Finanzierung und personelle Voraussetzungen des Wohlfahrtsstaates



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Transkript:

Finanzierung und personelle Voraussetzungen des Wohlfahrtsstaates Katharina Wittur, Rebekka Steffens, Katharina Päffgen, Oliver Kloecker

Gliederung Einleitung Finanzierung der sozialen Sicherung Belastungen von Arbeitnehmern und Unternehmen Private Vorsorge Finanzierungskrise Wissensfragen Diskussion

Ziel der Sozialpolitik in der Marktwirtschaft soziale Risiken begrenzen Folgen sozialer Risiken ausgleichen Unterstützung bei Bewältigung sozialer Probleme Verbesserung von Einkommens-, Versorgungsund Lebenslagen

Interventionsebenen und -formen Rechtliche Regulierung von Märkten Sozialpolitische Geldzahlungen Bereitstellung von Diensten und Einrichtungen im Gesundheits- und Sozialwesen Erhebung von Abgaben

Das Sozialbudget Öffentliche finanzierte Leistungen des Systems der sozialen Sicherung Sozialleistungen im Sozialbudget: Direkte monetäre Transfers Indirekte monetäre Transfers Realtransfers

Das Sozialbudget Leistungen nach Institutionen Mehrere Institutionen stellen Leistungen für denselben Zweck bereit! Leistungen nach Funktionen

Einflussfaktoren der Ausgabenentwicklung Veränderungen im Leistungsrecht Zahl und Struktur der Leistungsempfänger Leistungsmenge Einkommensentwicklung Kosten- und Preisentwicklung

Finanzierung der sozialen Sicherung

Sozialpolitik als Einkommensumverteilung Steuern und Beiträge Realwirtschaftlicher Prozess hinter der Umleitung von Geldströmen Umverteilung von Einkommen und Ansprüchen auf Güter und Dienstleistungen

Finanzierungsverfahren Umlageverfahren dominiert: Einkommens- und Kaufkraftübertragung zw. den Generationen Kapitaldeckungsverfahren (v.a. private Lebensversicherung)

Sozialversicherung und Beitragsfinanzierung Sozialversicherungsbeiträge als wichtigste Finanzierungsart des Sozialleistungssystems Zahlungen zu gleichen Teilen von Arbeitnehmer und Arbeitgeber Versicherungspflichtgrenze Beitragsbemessungsgrenzen Besondere Bedingungen für geringfügige Beschäftigungsverhältnisse und Midi-Jobs

Sozialversicherung und Beitragsfinanzierung Verschiebungen zwischen den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung durch Veränderungen im Leistungs- und Finanzierungsrecht

Steuerfinanzierte Sozialleistungen

Sozialausgaben und öffentliche Haushalte Alle Sozialleistungen außerhalb Sozialversicherung finanziert durch allgemeines Steueraufkommen Bundeszuschüsse Bundesgarantie Keine Zweckbindung Bundes-, Länder- und Kommunalhaushalt

Steuersystem und Steuerverteilung Höchstes Aufkommen: Lohnsteuer und Umsatzsteuer Gesamtsteueraufkommen rückläufig Stärkere Bedeutung indirekter Steuern Einzelne Steuerarten kommen jeweils einer öffentlichern Gebietskörperschaft allein zu Gemeinschaftssteuern

Steuersystem und Steuerverteilung Finanzierung der öffentlichen Ausgaben über Nettokreditaufnahme Finanzausgleichsystem zwischen Bund, Ländern und Gemeinden

Belastungen von Arbeitnehmern und Unternehmen

Belastungen von Arbeitnehmern und Unternehmen Finanzierung der Sozialausgaben hauptsächlich durch Abzüge von Arbeitnehmereinkommen In welcher Höhe mindern die Abgaben die Bruttolöhne und welchen Einfluss hat dies auf die Nettolöhne?

Lohnbildung Arbeitnehmer beiträge und Lohnsteuern Lohnneben kosten

Belastungen der Arbeitnehmer Anstieg der durchschnittlichen Gesamtabzugsquoten d.h. der Lohnsteuer und Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung von 22,5% im Jahr 1970 auf 34,0 % im Jahr 2005 Durchschnittswerte werden verzerrt durch: 1.) Bruttolohn- und Gehaltssumme unterliegt nur teilweise der Beitragspflicht 2.)Progressiver Steuersatz, Familienstand Steuerklasse

Belastungen der Arbeitnehmer- Modellrechnung Einkommen von 26.536 jährlich, 2211 Brutto Verheirateter Alleinverdiener (Steuerklasse 3) : 69 Lohnsteuer (3,4%), 466 Arbeitnehmerbeiträge und Sonderbeiträge (21,1%) Abzugsquote 24,5% Lediger Arbeitnehmer (Steuerklasse 1): Abzugsquote 36,2% Ab Bruttomonatseinkommen von 4000 : 34,5 % verheirateter Alleinverdiener und 44,6% bei Ledigen

Belastungen für die Unternehmen

Belastungen der Unternehmen Sozialstaat als Kostenfaktor für Unternehmen Indirekte Kosten: Regulierungen am Arbeitsmarkt Normierung und Rahmenbedingen von Arbeitsverhältnissen Arbeits- und Tarifrechtliche Ge- und Verbote

Belastungen der Unternehmen Bezieht man die Nebenkosten auf die gesamten Arbeitskosten Nebenkostenquote von 35,7 % Bezieht man die Nebenkosten nur auf den Stundenlohn Nebenkostenquote von 60 % unechte Quotenbildung Bedeutung der Lohnnebenkosten hat nicht zugenommen

Belastungen der Unternehmen Hohe Arbeitsgesamtkosten sind Ausdruck von hoher gesamtgesellschaftlicher Wohlstandsposition und Folge der sozialen Sicherung Lohnstückkosten: Wie viel Lohn muss für eine Produktions- oder Dienstleistungseinheit gezahlt werden In entwickelten Länder sind Lohnstückkosten im Vergleich immer noch geringer als in Billiglohnländern

Belastungen der Unternehmen Welche Auswirkungen hat eine Erhöhung der Arbeitgeberbeitragssätze? Abwälzung der Kosten auf den Verbraucher Verzicht auf Preisreaktionen Rückwälzung der Kosten bei Lohnsteigerungen

Belastungen der Unternehmen Auswirkungen o Arbeitgeberbeiträge machen nur 13,7 % der Arbeitsgesamtkosten aus o Steigerung der Arbeitgeberbeiträge hat wesentlich geringere Auswirkungen als Steigerung der Löhne

Private Vorsorge Prämienzahlungen für private Kranken- und Pflegeversicherungen Einzahlung in die private Altersversorgung auf individueller Basis Zuzahlungen zu den Sachleistungen der Krankenversicherung

Private Vorsorge 2005:Beitragseinnahmen von 27,3 Mrd. in der privaten Krankenversicherung 2005:Ausgaben für Gesundheit zu 14% durch private Haushalte 2001: Private Zuzahlungen von 10 Mrd.

Private Vorsorge Wechsel von Sozial- zur Privatversicherung wirkt auf die Belastungsstruktur Risiko- und leistungsäquivalente Prämiengestaltung Zuzahlungs- und Eigenbeteiligungsregeln

Die Krise des Sozialstaates - Ursachen Interne Ursachen: Demographische Entwicklung Kostenexplosion, Standortschwäche Steuerungsdefizite (z.b. soziale Hängematte) Externe Ursachen: Fehlendes wirtschaftliches Wachstum Arbeitsmarkt weltwirtschaftliche Verwerfungen, sprich Globalisierung Überversorgung (z.b. Leistungsmissbrauch)

Die Krise des Sozialstaates Demographischer Wandel Das Argument der Überalterung: Durch die sinkende Geburtenrate der Deutschen und die steigende Lebenserwartung aufgrund des medizinischen Fortschritts komme es zu einer "Vergreisung" der Bundesrepublik, die das ökonomische Leistungspotenzial des Landes schwäche und die sozialen Sicherungssysteme überfordere. Dem könne nur mittels einer Privatisierung auf der Beitrags- sowie einer Leistungsreduzierung auf der Kostenseite begegnet werden. Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Demographischer Wandel Gegenargumente: Die demografischen Entwicklungsperspektiven werden in Öffentlichkeit und Medien zu einem wahren Schreckensszenario verdüstert. Wichtig ist das Verhältnis von Aktiven zu Inaktiven insgesamt. Zwar müssen beispielsweise immer mehr ältere Menschen versorgt werden, aber zugleich sinkt durch die niedrige Geburtenrate der Versorgungsaufwand für jüngere Menschen. Entwicklung von Beitragszahlern zu Rentnern: 1950 7 : 1 2000 4,13 : 2010 1 3,25 : 2020 1 2,87 : 2030 1 2,20 : 2040 1 1,90 : 1 Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Arbeitsmarkt Verhältnis von Erwerbstätigen und Arbeitslosen Problem: Hohe Arbeitslosigkeit berührt Ausgaben und Einnahmeseite gleichermaßen. Resultat: Trotz steigender Arbeitslosigkeit blieben die Ausgaben relativ Konstant. Stattdessen wird die Krise direkt auf die Betroffenen umgewälzt, indem a) bei steigenden Ausgaben die Beträge für ALG I und ALG II gekürzt werden b) der Anspruch auf ALG rigoroser gehandhabt wird Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Arbeitsmarkt Verhältnis von Sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und Erwerbstätigen Problem: Seit den 1990er hat eine kontinuierliche Verringerung der versicherungspflichtig Beschäftigten stattgefunden. Die Einnahmen noch stärker als die Ausgaben sind hinter der allgemeinen Entwicklung des Sozialprodukts zurückgeblieben Allerdings: Durch die rückläufige Zahl von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verringert sich auch die Zahl und Höhe von Leistungsanwartschaften und entsprechend die Ausgaben. Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Kostenexplosion/ Standortschwäche Das Beschäftigungsargument: Standortschwäche Lohnnebenkosten in Deutschland sind zu hoch Internationaler Wettbewerb durch Globalisierung sorgt dafür, dass Arbeit in Deutschland nicht mehr Konkurrenzfähig ist Folgen: Arbeitsplatzabbau aufgrund hoher Lohnnebenkosten Gegenargumente: Nicht Lohnnebenkosten, sondern Lohnstückkosten sind entscheidend Lohnstückkosten = wie viel wird in einer Stunde Arbeit produziert? Deutschland ist bei der Produktivität pro Arbeitsstunde international führend Lohnnebenkosten werden demnach durch hohe Produktivität ausgeglichen Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Steuerungsdefizite Das Kostenargument: die soziale Hängematte Transferleistungen des Wohlfahrtsstaates sind zu hoch deswegen ist der Sozialstaat nicht mehr bezahlbar Außerdem: keine wirksame Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, da hohe Ersatzleistungen dazu führen, dass sich Arbeit nicht mehr lohnt Armutsfalle aufgrund mangelnder Arbeitsbereitschaft Gegenargumente Studien belegen, dass 90 bis 100 % der Arbeitslosen, die einen Jobangebot bekommen, dieses auch Annehmen Es mangelt nicht an Arbeitswilligen, sondern an Arbeitsplätzen Arbeitsbereitschaft wird durch WS nicht gestört Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Überversorgung Das Missbrauchsargument: Sozialschmarotzer und Abzocker Leistungsmissbrauch als permanente Gefahr für den Sozialstaat Mittel der Kritik: spektakuläre Einzelfälle ( Florida-Rolf ) Grund für den Missbrauch: mangelnde Kontrolle, fehlende Sanktionen das schadet den wirklich Bedürftigen Gegenargumente Unabhängige Untersuchungen zeigen, dass maximal 3 % der Arbeitslosen Leistungen missbräuchlich in Anspruch nehmen selbst staatliche Untersuchungen zeigen, dass es maximal 6 % sind Missbrauchsdebatte legitimiert Leistungskürzungen für alle, wobei nur unerhebliche Minderheit betrügt Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Die Krise des Sozialstaates Globalisierung Die Existenz eines Wirkungszusammenhangs zwischen Globalisierung und Sozialstaat steht außer Frage. Allerdings fehlt es an eindeutigen Erkenntnissen über die Art und Weise des Wirkungszusammenhangs. Wir beschränken uns auf die Feststellung, dass die Globalisierung eine, aber auch nur eine von vielen Ursachen für die Krise des Sozialstaates ist. Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Wissensfragen Was sind die Vor- und Nachteile einer öffentlichen- gegenüber einer privaten sozialen Sicherung? Was bedeutet intertemporale Umverteilung? Wodurch erfolgt die Finanzierung der Sozialen Sicherung? Inwiefern besteht eine Interdependenz zwischen dem System sozialer Sicherung und wirtschaftlicher Dynamik? Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß

Diskussion Greift der Sozialstaat mit seinen Umverteilungen zu stark in den Marktprozess ein und gefährdet somit die wirtschaftliche Dynamik? Im Text wird auch auf die stark unterschiedlichen Sozialleistungsquoten der alten und neuen Bundesländer eingegangen. Diskutieren sie die Angleichungsmaßnahmen (Solidaritätszuschlag) hinsichtlich ihrer tatsächlichen Wirksamkeit und eventuellen Alternativen. Wie groß ist in Deutschland der individuelle Anreiz, private Vorsorge zu betreiben? Hauptseminar Soziologie des Wohlfahrtsstaates SS 2008, Prof Dr. Andreß