in die Differentialgleichung ein und erhalten: ỹ(x) + ỹ (x) = (γ 0 + γ x + γ 2 x 2 + γ 3 x 3 ) + (2γ 2 + 6γ 3 x) = (2γ 2 γ 0 ) + (6γ 3 γ )x γ 2 x 2 γ 3 x 3! = x 3 2x = 0 x 0 2x + 0 x 2 + x 3 Vergleichen wir die Koeffzienten der Potenzen x k auf der linken Seite mit den Koeffzienten der Potenzen x k auf der rechten Seite,so erhalten wir bei x 3 : γ 3 =, also γ 3 =, bei x 2 : γ 2 = 0, also γ 2 = 0, bei x (= x) : (6γ 3 γ ) = 2, also γ = 6γ 3 + 2 = 6 ( ) + 2 = 4 und bei x 0 (= ) : (2γ 2 γ 0 ) = 0, also γ 0 = 2γ 2 = 2 0 = 0. Damit ist ỹ(x) = 4x x 3 eine spezielle Lösung der Differentialgleichung (3.25).

297 Fall.2: a 0 = 0 und a 0. Jetzt hat man ein eine lineare Differentialgleichung erster Ordnung in y vor sich: y + a y + 0 y = (y ) + a (y )! = b(x) := n β k x k. (3.26) k=0 Wir verwenden den gleichen Ansatz für ỹ wie oben für ỹ, also: ỹ (x) = n γ k x k (3.27) k=0 Das Einsetzen des Ansatzes (3.27) in die inhomogene Differentialgleichung und ein Vergleich der Koeffizienten auf beiden Seiten liefert ein LGS, das sukzessive nach den unbekannten Koeffizienten γ n, γ n,...,γ 0 auflösbar ist, und zwar in der angegebenen Reihenfolge, d.h. beginnend mit γ n. Eine spezielle Lösung ỹ erhalten wir dann als Stammfunktion von ỹ. Offensichtlich gibt es eine spezielle Lösung von der Form: x Polynom n ten Grades. Beispiel 3.8 Wir suchen eine spezielle Lösung der Differentialgleichung y y = (y ) (y )! = x 3 2x (3.28) Wir setzen den Ansatz ỹ (x) = γ 0 + γ x + γ 2 x 2 + γ 3 x 3 in die Differentialgleichung ein und erhalten: ỹ (x) + (ỹ ) (x) = (γ 0 + γ x + γ 2 x 2 + γ 3 x 3 ) + (γ + 2γ 2 x + 3γ 3 x 2 ) = (γ γ 0 ) + (2γ 2 γ )x + (3γ 3 γ 2 )x 2 γ 3 x 3! = x 3 2x = 0 x 0 2x + 0 x 2 + x 3 Vergleichen wir die Koeffzienten der Potenzen x k auf der linken Seite mit den Koeffzienten der Potenzen x k auf der rechten Seite,so erhalten wir bei x 3 : γ 3 =, also γ 3 =, bei x 2 : (3γ 3 γ 2 ) = 0, also γ 2 = 3γ 3 = 3 ( ) = 3, bei x (= x) : (2γ 2 γ ) = 2, also γ = 2γ 2 + 2 = 2 ( 3) + 2 = 4

298 und bei x 0 (= ) : (γ γ 0 ) = 0, also γ 0 = γ = 4. Damit ist ỹ (x) = x 3 3x 2 4x 4 eine spezielle Lösung der Differentialgleichung (3.28) wenn man dies als Differentialgleichung für y betrachtet. Eine Lösung ỹ der Differentialgleichung (3.28) erhalten wir durch Bildung der Stammfunktion. Da wir aber nur eine spezielle Lösung brauchen, brauchen wir auch nur eine Stammfunktion zu bestimmen: ỹ(x) = x4 4 x3 2x 2 4x ist eine spezielle Lösung der Differentialgleichung (3.28). Fall.3: Es sei a 0 = a = 0: Dann gilt y (x) = b(x), und man erhält eine spezielle Lösung ỹ durch zweimalige unbestimmte Integration (Stammfunktionbildung) b(x) ohne Integrationskonstante. Da b(x) in Fall ein Polynom n ten Grades ist, erhält man als spezielle Lösung: x 2 Polynom n ten Grades. Da offensichtlich y (x) = und y 2 (x) = x Fundamentallösungen der zugehörigen homogenen Differentialgleichung y (x) = 0 sind, ist y(x) = c + c 2 x + ỹ, c, c 2 C, die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung. Beispiel 3.9 Eine spezielle Lösung der Differentialgleichung erhalten wir durch zweimalige Bildung einer Stammfunktion: ỹ (x)! = x 3 2x ỹ (x) = x4 4 x2 y! = x 3 2x (3.29) ỹ(x) = x5 20 x3 3 Die allgemeine Lösung der inhomogenen Differentialgleichung ist somit y(x) = c + c 2 x + x5 20 x3 3, c, c 2 C.

299 Fall 2: Es sei b(x) das Produkt eines Polynoms n ter Ordnung und einer Exponentialfunktion e αx. Dann führt die Darstellung ỹ(x) = u(x) e αx (3.30) zum Ziel. Einsetzen in die Differentialgleichung und Durchschieben von e αx ergibt dann nach (3.7): ( ) 2 d ỹ (x) + a ỹ (x) + a 0 ỹ(x) = (u(x) e αx d ) + a dx dx (u(x) eαx ) + a 0 u(x) e αx ( ) 2 ( ) d d = e αx dx + α u(x) + e αx a dx + α u(x) + e αx a 0 u(x) = e αx ( u (x) + 2αu (x) + α 2 u(x) + a u (x) + a αu(x) + a 0 u(x) )! = b(x). Wegen e αx 0 für alle x R ist dies äquivalent zu u (x) + (2α + a )u (x) + (α 2 + a α + a 0 )u(x) =! b(x), (3.3) eαx d.h. u ist die Lösung einer inhomogenen Differentialgleichung mit einem Polynoms n ter Ordnung als Störfunktion. Beispiel 3.0 Wir suchen eine spezielle Lösung der Differentialgleichung y 4y + 3y! = (x 3 2x)e 2x Hier ist also α = 2, a = 4 und a 0 = 3 (Fall 2). Die Darstellung ỹ(x) = u(x)e 2x führt auf die vereinfachte Differentialgleichung u (x)+(2α+a )u (x)+(α 2 +a α+a 0 )u(x) = u (x)+(4 4)u (x)+(4 8+3)u(x) = u (x) u(x)! = x 3 2x Zu dieser Differentialgleichung hatten wir in Beispiel 3.7 eine spezielle Lösung bestimmt: ũ(x) = 4x x 3 Damit ist ỹ(x) = ũ(x)e 2x = ( 4x x 3 )e 2x eine spezielle Lösung der in diesem Beispiel vorgegebenen Differentialgleichung.

300 Wenn man nun reelle Koeffizienten a 0 und a und eine reellwertige Störfunktion hat, so wäre auch eine allgemeine reellwertige Lösung wünschenswert. Dass man eine solche aus den bisher gefundenen erhalten kann, beruht auf den Formeln Re (γw)=γ Re w, Im (γw)=γ Im w für γ R (vergl. (2.4) ) und auf der Vertauschbarkeit Realteil bzw. Imaginärteilbildung mit der Ableitung nach einer reellen Variablen x (vergl. (2.5)). Ist also z(x) eine Lösung der Differentialgleichung z (x) + a z (x) + a 0 z(x) =! b(x), wobei a 0 und a reell sind, aber b(x) komplexwertig sein darf, so erhalten wir nach (2.4) und (2.5) (Re z) (x) + a (Re z) (x) + a 0 (Re z)(x) = Re (z (x) + a z (x) + a 0 z(x)) =! Re b(x) und (3.32) (Im z) (x) + a (Im z) (x) + a 0 (Im z)(x) = Im (z (x) + a z (x) + a 0 z(x)) =! Im b(x). Bei der homogenen Differentialgleichung, also für b(x) 0, bedeutet dies, dass mit z auch Re z und Im z Lösungen der homogenen Differentialgleichung sind. Dies ist aber nur dann relevant, wenn das charakterische Polynom echt komplexe Wurzeln λ und λ 2 hat. Wir erhalten also: Re e λx = Re exp(x Re λ + ix Im λ ) = Re (exp(x Re λ ) exp(ix Im λ )) = exp(x Re λ ) Re exp(ix Im λ ) = exp(x Re λ ) Re (cos(x Im λ ) + i sin(x Im λ )) = exp(x Re λ ) cos(x Im λ ) =: y (x) und (3.33) Im e λx = Im exp(x Re λ + ix Im λ ) = Im (exp(x Re λ ) exp(ix Im λ )) = exp(x Re λ ) Im exp(ix Im λ ) = exp(x Re λ ) Im (cos(x Im λ ) + i sin(x Im λ )) = exp(x Re λ ) sin(x Im λ ) =: y 2 (x) sind Lösungen der homogenen Differentialgleichung, und zwar sogar zwei Fundamentallösungen, da einmal e λx = y (x) + iy 2 (x) gilt und andererseits wegen a 0, a R die Beziehung λ 2 = λ und damit nach (2.3) e λ2x = e λx = e λx = e λ x = y (x) iy 2 (x)

30 gilt. Wir erhalten somit als allgemeine reelle Lösung der homogenen Differentialgleichung y hr (x) := exp(x Re λ )(c cos(x Im λ ) + c 2 sin(x Im λ )), c, c 2 R. (3.34) Beispiel 3. Wir suchen die allgemeine reelle Lösung der homogenen Differentialgleichung y + 2y + 2y = 0 In Beispiel 3.4c) hatten wir bereits die Wurzeln des charakterischen Polynoms λ = + i und λ 2 = i und komplexe Fundamentallösungen bestimmt: e x e i x und e x e i x Da nun die obige homogene Differentialgleichung nur reelle Koeffizienten hat (a = 2 R, a 0 = 2 R), sind mit jeder Lösung y auch Re y und Im y Lösungen der Differentialgleichung. Insbesondere sind also Re (e x e i x ) = e x Re e i x = e x Re (cosx + i sin x) = e x cosx =: y (x) ( = e x Re λ cos(x Im λ ) ) Im (e x e i x ) = e x Im e i x = e x Im (cosx + i sin x) = e x sin x =: y 2 (x) ( = e x Re λ sin(x Im λ ) ) reelle Fundamentallösungen. Damit erhalten wir als allgemeine reelle Lösung der in diesem Beispiel vorgegebenen Differentialgleichung: y(x) := exp(x Re λ )(c cos(x Im λ ) + c 2 sin(x Im λ )) = e x (c cosx + c 2 sin x), c, c 2 R Aus (3.32) ergibt sich außerdem im Spezialfall, dass b(x) = e αx q(x), wobei α = α +iα 2, α R, α 2 R und q(x) eine reellwertige Funktion ist: Ist z eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung z (x)+a z (x)+a 0 z(x) =! e αx q(x) = e (α +iα 2 )x q(x) = e αx e iα2x q(x) = e αx (cos(α 2 x) + i sin(α 2 x)) q(x), so ist Re z wegen a 0, a R eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung y + a y + a 0 y =! Re e αx q(x) = q(x)e αx cos(α 2 x) und Im z wegen a 0, a R eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung y + a y + a 0 y =! Im e αx q(x) = q(x)e αx sin(α 2 x).

302 Beispiel 3.2 Wir suchen die allgemeine reelle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung y 2y + y = 3e x cos(2x) Im Beispiel 3.5 haben wir bereits die allgemeine reelle Lösung der zugehörigen homogenen Differentialgleichung bestimmt: y h (x) = e x (c + c 2 x), c, c 2 R Wir suchen nun eine spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung. Wir beginnen mit der Darstellung 3e x cos(2x) = 3e x Re (cos(2x) + i sin(2x)) = 3e x Re e 2ix = Re ( 3e x e 2ix) = Re ( 3e x+2ix) = Re ( 3e (+2i)x), wobei bei der dritten Umrechnung benutzt wurde, dass 3e x reell ist. Der Realteil einer speziellen Lösung z(x) von z 2z + z = 3e (+2i)x ist nun eine spezielle Lösung der vorgegebenen Differentialgleichung; denn es gilt, da ihre Koeffizienten reell sind: (Re z) 2(Re z) + Re z = Re ( z 2 z + z) = Re ( 3e (+2i)x) = 3e x cos(2x) Um nun eine spezielle Lösung der Differentialgleichung für z zu finden, verwenden wir analog zu Beispiel 3.0 die Darstellung z(x) = u(x) e (+2i)x Die Störfunktion ist das Produkt einer Konstante und einer Exponentialfunktion e αx und damit eines Polynoms 0 ter Ordnung und einer Exponentialfunktion e αx (Fall 2). Wegen α = (+2i), a = 2 und a 0 = erhalten wir dann folgende Differentialgleichung für u: u (x) + (2α + a )u (x) + (α 2 + a α + a 0 )u(x) = u (x) + 4iu (x) 4u(x)! = ( ) 3 e (+2i)x = 3 e (+2i)x Da die neue Störfunktion ein Polynom 0 ter Ordnung ist und der Koeffizient bei u(x) gleich ( 4), also 0 ist (Fall.), gibt es ein Polynom 0 ter Ordnung, also eine Konstante als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung für u.

303 Ansatz: ũ(x) = γ 0 Das Einsetzen des Ansatzes ergibt: 0 + 0 4γ 0! = 3 und damit ũ(x) = γ 0 = 0.75 als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung für u. Daraus gewinnen wir z(x) = ũ(x) e (+2i)x = 0.75e (+2i)x als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung für z und schließlich ỹ(x) = Re z(x) = Re ( 0.75e (+2i)x) = Re ( 0.75e x e 2ix) = 0.75e x Re (cos(2x) + i sin(2x)) = 0.75e x cos(2x) als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung für y. Wir notieren nun noch einmal die Ergebnisse dieses Abschnittes für lineare Differentialgleichungen zweiter Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Die Herleitungen wurden nur der Vollständigkeit halber im Skriptum behandelt und können daher übergangen werden, aber natürlich nicht die behandelten Beispiele. Sind λ und λ 2 die Wurzeln (= Nullstellen) des chakteristischen Polynoms P(λ) := λ 2 + a λ + a 0, a, a 0 R, so erhalten wir als reelle Fundamentallösungen der homogenen Differentialgleichung y + a y + a 0 y =! 0 im Falle λ, λ 2 R, λ λ 2 : e λ x =: y (x), e λ 2x =: y 2 (x), im Falle λ = λ 2 R: im Falle λ, λ 2 C \ R: e λ x =: y (x), xe λ x =: y 2 (x), exp(x Re λ ) cos(x Im λ ) =: y (x), exp(x Re λ ) sin(x Im λ ) =: y 2 (x).

304 Die allgemeine reelle Lösung der homogenen Differentialgleichung ist gegeben durch: y h (x) := c y (x) + c 2 y 2 (x), c, c 2 R. Verfahren zur Ermittlung einer speziellen Lösung ỹ der inhomogenen Differentialgleichung y + a y + a 0 y =! b(x). Fall : b(x) sei ein Polynom n ter Ordnung, wobei die Koeffizienten des Polynoms und die Koeffizienten a 0 und a auch komplex sein dürfen. Insbesondere ist eine konstante rechte Seite ein Polynom 0 ten Grades, d.h. b(x) ist in diesem Sonderfall β 0. Fall.: Es sei a 0 0 : Ansatz: ỹ ist ebenfalls ein Polynom n ter Ordnung, dessen Koeffizienten durch Einsetzen in die inhomogene Differentialgleichung und durch Koeffizientenvergleich bestimmt werden. Fall.2: Es sei a 0 = 0 und a 0 : Ansatz: ỹ = x Polynom n ter Ordnung, dessen Koeffizienten durch Einsetzen des Ansatzes in die inhomogene Differentialgleichung und durch Koeffizientenvergleich bestimmt werden. Fall.3: Seien a 0 = a = 0 : In diesem Fall erhält man ỹ durch zweimalige unbestimmte Integration (Stammfunktion) von b(x) ohne Integrationskonstanten. Fall 2: Sei b(x) = e αx q(x), wobei q(x) ein Polynom n ter Ordnung ist: ỹ erhält man dann durch die Darstellung: ỹ(x) =: e αx ũ(x); dabei wird ũ(x) mit der in Fall beschriebenen Methode als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung u (x) + (2α + a )u (x) + (α 2 + a α + a 0 )u(x) =! q(x) ermittelt.

305 Fall 3: Sei b(x) = e α x cos(α 2 x) q(x), α, α 2 R, wobei q(x) ein Polynom n ter Ordnung mit reellen Koeffizienten ist: ỹ erhält man dann durch die Darstellung: ỹ(x) = Re z(x); dabei wird z(x) mit der in Fall 2 beschriebenen Methode als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung z + a z + a 0 z =! q(x) exp((α + iα 2 )x) ermittelt. Fall 4: Sei b(x) = e α x sin(α 2 x) q(x), α, α 2 R, wobei q(x) ein Polynom n ter Ordnung mit reellen Koeffizienten ist: ỹ erhält man dann durch die Darstellung: ỹ(x) = Im z(x); dabei wird z(x) mit der in Fall 2 beschriebenen Methode als spezielle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung z + a z + a 0 z =! q(x) exp((α + iα 2 )x) ermittelt. In allen übrigen Fällen wird ỹ durch den folgenden Ansatz ( Variation der Konstanten ) ermittelt: ỹ(x) = v (x)y (x) + v 2 (x)y 2 (x), wobei v (x) bzw.v 2 (x) durch unbestimmte Integration ohne Integrationskonstante aus bzw. zu gewinnen sind. v (x) = v 2(x) = y 2 (x)b(x) y (x)y 2(x) y (x)y 2 (x) y (x)b(x) y (x)y 2(x) y (x)y 2 (x) Diese Methode kann auch in den Fällen bis 4 angewendet werden, nur sind die dort behandelten Methoden günstiger.

306 Die allgemeine reelle Lösung der inhomogenen Differentialgleichung mit reellwertiger Störfunktion b(x) lautet dann y(x) = ỹ(x) + y h (x) = ỹ(x) + c y (x) + c 2 y 2 (x), c, c 2 R. Sind Anfangsbedingungen zu erfüllen, so braucht man nur die allgemeine Lösung in die Anfangsbedingungen einzusetzen und das daraus resultierende LGS für c und c 2 zu lösen. Da in Beispiel 3.8 für Fall.2 für die Ableitung ein Polynomansatz gemacht wurde, nach der obigen Zusammenfassung aber in Fall.2 für die Funktion selbst ein Ansatz gemacht wird, greifen wir dieses Beispiel noch einmal auf: Beispiel 3.3 Wir suchen eine spezielle Lösung der Differentialgleichung Wir setzen den Ansatz y y! = x 3 2x (3.35) ỹ(x) = x (γ 0 + γ x + γ 2 x 2 + γ 3 x 3) = γ 0 x + γ x 2 + γ 2 x 3 + γ 3 x 4 in die Differentialgleichung ein und erhalten: ỹ (x) + ỹ (x) = (γ 0 + 2γ x + 3γ 2 x 2 + 4γ 3 x 3 ) + (2γ + 6γ 2 x + 2γ 3 x 2 ) = (2γ γ 0 ) + (6γ 2 2γ )x + (2γ 3 3γ 2 )x 2 4γ 3 x 3! = x 3 2x = 0 x 0 2x + 0 x 2 + x 3 Vergleichen wir die Koeffzienten der Potenzen x k auf der linken Seite mit den Koeffzienten der Potenzen x k auf der rechten Seite,so erhalten wir bei x 3 : 4γ 3 =, also γ 3 = /4, bei x 2 : (2γ 3 3γ 2 ) = 0, also γ 2 = 4γ 3 = 4 ( /4) =, bei x (= x) : (6γ 2 2γ ) = 2, also γ = 3γ 2 + = 3 ( ) + = 2 und bei x 0 (= ) : (2γ γ 0 ) = 0, also γ 0 = 2γ = 4. Damit ist ỹ(x) = x4 4 x3 2x 2 4x eine spezielle Lösung der Differentialgleichung (3.35).

307 Beispiel 3.4 Wir suchen eine spezielle Lösung der Differentialgleichung y 3y (= y + a y + a 0 y) =! 3 mit a = 3 0, a 0 = 0. (3.36) Die Störfunktion ist eine Konstante, also ein Polynom 0-ten Grades, und es liegt wegen a = 3 0 und a 0 = 0 Fall.2 vor. Wir setzen den Ansatz in die Differentialgleichung ein und erhalten: ỹ(x) = x γ 0 3ỹ (x) + ỹ (x) = 3γ 0 + 0! = 3, also γ 0 = Damit ist ỹ(x) = x eine spezielle Lösung der Differentialgleichung (3.36).