Sozialreferat Amt für Soziale Sicherung S-I-WH 1
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- Rudolph Ackermann
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1 Telefon: Telefax: Sozialreferat Amt für Soziale Sicherung S-I-WH 1 Vorrangige Leistungen nach 12 a Satz 2 SGB II Vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente ab Vollendung des 63. Lebensjahres München tritt ein gegen die Zwangsverrentung! Antrag Nr / A der Stadtratsfraktionen DIE GRÜNEN/RL und der SPD vom Sitzungsvorlage Nr / V Anlagen Beschluss des Sozialausschusses vom (SB) Öffentliche Sitzung I. Vortrag der Referentin 1. Anlass Am stellten die Stadtratsfraktionen von DIE GRÜNEN/RL und der SPD den Antrag Nr / A 02477: "München tritt ein gegen die Zwangsverrentung!" Es wurde beantragt, dass die Landeshauptstadt München juristisch prüfen lässt, inwiefern es zulässig ist, Menschen, die älter als 63 Jahre sind, zur Beantragung einer Altersrente zu verpflichten. Ferner soll sich der Oberbürgermeister über den Deutschen Städtetag für eine Gesetzesänderung einsetzen, damit diese Regelung abgeschafft wird (vgl. Anlage 1). 2. Aktueller Sachverhalt Im Rahmen der Gewährung von Arbeitslosengeld II werden leistungsberechtigte Personen, welche das 63. Lebensjahr vollendet haben, gemäß 12 a SGB II vom Jobcenter dazu aufgefordert, innerhalb einer angemessenen Frist einen Antrag auf vorzeitige Altersrente bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) zu stellen. Wenn dieser Aufforderung nicht nachgekommen wird, so kann das Jobcenter selbst für die betroffene Person die Altersrente beantragen. Für jeden Monat, in dem eine derartige Rente vor Erreichen der einschlägigen Regelaltersgrenze in Anspruch genommen wird, muss die Rentenempfängerin bzw. der Rentenempfänger einen Abschlag von 0,3 % in Kauf nehmen. Dies bedeutet, dass eine heute 63 Jahre alte Person, deren Regelaltersgrenze bei 65 Jahren liegt und die im Monat ihres 63. Geburtstags einen Antrag auf vorzeitige Altersrente stellt, einen
2 Seite 2 Abschlag von 7,2 % (24 Monate x 0,3 %) auf die monatliche Rente hinnehmen muss. Bei einer Regelaltersgrenze von 67 Jahren (ab Jahrgang 1964) beträgt der Abschlag im Jahre 2027 sogar 14,4 %. Mit Beginn der Rentenbewilligung haben die betroffenen Bürgerinnen und Bürger keinen Anspruch mehr auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Ausschlussgrund im Sinne des 7 Abs. 4 Satz 1 Alternative 2 SGB II vorliegt. Das betrifft sowohl die finanziellen Leistungen als auch Leistungen, welche zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erbracht werden. Die Begründung dieser Gesetzesvorschrift ist, dass Personen, die endgültig aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind und Rente wegen Alters beziehen, nicht mehr in Arbeit eingegliedert werden. Wenn die Betroffenen weitere finanzielle Hilfen benötigen, haben Sie gegebenenfalls einen Anspruch auf ergänzende Leistungen nach dem Dritten Kapitel SGB XII. Der Sozialhilfeträger kann dann z.b. Angehörige zum Unterhalt heranziehen. Dies wäre bei der Gewährung von Grundsicherungsleistungen im Alter nach dem Vierten Kapitel SGB XII nicht möglich. Diese Leistungen können aber erst bewilligt werden, wenn die Antragstellerin/der Antragsteller das 65. Lebensjahr vollendet hat. Die Landeshauptstadt München als Sozialhilfeträger muss die Kosten für den Wechsel in der Zuständigkeit vom Jobcenter zum Sozialhilfeträger aus eigenen Mitteln bewältigen. Der Bund beteiligt sich nach 46 a SGB XII nur an den Aufwendungen, die für Leistungen nach dem Vierten Kapitel SGB XII entstanden sind. 3. Juristische Prüfung Die Vorschrift des 12 a SGB II ist in rechtlicher Hinsicht nicht angreifbar. Die aus der Vorschrift resultierenden Probleme waren bereits mehrfach Gegenstand von Diskussionen auf höchster politischer Ebene: 12 a Satz 1 SGB II stellt eine bloße Wiederholung des bereits im SGB II verankerten allgemeinen Nachranggrundsatzes dar, wonach eine hilfesuchende Person nur dann als bedürftig und damit leistungsberechtigt anzusehen ist, wenn sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält (vgl. 9 Abs. 1 Satz 1 SGB II). Insbesondere verstößt die Vorschrift weder gegen das Grundrecht auf Eigentum gemäß. Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch gegen den Gleichheitssatz, welcher in Art. 3 Abs. 1 GG geregelt ist. Vielmehr handelt es sich um eine zulässige Inhalts- und Schrankenbestimmung, wobei der Gesetzgeber den ihm zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielraum in rechtmäßiger Weise ausgefüllt hat. Es ist aus
3 Seite 3 verfassungsrechtlicher Sicht irrelevant, ob die zu Abschlägen bei der Altersrente führende Zurruhesetzung aus der Perspektive des Betroffenen freiwillig oder unfreiwillig erfolgt. Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht ersichtlich. Die Pflicht zur vorzeitigen Rentenantragstellung besteht nur im Falle der "Erforderlichkeit", d.h. unter Berücksichtigung der Umstände des konkreten Einzelfalles. Diese Tatsache wird auch von der Bundesregierung stets hervorgehoben, so dass es sich formal nicht um eine "Zwangsverrentung" handelt. Eine "Diskriminierung" durch die festgelegte Altersgrenze von 63 Jahren liegt nach rechtlicher Bewertung ebenfalls nicht vor. Europarechtlich ist die Regelung des 12 a SGB II unbeachtlich, da die eine Altersdiskriminierung untersagende Richtlinie diese ausdrücklich "für Leistungen jeder Art seitens der staatlichen Systeme oder der damit gleichgestellten Systeme einschließlich der staatlichen Systeme der sozialen Sicherheit oder des sozialen Schutzes" für nicht anwendbar erklärt. Selbst im Anwendungsbereich der Verordnung wäre aber eine zwangsweise Versetzung in den Ruhestand zulässig, wenn Allgemeinwohlinteressen - die der Gesetzgeber hier vorbringen kann - das Anknüpfen an eine einheitliche Altersgrenze rechtfertigen. Die Problematik der Kostenverschiebung auf den Sozialhilfeträger stellt lediglich einen Rechtsreflex der Regelung des 12 a SGB II dar. Es liegt keine Übertragung von Aufgaben im Sinne des Grundgesetzes vor, so dass auch Überlegungen zum Konnexitätsgrundsatz vorliegend nicht greifen können, da diese stets an Aufgabenübertragungen anknüpfen. Prüfung der Rechtmäßigkeit des Verlangens des Jobcenters gegenüber einer leistungsberechtigten Person vorzeitig in Rente zu gehen: Eine Aufforderung zur Rentenantragstellung durch das Jobcenter könnte zumindest dann als ermessensfehlerhaft angesehen werden, wenn der oder die Leistungsberechtigte nach Bewilligung der Altersrente und Beendigung der SGB II- Leistungen bis zum Erreichen der Altersgrenze im Sinne des 41 SGB XII auf Hilfen nach dem Dritten Kapitel SGB XII angewiesen ist. Sollte das Ermessen tatsächlich fehlerhaft ausgeübt worden sein, wäre die Aufforderung des Jobcenters dann aber rechtlich anfechtbar und die betroffene Person könnte Widerspruch und Klage einlegen. Da in diesem Fall jedoch weder Widerspruch noch Klage aufschiebende Wirkung hätten, könnte der Rentenantrag trotz Rechtswidrigkeit vom Jobcenter bei der DRV im Einzelfall gestellt werden. Die Zwangsverrentung selbst ließe sich daher allenfalls im Rahmen eines Eilverfahrens mit unsicheren Erfolgsaussichten verhindern.
4 Seite 4 4. Stellungnahme des Sozialreferats Auch wenn die aktuelle Regelung rechtlich nicht zu beanstanden ist, ist sie dennoch nach Auffassung des Sozialreferats sozialpolitisch in hohem Maße inkonsequent und diskriminierend. Die Regelung des 12 a SGB II widerspricht eklatant der Zielsetzung des Gesetzgebers, das Renteneintrittsalter sukzessive auf 67 Jahre zu erhöhen. Mit dieser Regelung können erwerbsfähige Menschen gezwungen werden, bereits mit 63 Jahren einen Antrag auf Altersrente zu stellen. Damit wird zwar die Hilfsbedürftigkeit gegebenenfalls beseitigt, verkürzt oder vermindert (vgl. 12a SGB II) jedoch werden die Betroffenen zusätzlich noch dadurch benachteiligt, dass sie auf Dauer Abschläge bei ihrer Rente in Kauf nehmen müssen, die sich aufgrund der zu frühen Verrentung ergeben und dies einzig und allein wegen Einsparungen im Transferleistungsbereich des SGB II. Außerdem haben die Betroffenen dann keinerlei Ansprüche mehr nach dem SGB II und sind somit auch von den Leistungen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt ausgeschlossen. Sofern die erst 63-jährigen Betroffenen, deren Rente nicht zum Leben ausreicht, noch keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter haben (erst ab 65 Jahren bzw. ab 2012 sukzessive Anhebung der Altersgrenze auf 67 Jahre), müssen sie Hilfe zum Lebensunterhalt beanspruchen mit der Folge, dass sie Unterhaltsansprüche gegenüber ihren Kindern geltend machen müssen. Dies wurde für die Grundsicherung im Alter durch den Gesetzgeber aus guten Gründen grundsätzlich ausgeschlossen. Die Betroffenen haben dann nur noch die Möglichkeit Widerspruch einzulegen oder Klage zu erheben und tragen insoweit ein nicht unerhebliches Prozessrisiko. Die Regelung des 12a SGB II ist - unabhängig von der juristischen Bewertung - nach Ansicht des Sozialreferats für die Betroffenen diskriminierend, wenn es sich um Menschen handelt, die noch arbeits- und erwerbsfähig sind. Diese Menschen zu zwingen, einen Antrag auf Altersrente zu stellen, nur weil sie momentan keine konkrete Aussicht auf eine passende Stelle haben, und von den Eingliederungsleistungen nach den Regelungen des SGB II auszuschließen, ist eine nicht hinnehmbare Benachteiligung der über 63-jährigen, hilfsbedürftigen Menschen. Hinzu kommt, dass die Kommunen die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt alleine zu tragen haben, während die Kosten der Grundsicherung im Alter durch den Bund finanziert werden. Die Einsparungen im Bereich des SGB II führen bei der Anwendung der Regelung des 12 a SGB II auch noch zu erheblichen Mehrausgaben der Kommunen.
5 Seite 5 5. Schreiben an den Deutschen Städtetag Mit Schreiben vom wandte sich die Sozialreferentin Brigitte Meier bereits mit der Bitte um eine Gesetzesänderung an den Deutschen Städtetag (vgl. Anlage 2). Eine Antwort auf dieses Schreiben ist bisher noch nicht eingegangen. Anhörung des Bezirksausschusses In dieser Beratungsangelegenheit ist die Anhörung eines Bezirksausschusses nicht vorgesehen (vgl. Anlage 1 der BA-Satzung). Dem Korreferenten, Herrn Stadtrat Benker, dem Verwaltungsbeirat, Herrn Stadtrat Dr. Babor, der Stadtkämmerei, der Frauengleichstellungsstelle, dem Seniorenbeirat, dem Ausländerbeirat, dem Behindertenbeauftragten, dem Behindertenbeirat und dem Sozialreferat/Stelle für interkulturelle Arbeit ist ein Abdruck der Sitzungsvorlage zugeleitet worden. II. Antrag der Referentin 1. Vom Vortrag der Referentin zu 12 a SGB II wird Kenntnis genommen. 2. Der Oberbürgermeister wird gebeten, sich beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales dafür einzusetzen, dass die Regelung des 12 a Satz 2 Ziffer 1 SGB II insoweit geändert wird, als keine Verpflichtung besteht, ab einem Alter von 63 Jahren einen Rentenantrag zu stellen. 3. Der Antrag Nr / A der Stadtratsfraktionen DIE GRÜNEN/RL und der SPD vom ist geschäftsordnungsgemäß behandelt. 4. Dieser Beschluss unterliegt nicht der Beschlussvollzugskontrolle.
6 Seite 6 III. Beschluss nach Antrag. Der Stadtrat der Landeshauptstadt München Die Vorsitzende Die Referentin Christine Strobl Bürgermeisterin Brigitte Meier Berufsm. Stadträtin IV. Abdruck von I. mit III. über den Stenografischen Sitzungsdienst an das Direktorium - Dokumentationsstelle an die Stadtkämmerei an das Revisionsamt z. K. V. Wv. Sozialreferat 1. Die Übereinstimmung vorstehenden Abdrucks mit der beglaubigten Zweitschrift wird bestätigt. 2. An das Sozialreferat, S-III-M An den Seniorenbeirat An den Behindertenbeauftragten An den Behindertenbeirat An die Frauengleichstellungsstelle An den Ausländerbeirat z. K. Am I.A.
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