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Transkript

1 Ausschnitt Seite: 1/7 \ Der kleine Weinberg Weinburg Nidberg Nulberg mitten in Mels: Kellermeister Eugen Bärtsch prüft prutt das dr, Traubengut.

2 Ausschnitt Seite: 2/7 Seeztal die «neue» St. Galler Weinregion Der mystische Walensee und die schroffen Churfirsten erinnern eigentlich an eine norwegische Fjordlandschaft. Gleichwohl lassen mediterrane Lüfte Feigen, Kiwis und Palmen gedeihen. Kunststück, dass in solchem Klima auch charaktervolle Weine Text und Bilder: Peter Hummel reifen - nur waren sie bislang noch kaum bekannt. haben eigentlich alles gut geplant für unsere Reportage über das wenig bekannte Weinbaugebiet Sarganserland - Walensee. Rechtzeitig vor dem Wimmet wollen wir einige Winzer besuchen und einen Blick auf die heuer besonders prallen und vielversprechenden Reben werfen. Allein, die von einem Ausnahmesommer begünstigten Winzer müssen die Weinlese um zwei Wochen vorverschieben - für uns ein Glücksfall, der Ernte dieses «Jahrhundertjahrgangs» beiwohnen zu dürfen, und die Weinbauern heissen uns trotz der Hektik der Lesetage herzlich willkommen. Schliesslich freuen sie sich, ihre noch unterbewertete Weinregion für einmal in die Sonne stellen zu dürfen. Der St.Galler Wein gehört ja vielleicht nicht zu den bekanntesten Schweizer Tropfen. Immerhin zählen einige Rheintaler Toplagen wie der Thaler Buechberg oder die Bernecker Pfauenhalde zu den besten Ostschweizer Provenienzen. Demgegenüber fristete die Weinbauregion zwischen Gonzen und Churfirsten bis vor kurzem noch ein Mauerblümchendasein; Trotz famoser Lagen wie dem Nidberg oder Quinten ist sie noch kaum über die Region hinaus bekannt. Nachbarn der Bündner Herrschaft Ganz zu Unrecht, findet Marco Casanova von Wein Pur aus Walenstadt: «Das Sarganserland ist doch eigentlich der Anfang und Nachbar des Churer Rheintals mit seinen grossen AOC- Lagen.» Recht hat er damit gewiss, was das Terroir anbelangt mit den meist kalkhaltigen Böden unterhalb steiler Bergflanken. Beim Klima sind die Bündner schon noch etwas begünstigter: Dank

3 Ausschnitt Seite: 3/7 mehr Föhn hat's dort etwas mehr Wärme und weniger Niederschlag. Casanova muss es wissen: Er hat mit Thomas Mattmann das Weingut Cicero in Zizers in die Topränge geführt. In Walenstadt gilt er als «junger Wilder»: 2014 übernimmt er mit seiner Frau Eleni ein Weingut des verunglückten Daniel Eberle und baut auf inzwischen fünf Hektar traditionelle Rebsorten nach biodynamischen Vorgaben an, vor allem Riesling- Sylvaner, Sauvignon Blanc und Pinot Noir wird Casanova die Ehre des Schweizer Biowinzers des Jahres zuteil. Weinmachen als Gesamtkunstwerk Eigentlicher Biopionier am Walensee und in der Ostschweiz überhaupt ist Bruno Bosshart. Sein Haupt zieren zwar längst weisse Locken, doch im Geiste ist auch er noch ein ganz «Junger» wandert der Zürcher Kulturaktivist nach Quinten aus, wo er einen Hof mit Mutterkuhhaltung in Betrieb nimmt wird ihm in Walenstadt der traditionelle Zwicky Wingert angeboten, und 1990 kann er in Berschis ein uriges Gebäude erwerben - einen ehemaligen Armeekommandoposten, der sich mit seinen dicken Mauern ideal als Weinkeller eignet. Als Bioneulinge werden Bruno Bosshart und seine Winzerpartnerin Romy Grimm anfangs allerorten belächelt, und sie müssen auch viel Lehrgeld bezahlen. Konsequent gehen sie aber ihren Weg, experimentieren immer wieder mit neuen Sorten, um noch bessere Resultate zu erreichen. Seit ein paar Jahren bringen deren Söhne Philipp und Mathias zusätzliches Know-how ins heute 4,5 Hektar grosse Familienweingut. Das Erfolgsrezept ist inzwischen gefunden: An abgelegenen Lagen werden pilzwiderstandsfähige (PIWI-) Sorten angebaut wie Plantet (rot) oder Seyval Blanc in Quinten und Saphira in der reaktivierten Parzelle Grünhag vis-ä-vis Flums; in der engeren Kellereiumgebung hingegen werden solch exzellente Pinot Noirs wie der Brisi oder Barrique kultiviert, die es mit hervorragenden Crus aus der Herrschaft aufnehmen können. Im Ranking der Fachzeitschrift «Vinum» gehören Bosshart + Grimm zu den drei besten Biowinzern und zu den 100 besten Weingütern der Schweiz. Kunststück, dass hier das Erlebnis nicht erst in der Flasche anfängt, sondern schon bei den Etiketten, die Bruno Bosshart dank seiner kunstgewerblichen Ausbildung mit grosser Kreativität selbst entworfen hat; Zürcher Kulturaktivist, dann Bauer und Bioweinnionier.

4 Ausschnitt Seite: 4/7 neuerdings bekommt er durch Philipp, gelernter Mediendesigner, Unterstützung. Die Bioprotagonisten unter den Churfirsten haben dafür gesorgt, dass Walenstadt sogar zu einem Hotspot auf der nationalen Weinkarte geworden ist: Alle hier gekelterten Weine stammen nämlich aus Bioanbau, schweizweit ein Unikum. Neben Casanova und Bosshart + Grimm ist das kleine Weingut Calvinza der Dritte im Bunde. Seeztal als treffliche Terroirbezeichnung Ein gewisses Handicap für eine nationale Vermarktung der Weine aus der Region Walensee - Sarganserland ist das Fehlen einer eigenen Ursprungsbezeichnung - AOC St.Gallen sagt selbst einem Weinkenner wenig. Dabei gäbe es für die Gewächse zwischen Sargans und Walenstadt mindestens eine treffliche Regionsbezeichnung: Seeztaler Weine. Diese geografisch an sich präzise Bezeichnung ist kaum mehr geläufig, doch Eugen Bärtsch von der Weinkellerei Bärtsch in Mels erkennt darin erhebliches Potenzial: «Gerade für unsere drei Lagen am Nidberg, in Heiligkreuz und Sargans wäre das eine gute Profilierung, die es mit den traditionellen Begriffen wie Rheintaler oder Herrschäftler Wein aufnehmen könnte. Davon würden auch die andern sieben Selbstkelterer im Tal der Seez profitieren.» Die aussergewöhnlichste Lage in dieser Region ist der Nidberg, eine der exklusivsten im ganzen Kanton überhaupt: Der Melser Hausberg liegt eigentlich auf der falschen

5 Ausschnitt Seite: 5/7 Talseite, der Nordseite, doch seine Südexposition ermöglicht vorzügliche Lagenweine, inklusive eines Schaumweins. Weil er so steil und klein parzelliert ist, wäre allerdings der Aufwand für rein biologischen Anbau zu gross, wie Eugen Bärtsch erklärt; hingegen werden schon lange IP-Richtlinien befolgt. Bärtsch-Weine besteht seit 1932 und wird in dritter und vierter Generation von Eugen und Felix sowie Junior Andi Bärtsch geführt. Von den knapp 4 Hektar Weinbergen werden 1,2 Hektar selber bebaut; der Rest wird von privaten Winzern im Nebenerwerb angeliefert. Der Kellerei in Mels ist eine alteingesessene Weinhandlung angegliedert, in der natürlich das Dutzend eigener Tropfen einen prominenten Platz einnimmt. Eine landesweite Exklusivität sind die beiden «Tre Talenti», je eine rote und weisse Cuv6e, in der die drei Familienunternehmen Bärtsch, Tamborini in Lamone und Mathier in Salgesch die Vorzüge des St. Galler, Tessiner und Walliser Terroirs vereinen. Jahrhundertwein dank Toskanasommer? Ende September war die ganze Ernte eingefahren, so früh wie noch nie. Wird es denn nun dieser «Jahrhundertwein», wie er sich ankündigte? Bruno Bosshart glaubt schon: «Wir hatten jedenfalls ein sensationelles, aber auch hektisches Finale mit bis zu drei Grad Öchslesteigerung pro Tag - das gab es noch nie, das forderte aber auch die Ernteorganisation aufs Äusserste.» Auch Andi Bärtsch ist begeistert: «Die meisten Toplagen,

6 Ausschnitt Seite: 6/7 Bruno und frischgelesenen lieferten voll ausgereiftes Traubengut von über 100 Öchsle, mit Spitzen von 109 Grad.» Der kantonale Rebbaukommissär Markus Hardegger relativiert allerdings ein bisschen: «Nachdem in den letzten 20 Jahren schon mindestens drei Mal dieses Prädikat bemüht wurde , 2009 und , scheint mir der Superlativ langsam etwas abgegriffen.» Hintergrund sei zum einen, dass die St. Galler Weine in den letzten zwei, drei Jahrzehnten eh eine enorme Qualitätssteigerung erfahren haben. Zum anderen sei nach aller klimatischen Begünstigung dieses Sommers die Weinlese doch nicht ganz so einfach gewesen: «Wir profitierten von einem eigentlichen <Toskanasommer>, die Temperaturen lagen konstant bis zu 3 Grad über den Durchschnittswerten. An gewissen Lagen mit geringer <Bodenmächtigkeit> wie etwa Quinten führte das bei den Rebstöcken aber zu Trockenheitsstress», so Hardegger. «Eine grosse Herausforderung war, dass in der zweiten Septemberhälfte praktisch alle Weinberge zur gleichen Zeit erntereif waren. Die Kunst bestand darin, den optimalen Reifezeitpunkt zu erwischen - mit ausgewogener Balance zwischen Öchslegrad (Süsse), Säure, Tanninen und Extraktstoffen.» Wer auf einen maximalen Reifegrad setzte, riskierte, dass die Trauben «explodierten» (mechanisch wie vom Öchslegrad) und dass die Anthozyane (welche die gewünschte Rotfärbung liefern) kippten. Bereits festhalten lasse sich jedenfalls, dass der Jahrgang 2018 weitgehend einen Ausgleich für die letzte Ernte mit bis zu 70 Prozent Ausfall liefere. «Wir profitieren vom eigentlichen Toskanasommer.»

7 Ausschnitt Seite: 7/7 St. Galler Weine mit AOC Der St. Galler Weinbau ist volkswirtschaftlich von grosser Bedeutung. In 32 Gemeinden des Kantons wird Weinbau betrieben: Die Hauptanbaugebiete sind das Rheintal, das Sarganserland und das Gebiet Ilapeerswil/Jona. Die meist steiles Rebberge werden von 450 Rebbauern und -bauerinnen bewirtschaftet; rund 30 Kelterungsbetriebe verarbeiten die Trauben. Seit 2003 gibt es die kontrollierte Ursprungsbereichnune «AOC St.Gallen». Ein erhalt die AOC-Ausreichnung, wenn er bei der sensorischen Prüfung 65 Punkte (von 100) erreicht. Im Rahmen der AOC-Regelung sind im Kanten gegen 100 anerkannte, meist traditionelle Reblagen klar deliniert und abgegrenzt worden. 1